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Schauraum im Schatten von Solingen | Zwei Jahre in Münster: Ein Gespräch mit einer ukrainischen Familie | Unbezahlte Werbung: Pop-up-Kaffeestand am Domplatz
Guten Tag,
nach dem Anschlag im Jahr 2011 auf der norwegischen Insel Utøya, bei dem 77 Menschen ermordet wurden, sagte der damalige norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg in einer Rede den bemerkenswerten Satz: „Unsere Antwort ist: mehr Demokratie, mehr Offenheit und mehr Menschlichkeit. Aber nie Naivität.“
Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe ist heute in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa, in dem er als Städtetagspräsident sprach, so weit zwar nicht gegangen, aber er sagte mit Blick auf den Messeranschlag von Solingen: „Wir können und wollen die Innenstädte nicht zu Festungen umbauen.“
Im Kontrast dazu steht die Überschrift auf der Startseite der „Bild“-Medien heute Morgen, die einen Ausblick auf ein Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) im Bundeskanzleramt gaben. Der Titel: „Reden sie nur oder handeln sie jetzt?“ In etwa so klang auch die Betreffzeile einer Rundmail, die Friedrich Merz vorher rumgeschickt hatte. Titel: „Jetzt reicht’s – Zeit für entschlossenes Handeln.“ Jetzt will er laut „Bild” die „nationale Notlage“ ausrufen. Größer geht’s nicht.
Heute lesen Sie im Brief:
- Hafen-Flaniermeile ganz ohne Grün
- Missbrauchsfälle: Neue Vorwürfe gegen toten Priester
- Wieso ist Münster so versiegelt wie München?
- Zwei Jahre in Münster: Interview mit einer Familie aus der Ukraine
- Ein-Satz-Zentrale: Höhere Kita-Gebühren?
- Unbezahlte Werbung: Dieks Kaffee & Curry
- Klima-Update: Klima-Barcamp
- Drinnen und Draußen: Heute Preußen in der ARD
Jetzt reicht’s. Das ist das Gefühl, das in der Luft liegt, das den Wunsch nach Messerverboten, einer schärferen Migrationspolitik und überhaupt nach mehr Härte mit sich bringt. Noch etwas wichtiger als Handeln per se wäre allerdings, so zu handeln, dass es am Ende was bringt.
In der „Süddeutschen Zeitung“ hat vor ein paar Tagen der Polizist Jan-Denis Wulff aus Nordrhein-Westfalen kritisiert, dass auf Gewalttaten üblicherweise symbolische Maßnahmen folgen, die das Sicherheitsempfinden verbessern, aber nicht mehr.
Wenn Messer verboten werden oder die zulässige Klingenlänge verkürzt wird, klingt das wunderbar entschlossen. Wenn der Täter ein Küchenmesser mitbringt wie in Solingen, hilft das allerdings wenig. Wulff schreibt, wenn man grundlegend etwas ändern wolle, müsse man an den Ursachen für Kriminalität arbeiten – in Schulen, Jugendzentren oder Sportvereinen.
Kurzfristig reicht das nicht aus. Aber Aktionismus eben auch nicht. „Oft haben wir starke Gesetze. Doch selbst das härteste und klügste Gesetz ist am Ende nicht wirksam, wenn es an Menschen in den Sicherheitsbehörden fehlt, die es auch durchsetzen können“, sagte Wulff. Und damit sind wir bei einem Problem, das wir aus allen möglichen Berufen schon kennen. Das ist der Fachkräftemangel.
Den gibt es auch bei der Polizei. Und wenn man darüber spricht, muss man vielleicht auch über Themen reden, die nicht ganz so beliebt sind. Zum Beispiel darüber, dass Polizeibeamte mit 62 Jahren in den Ruhestand gehen. Fachleute halten das nicht mehr für zeitgemäß.
Dieses Thema ist in der Politik nicht ganz so populär. Als NRW-Innenminister Reul im vergangenen Jahr das Pensionsalter bei der Feuerwehr von 60 auf 62 Jahre anheben wollte, gab es große Proteste. Am Ende einigte man sich auf die Pension ab 61.
In Münster beginnt am Donnerstag mit dem Kunst- und Kulturfest Schauraum die nächste Großveranstaltung in der Innenstadt. Drei Tage lang wird die Innenstadt voller Menschen sein. „Öffentliche Plätze sind die Herzen unserer Städte, hier kommen Menschen zusammen und miteinander ins Gespräch“, hat Markus Lewe im Interview gesagt. Dieses Miteinander sei stärker als der Hass.
Allein aufs Miteinander vertrauen will die Stadt aber nicht. Das Kommunikationsamt teilt auf Nachfrage mit, die Stadt werde mehr Ordnungskräfte einsetzen. Außerdem denke die Stadt über Sperrungen nach. (rhe)
+++ In der Ein-Satz-Zentrale haben wir am Freitag über ein neues Bauprojekt der Stadt informiert: Die noch nicht renovierte Hafensüdseite, die B-Seite (oder B-Side), soll verschönert werden, genauer gesagt: Dort soll eine „Flaniermeile“ entstehen, wie wir schon schrieben. Damit man sich etwas darunter vorstellen kann, hat die Stadt den Entwurf in diesem Bild visualisiert. Sehen Sie da einen Baum oder ein Blumenbeet? Eine RUMS-Leserin sah es auch nicht. Sie wollte wissen, warum die Stadt auf der neuen Flaniermeile kein Grün anbringen möchte. Das Presseamt antwortet, das mit dem Grünzeug sei nicht so einfach. Im Boden steckten Leitungen und Spundwände. Außerdem wolle man beim Umbau den ursprünglichen Charakter der Hafensüdseite mit dem Gleisbett erhalten. Sonnenschutz brauche es auf der B-Seite am Hafen nicht. Die Gebäude würfen den ganzen Tag lang Schatten, schreibt das Presseamt. Auf meine Frage, warum kein mobiles Stadtgrün (also Blumen- oder Baumkübel) eingeplant ist, geht die Stadt nicht ein. Immerhin: „In der näheren Umgebung, beispielsweise auf dem Hafenplatz, am ehemaligen Kohlebunker, an der Hafenspitze und auch am Stadthafen 2 sind zahlreiche Grünräume und unversiegelte Flächen vorgesehen“, schreibt die Stadt. (sfo)
+++ Im April 2023 hat Bischof Felix Genn einen Verweis und eine Verwarnung an einen katholischen Priester im Ruhestand ausgesprochen: Er durfte dadurch keine priesterlichen oder seelsorgerischen Tätigkeiten mehr in der Öffentlichkeit wahrnehmen. Zuvor hatten sich Ende 2022 zwei Betroffene bei der Interventionsstelle des Bistums Münster gemeldet und sich über übergriffiges Verhalten beschwert. Gestern sind neue Einzelheiten zu den Vorwürfen bekannt geworden: Wie das Bistum mitteilte, ging es bei den Beschwerden um „grenzüberschreitendes, unangemessenes und sexualisiertes Verhalten im Zusammenhang mit seelsorgerischer Begleitung“. Der beschuldigte Priester arbeitete von 1974 bis 1992 als geistlicher Begleiter am Collegium Borromaeum. Das Bistum hat erst jetzt nähere Angaben zu den Vorfällen gemacht, weil der Priester im Februar verstorben ist. Solange er lebte, durfte das Bistum laut Pressemeldung keine Angaben machen, die auf die Identität des Beschuldigten schließen ließen. Im November 2022 stellte die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen den Priester ein, weil die mutmaßlichen Straftaten verjährt waren. Das Bistum sucht jetzt nach weiteren Betroffenen. (sfo)
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+++ Am Freitag hatten wir im RUMS-Brief eine Studie des Gesamtverbands der Versicherer (GDV) verlinkt, nach der Münster im NRW-weiten Städtevergleich die viertmeiste versiegelte Fläche hat. Zwei Leser haben sich danach bei uns gemeldet und das Ergebnis der Studie hinterfragt. Ihnen war aufgefallen, dass laut Studie weniger als 50 Prozent der Fläche in München versiegelt sind, in Münster aber 51 Prozent. Beide Städte sind mit ungefähr 300 Quadratkilometern gleich groß, bloß leben in München bekanntlich rund 1,2 Millionen mehr Menschen als in Münster. Wie kann das sein? Der Pressesprecher des GDV antwortet uns, die Studienergebnisse beziehen sich nur auf die Siedlungsfläche. Das restliche Stadtgebiet blieb in der Auswertung außen vor. In der Versiegelungsstudie von 2018 hat sich der GDV allerdings noch die kompletten Stadtgebiete angeschaut. Damals ist herausgekommen: In München sind 46 Prozent versiegelt (Höchstwert in Deutschland!) – in Münster nur 17,9 Prozent. Wir haben die Formulierung im RUMS-Brief angepasst und einen Hinweis auf diese Meldung hinzugefügt. (sfo)
Interview mit Andrii und Kateryna Holos
„Wir können immer noch nicht glauben, wie viel Glück wir hatten“
Herr und Frau Holos, wann haben Sie beschlossen, das Land zu verlassen?
Andrii: Unsere Stadt stand von Anfang an unter ständigem Beschuss. Daher entschied ich schon am 4. März 2022, Kateryna und die Kinder in Sicherheit zu bringen. Das war eine Woche nach Beginn der Invasion. Da explodierten die Bomben schon in der Nähe unseres Hauses.
Warum wollten Sie nach Deutschland?
Andrii: Weil dort Bekannte lebten. In Münster wohnte der beste Freund meines Vaters. Die beiden kennen sich aus ihrer Schulzeit in der Ukraine.
Wie kamen Sie aus der Stadt?
Andrii: Wir fanden eine Initiative, die Frauen und Kinder evakuiert und mit Bussen an die polnische Grenze bringt. Wir packten zwei Rucksäcke mit dem Allernötigsten, weil wir anfangs glaubten, dass Kateryna und die Kinder nach wenigen Wochen wieder zurück sein würden.
Was ging in Ihnen vor, als Sie im Bus saßen?
Kateryna: Wir hatten große Angst. Wir hatten gehört, dass russische Flugzeuge auch Busse auf der Evakuierungsstrecke beschossen.
Wie verlief Ihre Flucht?
Kateryna: Der Busfahrer setzte uns auf der ukrainischen Seite ab. Uns war eisig kalt. Es lag Schnee. Der Bus war unbeheizt. Wir standen mitten im Nichts und wussten nicht, wohin. Dann bewegten wir uns mit dem GPS-System meines Smartphones in Richtung polnisches Staatsgebiet, bis wir in der Ferne Zelte sahen. Dort kamen wir in einem Zentrum unter, das polnische Ehrenamtliche aufgebaut hatten.
Wie kamen Sie nach Deutschland?
Andrii: Ich habe einen Freund, der seit Langem in Koblenz lebt. Den bat ich, Kateryna und die Kinder zu holen. Er fuhr umgehend und ohne Pausen an die Grenze. 1400 Kilometer pro Strecke. Von Koblenz aus fuhr ein alter Mitschüler aus Gelsenkirchen die beiden nach Münster. Dort übernachteten wir bei einem anderen Schulfreund. Zwei Tage später gingen wir in die Erstaufnahmeeinrichtung in der Oxford-Kaserne. Dort wies man uns ein Wohnheim in Kinderhaus zu.
Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie am Ziel waren?
Kateryna: Ich erinnere mich, wie müde, aber auch wie glücklich wir waren.
Herr Holos, Sie blieben das erste halbe Jahr in der Ukraine, besuchten Ihre Familie aber mehrfach. Dabei durften ukrainische Männer eigentlich nicht ausreisen. Wie war das möglich?
Andrii: Die ukrainischen Behörden hatten mir für sechs Monate eine Sondergenehmigung ausgestellt, die es mir erlaubte, das Land zu verlassen. Ich sollte für den ukrainischen Staat nach Fahrzeugen suchen, die sich für den Einsatz an der Front oder die Evakuierung von Zivilisten eignen. Jeeps und Pickups, die die Soldaten mit Raketen bestückten, um sie zum Beispiel gegen russische Drohnen einzusetzen. Da bin ich durch Deutschland gereist und habe Kateryna und die Kinder besucht. Allerdings nur drei Mal.
Frau Holos, die Erleichterung, in Sicherheit zu sein, hielt nicht lange an. Kurz nach Ihrer Ankunft stellten Ärzte bei Ihnen eine ernsthafte Krankheit fest. Sie brauchten Hilfe, jemand musste sich um die Kinder kümmern? Wer half Ihnen?
Kateryna: Ehrenamtliche aus Münster, allen voran Valentin Peschanskyi, auch später immer wieder. Die Ehrenamtlichen koordinierten die Arzttermine und Krankenhausbesuche sowie die Korrespondenz mit den Behörden. Manchmal ging es nur darum, einige Sätze in einem Arztgespräch zu übersetzen. Das machten wir über die App Telegram. Ehrenamtliche übersetzten dort Anfragen. Sie halfen uns auch beim Arbeitsamt, bei der Korrektur von Briefen für die Wohnungssuche oder im Krankenhaus. Wir sind diesen Menschen sehr dankbar.
Wie war das Leben in der Unterkunft?
Andrii: Als ich nach einem halben Jahr nach Münster kam und zu meiner Familie zog, lebten wir zu viert in einem etwa 20 Quadratmeter großen Zimmer mit vier Betten, einem Tisch und zwei Eisenschränken. Die Toilette teilten wir uns mit vier weiteren Personen, die Küche mit einer anderen Familie. Um die Dusche zu nutzen, stellten wir uns in einer Schlange an. In dem Haus lebten Geflüchtete unterschiedlicher Nationalität. Wir konnten uns mit den allerwenigsten verständigen. Es war wenig Platz, aber wir waren dankbar, weil wir vor Beschuss und Raketen sicher waren. In Sorge waren wir trotzdem und sind es immer noch. Unsere Eltern leben weiterhin in Schytomyr.
Hatten Sie Kontakt zu den Menschen in Münster?
Kateryna: Wenig. Um nicht zu sagen: gar keinen – bis auf den Kontakt zu Ärzten, den Menschen in den Ämtern und den Ehrenamtlichen. Anfangs sprachen wir noch nicht so gut Deutsch, dass wir längere Gespräche führen konnten. Wir redeten mit denen, die Ukrainisch oder Russisch sprachen. Aber wir wollten und wollen uns in die Gemeinschaft integrieren. Der Schlüssel dafür ist die Sprache.
Wo hat sich Ihr Alltag abgespielt?
Kateryna: Vor allem in der Unterkunft. Mir fehlte wegen meiner schlechten Gesundheit die Kraft, viel unterwegs zu sein. Ich brauchte Ruhe. Davon gab es in der Unterkunft nur wenig. Daher haben wir uns irgendwann eine eigene Wohnung gesucht. Das war allerdings ein langer Weg. Es hat anderthalb Jahre gedauert.
Wie haben Sie das gemacht?
Andrii: Als Erstes haben wir einen Brief an das Wohnungsamt der Stadt Münster geschrieben. Ich schrieb, wir würden jede Wohnung in jedem Viertel nehmen. Am wichtigsten war uns, dass Kateryna sich von ihren Operationen erholen und die Kinder konzentriert lernen konnten. Auf unseren Brief meldete sich dann aber niemand.
Wie haben Sie reagiert?
Andrii: Ich fuhr direkt zum Amt in die Bahnhofsstraße und fragte nach. Der zuständige Mitarbeiter versicherte uns, dass die Anfrage angekommen sei und sie uns per Post eine Antwort geschickt hätten. Es gebe zurzeit keine freien Wohnungen. Der Brief kam aber nie an. Er muss irgendwo verloren gegangen sein.
Kateryna: Das Wohnungsamt koordiniert die Wohnungssuche von geflüchteten Menschen. Wir füllten danach ein Formular aus. Ein Sozialarbeiter half uns. Er schlug vor, zwei Wunschorte anzugeben. Wir wählten Kinderhaus, weil unsere Kinder dort zur Schule gingen, und Sprakel. Das hat unsere Suche aber eher verlängert, weil es sie einschränkte.
Wie hat es dann geklappt?
Andrii: Nach mehreren Monaten bekamen wir einen guten Hinweis. Jemand erzählte uns, dass beim Wohnungsamt eine Frau aus Odessa arbeitet, die Ukrainisch und Russisch spricht. Ich rief sie an und fuhr zu ihr. Sie gab uns den Tipp, unsere Wohnortpräferenzen zu entfernen. Das brachte uns einen großen Schritt weiter. Und die Frau gab mir eine Liste mit Wohnungsgesellschaften in Münster, die auch Wohnungen an Geflüchtete vergeben. Kurz darauf erfuhr ich, dass die Frau am Tag, nachdem ich bei ihr war, ihren letzten Arbeitstag hatte. Wäre ich eine Woche später zu ihr gekommen, hätte ich sie gar nicht mehr getroffen. Wer weiß, wie lange wir dann noch gesucht hätten. Wir können immer noch nicht glauben, wie viel Glück wir hatten.
Danach fanden Sie sofort eine Wohnung?
Andrii: Nein. Ich schrieb Briefe und E-Mails. Wir kontaktierten private Anbieter. Irgendwann begann ich, die Büros persönlich aufzusuchen. Aber es half alles nichts. Erst als mein Freund aus Gelsenkirchen sich einschaltete, der uns schon aus Koblenz nach Münster gefahren hatte, kamen wir weiter. Er erklärte den Wohnungsgesellschaften Katerynas Situation nach den Operationen. Wenige Tage später hatten wir eine Einladung zu einer Besichtigung. Ich sagte unserem Übersetzer, er solle dem Makler sagen: Wir nehmen die Wohnung, ohne sie gesehen zu haben. Aber dann ist es doch noch gescheitert.
Woran?
Andrii: Die zuständige Frau vom Arbeitsamt sagte uns, die Wohnung entspreche nicht den Richtlinien. Sie sei zu klein. Daher könne das Amt sie nicht zahlen.
Wie groß war die Wohnung?
Andrii: 74 Quadratmeter groß. Wir wären auch in eine noch kleinere Wohnung gezogen. Für uns war das mehr als genug. In der Ukraine hatten wir auf 60 Quadratmetern gewohnt. Aber in Deutschland müssen es bei einer vierköpfigen Familie 90 Quadratmeter sein. Wir verstehen bis heute nicht, warum der deutsche Staat es so kompliziert macht.
Was haben Sie dann gemacht?
Andrii: Ich habe ein Schreiben verfasst, in dem Kateryna und ich uns damit einverstanden erklärten, in eine andere Wohnung zu ziehen. Aber es nützte nichts. Es scheiterte an den Vorgaben. Zum Glück bot uns die Wohnungsgesellschaft kurz darauf eine andere Wohnung an. Am 16. Juni 2023 hielten wir die Schlüssel in den Händen. Nach etwa elf Monaten Suche. Das Datum werde ich nie vergessen.
Ihr Sohn geht inzwischen in den Kindergarten, Ihre Tochter zur Schule. Wie geht es den beiden?
Kateryna: Sie fühlen sich wohl, sie lernen schnell Deutsch, mein Sohn Yevhenii etwas schneller als meine Tochter. Er geht zum Boxen. Meiner Tochter Daria hilft es, dass sie weiterhin digital am Unterricht ihrer Heimatschule teilnimmt und so den Kontakt hält. Aber natürlich beschäftigt die Kinder noch, was sie in den ersten Kriegstagen erlebt haben. Außerdem vermissen sie ihren Hund. Der ist bei meinen Eltern geblieben.
Sie sind jetzt etwas mehr als zwei Jahre in Münster. Wie stellen Sie sich die Zukunft vor?
Andrii: Anfangs wollten wir schnell zurück in die Ukraine. Wir fanden in Deutschland schwer Anschluss. Vor allem wegen der Sprachbarriere und der zähen Bürokratie. Nach zwei Jahren hier sind wir aber schon sehr viel unabhängiger geworden und können vieles ohne Hilfe erledigen. Die Kinder haben schon gesagt, sie wollen in Deutschland studieren. Kateryna und ich suchen weiter Arbeit. Ich hoffe, ich finde etwas, wenn ich den Integrationskurs abgeschlossen habe. Ich habe mich schon für eine Stelle am Fließband beworben. Wir fühlen uns der deutschen Gesellschaft zu großem Dank verpflichtet. Nicht nur den Ehrenamtlichen, sondern auch dem Staat, der uns und unsere Kinder finanziell unterstützt. Das wollen wir zurückgeben. Ich wollte schon immer hier leben und der Krieg hat uns hierher gebracht. Vielleicht ist es Zufall, vielleicht aber auch eine glückliche Fügung. (nen)
Das Gespräch wurde auf Russisch geführt. Dolmetscher war Valentin Peschanskyi. Andrey und Kateryna Holo danken ausdrücklich Andrey Dmitriev, Valery Pominchuk, Patrick Valouch, Valentin Peschankskyi und ihrem Freund Maxim Novikov für ihre Unterstützung bei der Flucht und beim Einleben in Münster.
+++ An der Weseler Straße soll künstliche Intelligenz den Busverkehr beschleunigen. (Stadt Münster)
+++ Die Stadt hat kurzfristig fünf Menschen in der Kfz-Zulassungsstelle eingestellt, damit es mit den Führerscheinen und Fahrzeuganmeldungen schneller geht. (Stadt Münster)
+++ Um ihren Haushalt zu sanieren, schlägt die Stadt vor, die Kita-Gebühren und Beiträge für Ganztagsbetreuung zu erhöhen. (Westfälische Nachrichten)
+++ Münsters CDU wie auch Verkehrsclub VCD kritisierten den Förderstopp für neue E-Busse, streiten aber darüber, wer für den Wegfall der Förderung verantwortlich ist. (Westfälische Nachrichten)
+++ Der Islamforscher Mouhanad Khorchide hat muslimische Gemeinden nach dem Messeranschlag von Solingen aufgefordert, sich von Extremismus zu distanzieren und Maßnahmen gegen die Radikalisierung junger Muslime gefordert. (WDR)
+++ Das „Forum für freiwillig Engagierte“, zu dem Bischof Felix Genn am Samstag einlädt, soll Antworten auf die Frage „Welche Kirche wollen wir sein?“ suchen. (Bistum Münster)
+++ In einem Monat starten 160 Schülerinnen und Schüler ihre Ausbildung an der neuen Schule für pharmazeutisch-technische Assistenten in Mecklenbeck – doppelt so viele wie bisher. (Westfälische Nachrichten)
+++ Bei einem Tretbootrennen auf dem Aasee am Wochenende sind über 40.000 Euro für die Kinderkrebshilfe Münster zusammengekommen. (Alles Münster)
+++ Ein 18-jähriger Autofahrer ist am Wochenende an der Eisenbahnstraße bei Regen in eine Menschengruppe gefahren und hat sieben Menschen verletzt, vier von ihnen schwer. (Antenne Münster)
+++ Auf dem Gelände von Blauweiß Aasee hat am Wochenende das mit 30 Mannschaften größte inklusive Fußballturnier in Westfalen stattgefunden. (Westfälische Nachrichten)
Anonymer Briefkasten
Haben Sie eine Information für uns, von der Sie denken, sie sollte öffentlich werden? Und möchten Sie, dass sich nicht zurückverfolgen lässt, woher die Information stammt? Dann nutzen Sie unseren anonymen Briefkasten. Sie können uns über diesen Weg auch anonym Fotos oder Dokumente schicken.
Die Stadt Münster lädt am 13. September zum „KlimaBarCamp“ in die Mathilde-Anneke-Gesamtschule ein. Es geht um Themen rund um Klimawandel, Klimaschutz und Klimaanpassung. Barcamp bedeutet: Wer mitmacht, kann selbst Themen vorschlagen und dazu dann Gesprächsrunden leiten. Moderieren werden das Camp Kai Heddergott und Nathalie Nehues. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung bis zum 8. September aber nötig.
„Dieks – Kaffee & Curry“ ist Ihnen sicherlich bekannt. Bis vor Kurzem hatte „Dieks“ eine Wurstbrathalle am Geisbergweg. An den Markttagen verkauft die Gastronomie gegenüber vom Landesmuseum Pommes und Currywurst. Jetzt hat „Dieks“ auch einen Kaffeestand am Domplatz, genauer gesagt auf dem Parkplatz hinter dem „Modehaus Schnitzler“. Die Pop-up-Gastronomie verkauft jeden Tag zwischen 10 und 21 Uhr Snacks sowie Cappuccino, Espresso und andere Wachmacher aus der Siebträgermaschine, daneben auch Limonade, Aperol und andere Kaltgetränke. An den Markttagen hat „Dieks“ wie gewohnt seinen Pommesstand. Dann ist der Parkplatz frei für zwei Apen (das sind schicke Mini-Transporter aus Italien), die Kaffee und Aperol Spritz anbieten. Die Aktion hat die „Initiative starke Innenstädte“ organisiert und endet am 31. August.
Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!
Heute hat Katja Angenent einen Blick in den Terminkalender geworfen. Diese Veranstaltungen kann sie Ihnen empfehlen:
+++ Von Dienstag bis Samstag zeigt das generationenübergreifende Ensemble Theater X jeweils um 20 Uhr nochmals das gefeierte Stück „Einer flog über das Kuckucksnest“ in der Meerwiese. Im Schauspiel geht es, genau wie im gleichnamigen Filmklassiker, um den lebenslustigen McMurphy, der sich, um nicht ins Gefängnis zu müssen, in eine Nervenheilanstalt einweisen lässt. Karten kosten 15 Euro.
+++ Am Mittwoch läuft im Cinema um 18:30 Uhr der Dokumentarfilm „Ein Traum von Revolution“, der die Zeit nach dem Sieg der Revolution in Nicaragua behandelt. Tausende westdeutsche Unterstützer:innen reisten in den 1980er-Jahren in das Land, um zu helfen. Der Film fragt danach, was 45 Jahre später aus ihnen und ihren Träumen geworden ist. Im Anschluss steht Regisseurin Petra Hoffmann dem Publikum für ein Gespräch zur Verfügung.
+++ Am Mittwoch lädt „Debatte e.V.“ außerdem um 19:30 Uhr zu einer Podiumsdiskussion in die Stadtbücherei. Es geht um den „Kampf für die Demokratie – von Europa bis in jede Kommune“. Darüber spricht die grüne Landtagsabgeordnete Dorothea Deppermann mit Grünen-Bundestagsabgeordneten Lamya Kaddor und der Ex-RUMS-Kolumnistin Marina Weisband. Die Teilnahme ist kostenlos, aber eine vorherige Anmeldung nötig.
+++ Ebenfalls um die Stärkung der Demokratie geht es bei einem Vortrag mit dem Titel „Gemeinsam gegen Desinformation im Internet vorgehen“. Das ist das Ziel des „Forum gegen Fakes“, das noch Mitstreiter:innen sucht. Am Donnerstag um 16:30 Uhr wird das Projekt in der Stadtbücherei vorgestellt.
+++ Wenn Thomas Hitzlsperger ein Foto aus der Bernhard-Ernst-Straße auf Instagram postet, dann kann das nur einen Grund haben: Er ist als Experte für das DFB-Pokalspiel in Münster. Heute Abend spielen die Preußen im ausverkauften Stadion an der Hammer Straße gegen den VfB Stuttgart. Wenn Sie kein Ticket bekommen haben, schalten Sie am besten zum Anpfiff um 20:45 Uhr den Fernseher an. Dann wird das Spiel im Ersten und beim Bezahlsender „Sky“ übertragen. Chefcoach Sascha Hildmann kündigt nach dem verpatzten Start in die zweite Fußballbundesliga vorab Großes an. Er sagte der dpa: „Jeder Einzelne wird bei uns ein Stück weit über sich hinauswachsen, um die Sensation schaffen zu können.“
Am Freitag schreibt Ihnen Sebastian Fobbe. Ich wünsche Ihnen eine gute Woche!
Herzliche Grüße
Ralf Heimann
Mitarbeit: Sebastian Fobbe (sfo), Jan Große Nobis (jgn), Katja Angenent (kan), Nikolas Ender (nen) – das bedeutet: Die einzelnen Texte im RUMS-Brief sind von der Person geschrieben, deren Kürzel am Ende steht.
Lektorat: Maria Schubarth
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PS
Im September sind Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Die AfD wird voraussichtlich sehr gut abschneiden. Herbert Grönemeyer hat mit seiner Aktion „Kein Millimeter nach rechts“ dazu aufgerufen, sein Lied „Fall der Fälle“ zu verbreiten. Die Aktion klingt ein wenig wie der Name von Münsters Bündnis „Keinen Meter den Nazis“. Das wäre jetzt aber eine sehr dünne Verbindung nach Münster. Es gibt aber noch eine. Der Chor „Chor and More“ aus Albachten ist Grönemeyers Aufruf nachgekommen, hat das Lied gesungen und mithilfe einer Drohne ein Video dazu aufgenommen. Wollen Sie mal sehen? Hier entlang.
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