Stadthafen: Mehr als zehn Interessenten | Was will die Stadt mit dem Klimabeirat? | Unbezahlte Werbung: Boulevard-Theater

Porträt von Ralf Heimann
Mit Ralf Heimann

Guten Tag,

kurz vor Weihnachten hat die LVM-Versicherung ein Grundstück am Stadthafen an die Stadtwerke zurückgegeben, auf dem sie eigentlich Wohnungen und Büros bauen wollte. Möglich war das unter anderem, weil in einem der Verträge stand: Wenn es bis Ende 2020 keinen Bebauungsplan gibt, dann hat der Käufer ein Umtauschrecht.

Hat die Stadt es also selbst verbockt, weil sie sich mit den Vorbereitungen zu viel Zeit gelassen hat? Wieso dauert das Ganze überhaupt schon über zehn Jahre? Wie geht es jetzt weiter? Und wann ist endlich alles fertig?

Unter anderem diese Fragen hatten die Grünen dazu veranlasst, heute Abend eine Sondersitzung der zuständigen Ausschüsse für Stadtplanung und Finanzen zu beantragen.

Es begann mit einer kleinen Diskussion darüber, ob das nötig gewesen wäre. Der Planungsausschuss-Vorsitzende Dietmar Erber fand, nicht. Was hier gleich besprochen werde, wüssten die Anwesenden ohnehin schon, sagte er. Grünen-Fraktionschef Christoph Kattentidt widersprach. Er verwies unter anderem auf die WDR-Fernsehkamera und die knapp 30 Gäste im Rathausfestsaal.

Da saßen zum Beispiel der frühere Stadtdirektor Hartwig Schultheiß, den das Osmo-Gelände schon damals beschäftigt hatte, da war der Architekt Rainer Maria Kresing, einer der übrigen Investoren, und da saß der Verleger Wolfgang Hölker, der aus seinem Verlag am Hafen auf die Brache schaut, um die es hier gehen sollte.

Seit über zehn Jahren tut sich auf dieser Fläche nichts. „Je komplexer die städtebauliche Dichte und je mehr Beteiligte involviert sind, desto länger dauern solche Verfahren“, sagte Stadtplanungsamtsleiter Christopher Festersen in einer kleinen Präsentation zur Einführung. Und die Sache am Hafen sei sehr kompliziert.

Auf einer Folie zeigte er eine Liste mit mehreren Bauprojekten in Münster. Dahinter vermerkt: die Dauer der Planverfahren. Anderthalb Jahre, drei Jahre, vier Jahre. Die Verzögerungen seien „üblich und nicht ungewöhnlich“, sagte Festersen. Dann ging es weiter mit alten Visualisierungen, aus denen nie etwas geworden ist.

Aber wann wird es denn jetzt was? Und was wird als Nächstes passieren? Am wichtigsten sei, die vertraglichen Fragen mit der LVM zu klären, sagte Stadtbaurat Robin Denstorff. Das werde noch im ersten Halbjahr passieren. Den Entwurf des Bebauungsplans wolle man noch vor der Kommunalwahl öffentlich auslegen. Das ist ein notwendiger Schritt in dem Verfahren. Anfang nächsten Jahres soll der neue Rat den Plan gleich in seiner ersten Sitzung beschließen.

Dann soll auch feststehen, wer das Grundstück übernimmt. Die Stadtwerke wollen es schnell loswerden, das ließ Stadtwerke-Geschäftsführer Frank Gäfgen durchscheinen. Im Moment kläre man noch mit der LVM, wer welche Kosten übernimmt. Da gebe es unterschiedliche Vorstellungen.

Den neuen Investor will die Stadt noch in diesem Jahr finden. Mangelndes Interesse wird dabei nicht das Problem sein. Es gebe mehr als zehn Interessenten, auch sehr ernsthafte, sagte Robin Denstorff. „Jetzt müssen wir einen Partner finden, der die Vorgaben der Stadt akzeptiert und umsetzt“, sagte er. Das wird vermutlich der schwierige Teil.

Anonymer Briefkasten

Anonymer Briefkasten

Haben Sie eine Information für uns, von der Sie denken, sie sollte öffentlich werden? Und möchten Sie, dass sich nicht zurückverfolgen lässt, woher die Information stammt? Dann nutzen Sie unseren anonymen Briefkasten. Sie können uns über diesen Weg auch anonym Fotos oder Dokumente schicken.

zum anonymen Briefkasten

Der wirtschaftliche Rahmen hat sich verändert. Das ist der Grund dafür, dass viele Wohnbauprojekte umgeplant oder gar nicht erst umgesetzt werden. In einer der Fragen, die die Grünen dem Stadtbaurat im Vorfeld gestellt hatten, wollen die Grünen wissen, ob die Verwaltung damit rechne, dass die LVM an der Friedrichsburg bauen werde. Die Versicherung hatte angekündigt, sich jetzt auf dieses Projekt zu konzentrieren.

Mit allem, was sich an den Planungen am Hafen jetzt noch ändert, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass es doch wieder länger dauert. „Es ist entscheidend, dass wir uns jetzt an die bestehenden Planungen halten und keine zusätzlichen Diskussionen beginnen“, sagte Denstorff. Das bedeutet, der neue Investor muss schon vereinbarte Vorgaben akzeptieren.

Mindestens 30 Prozent geförderten Wohnraum, Dachbegrünung, Photovoltaikanlagen. Investoren müssen die Kosten für Erschließung und Infrastruktur übernehmen. Das alles hatte man schon festgelegt. Die SPD hatte damals vermerken lassen – das hatte Robin Denstorff herausgesucht –, man solle die Planungen stärker an den Bedürfnissen der Stadtgesellschaft ausrichten, nicht so sehr an den Wünschen der Investoren.

Das alles muss man dem neuen Investor aufs Auge drücken. Wird das so schwer sein bei einem Grundstück in dieser Lage? Mathias Kersting (CDU) ist zuversichtlich. Er sprach vom „Prinzipalmarkt des Hafens“ und sagte, man müsse jetzt nach vorne schauen. Ute Hagemann (SPD) befand ebenfalls, man dürfe die Planungen nicht in Frage stellen.

Jörg Berens (FDP) mahnte zwar an, sich das alles nicht zu schön zu reden. „Seit über zehn Jahren läuft dieses Projekt, und es steht noch kein Haus“, sagte er, fand aber ebenfalls, es sei wichtig, jetzt schnell weiterzukommen. So sah es auch Robin Korte (Grüne). Darin sind die Parteien sich also weitgehend einig. Jetzt müsste es eben nur noch anfangen, schnell zu gehen. (rhe)

Korrekturhinweis: In einer ersten Version hatten wir geschrieben, Christopher Festersen sei Bauamtsleiter und Dietmar Erber Vorsitzender des Finanzausschusses. Tatsächlich leitet Festersen das Stadtplanungsamt und Erber den Planungsausschuss. Wir haben das korrigiert.

Kurz und Klein

+++ Der Priester einer Pfarrei in Beckum wurde vom Bistum Münster aufgrund von Missbrauchsvorwürfen vom Dienst suspendiert. Dem Theologen wird sexueller Missbrauch in den Jahren 2000 und 2001 vorgeworfen, als er am Internat Loburg in Ostbevern tätig war. Die Vorwürfe gegen den Priester sind nicht neu: Schon 2015 und 2019 wurde ihm sexualisierte Gewalt vorgeworfen. Wie ein Sprecher des Bistums in der WDR-Lokalzeit sagt, gab es damals sowohl straf- als auch kirchenrechtliche Untersuchungen. Da die Beweislage als nicht ausreichend eingestuft wurde, habe es jedoch keine Möglichkeit gegeben, gegen den Priester einzuschreiten.Jetzt gab es neue Hinweise. Das mutmaßliche Opfer sei bereits 2022 finanziell entschädigt worden, wie die Westfälischen Nachrichten schreiben. Warum wurde der Priester dann erst jetzt freigestellt? Das bleibt unklar. Die Staatsanwaltschaft Münster untersucht derzeit, ob die Vorwürfe nach rund 25 Jahren juristisch verjährt sind. (ani)

+++ Wenn Sie am Samstag auf dem Prinzipalmarkt unterwegs waren, könnte Ihnen ein Koran in die Hand gedrückt worden sein. Eine Gruppe Muslime teilte dort die heilige Schrift des Islams aus. Die Aktion war angemeldet. Neben dem Koran lagen allerdings auch Flyer aus, deren Inhalt möglicherweise extremistische Propaganda enthielt. Die Polizei beschlagnahmte die Flyer, stoppte die Veranstaltung und leitete eine Strafanzeige gegen die Verantwortlichen ein. Hinter der Aktion wird die verbotene Gruppierung „Zakina“ vermutet, die laut Westfälischen Nachrichten bisher nicht in Münster aktiv war. Die Flyer stammen von der „Deutschsprachigen Muslim-Gesellschaft“ (DMG), die im Juni 2024 vom niedersächsischen Innenministerium verboten wurde. Grund waren salafistische Propaganda und demokratiefeindliche Inhalte. Auch antisemitische Ansichten und radikale Positionen gegen Homosexuelle führten zum Verbot. In Nordrhein-Westfalen ist die DMG zwar bislang nicht verboten, bundesweit wird sie aber vom Verfassungsschutz beobachtet, da sie islamistischen Organisationen nahe stehe. (ani)

+++ Seit gestern, 18 Uhr mitteleuropäischer Zeit, heißt der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wieder Donald Trump. Zu der Amtseinführung sind allerlei Promis aus der AfD nach Washington gereist, darunter Parteichef Tino Chrupalla und Bundestagsfraktionsvize Beatrix von Storch. Wie die „Welt“ berichtet, soll sich unter den Trump-Groupies aus Deutschland auch eine junge Frau aus Münster befunden haben: Naomi Seibt. Die 24-Jährige ist seit Jahren Influencerin der rechtsradikalen Online-Szene. Mittlerweile bezeichnet sie sich selbst als „Musk-Flüsterin“ (RUMS-Brief). Keine Verschwörungslegende ist der ehemaligen Einserschülerin zu peinlich: So behauptete Seibt auf ihrem Youtube-Kanal, Hillary Clinton sei in einen weltumspannenden Kinderschänderring verwickelt, der von einer Pizzeria aus agiere, und der Möbelversand „Wayfair“ handle in Wahrheit mit verschleppten Kindern. Dazu gesellen sich noch die üblichen Falschmeldungen über die Covid-19-Impfung und die Klimakrise. Inzwischen konzentriert sich Naomi Seibt vollständig auf die US-Politik. Laut einem Bericht des Berliner „Tagesspiegels“ lebt Seibt auch gar nicht mehr in Münster, sondern in den Staaten. Der Grund: Das Leben in Deutschland sei für die offline weitestgehend unbekannte Influencerin nach eigener Aussage zu gefährlich. (sfo)

+++ 33 Tage bis zur Bundestagswahl – ein guter Zeitpunkt, um auch auf die bürokratischen Vorbereitungen zu schauen. Ab Mittwoch berät das Wahlamt im Stadthaussaal in allen Fragen ums Organisatorische zum 23. Februar. Neu zugezogene oder im Ausland lebende Münsteraner:innen können sich ins Wählerverzeichnis eintragen, außerdem können Sie dort die Briefwahl beantragen. Geöffnet ist das Büro montags bis freitags von 8 bis 12 Uhr, donnerstags zusätzlich von 14 bis 18 Uhr. Die Wahlbenachrichtigungen sollen bis Ende Januar verschickt werden. Die Briefwahlunterlagen können Sie ab dem 5. Februar bei der Verwaltung abholen oder per QR-Code auf der Benachrichtigungskarte online beantragen. (ani)

Zahlen, bitte.
RUMS-Carsharing_21012025

344 Carsharing-Fahrzeuge sind in Münster unterwegs. Auf Münsters Einwohner:innen umgerechnet teilen sich somit 1.000 Personen ein Leihauto. Diese Zahlen hat der Bundesverband Carsharing Ende 2024 für sein Städteranking erhoben. Die erfreuliche Nachricht darin: Die deutschen Städte sind immer besser mit Carsharing-Angeboten versorgt. Münster schneidet darin recht gut ab (Platz 21 von 155). Spitzenreiter ist die Stadt Karlsruhe in Baden-Württemberg. Die Carsharing-Dichte liegt dort bei mehr als fünf Fahrzeugen für 1.000 Menschen.

(Quelle: Bundesverband Carsharing)

Hier finden Sie alle unsere Infografiken. Sollte Ihnen eine davon besonders gut gefallen, teilen Sie sie gerne!

Ratlos im Beirat

Die Stadt Münster lässt sich in Klimafragen von renommierten Fachleuten beraten. In der Runde fragen sich einige: Warum überhaupt?

Als der Energieexperte Norbert Allnoch Ende 2023 etwas resigniert aus Münsters Klimabeirat zurücktrat, erzählte er in seiner letzten Sitzung zum Abschied eine Geschichte. Sie handelt von einem Bergdorf, das von Lawinenabgängen bedroht ist.

Ein Teil der Menschen im Dorf ist ratlos. Ein anderer Teil hält es für lohnenswert, etwas gegen die Lawinen zu unternehmen. Der Dorfrat beschließt ein ambitioniertes Schutzprogramm. Das Dorf macht große Pläne. Doch das Vorhaben scheitert immer wieder an allen möglichen Hindernissen.

Am Ende pflanzen die Bewohner ein paar Bäume, machen Informationsveranstaltungen und kaufen Zertifikate, die den Schutz vor Lawinen in anderen Regionen finanzieren. An der Gefahr vor Ort ändert das nichts. Aber die Außenwirkung ist enorm. Das Dorf gilt von nun an als Vorreiter.

Norbert Allnoch nennt seine Geschichte eine „Satire“, aber ihre Botschaft hat einen bitteren Unterton. Die Lawinengefahr, das soll die Klimakrise sein, das Bergdorf die Stadt Münster.

Norbert Allnoch hat zwölf Jahre lang in Münsters Klimabeirat sein Wissen zur Verfügung gestellt, um daran mitzuwirken, den Übergang von der schmutzigen zur sauberen Energie hinzubekommen. Doch mit der Zeit hatte er immer mehr das Gefühl, dass sein Aufwand in keinem Verhältnis zu dem steht, was sich in Münster bewegt.

Klimaziel aufgeben?

Vor einem Jahr, kurz nach seinem Rücktritt, sagte Allnoch in einem Gespräch, im Grunde sei der Klimabeirat eine „Informationsplattform“, ein Ort zum Austausch. Der Blick richte sich jedoch vor allem zurück, nicht nach vorne. Es werde viel geredet, es würden Papiere erstellt. „Aber irgendwann liegt dann die nächste Klimabilanz auf dem Tisch, und man stellt fest: Wir sind doch noch nicht weitergekommen.“

Mit diesem Gefühl ist Allnoch nicht allein. Im Verlauf der vergangenen Monate haben wir Gespräche mit Mitgliedern und ehemaligen Mitgliedern des Klimabeirats geführt. Aus ihnen ergibt sich ein vielschichtiges Bild. Einerseits sitzen in dem Gremium renommierte Fachleute, die Enthusiasmus mitbringen und sich ehrenamtlich engagieren, weil sie den Klimabeirat für eine gute Sache halten. Andererseits scheint an vielen Stellen Frustration durch, weil Anregungen und Ratschläge aus der Runde verpuffen oder im Rathaus versickern.

Deutlich wird das zum Beispiel in den Veröffentlichungen, die zuletzt eher selten waren. Im März 2023 schrieb der Klimabeirat eine Stellungnahme mit der Überschrift: „Münster wird erst 2090 klimaneutral – wenn es so weitergeht…“ Im November 2024 kommentierte das Gremium den kurz zuvor beschlossenen Klimahaushalt, der zeigen soll, wo Münster steht und wie es vorangeht.

Neben anerkennenden Worten verpackte der Beirat in seiner Stellungnahme den Ratschlag, das Ziel „Klimaneutralität bis 2030“ aufzugeben. Das noch zu erreichen, hielten inzwischen alle relevanten Akteure für nahezu ausgeschlossen. Stattdessen schlugen die Fachleute vor, sich einzelne Teilziele zu setzen, bei denen die Aussichten besser wären, sie auch einhalten zu können.

Die Stadtverwaltung ließ den Ratschlag verhallen. Öffentlich äußerte sich dazu aus dem Rathaus niemand. Wenn es um das Thema geht, wiederholt der Oberbürgermeister mantrahaft eine Formulierung, die schon fünf Jahre vor dem Stichtag das Scheitern erklären soll. Die Klimaneutralität sei immer ein Ziel gewesen, kein Versprechen.

„Gefühl der Frustration bis hin zur Resignation“

Aber was will die Stadt mit einem hochkarätig besetzten Gremium, wenn sie auf dessen Ratschläge nicht hört? Beziehungsweise: Was erwartet und erhofft sie sich überhaupt von dem Beirat?

Das ist auch einigen der Fachleute nicht ganz klar, die in der Runde sitzen. Nach ihrem Verständnis stellen sie der Stadt ihre Expertise unter anderem zur Verfügung, damit Politik und Verwaltung bessere Entscheidungen treffen können. Aber oft erfahren sie von diesen Entscheidungen erst, wenn schon feststeht, was beschlossen werden soll oder es längst beschlossen ist.

Diese Kritik war in unseren Gesprächen immer wieder zu hören. Sie steht so auch fast wörtlich in einer Facharbeit mit dem Titel „Politische Partizipation am Beispiel des Klimabeirats Münster“, die eine Studentin und vier Studenten vor einem Jahr am Institut für Politikwissenschaft eingereicht haben.

Die Arbeit ist in ihrem ersten Semester entstanden, das muss man dazusagen. Sie ist keine professionelle Untersuchung. Aber sie enthält einen langen Anhang, in dem drei Gespräche mit Mitgliedern des Klimabeirats dokumentiert sind. So lassen sich die Bewertungen nachvollziehen.

Der zentrale Kritikpunkt aller Befragten sei, so steht es dort, die „Art und Weise, wie die Verwaltung mit dem Klimabeirat zusammenarbeitet und dessen Beschlüsse umsetzt“. Alle Interviews kennzeichne „ein Gefühl der Frustration bis hin zur Resignation“. Die Gründe dafür seien nicht umgesetzte Beschlüsse oder Empfehlungen durch Politik oder Verwaltung. In aller Regel „würden die Vorschläge des Klimabeirats ‚in Schubladen‘ landen“, heißt es.

Das deckt sich nicht vollständig mit dem Eindruck aus vier etwa einstündigen Gesprächen, die wir geführt haben. Hier war der Grundton kritisch, aber nicht durchweg negativ. Als positiv wahrgenommen werden zum Beispiel die Unabhängigkeit des Beirats, die Atmosphäre in ihm und die Zusammenarbeit mit Thomas Möller, dem Leiter der städtischen Klimastabsstelle, den dem Eindruck nach viele im Beirat auf ihrer Seite sehen.

Interpretationssache

Eine Person merkte an, die Zusammenarbeit mit der Verwaltung habe sich nach anfänglicher Skepsis verbessert. Doch immer wieder hieß es, der Beirat komme oft erst ins Spiel, wenn sich an Entscheidungen nichts mehr ändern lasse.

Fragt man die Stadt, klingt das etwas anders. In der Verwaltung teilt man diesen Eindruck nicht. Aus dem Kommunikationsamt heißt es, es gebe „immer wieder Debatten darüber, ob und wie der Klimabeirat möglicherweise früher in Prozesse eingebunden werden kann“. Das sei „punktuell möglich“, und das passiere auch.

Man beziehe einzelne Mitglieder oder den Beirat als Ganzes „immer mal wieder in Projekte oder Vorhaben der Verwaltung“ ein. Als Beispiele nennt die Stadt die Entwicklung des Förderprogramms zu klimafreundlichem Wohnen, den Klima-Stadtvertrag, das integrierte Flächenkonzept und die Stadtklima-Analyse. Auf die Frage, welche konkreten Empfehlungen des Beirats die Stadt umgesetzt hat und ob man das irgendwie nachverfolge, antwortet die Stadt nicht.

Was der Beirat macht und was er machen soll, ist zu einem gewissen Teil Interpretationssache. In der 14 Jahre alten Geschäftsordnung auf der Website heißt es, der Klimabeirat habe die Aufgabe, Beurteilungen und Einschätzungen zu veröffentlichen, Anregungen und Vorschläge zu machen sowie die Klimaschutzaktivitäten der Stadt zu verfolgen und zu bewerten. Von der Politik- und Verwaltungsberatung ist hier nicht die Rede.

Das schreibt der Beirat zwar selbst auf seiner Website. Doch das Verständnis der Stadt klingt in einer Nuance anders. Das Kommunikationsamt erklärt, der Klimabeirat habe die Aufgabe, „den kommunalen Klimaschutz in Münster zu begleiten, fachliche Empfehlungen auszusprechen und insbesondere die Kommunalpolitik zu beraten.“ Insbesondere die Kommunalpolitik. Und was ist mit der Verwaltung?

In unseren Gesprächen wurde immer wieder deutlich, dass es im Klimabeirat den Wunsch nach mehr Einfluss gibt, beziehungsweise nach mehr Wirksamkeit – zum Beispiel dadurch, dass Anregungen und Ratschläge aufgegriffen, berücksichtigt oder wenigstens zur Kenntnis genommen werden.

Bewusstsein war da, nur Geld fehlte

Und dann sind da noch die Strukturen selbst. Sie sind ein weiterer Kritikpunkt, der in unseren Gesprächen an mehreren Stellen genannt wurde, wie auch in der Forschungsarbeit.

Die Strukturen sind über viele Jahre gewachsen. Die Stadt Münster hat früh begonnen, sich mit der Klimakrise zu beschäftigen. Vor fast 35 Jahren, im Jahr 1991, gründete sie einen Beirat für Klima und Energie. 20 Jahre später entstand daraus der Klimabeirat in seiner jetzigen Form. Doch lange war es wie in der Klimapolitik selbst: Das Bewusstsein war da, nur das Geld fehlte.

Zuletzt führte das dazu, dass die Geschäftsführerin des Klimabeirats entnervt hinwarf und nach Bremen wechselte. In Münster hatte sie den Klimabeirat erst ehrenamtlich, später hauptamtlich in Teilzeit geführt. Als sie in Münster anfing, stand ihr nicht einmal ein Arbeitsplatz zur Verfügung. Ihre Arbeit erledigte sie von zu Hause aus an ihrem eigenen Laptop. In Bremen gab man ihr einen deutlich besser bezahlten Vertrag und eine Perspektive. Dort ist sie inzwischen Geschäftsführerin des Sachverständigenrats Klima des Landes.

Helga Hendricks habe versucht, den Beirat als Beratungsgremium zu etablieren, sei dabei aber immer wieder auf starke Widerstände gestoßen, so erzählen es mehrere Mitglieder. Gefehlt habe es nicht nur an Ressourcen, sondern auch an klaren Strukturen und deutlich umrissenen Aufgaben.

Die Lücke, die Helga Hendricks hinterließ, ist bis heute nicht geschlossen. Hans Haake vom Wuppertal Institut übernahm kommissarisch ihre Aufgaben. Auf der Website wird er unter dem Punkt „Unterstützung des Klimabeirats“ geführt. Eine Vorsitzende oder ein Vorsitzender fehlt.

Das benannten die für die Forschungsarbeit interviewten Beiratsmitglieder schon vor über einem Jahr als Problem. Selbstkritisch bemängelten sie die Zurückhaltung und die fehlende Präsenz des Beirats in der Öffentlichkeit. Doch beides hängt miteinander zusammen. Wenn es niemanden an der Spitze gibt, dann fühlt sich auch niemand befugt, im Namen des Gremiums zu sprechen, Interviews zu geben oder Stellungnahmen abzugeben.

„Ideen, Vorschläge und Ansätze“

Unter Umständen bleibt dann auch einiges liegen. Die letzte auf der Website des Klimabeirats veröffentlichte Stellungnahme ist aus dem Jahr 2023. In der Leiste mit den Terminen steht Anfang Januar immer noch, die „nächste Sitzung“ am 27. August 2024 werde nicht stattfinden.

Der Termin musste ausfallen, weil viele Mitglieder noch in den Ferien waren oder erst gerade zurück. Das kann passieren im Sommer. Aber es passt zu der in einem Gespräch formulierten Selbstkritik, dass viele Stühle in den Sitzungen leer blieben – und die Fluktuation hoch sei.

Wenn Strukturen und Aufgaben nicht klar umrissen sind, wenig Geld zur Verfügung steht und sich nur wenig bewegt, kann man darin das Signal erkennen, dass der Beirat wohl nicht so wichtig ist. Dann muss man damit rechnen, dass auch die Mitglieder das so einschätzen.

In diesem Jahr soll sich etwas ändern. Der Klimabeirat steht vor einem Umbruch. Im Moment wird die Satzung überarbeitet. Das ist die Chance, die Aufgabe des Beirats klar zu formulieren. Bald soll es auch einen neuen Vorsitzenden oder eine neue Vorsitzende geben.

Auf die Frage, wie es jetzt weitergeht, schreibt das städtische Kommunikationsamt, wie bisher werde ein externes Büro die Arbeit des Beirats begleiten, Besprechungen vor- und nachbereiten und die Kommunikation außerhalb der Sitzungen übernehmen.

Außerdem habe man „Ideen, Vorschläge und Ansätze“ erarbeitet, um die Arbeit des Klimabeirats „noch zielführender“ zu machen. Die Satzung sei in Arbeit. In der Übergangsphase seien „einzelne Funktionen“ nicht besetzt. Es liefen Vorgespräche, um drei Stellen zu besetzen. Wenn es so weit sei, werde alles in einer Beschlussvorlage stehen, über die der Rat dann entscheidet. Und wann wird es so weit sein? Einen genauen Termin gebe es noch nicht, schreibt die Stadt. (rhe)

Sie möchten dieses Thema mit anderen Leser:innen diskutieren oder uns Hinweise geben

Nutzen Sie einfach unsere Kommentarfunktion unterhalb dieses Textes. Wenn Sie diesen Brief gerade als E-Mail lesen, klicken Sie auf den folgenden Link, um den Text auf unserer Website aufzurufen:

diesen Brief kommentieren

Klima-Update

+++ Das Münsterland steht beim Windkraftausbau in NRW besonders im Fokus. Viele der 1.500 Anträge für Windräder außerhalb der künftigen Vorranggebiete kommen aus der Region. Die schwarz-grüne Landesregierung sieht das allerdings kritisch: Ohne klare Regeln drohe ein „Wildwuchs“, der die Akzeptanz für Windräder in der Bevölkerung gefährden könnte. „Unser Ziel ist ein geordneter und rechtssicherer Ausbau der Windenergie“, sagt NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne). Doch die benötigten Regionalpläne, die festlegen sollen, wo Windräder gebaut werden dürfen, sind noch in Arbeit und frühestens 2025 rechtskräftig. Die unklare Übergangszeit nutzen viele Windkraftunternehmer, um bereits Anträge zu stellen. 2024 gingen landesweit bereits 154 neue Anlagen ans Netz – Rekord in Deutschland. Bis 2027 sollen in NRW die Grundlagen für 1.000 weitere Anlagen geschaffen werden. (ani)

+++ Seit Oktober 2023 regelt die Baumschutzsatzung, dass bestimmte Bäume nicht einfach so gefällt werden dürfen (RUMS-Brief). Was die Satzung bisher gebracht hat? Eine Nachfrage der Westfälischen Nachrichten bei der Stadtverwaltung ergab: Es wurden 898 Verwaltungsvorgänge ausgelöst. Darunter Anträge, Beratungen und gemeldete Verstöße. Die Zahl der tatsächlich betroffenen Bäume dürfte noch deutlich höher liegen: Man gehe von mehr als 1.000 aus. Knapp 400 Anträge auf Ausnahme oder Befreiung von den Regeln der Satzung wurden gestellt. 45 Mal wurde die Fällung eines oder mehrerer Bäume abgelehnt. Für die 15 Monate nach Einführung beziffert die Stadt die Einnahmen durch Gebühren und Ersatzgeldzahlungen auf insgesamt 83.400 Euro. Demgegenüber stehen jedoch geschätzte Verwaltungskosten von rund 240.000 Euro. Ist der Aufwand gerechtfertigt? Das Rathausbündnis aus Grünen, SPD und Volt meint ja – die Satzung sei ein Gewinn für Münsters Natur. Kritiker:innen, allen voran die CDU, sehen das anders. Sie würden das Geld lieber direkt in die Pflanzung neuer Stadtbäume stecken. Die Kosten dafür: zwischen 300 und 1.000 Euro pro Baum. (ani)

Anonymer Briefkasten

Anonymer Briefkasten

Haben Sie eine Information für uns, von der Sie denken, sie sollte öffentlich werden? Und möchten Sie, dass sich nicht zurückverfolgen lässt, woher die Information stammt? Dann nutzen Sie unseren anonymen Briefkasten. Sie können uns über diesen Weg auch anonym Fotos oder Dokumente schicken.

zum anonymen Briefkasten

Ein-Satz-Zentrale

+++ Am Prozessionsweg sind vor dem Kanalausbau die ersten Bäume gefällt worden, begleitet von Protesten. (Westfälische Nachrichten)

+++ Die Bahn erneuert bis Ende des Jahres alle Rolltreppen am Hauptbahnhof. (Westfälische Nachrichten)

+++ Seit Montag fährt zwischen Angelmodde-Waldsiedlung und Gremmendorfer Weg die neue Buslinie 68, um die durch eine Baustelle eingeschränkte Linie 6 zu ersetzen. (Stadtwerke Münster)

+++ Eltern haben noch bis Ende des Monats Zeit, ihre Kinder für einen Kita-Platz anzumelden. (Stadt Münster)

+++ Die Partei Volt Münster hätte beinahe an einer Demonstration der Querdenken-Bewegung teilgenommen, weil sie die Veranstaltung mit der Gegendemo verwechselt hat. (Volt Münster)

+++ NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und LWL-Direktor Georg Lunemann haben das Jubiläumsprogramm zum 1.250-jährigen Bestehen Westfalens eröffnet. (Antenne Münster/WDR)

Unbezahlte Werbung

Das gemütliche Boulevard-Theater in der Königspassage hat sich ganz den komödiantischen Stoffen verschrieben. Aktuell läuft – noch bis zum 9. März – „Es ist nur eine Phase, Hase“, das Stück nach dem gleichnamigen Bestseller von Maxim Leo und Jochen-Martin Gutsch. Die Inszenierung im Boulevard steckt voller Situationskomik, Klischees und bissigen Bemerkungen rund um das Thema Altern. Karten gibt es hier. Am günstigsten ist ein Besuch übrigens montags oder donnerstags: Dann kosten alle Plätze 17 beziehungsweise 21 Euro.

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Drinnen und Draußen

Katja Angenent hat heute für Sie ein paar Veranstaltungstipps gesammelt. Das sind ihre Empfehlungen.

+++ Kennen Sie eigentlich die Literaturline? Hier lesen professionell Schreibende aus der Region aus ihren aktuellen Werken. Im Januar präsentiert der Laerer Autor Alfons Huckebrink eine Kostprobe aus der Novelle „Edith und wir“, in der er auf eine Jugend im Münsterland der Sechziger Jahre zurückblickt.

+++ Am Mittwoch ist Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge um 15:30 Uhr zu Gast im Bennohaus, wo er über die Notwendigkeit der Umverteilung von Reichtum spricht. Im „Teatime-Gespräch“ wird es neben gesellschaftlicher Gerechtigkeit auch um den laufenden Bundestagswahlkampf gehen.

+++ Im Schlosstheater ist, ebenfalls am Mittwoch, ein Film über einen russischen Historiker zu sehen. Der begibt sich auf die Suche nach verborgenen Massengräbern des Stalin-Terrors – und wird dafür zu 15 Jahren Haft verurteilt. „The Dmitriev Affair“ ist im russischen Originalton mit deutschen Untertiteln zu sehen und beginnt um 20 Uhr.

+++ Am Donnerstag und erneut am Samstag lädt das Studentenorchester Münster jeweils um 19:30 Uhr zum Benefizkonzert in die Mutterhauskirche der Franziskanerinnen. Zu hören sind Werke von Brahms, Bach und anderen. Der Eintritt ist kostenlos, aber es wird um eine Spende zugunsten des Johannes-Hospizes gebeten.

(Korrekturhinweis: Hier hatten wir zuerst „Hospiz“ mit „t“ geschrieben, hoppla.)

Am Freitag schreibt Ihnen Sebastian Fobbe. Ich wünsche Ihnen eine gute Woche!

Herzliche Grüße
Ralf Heimann

Mitarbeit: Anna Niere (ani), Sebastian Fobbe (sfo), Jan Große Nobis (jgn), Katja Angenent (kat) – das bedeutet: Die einzelnen Texte im RUMS-Brief sind von der Person geschrieben, deren Kürzel am Ende steht.
Lektorat: Svenja Stühmeier

PS

Das war wirklich ein trüber Montag. Womit soll man sich da noch aufheitern? Na ja, mit dem Reporterslam zum Beispiel, einer Veranstaltung, bei der – das klingt jetzt erst mal nicht so super – Journalistinnen und Journalisten auf der Bühne von ihren Recherchen erzählen. Vor sieben Jahren hat das Ganze auch schon in Münster stattgefunden. Das große Finale ist aber jedes Jahr in Berlin. Gewonnen hat am Wochenende, wie auch schon vor zwei Jahren, Cornelius Pollmer, seit Anfang Januar Ressortleiter bei der „Zeit“, genauer: bei der „Zeit im Osten“. Er erzählte auf der Bühne von einem absurd schönen Besuch bei der Stiftung Warentest in Sachsen, wo unter anderem Pommes auf ihren Bräunungsgrad überprüft werden. „Und ich finde das natürlich gut, wenn in Sachsen ab und zu mal Bräunungsgrade überprüft werden“, sagte Pollmer. Er erzählte von „Dauerhaftigkeitsprüfungen“ und einem „Rüttelprüfstand“, der Maschinen wie zum Beispiel Rasenmäher an ihre Grenzen bringt. Am Ende sagte Pollmer, und da hat er wirklich recht: „Als ich die Pommes dort sah, hab ich gedacht (…): Es ist so viel im Argen in der Welt, Kriege, Inflation, ihr wisst das alles. Aber – und das fasziniert mich – es gehen jeden Tag in Sachsen Ökotrophologen zur Arbeit, um den Bräunungsgrad von Pommes zu überprüfen.“ Hier geht’s zu seinem Auftritt. (rhe)

Ihnen gefällt dieser Beitrag?

Wir haben Ihnen diesen Artikel kostenlos freigeschaltet. Doch das ist nur eine Ausnahme. Denn RUMS ist normalerweise kostenpflichtig (warum, lesen Sie hier).

Mit einem Abo bekommen Sie:

  • 2x pro Woche unsere Briefe per E-Mail, dazu sonntags eine Kolumne von wechselnden Autor:innen
  • vollen Zugriff auf alle Beiträge, Reportagen und Briefe auf der Website
  • Zeit, sich alles in Ruhe anzuschauen: Die ersten 6 Monate zahlen Sie nur einen Euro.

Wir freuen uns sehr, wenn wir Sie ab heute in der RUMS-Community begrüßen dürfen!

Bitte melden Sie sich an, um zu kommentieren.
Anmelden oder registrieren