Wie ein Viertel seinen Dorfladen retten will | Das Gemeinwohl-Barometer im Hansaviertel | 21-Jähriger betreibt Pop-Up-Café

Porträt von Ralf Heimann
Mit Ralf Heimann

Guten Tag,

das kleine Lebensmittelgeschäft „Ali’s Minimarkt“ an der Waldeyerstraße ist seit zwei Wochen geschlossen. Am Eingang hängt kein Schild. Es ist nicht zu erkennen, was hier passiert ist. Eine Erklärung findet man auf der Spendenseite „Go fund me“.

Dort hat der Stadtteilverein Sentruper Höhe einen Aufruf gestartet. „Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass dieser Laden, der seit 19 Jahren das Rückgrat unseres Viertels ist, nicht für immer seine Türen schließen muss“, ist in dem Text zu lesen, den der Arzt Gerrit Borgmann im Namen des Vereins auf der Seite veröffentlicht hat.

Anfangs sollten 2.000 Euro zusammenkommen, um die Verbindlichkeiten des Ladens zu begleichen. Ali Motaallehs, der Inhaber, hatte seine Stromrechnung nicht mehr zahlen können. Die Stadtwerke hatten den Strom abgedreht. Aber ein Supermarkt braucht Strom, um die Lebensmittel zu kühlen. Deswegen hatte das Gesundheitsamt die Türen geschlossen.

Im Viertel hatte sich die Nachricht schnell herumgesprochen. In Whatsapp-Gruppen, über die Nachbarn, sehr schnell kam sie auch bei Hedwig Wening an, einer Ärztin im Ruhestand, die jetzt Vorsitzende des Stadtteilvereins ist. Hedwig Wening spricht von „unserem kleinen Minimarkt“ und von „unserem Ali“; sie erzählt von gemeinsamen Viertelfesten, viel Sympathie und von alten Menschen, die sich nicht mal eben ins Auto setzen können, um im Einkaufszentrum Milch und Butter zu kaufen.

Der kleine Supermarkt ist für diese Menschen wichtig, um sich selbst versorgen zu können. Aber er ist auch ein Ort, der dem Viertel die Atmosphäre eines sehr kleinen Dorfs gibt. Er ist eine Art Mittelpunkt, ein kleiner Marktplatz mit Dach, ein öffentlicher Raum, den alle kennen, der etwas Gemeinsames ist.

Doch das Gemeinsame schwindet. Vor einigen Jahren gab es hier noch eine Apotheke, eine kleine Sparkassenfiliale und einen Fleischer. Schräg gegenüber liegt die Viertelkneipe „Sentruper Höhe“. Auch sie stand nach dem Tod von Heinrich Pohlmann, „Henry“, im vergangenen Jahr vor einer ungewissen Zukunft.

Die kleinen Kneipen und die kleinen Läden verschwinden, wie überall im Land. Innerhalb von 30 Jahren haben in Deutschland knapp 90 Prozent aller Tante-Emma-Läden aufgegeben. Mit ihnen verlieren die Viertel einen Fixpunkt.

Das könnte auch hier passieren. Erst vor zwei Monaten schloss Ali Motaallehs nach 15 Jahren die kleine Postfiliale in seinem Geschäft. Das hatte einen anderen Grund, so erzählte Motaallehs es den „Westfälischen Nachrichten“. Seine Frau, die sich bis dahin um die Post kümmerte, hatte einen Job als Lehrerin gefunden. Schon das war für das Viertel ein Verlust.

Jetzt merken viele, dass mit dem Geschäft auch für jene etwas wegfällt, die hier so gut wie nie einkauften – eine Möglichkeit.

Ali Motaallehs möchte sich im Moment nicht äußern. Er hat in den vergangenen Tagen beobachtet, wie die Spendenplattform das Ziel von 2.000 Euro auf 5.000 Euro anhob, dann auf 10.000 Euro, später auf 30.000. Und es kann sein, dass dieses Ziel in wenigen Stunden erreicht wird. Am Nachmittag hatten mehr als 300 Menschen knapp 29.000 Euro gegeben.

Es ist eine rührende Geschichte in einer Zeit, in der man nach guten Nachrichten etwas suchen muss. Schaut man auf die Spendensumme, sieht es schon jetzt nach einem Happy End aus.

Doch Hedwig Wening dämpft die Euphorie ein wenig. Sie würde sich freuen, wenn die Rettung gelingt. Aber noch ist vieles nicht klar. Etwas Geld könnte ausreichen, um einen Engpass zu überbrücken. Aber was braucht es, um dem Geschäft dauerhaft eine Zukunft zu geben? Das soll in den nächsten Tagen klarer werden. Morgen will der Verein sich treffen, um darüber zu sprechen, wie es jetzt weitergeht.

Wer „Ali’s Minimarkt“ mit einer Spende unterstützt, geht allerdings nicht das Risiko ein, dass die Rettung misslingt und das Geld einfach versickert. Im schlechtesten Fall zahlt die Plattform die Spende zurück. (rhe)

Kurz und Klein

+++ Wer bei einer Wahl hilft, bekommt als Dankeschön ein kleines Erfrischungsgeld. Die Bundeswahlordnung empfiehlt, Wahlhelfer:innen mit mindestens 25 Euro zu entschädigen. Von Stadt zu Stadt fällt das Erfrischungsgeld aber unterschiedlich aus. In einer Auswertung der Potsdamer „Gisma University of Applied Science“ belegt Münster den letzten Platz unter den 29 einwohnerstärksten Städte in Deutschland. Mehr als den empfohlenen Kleckerbetrag von 25 Euro zahlt die Stadt für den Einsatz zum Erhalt der Demokratie nicht. In den ausgewerteten Städten bekommen Wahlhelfer:innen im Schnitt um die 60 Euro, Spitzenreiter Mannheim zahlt sogar 100 Euro. Aber immerhin: Der Wahlvorstand erhält in Münster einen Bonus, schließlich haben die Mitglieder ein bisschen mehr Orga-Kram zu erledigen. Dafür gibt’s sage und schreibe 10 Euro on top, wie uns die Stadt schreibt, also insgesamt 35 Euro. (sfo)

+++ 37 Jahre nach ihrer Gründung hat sich die „deutsch-russische Gesellschaft Münster“ umbenannt. Die Vorsitzende Gudrun Wolff erklärt am Telefon, man habe am alten Namen nicht gut ablesen können, dass sich der Verein regimekritisch positioniert habe. Die Gesellschaft habe sich unter dem Eindruck der Perestroika gegründet und sich danach gegen die autoritäre Entwicklung in Russland engagiert. So habe die Gesellschaft immer wieder Systemkritiker:innen zu Lesungen und Filmvorführungen nach Münster eingeladen. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine sei klar gewesen, dass sich der Fokus des Vereins ändern müsse, sagt Wolff. Man habe beispielsweise die russischen Filmtage eingestellt und stattdessen ein osteuropäisches Filmprogramm ins Leben gerufen. Diesem Ansatz möchte der Verein jetzt mit dem neuen Namen Rechnung tragen. Er heißt „Osteuropaforum Münster“ und möchte die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion stärker in den Blick nehmen. (sfo)

+++ Die CDU Münster beweist einen kreativen Umgang mit Zahlen. Die Partei versucht in einer Pressemitteilung über die Stadthalle Hiltrup, die Sanierung als ihren Erfolg zu verkaufen. Der lasse sich ja ganz einfach ablesen, anhand der Besucherzahlen, die die CDU fleißig zitiert. Vor fünf Jahren hätten nur 14.000 Menschen die Stadthalle besucht, 2024 waren es schon 50.000. Im selben Zeitraum sei dann auch noch die Zahl der Veranstaltungen gestiegen, von 150 auf 405. Wirklich beeindruckende Zahlen! Doof nur: Die CDU unterschlägt ein entscheidendes Detail. Natürlich war 2020 in der Stadthalle Hiltrup so gut wie nix los, weil das Coronavirus in Münster grassierte und den Veranstaltungsbetrieb weitgehend lahmlegte. Aussagekräftiger wäre ein Vergleich mit dem Vor-Corona-Jahr 2019. So wie die CDU ihre Zahlen präsentiert, beweist die vermeintliche Erfolgsmeldung jedenfalls nicht, dass die Sanierung etwas gebracht hat, sondern nur, dass die Pandemie vorbei ist. (sfo)

Gemeinwohl-Barometer: Ein Kompass fürs Hansaviertel

Das Hansaforum wollte herausfinden, was den Menschen am Hansaviertel besonders gefällt und was sie sich noch wünschen. Das Ergebnis ist das Gemeinwohl-Barometer. Aber was ist das Gemeinwohl? Sebastian Fobbe hat sich das Barometer genauer angeschaut.

Eine wunderschöne Szene bei Nacht. Auf der Dachterrasse stehen drei Leute am Grill, ein anderer Mann kümmert sich um die Pflanzen im Blumenkasten. Nebenan schauen einige Menschen unter freiem Himmel einen Film auf großer Leinwand. Zwischen zwei Häusern überqueren zwei Personen eine Hängebrücke, um zur Party zu gelangen. Alles sieht sehr herzlich und einladend aus.

Das ist sie also, die Vision von einer guten Nachbarschaft im Hansaviertel. Zu sehen ist die idyllische Dachterrassenparty auf einer Illustration, die das Hansaforum auf eine Postkarte gedruckt hat. Neben der Nachbarschaftskarte gibt es noch 15 weitere Motive, die ausdrücken sollen: So stellen sich die Menschen im Hansaviertel ihren idealen Stadtteil vor.

Die Postkarten gehören zu den Ergebnissen eines mehrjährigen Projekts, das das Hansaforum zuerst im Alleingang und später mit der Uni Münster durchgeführt hat. 2019 ging alles los, vergangenes Jahr kam das fertige Gemeinwohl-Barometer heraus. Das Barometer soll zwei Grundsatzfragen beantworten, die für die weitere Entwicklung im Stadtteil wegweisend sein könnten: Was bedeutet der abstrakte Begriff Gemeinwohl für die Menschen im Hansaviertel und wie bewerten sie das Gemeinwohl in ihrem Stadtteil?

Ein schwammiger Begriff

Bevor wir auf die Einzelheiten eingehen, gehen wir kurz einen Schritt zurück und stellen uns die philosophischste aller Fragen in diesem Text: Was heißt eigentlich Gemeinwohl? Darüber zerbrechen sich Denker:innen seit der Antike den Kopf. Schlägt man den Begriff nach, zum Beispiel im „jungen Politik-Lexikon“ der Bundeszentrale für politische Bildung, erfährt man: „Das, was vielen Menschen einer Gemeinschaft oder eines Staates zugutekommt und nützt, wird als ‚Gemeinwohl‘ bezeichnet.“

Nur: So richtig aussagekräftig ist diese Erklärung nicht. Was soll das Gute für uns alle sein? Was nützt uns? Woran machen wir das fest? Und wer bestimmt das alles?

Sucht man nach weiteren Erklärungen, wird die Sache noch komplizierter. In einem Glossar, das die Initiative „Nationale Stadtentwicklungspolitik“ herausgegeben hat, heißt es: „Für das Gemeinwohl gibt es keine abschließende und für alle Zeit bestimmte Definition.“ Anders gesagt: Das Gemeinwohl ist dem Zeitgeist unterworfen. Jede Generation muss selbst herausfinden, was sie darunter versteht und was nicht.

16 Herzensthemen von 400 Befragten

Genau das hat das Hansaforum versucht. Laut Samuel Mössner, Professor für Geografie an der Uni Münster, hat sich die Stadtforschung schon früh mit Gemeinwohl beschäftigt. Interessant am Barometer sei, dass das Hansaforum das Gemeinwohl in einem konkreten Viertel untersucht habe. Solche Projekte habe es bisher selten gegeben.

Statt von oben herab eine Gemeinwohl-Definition vorzugeben, hat das Hansaforum eine eigene entwickelt und die Menschen im Hansaviertel gefragt: Was versteht ihr unter Gemeinwohl?

Wie genau die Initiative vorgegangen ist, steht in einer 52-seitigen Broschüre über den sogenannten Quartier-Gemeinwohl-Index. Der Index ist die Grundlage für das Gemeinwohl-Barometer und verschafft einen Überblick über die Herzensthemen, die sich aus den Einwohnerbefragungen herauskristallisiert haben. Drei Jahre hat die Arbeit am Index gedauert.

Insgesamt besteht der Quartier-Gemeinwohl-Index aus 16 Themen. Das sind, neben einer guten Nachbarschaft im Hansaviertel, auch klassische Anliegen wie Wohnen, Verkehr und Nachhaltigkeit. Aber auch Themen wie Begegnungsorte, Kunst und Kultur und das Älterwerden im Quartier haben es in den Index geschafft. Laut dem Begleitheft haben rund 400 Personen aus dem Hansaviertel daran mitgewirkt. Um Teilnehmende zu gewinnen, hat das Hansaforum per Zufallsprinzip ganze Wohnhäuser zu Konventen und Themenveranstaltungen mit Fachleuten eingeladen.

Kompass für Fördergeld

Gesa Hatesohl vom Hansaforum war an der Entwicklung des Quartier-Gemeinwohl-Index fast von Anfang an beteiligt. Sie betont im Video-Call, der Index sei nur eine Momentaufnahme. Denn klar, Gemeinwohl ist ein Begriff, der sich mit der Zeit wandelt. „Wir würden deshalb gern in einer späteren Version mehr Menschen aus dem Viertel einbeziehen, die wir bisher weniger erreicht haben“, sagt Hatesohl. Das wären zum Beispiel Angehörige der Szene am Bremer Platz sowie Kinder und Jugendliche.

Schon jetzt wird der Quartier-Gemeinwohl-Index genutzt. Das Hansaforum lädt regelmäßig die Bewohner:innen im Viertel zu seinen Konventen ein. Dann können die Teilnehmenden demokratisch darüber entscheiden, welche gemeinwohlorientierten Projekte im Hansaviertel finanziell gefördert werden. Der Index hilft dabei einzuschätzen, wie die Projekte mit den Gemeinwohl-Visionen im Hansaviertel vereinbar sind.

So hat der Hansa-Konvent beispielsweise ein Wandbild mit rund 4.700 Euro gefördert, das an einem Spielplatz an der Soester Straße entstanden ist. Das Kinder-Kunstprojekt erfüllt laut Website mehrere Gemeinwohl-Kriterien: Begegnungsorte, Kunst und Kultur, Nachbarschaft, Erholung und Älterwerden. Die Begrünung einer Baumscheibe hat 100 Euro bekommen, weil sie Grünflächen, Klimapositivität, Nachbarschaft und Sauberkeit im Hansaviertel zugute kommt. Eine größere Förderung hat der Konvent für den Bau des Hansafloßes beschlossen. Fast 25.000 Euro hat das Projekt für eine schwimmende, aber barrierearme Bühne für Konzerte und Veranstaltungen erhalten. Das Hansafloß bringt demnach die Index-Themen Nachbarschaft, Kunst und Kultur, Inklusion, Sauberkeit sowie Begegnungsorte voran.

Wie kann man Gemeinwohl messen?

Aber was bewirken die Förderungen? Oder allgemeiner gefragt: Wie nah kommt das Hansaforum an die Visionen im Gemeinwohl-Quartier-Index heran? Das ist die Frage, die das Gemeinwohl-Barometer beantworten soll.

Genauer gesagt: Das Barometer bewertet die einzelnen Index-Themen. Was finden die Menschen im Hansaviertel gut? Was kritisieren sie? Was fehlt Ihnen, was muss besser werden? Und, ganz wichtig, wo tauchen Konflikte und Widersprüche auf? Um das alles zu messen, hat das Hansaforum das Gemeinwohl-Barometer gemeinsam mit dem Institut für Geografie an der Uni Münster ausgearbeitet.

Klingt alles immer noch reichlich abstrakt? Das Gemeinwohl-Barometer ist aufgebaut wie ein interaktives Tortendiagramm. In der unteren Hälfte steht der Quartier-Gemeinwohl-Index. Klickt man ein Thema an, kann man die Meinungen der befragten Viertelmenschen darüber nachlesen. Anders als die Bilanzen, die in der Gemeinwohl-Ökonomie eine Punktzahl für sozial und nachhaltig wirtschaftende Unternehmen vergeben, verzichtet das Barometer bewusst auf eine Bewertung in Zahlen, Daten, Fakten.

Warum? Das Barometer soll einen qualitativen Eindruck vermitteln. Dazu habe man die Menschen auf der Straße zu den Gemeinwohl-Themen im Hansaviertel befragt und die Antworten systematisch ausgewertet. „Wir haben keine Forsa-Umfrage gemacht“, sagt Samuel Mössner. Bei der qualitativen Methode ist es also entscheidend, ob die Ergebnisse repräsentativ sind. Vielmehr geht es darum, die Facetten der Gemeinwohl-Themen herauszubekommen.

Und es soll kein Wettbewerb zwischen den Stadtteilen ausbrechen. Rein theoretisch könnten auch andere Viertel in Münster ein Gemeinwohl-Barometer erstellen. Ein Vergleich sei aber gar nicht sinnvoll, sagen Samuel Mössner und Gesa Hatesohl, schließlich könnte das Barometer das Gemeinwohl spezifisch in jedem Quartier erfassen. Was Gemeinwohl an der Sentruper Höhe, in Coerde oder im Kreuzviertel bedeuten könnte, ist nicht weniger richtig oder falsch.

Gemeinwohl mitdenken

Und wie geht es weiter? Die Politik und Verwaltung in Münster interessierten sich für das Gemeinwohl-Barometer, sagen Gesa Hatesohl und Samuel Mössner. Ein Kompass für die Stadtteilentwicklung ist es bisher aber noch nicht.

Dabei sehen beide im Barometer Potenzial. „Man könnte sich zum Beispiel beim Osmo-Gelände fragen: Passt das, was wir dort vorhaben, wirklich dazu, was sich die Menschen im Hansaviertel unter Gemeinwohl vorstellen?“, sagt Gesa Hatesohl. Oder vielleicht könnte man noch früher ansetzen: „Es wäre mutig, von vorne herein das Gemeinwohl als relevanten Faktor mitzuberücksichtigen“, sagt Samuel Mössner. (sfo)

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Klima-Update

+++ Heute ist ein schöner Tag. Sonnenschein, blauer Himmel. Ich will Ihnen die Frühlingslaune nicht vermiesen, aber zur seelischen Vorbereitung möchte ich Sie darauf hinweisen, dass das Wetter bald schon wieder umschwenken kann. Forscher:innen aus den USA meldeten diese Woche nämlich, dass La Niña begonnen hat. Vereinfacht gesagt, wehen bei La Niña starke Passatwinde im Pazifik nach Westen. Dadurch ändert sich die weltweite Wetterlage, je nach Region fallen die Unterschiede anders aus. Besonders betroffen sind Australien und Südostasien. Dort verdunstet mehr Wasser, das Wetter wird also unbeständiger, es kann zu Dauerregenfällen, Überschwemmungen und Wirbelstürmen kommen. Europa ist von La Niña deutlich weniger betroffen. Eine mögliche Folge: Hier in Münster könnte es in den nächsten Monaten stärker stürmen und häufiger regnen. Die gute Nachricht ist aber: Der Wetterumschwung könnte schnell wieder vorbei sein. Nach derzeitigen Messungen schätzen die US-Wissenschaftler:innen, dass La Niña im Mai wieder enden könnte. (sfo)

+++ Wilder Abfall sieht nicht nur schäbig aus, sondern ist auch noch teuer: 2023 soll die Entsorgung über eine Million Euro gekostet haben, schreiben die Westfälischen Nachrichten. Um die Kosten zumindest ein wenig zu dämpfen, hatte sich die Ratskoalition aus Grünen, SPD und Volt auf eine Steuer für Wegwerfgeschirr in der Gastronomie geeinigt (RUMS-Brief). Vorbild ist die Stadt Tübingen, die 2022 eine Steuer auf Einwegverpackungen eingeführt hat. Dagegen hatte die Inhaberin einer Tübinger „Mc Donald’s“-Filiale geklagt. Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht ein Machtwort gesprochen und die kommunale Verpackungssteuer für rechtens erklärt. Also neuer Schwung für Münster? Uns liegen zwei Bürgeranträge vor, die den Oberbürgermeister auffordern, eine Steuer auf To-Go-Becher, Einweg-Essensboxen und anderes Wegwerfgeschirr zu prüfen. Die deutsche Umwelthilfe hat eine Mitmachaktion zu der Verpackungssteuer gestartet. Bereitet die Politik auch schon etwas vor? Zur nächsten Ratssitzung noch nicht, heißt es von den Grünen. Aber man beschäftige sich mit dem Thema. (sfo)

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Korrekturen

+++ Am Freitag haben wir im RUMS-Brief Parteien aufgezählt, die sicher den Einzug in den Bundestag schaffen. Wie ein aufmerksamer Leser uns geschrieben hat, haben wir dabei die CSU aus Bayern vergessen. Die haben wir jetzt ergänzt. Vielen Dank für den Hinweis! (sfo)

+++ Im Text über die Stellungnahme des deutschen Städtetages zur Bundespolitik haben wir eine Aussage von Markus Lewe im Interview mit dem ZDF nicht ganz korrekt wiedergegeben. Wir schrieben, Lewe wolle mehr Menschen ein „Eigenheim“ ermöglichen. Tatsächlich ging es auch um Eigentumswohnungen. Wir haben den Begriff deshalb durch „Wohneigentum“ ausgetauscht. (sfo)

Ein-Satz-Zentrale

+++ Ab Montag ist dieser Abschnitt der Ludgeristraße halbseitig gesperrt, weil das Pflaster erneuert wird. (Stadt Münster)

+++ Die Grevingstraße im Geistviertel wird ab Sommer 2025 einmal komplett aufgehübscht. (Westfälische Nachrichten)

+++ Der Verkehr ist in Münster immer noch nicht rollstuhlgerecht, gerade was öffentliche Verkehrsmittel und Carsharing angeht. (Alles Münster)

+++ Eine Initiative möchte eine Machbarkeitsstudie und einen Ratsbeschluss für eine Wiederbelebung der Straßenbahn in Münster durchsetzen. (Sperre Münster)

+++ Die Stadt Münster hat ein neues Migrationsleitbild für die kommenden fünf Jahre erarbeitet. (Stadt Münster)

+++ Die Arbeitslosigkeit ist im letzten Jahr in Münster über die 5-Prozent-Marke gestiegen, wobei vor allem Geringqualifizierte und Jugendliche betroffen sind. (Arbeitsagentur Ahlen-Münster)

+++ Die Stadt sucht einen neuen Träger für die Kita, die im August am Sonja-Kutner-Weg eröffnen soll, nachdem der alte Träger wegen Fachkräftemangel aufgegeben hat. (Stadt Münster)

+++ Der Hiltruper Bezirksbürgermeister Wilfried Stein (Grüne) tritt bei der Kommunalwahl nicht wieder an, der Bezirksbürgermeister für Münster-Südost Peter Bensmann (CDU) schon. (Westfälische Nachrichten hier und hier)

+++ Seit gestern kontrolliert das Ordnungsamt Gehwegparker:innen auf einer Seite der Nordstraße und einer Seite der Maximilianstraße im Kreuzviertel. (Stadt Münster, WDR Lokalzeit)

+++ In Münster gibt es eine kontroverse Debatte um die Umbenennung von 13 Straßen mit NS-Bezug. (WDR)

Unbezahlte Werbung

Wenn das Wetter so frühlingshaft ist wie heute, dann ist das Pop-Up-Café von Noah Ragaz ein guter Anlaufpunkt. Der 21-Jährige verkauft bis Ende März in der „Yomaro“-Filiale an der Königsstraße italienische Sandwiches, die Sie in der Mittagspause mit in die Sonne nehmen oder gleich vor Ort verspeisen können. Die Sandwiches bestehen aus ofenfrischem Brot, das sehr üppig belegt wird, je nach Zusammenstellung zum Beispiel mit Büffelmozzarella, Prosciutto, hausgemachter Pesto oder Parmesan-Creme. Gegen den Durst gibt es auch was: Saftschorlen, selbstgemachte Limos und sehr guten Kaffee aus der Siebträgermaschine. Wenn Sie jetzt Appetit bekommen haben, können Sie das Café von Noah Ragaz jeden Tag bis 19 Uhr ausprobieren.

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Drinnen und Draußen

Katja Angenent hat heute für Sie in den Kalender geschaut und ein paar Empfehlungen gesammelt:

+++ Viele Anwendungen im Internet basieren auf riesigen Datenmengen, die uns Großkonzerne zur Verfügung stellen. Alternativen zu den kommerziellen Anbietern stellt Thomas Werner, Open-Data-Beauftragte der Citeq, morgen im Zeitungslesesaal der Stadtbücherei vor. Der kostenlose Vortrag beginnt um 17 Uhr.

+++ Wenn Sie sich für die Geschichte der Sinti:zze und Rom:nja in Deutschland interessieren, dann kommen Sie doch übermorgen zur Villa ten Hompel. Dort lesen Romero Franz und Alexandra Senfft aus ihrem gemeinsamen Buch, in dem der Sinto-Musiker Franz auf seine Familiengeschichte zurückblickt und gleichzeitig das vielfältige Leben von Sinti:zze und Rom:nja in Deutschland beleuchtet. Los geht es um 19 Uhr, der Eintritt ist frei.

+++ Ebenfalls am Donnerstag um 19 Uhr erläutert Georg Albers, Professor für Politikwissenschaften und ausgebildeter Mediator, die Chancen auf Frieden in der Ukraine. Er wird verschiedene mögliche Szenarien vorstellen und auch darüber sprechen, wie Kriege generell beendet werden können. Der Eintritt ins Forum der VHS ist frei.

+++ Bei einer Lesung sind die Rollen eigentlich klar definiert: Auf der Bühne reden und lesen die Menschen, im Publikum hören sie zu. Etwas anders läuft das am Freitag um 19 Uhr bei der Premiere von Das geheime Leben der digitalen Zwillinge“ des Center for Literature. Da entscheidet das Publikum, wie die Geschichte ausgeht. Die Online-Veranstaltung ist kostenlos, eine Anmeldung aber nötig.

+++ Der Kulturbahnhof Hiltrup zeigt am Freitag um 19:30 Uhr „Whisp$rblow$r“, ein Theaterstück über die Aufdeckung des Cum-Ex-Skandals. Daniela Michel spielt darin Finanzbeamtin Anna Schablonski, die den Steuerbetrug in Milliardenhöhe öffentlich machen möchte – und zwar mit Youtube-Videos. Karten für 18 Euro erhalten Sie hier.

+++ Wenn Sie die Sonderausstellung über Otto Mueller noch nicht gesehen haben, dann wird es so langsam Zeit für einen Besuch im LWL-Museum für Kunst und Kultur. Am Sonntag endet sie nämlich. Der Eintritt kostet 13 Euro für Erwachsene.

Am Freitag schreibt Ihnen Anna Niere. Ich wünsche Ihnen eine gute Woche!

Herzliche Grüße
Ralf Heimann

Mitarbeit: Sebastian Fobbe (sfo), Jan Große Nobis (jgn), Katja Angenent (kat) – das bedeutet: Die einzelnen Texte im RUMS-Brief sind von der Person geschrieben, deren Kürzel am Ende steht.
Lektorat: Svenja Stühmeier

PS

Erinnern Sie sich noch an den Autor, der bei der Verleihung des Deutschen Buchpreises sagte, dass er den Preis nicht gewonnen habe, sei eine „Schande für die Literatur“. Seinen Frust erklärte Clemens Meyer damit, dass er das Geld dringend brauche, um eine teure Scheidung zu finanzieren. Der „Bayerische Buchpreis“ könnte ihm dabei geholfen haben. Den gewann er nämlich mit seinem Roman „Die Projektoren“; diesmal unterlag Martina Hefter mit ihrem Buch „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“, über dessen Sieg beim Buchpreis Meyer geklagt hatte. Falls Sie sich selbst ein Bild machen möchten: Morgen Abend liest Clemens Meyer um 20 Uhr im Theatertreff aus seinem Roman, an dem er acht Jahre lang gearbeitet hat. Und ganz wunderbar, das noch als Tipp, ist das kleine Video auf der Amazon-Seite, in dem zu sehen ist, wie er einige Passagen liest und dann an den Sätzen, die er selbst geschrieben hat, verzweifelt. (rhe)

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