Von Nazis und Nebenschauplätzen | Wie die Polizei Vertrauen zurückgewinnen will | Unbezahlte Werbung: Go Asia

Porträt von Ralf Heimann
Mit Ralf Heimann

Guten Tag,

der Cartoonist Thomas Meitsch hat einen Cartoon gezeichnet, mit dem er ein Gefühl zum Ausdruck bringt, das viele Menschen in der linken oder eher liberalen Sphäre der Gesellschaft haben.

Zu sehen sind zwei Bilder. Auf dem einen eine Menschenmasse mit Reichskriegsflagge, Galgen, Deutschlandhut und Schildern mit der Aufschrift: „Lügenpresse“ oder „Remigration. Jetzt!“ Darüber steht: „Wir müssen die Sorgen der Bürger ernst nehmen.“

Auf dem anderen sieht man ebenfalls eine Menschenmenge. Hier steht auf den Plakaten: „Nie wieder“, „Nazis raus!“ oder „Brandmauer gegen Rechts!“ Darüber das Zitat: „Protest, der die Spaltung der Gesellschaft vertieft.“

Das Gefühl ist: Für Rechtsextreme gibt es in der konservativen Sphäre sehr viel Verständnis. Für Proteste dagegen nur wenig.

Auf der anderen Seite gibt es das Gefühl: Linke oder eher liberale Gruppen drücken ein Auge zu, wenn es bei Demonstrationen gegen Rechtsextreme zu Ausschreitungen, Besetzungen oder Diffamierungen kommt.

Münsters CDU-Fraktionschef Stefan Weber schrieb vor vier Tagen in einer Pressemitteilung: „Münstersche Grüne und deren Vorfeldorganisationen beteiligten sich oder deckten ebenso monströse wie absurde Angriffe gegen die CDU.“ Er forderte: „Auch in Münster müssen manche runter von ihrer arg überhöhten Temperatur.“

Grünen-Fraktionssprecher Christoph Kattentidt antwortete, das „kopflose Auftreten von Münsters CDU sei „in keiner Weise nachvollziehbar. Man dulde weder physische Angriffe noch diffamierende Sprüche gegen andere demokratische Parteien.“

Das Problem ist mal wieder: Es gerät ganz schön viel durcheinander. Man rutscht von Schauplätzen zu Nebenschauplätzen. Und so gerät das Entscheidende aus dem Blick.

Da sind zum einen die mehreren hunderttausend Menschen, die in den vergangenen Wochen in Münster und anderen deutschen Städten auf die Straße gegangen sind, weil sie befürchten, dass die Brandmauer, von der die CDU selbst immer sprach, durchlässiger wird und weiter werden könnte. Sie formulieren eine begründete Kritik an der CDU.

Aber da sind auch die, die Geschäftsstellen besetzen, Gebäude beschmieren, diffamieren oder sogar gewalttätig werden. Sie könnten den Rechtsextremen kaum einen größeren Gefallen tun.

Das Problem: die Normalisierung

Das gilt auch für die, die CDU-Mitglieder als „Nazis“ beschimpfen. Es mag dem Gefühl entsprechen, dass alle Dämme brechen könnten und die CDU gemeinsame Sache mit der AfD macht. Aber auch AfD-Mitglieder sind keine Nazis. Und jeder Nazivergleich spielt am Ende den Extremisten in die Karten.

Der Extremismusforscher Peter R. Neumann erklärt in seinem Buch „Die Logik der Angst“ sehr ausführlich, warum das so ist. In Kurzform: Es gibt eine lange Reihe von rechtsextremen Gruppen, die sich in vielen Details unterscheiden: die Neue Rechte, die Neoreaktionären, die Identitäre Bewegung, die Reichsbürger oder die Verschwörungstheoretiker. Um sie zu bekämpfen, muss man sich ihre Ziele sehr genau ansehen. Das gilt auch für die AfD.

Der Nazivergleich verharmlost nicht nur die Verbrechen der Nationalsozialisten. Er beschreibt diese Gruppen nicht zutreffend. Das gibt ihnen die Möglichkeit, sich als Opfer einer überzogenen Diffamierung darzustellen.

Das wäre egal, wenn da nicht Menschen wären, die nicht rechtsextrem sind, aber die in Teilen rechtsextreme AfD durchaus für eine Wahloption halten. Je weiter man die AfD in Richtung von Nazis rückt, desto mehr sehen diese Menschen sich in ihrem Eindruck bestätigt, dass die Kritik selbst von Radikalen formuliert wird. Und wenn das passiert, normalisiert das Rechtsextreme noch weiter.

In der CDU helfen Nazivergleiche, die Geschäftsstellenbesetzungen und Angriffe dabei, das Feindbild auf der linken Seite noch etwas schärfer und radikaler zu zeichnen. Daher das Bemühen, eine Verbindung zu den Grünen herzustellen.

Und natürlich, es ist Wahlkampf. Es geht darum, die eigene Wählerschaft zu mobilisieren, und das geht sehr gut mit einem Feindbild. Aber eine Frage, die sich tatsächlich stellt, ist: Warum entsteht in Münster immer wieder der Eindruck, dass das größte Feindbild der CDU nicht die Partei ist, die die Demokratie in Deutschland bedroht, sondern der Koalitionspartner in NRW? (rhe)

Kurz und Klein

+++ Gerade gibt es Überlegungen, die Overbergschule in Mauritz von einer katholischen Grundschule in eine Gemeinschaftsschule umzuwandeln. Ein solcher Wechsel geht bisher nur, wenn ein Zehntel der Eltern das beantragen und vor Ort abstimmen. Jetzt möchte die Stadt eine Grundsatzentscheidung auf den Weg bringen und künftig auch eine Abstimmung per Brief ermöglichen. Darüber entscheidet der Rat Ende des Monats. (ani)

+++ Mit dem Wirtschaftspreis der Stadt Münster sollen künftig gezielter herausragende Persönlichkeiten und innovative Start-ups ausgezeichnet werden. Die Ratsfraktionen von Grünen, SPD und Volt hatten bereits 2023 eine Neuausrichtung beantragt, die nun laut Beschlussvorlage am 26. Februar im Rat final beschlossen werden soll. Bislang entschied der Aufsichtsrat der Wirtschaftsförderung Münster über die Vergabe. Künftig sollen klare und transparente Kriterien gelten. Ausgezeichnet werden Unternehmer:innen, die laut Wirtschaftsförderung mit Weitblick, Nachhaltigkeit und sozialem Engagement Münsters Wirtschaft prägen. Start-ups müssen Innovationskraft beweisen und zeigen, dass wirtschaftlicher Erfolg und gesellschaftliche Verantwortung zusammengehen. Die Auswahl trifft dann eine Jury, zusammengesetzt aus Politik und Wirtschaft. Der Preis wird alle zwei Jahre verliehen – inklusive eigener Skulptur und Urkunde für die Geehrten. Wenn der Rat den Plan durchwinkt, soll die nächste Verleihung nach dem neuen Konzept 2026 sein. (ani)

+++ ​​Neben der Bundestagswahl gibt es für die Parteien eine zweite Wahl in diesem Jahr vorzubereiten – die Kommunalwahl im September. Die CDU und die FDP haben jetzt schon ihre Kandidat:innen für Münsters 33 Wahlkreise und Listen für den Rat aufgestellt. Wie sieht es bei den anderen Parteien aus? Auf Nachfrage teilen SPD und Grüne uns mit, dass ihre Mitgliederversammlungen jeweils am 15. März über die Ratslisten entscheiden werden. Die Direktmandate folgen, je nach Stadtteil, bis April. Die Linke kümmert sich nach der Bundestagswahl um die Kommunalwahl im Herbst. Wahrscheinlich ist auch, dass zwei neue Listen auf dem Wahlzettel stehen werden: einmal von Ratsherr Georgios Tsakalidis und einmal vom Bündnis Sahra Wagenknecht. Auch der Ex-Ratsherr Rüdiger Sagel hat mit einem Wahlantritt öffentlich geliebäugelt. Spruchreifes gibt es aber bisher noch nicht. (ani/sfo)

+++ Könnte BASF bald ihre gesamte Farbensparte verkaufen? Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gibt es mehrere Interessenten für das „Coatings“-Segment. Der Chemiekonzern könnte sich von bald von der Produktion von Wand- und Türanstriche trennen. Laut den Westfälischen Nachrichten gibt es Hinweise darauf, dass auch der Standort in Hiltrup betroffen sein könnte. Branchenkreise gingen davon aus, dass der Verkauf bereits ab Mitte des Jahres beginnen könnte. Offiziell betont BASF der Zeitung gegenüber, dass „strategische Optionen“ geprüft werden, für Mitarbeitende und Kunden ändere sich vorerst nichts. Konkret bestätigt hat der Konzern bislang nichts. (ani)

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Sicher ist sicher?

Viele Menschen haben kein Vertrauen in den Staat mehr. Wie stellt man so etwas wieder her? Münsters Polizeipräsidentin Alexandra Dorndorf hat einen Plan.

Münsters Polizeipräsidentin Alexandra Dorndorf sagt, es sei das erste Mal, dass sie so etwas mache. Ein Konferenzraum im fünften Stock am Hafen. Neben Dorndorf die Pressesprecherin Antonia Linnenbrink in Uniform. Auf einer Präsentationsfolie an der Wand die Ankündigung, gleich werde es um die „unbekannte Seite“ der Polizei gehen. Um die Dinge, an die man vielleicht nicht sofort denkt, wenn man das Wort Polizei hört.

Klingt etwas geheimnisvoll. Aber das soll diese unbekannte Seite eben nicht sein. Deswegen ist Alexandra Dorndorf am Donnerstagabend gekommen.

Wir hatten sie eingeladen und gebeten, bei einer RUMS-Marketing-Veranstaltung über die Arbeit der Polizei in Münster zu sprechen. Kleine Runde. Knapp 50 Menschen aus Münsters Wirtschaft in einem Raum des IT-Unternehmens Guidecom am Hafenweg, deren Vorstandsmitglied Michael Thygs – das zur Transparenz – RUMS-Gesellschafter ist.

Alexandra Dorndorf ist die erste Frau an der Spitze von Münsters Polizei. Sie ist im Münsterland aufgewachsen und kam vor drei Jahren aus Dortmund, wo sie stellvertretende Polizeipräsidentin war. Ein Jahr später kündigte sie zusammen mit der Staatsanwaltschaft eine neue Strategie in der Strafverfolgung an, um die Gegend rund um den Bahnhof sicherer zu machen, auch gefühlt sicherer.

Man schuf dazu die Stelle eines „Staatsanwalts für den öffentlichen Raum“. So wollte man sicherstellen, dass die vielen kleinen Verfahren sich nicht auf vielen Schreibtischen verteilen und unter Umständen liegen blieben. Eine bestimmte Person sollte zuständig sein und Straftäter schneller verurteilt werden.

Menschen fühlen sich unsicher. Wieso?

Seitdem ist einiges passiert. Es finden Razzien und Kontrollen statt, auch am Freitagabend noch. An der Windthorstraße hängen inzwischen Überwachungskameras. Wenn Alexandra Dorndorf öffentlich auftrat, wie Ende Oktober in der WDR-Lokalzeit, sagte sie, sie sei mit den Ergebnissen sehr zufrieden.

Am Bahnhof deckt sich dieser Eindruck mit den Zahlen der Bundespolizei, die den Westfälischen Nachrichten Ende Januar sagte, im vergangenen Jahr habe es am Hauptbahnhof weniger Gewalt- und Eigentumsdelikte gegeben.

Dennoch haben viele Menschen einen anderen Eindruck. Sie fühlen sich unsicher. Wieso ist das so? Und was hat das mit der unbekannten Seite der Polizeiarbeit zu tun?

Auf einer Folie an der Wand hinter Alexandra Dorndorf steht das Wort „Vertrauen“. Dorndorf sagt: „Wir erleben aktuell eine ganz gefährliche Vertrauenskrise.“

Das sei inzwischen wohl allen bewusst, spätestens seit dem Ampel-Aus und seit klar sei, dass es Neuwahlen geben werde. Es werde hier aber nicht – das ist ihr wichtig – um Wahlkampf gehen. Sondern erst einmal darum, miteinander zu reden, sich zuzuhören, die Sorgen der Menschen wieder ernstzunehmen.

Das sind Formulierungen, die schnell wie Phrasen klingen können. Denn oft hört man sie, wo Verständnis signalisiert werden soll, ohne dass dann irgendetwas Konkretes folgt. Hier soll es auch um das gehen, was konkret schon passiert ist.

Ruhig und nüchtern sagt Alexandra Dorndorf Sätze, die dramatisch klingen, die aber möglicherweise die Lage einfach treffend beschreiben.

„Wenn wir die Zeit nach der Bundestagswahl in den nächsten vier Jahren nicht nutzen, könnte unsere Demokratie tatsächlich Geschichte sein“, sagt sie. Das gelte für die Politik, für die staatlichen Organisationen auf allen Ebenen, eben auch für die Polizei.

Und hier spannt Dorndorf einen großen Bogen, über den Krieg in Europa, Sabotage und Spionage, eine Welle von Anschlägen. Kritische Infrastruktur schützen. Mannheim, Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg. Die Schlagworte reichen schon aus. Die Gefahr scheint im Moment überall zu sein.

Verliert der Staat die Kontrolle?

„Die Menschen meiden dunkle Ecken, sie meiden große Veranstaltungen, Weihnachtsmärkte machen den Menschen Sorge“, sagt Dorndorf. Das ist das Ziel von Terroranschlägen. Eine einzelne Tat kann die Angst überall verbreiten.

„Das Sicherheitsgefühl hat insbesondere da abgenommen, wo die objektive Sicherheitslage eigentlich sogar noch ganz gut ist“, sagt Dorndorf. Damit wird greifbar, wie es passieren kann, dass Menschen sich unsicher fühlen, obwohl es nicht unsicher ist.

Die Schwierigkeit ist also nicht nur, für Sicherheit zu sorgen, sondern auch für gefühlte Sicherheit. Damit ist man wieder beim Hauptbahnhof, um den es im Vortrag später noch gehen wird.

Hier kommt noch etwas anderes hinzu. An Bahnhöfen werden soziale Probleme sichtbar. Hier sehen Menschen Armut, Drogenprobleme, unter Umständen die Folgen einer gescheiterten Integration. Und wenn das Umfeld dann noch verwahrlost, entsteht der Eindruck, dass der Staat die Kontrolle verliert. Daran können auch gute Zahlen nichts ändern.

Das ist die Ausgangslage. Ein diffuses Gefühl von Vertrauensverlust. Und was jetzt tun?

„Wir sind überzeugt: Die Probleme lösen wir nicht in Berlin. Die Probleme lösen wir ganz konkret in Münster“, sagt Alexandra Dorndorf. „Unser Weg ist: Dialog, Dialog, Dialog“, sagt sie.

Dann erzählt Antonia Linnenbrink, wie NRW-Innenminister Herbert Reul im vergangenen Jahr durchs Land gereist sei, um mit Menschen zu sprechen und zuzuhören. Das ist natürlich PR. So entstehen Bilder vom Minister, die eine Botschaft verbreiten. Aber es ist eine andere Botschaft als: Wir werden noch härter durchgreifen.

Irgendwann später wird der Satz fallen: „Wir wollen mehr sein als das Blaulicht im Rückspiegel.“ Antonia Linnenbrink sagt ihn. Es soll nicht einfach darum gehen, schnell da zu sein, wenn etwas passiert ist, sondern darum, das Gefühl zu verbreiten, dass jemand da ist, der dafür sorgt, dass nichts passiert. Um das Gefühl von Sicherheit. Um Vertrauen.

Würde man dafür ein Bild suchen, dann wäre das nicht der Wachmann, der mit düsterer Miene und Pistole am Gürtel in der Ecke steht, sondern jemand, der mit am Tisch sitzt und mitredet.

Ein Problem für die Wirtschaft

„Waren Sie schon mal mit der Polizei beim Martinsumzug? Oder haben Sie schon mal gegen die Polizei beim Kickern verloren? In Coerde?“, fragt Alexandra Dorndorf. Es geht jetzt darum, wie die Polizei in Jugendtreffs geht, in Moscheen, wie sie für Antisemitismus sensibilisiert, an Fahrten nach Auschwitz teilnimmt.

„Und das ist mir wichtig: Nie wieder jetzt!“, sagt Dorndorf. Acht Wochen habe es damals gedauert, um eine Polizei gleichzuschalten, sagt sie. „Wie stehen wir heute da? Wie bewusst ist uns das, was jetzt wieder in unserer Gesellschaft passiert?“

Es gäbe auch kritische Themen, über die man in diesem Zusammenhang sprechen könnte. Strukturellen Rassismus. Rechte Netzwerke innerhalb der Polizei. Auch das sind Themen, die dazu beitragen, dass Menschen sich nicht sicher fühlen und Vertrauen in den Staat verlieren. Aber das wäre ein eigener Themenkomplex. Wir wollten über die Polizeiarbeit in Münster sprechen.

Und dann geht es um den Hauptbahnhof, der für etwas mehr steht als einen Ort, an dem Züge abfahren. „Ohne einen sicheren Bahnhof wird attraktives Personal dauerhaft nicht zu gewinnen und nicht zu halten bleiben“, sagt Alexandra Dorndorf. So kann Beschaffungskriminalität in der Stadtmitte zu einem Problem für die Wirtschaft werden.

Als nach dem Vortrag jemand wissen möchte, was sie denn meine, wenn sie sage, das Problem werde sich nicht in Berlin lösen lassen, erzählt Dorndorf, wie die Polizei zum Thema Integration kam. Über ein anderes Thema: Ausländerkriminalität.

Man könne das einfach liegen lassen. Aber: „Dinge verschweigen ist keine Lösung“, sagt Dorndorf. Also müsse man die Dinge benennen. Und dann gebe es „die leichten, einfachen Lösungen, die Welt in Schwarz und Weiß“. Man könne sich aber auch die Frage stellen: Woran liegt das denn eigentlich?

Dann müsse man sich zum Beispiel fragen, warum Menschen so viel Zeit haben, am Bahnhof herumzustehen. „Waren Sie schon mal in einer Unterbringungseinrichtung?“, fragt die Polizeipräsidentin in die Runde. Einige Finger gehen hoch.

„Haben Sie sich schon mal angeguckt, welche Angebote es da gibt?“ Da gebe es einiges. Und man müsse nichts machen. Man könne sich also überlegen, ob man ein Brettspiel machen wolle – oder Geld verdienen. „Ich glaube, wenn wir in einem anderen Land wären, würden wir uns wahrscheinlich auch nicht für das Brettspiel entscheiden“, sagt Dorndorf.

Und wenn man sich damit beschäftige, dann sehe man, dass da ganz viele Dinge liegen geblieben seien. Dorndorf bewertet das nicht und zieht daraus keine politischen Schlüsse.

Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg

Dass einigen politischen Lösungen die Wirklichkeit im Weg steht, das hatte sie vorher schon bemerkt. „Die Wahrheit ist: Es kommen täglich mehr Menschen zu uns, als wir monatlich abschieben.“ Allein mit Abschiebungen werde man das also nicht lösen, sagte sie.

Es gebe ja diesen Satz: Für die Erziehung eines Kindes brauche es ein ganzes Dorf. „Für die Integration von Fremden braucht es eine ganze Gesellschaft“, sagt Antonia Linnenbrink.

Auf einer Folie im Hintergrund sind jetzt viele Logos zu sehen – von der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer, den Alexianern, der Kirche, dem jungen Theater Cactus. Sie alle arbeiten zusammen.

So soll eine Art Netz entstehen, mit Kontakten und Anknüpfungspunkten an das, was die Stadt ausmacht und damit auch das Land. „Wenn Vertrauen gestärkt ist, wenn eine Perspektive möglich ist, dann ist Kriminalität nicht die einzige Option“, sagt Antonia Linnenbrink. Das soll die Idee sein.

In Wirklichkeit ist nicht alles so leicht, wie es in der Theorie klingt. Das sieht man zum Beispiel an den drei Taten, die nun immer in einer Reihe genannt werden: Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg. In Magdeburg und Aschaffenburg spielten psychische Erkrankungen eine Rolle.

So kommt man zu noch komplexeren Problemen. Wie verhindert man so etwas? Man kann versuchen, besser abzuschätzen, ob man Menschen, die gefährlich sind, wieder freilässt. Aber man kann Menschen nicht einsperren, wenn nichts gegen sie vorliegt.

„Wie sollen wir mit diesen Menschen umgehen?“, fragt Alexandra Dorndorf. Sie erzählt von dem Projekt „PeRiskoP“, das steht für „Personen mit Risikopotenzial“. Es gehe um eine Handvoll Menschen im Land, von denen man wisse, dass von ihnen eine Gefahr ausgehen könnte.

Eine Spirale nach oben

Zu diesen Menschen halte man Kontakt, man spreche mit ihnen, um abzuschätzen, ob in ihrem Leben etwas passiert, das eine Straftat wahrscheinlicher macht. „Aber die werden nicht vorher die Polizei anrufen, wenn sie eine Straftat begehen“, sagt Dorndorf. Es bleibt eine Unsicherheit. Eine einfache Lösung gibt es nicht.

Eine nicht ganz so einfache Lösung ist, etwas genauer hinzusehen. „Wir bearbeiten oft am Ende der Kette ein Symptom, um das sich vorher niemand gekümmert hat“, sagt Alexandra Dorndorf.

Dann erzählt sie noch einmal von der Gegend rund um den Bahnhof und der Windthorstraße. Seit dort die Videokameras hängen, sei die Straße befriedet, sagt Dorndorf. Hin und wieder meldet die Polizei einen Raub oder Diebstahl. Aber sonst sei kaum noch etwas zu tun an dieser Stelle. Jetzt müsse man darüber nachdenken, was passiere, wenn die Kameras dort nicht mehr hängen.

„Eine Spirale kann man auch nach oben wieder in Gang setzen“, sagt Alexandra Dorndorf. Man müsse dafür sorgen, dass die Menschen im Viertel die Straße wieder einnehmen, auch den Park an der Engelenschanze. Die Straße einigen, Fahrräder wegschaffen, möglichst viel Außengastronomie. Dann sehe es an der Windthorststraße anders aus. Nur, das sei eben nicht Aufgabe der Polizei, sagt Dorndorf. „Das müssen andere tun.“ (rhe)

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Korrekturen

+++ Im letzten RUMS-Brief haben wir geschrieben, dass 40.000 Erstwähler:innen in ganz Deutschland durch die vorgezogene Bundestagswahl nicht mehr wählen dürfen. Da ist uns allerdings eine Null verloren gegangen: Es sind 400.000 17-Jährige in Deutschland, die im September hätten wählen dürfen und im Februar noch nicht volljährig sind. Wir haben das in der Infografik korrigiert. (ani)

Ein-Satz-Zentrale

+++ Das Münsteraner Wahlbüro hat innerhalb der ersten zwei Tage bereits 70.150 Wahlscheine ausgestellt. (Westfälische Nachrichten)

+++ Ab dem 17. Februar saniert die Stadt vier Monate lang den Kanal in der Niesingstraße und sperrt einen Abschnitt für Autos. (Stadt Münster)

+++ Ein breites Bündnis hat die „Münsteraner Erklärung gegen Rechtsextremismus“ unterzeichnet, um sich klar gegen die Politik der AfD zu positionieren. (Münstertube)

+++ In der Annette-von-Droste-Hülshoff-Grundschule in Angelmodde ist der Unterricht im neuen Erweiterungsgebäude mit modernen Klassenräumen und einer Mensa gestartet. (Stadt Münster)

+++ Die Kita Purzelbaum im Kreuzviertel sucht dringend eine neue Unterkunft, da ihr Gebäude verkauft wird. (Antenne Münster)

+++ Der münsterische Skateboard- und Modehändler Titus hat Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt. (Wirtschaftswoche)

+++ Münsters Einwohnerzahl erreichte Ende 2024 mit 322.715 Menschen einen neuen Höchststand. (Westfälische Nachrichten)

+++ Die Bundespolizei ermittelt wegen sexueller Belästigung gegen einen 30-jährigen Mann, der am Montagnachmittag im Zug von Greven nach Münster eine Frau bedrängt haben soll. (Bundespolizei NRW)

+++ Die Münsteraner Linke wächst derzeit rasant und zählt inzwischen 522 Mitglieder, allein im Januar und Februar traten über 200 neue Mitglieder ein. (Linke Münster)

Unbezahlte Werbung

Seit der vergangenen Woche gibt es endlich einen rein asiatischen Supermarkt mitten in der Fußgängerzone der Innenstadt. Im ehemaligen Apple-Store in der Salzstraße 20 hat „Go Asia“ eröffnet. Der Laden ist Teil einer deutschlandweiten Kette von insgesamt 57 Filialen. Dementsprechend groß ist das Angebot: Rund 4.000 verschiedene Produkte aus zahlreichen asiatischen Ländern, darunter Nudel- und Sushivariationen, Dumplings, spezielle Soßen und Nachtischkreationen wie Mochis. Bis zum 22. Februar gibt es noch 10 Prozent Eröffnungsrabatt – danach dann jeden ersten Samstag im Monat. Geöffnet hat „Go Asia“ montags bis samstags von 9 bis 20 Uhr.

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Drinnen und Draußen

Katja Angenent hat heute für Sie in den Kalender geschaut und einige Empfehlungen gesammelt:

+++Am morgigen Mittwoch wird um 15 Uhr im Cuba die Installation „Zeitechos“ von Klangkünstlerin Mirijam Streibl eröffnet. Sie hat sich im Treppenhaus des Gebäudes auf Spuren- und Geräuschsuche begeben und ein überdimensioniertes Mobile erschaffen, das Klänge in alle Stockwerke transportiert. Nach der Eröffnung ist die Ausstellung noch bis Ende März montags bis freitags jeweils von 9 bis 19 Uhr zugänglich, der Eintritt ist frei.

+++ Im Kleinen Bühnenboden werden am Mittwoch um 19 Uhr Kurzfilme zum Thema „Die Grenzen der Arbeit“ gezeigt und anschließend besprochen. Anhand verschiedener Beispiele geht es um unterschiedliche Facetten von Arbeit. Die Grauzonen zwischen Job und Ausbeutung werden anhand von Arbeitenden im Niedriglohnsektor, im Rotlichtmilieu oder im Modelbusiness beleuchtet. Karten erhalten Sie für 7 Euro an der Abendkasse.

+++ Der Mittwoch zum Dritten: Um 19 Uhr können Sie bei einer Lesung im Forum der VHS den aktuellen Roman des preisgekrönten Autors Fiston Mwanza Mujilas kennenlernen. In „Tanz der Teufel“ heißt der Kongo noch Zaire und bietet Raum für absurde Dialoge und zahlreiche Erzählstränge. Der Autor, der seit vielen Jahren in Graz lebt, steht zusammen mit dem Literaturwissenschaftler Moustapha Diallo und dem Schauspieler Stefan Nászay auf der Bühne. Der Eintritt ist frei, um eine Spende wird gebeten.

+++ Am Donnerstag läuft der Film „Hundreds of Beavers“ im Kino an. Wenn Sie vergangene Woche zur Arthouse Sneak im Cinema waren, kennen Sie die Slapstick-Komödie schon. Wenn nicht: In „Hundreds of Beavers“ geht es um einen Apfelschnapsverkäufer, der nach der Explosion seiner Brennerei im tiefsten Winter aufwacht und unerwartet zum größten Pelzjäger der USA wird, weil er es mit hunderten Bibern aufnehmen muss. Also kurzum: wilde Story. Karten für den Schwarz-Weiß-Stummfilm gibt es hier.

+++ Die Initiative Verkehrswende der Zukunftswerkstatt Kreuzviertel lädt am Donnerstag um 17:30 Uhr in der Schulstraße 45, Münster, zu einem Runden Tisch mit dem Thema „Verkehrswende durch Car Sharing“ ein. Verkehrsplaner Yannic Werremeier, der für RUMS einen Gastbeitrag dazu geschrieben hat, und ein Vertreter von Stadtteilauto Münster diskutieren über bestehende Car-Sharing-Modelle, mögliche Weiterentwicklungen und die Rolle des Car Sharings in zukünftigen Mobilitätskonzepten für Münster. Anmeldungen an: zukunftswerkstatt.kreuzviertel@gmail.com.

+++ Am Freitag ist wieder der „Lange Freitag“. Ab 18 Uhr ist der Eintritt ins LWL-Musuem für Kunst und Kultur frei. Wie immer gibt es auch Workshops und geführte Rundgänge. Das Archäologische Museum direkt gegenüber macht übrigens auch mit. Zusammen zeigen die beiden Museen die Sonderausstellung „Verliebt in die Demokratie“.

(Korrekturhinweis: Wir schrieben irrtümlicherweise in einer früheren Version, das Ahlener Mammut stünde im Archäologischen Museum. Es steht aber im Geomuseum. Das macht übrigens auch mit beim „Langen Freitag“.)

+++ Wenn Ihnen der Sinn mehr nach Musik steht, besuchen Sie doch am Freitag um 20 Uhr die Friedenskapelle. Für das Konzert der Band „Antigua“, die Gypsy Swing und Bossa Nova verbindet, gibt es noch Restkarten. Wenn Sie vorab mal hören möchten, wie das so klingt, bitte hier entlang.

Am Freitag schreibt Ihnen Sebastian Fobbe. Ich wünsche Ihnen eine gute Woche!

Herzliche Grüße
Ralf Heimann

Mitarbeit: Anna Niere (ani), Sebastian Fobbe (sfo), Jan Große Nobis (jgn), Katja Angenent (kat) – das bedeutet: Die einzelnen Texte im RUMS-Brief sind von der Person geschrieben, deren Kürzel am Ende steht.
Lektorat: Susanne Bauer

PS

Die AfD hat mehrfach Meldeplattformen eingerichtet, auf denen Jugendliche oder ihre Eltern parteikritische Lehrkräfte melden konnten. Die Satirepartei „Die Partei“ parodiert das nun mit einer eigenen Plattform, dem „Elternmelder“. Dort können Kinder ihre Eltern melden, wenn sie sich „nazihaft“ verhalten, also wenn ihre Lieblingsfarbe zum Beispiel Blau ist. Wenn Sie auch etwas zu melden haben, bitte hier entlang.

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