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Der Fall Thomas Robbers | Warum musste er wirklich gehen?
Guten Tag,
der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman hat ein menschliches Wahrnehmungsphänomen erforscht, das er die WYSIATI-Regel nennt. WYSIATI steht für: What you see is all there is. Auf Deutsch: Es zählt nur das, was wir wissen. Unser Gehirn nimmt die Informationen, die zur Verfügung stehen, und konstruiert daraus eine Geschichte. Jede weitere Information kann diese Geschichte verändern. Nach diesem Prinzip funktionieren Krimis. Die Witwe kann als sympathische Großmutter erscheinen, die sich liebevoll um ihre Enkel kümmert. Aber sobald in ihrer Handtasche eine Pistole zu sehen ist, wird sie verdächtig. Dann stellt sich die Frage: Hat sie vielleicht doch etwas mit dem Mord zu tun? Und dann fallen auch die Brüche auf. Sie war ja doch sehr eng mit ihrem Schwager. Vielleicht war da mehr? Ein Verhältnis? Könnte doch sein. Allerdings kann sich schon kurz darauf herausstellen, dass die Frau eine alte Waffe aus der Sammlung ihres Mannes zum Pfandleiher bringen wollte, um ihrem Enkel ein neues Fahrrad zu kaufen. Schon erscheint wieder alles ganz anders. In seinem Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ schreibt Kahneman: „Es ist leichter, alles, was man weiß, in ein plausibles Muster einzupassen, wenn man wenig weiß.“
Eine Woche, nachdem die Stadt Münster Thomas Robbers als Geschäftsführer der städtischen Wirtschaftsförderung abberufen hat, ist über die Umstände, die dazu führten, offiziell noch immer nicht viel bekannt. Wir sehen nur Bruchstücke. Mehrere Medien berichteten etwa, Thomas Robbers soll dem Hauptverdächtigen im Missbrauchsfall, Adrian V., mehrfach kostenlos sein Ferienhaus in Belgien zur Verfügung gestellt haben. Ich habe in der vergangenen Woche mit vielen Menschen über den Fall gesprochen. Dabei hörte ich oft Aussagen wie: Natürlich muss man davon ausgehen, dass Robbers unschuldig ist. Aber irgendwie ja schon komisch: Warum hat ein Mann in dieser Position mit so jemandem privaten Kontakt?
Sicher, zwei so unterschiedliche Männer – was soll die beiden verbinden? Natürlich fällt einem dazu eine Geschichte ein. Aber anders klingt die Geschichte, wenn man eine weitere Information hinzufügt. Aus dem Umfeld von Thomas Robbers habe ich erfahren, dass der Kontakt zu Adrian V. nicht über ihn, Thomas Robbers, zustande kam, sondern über seine Frau. Sie und Adrian V. waren danach Kollegen bei einem ihrer früheren Arbeitgeber.
Recht dünne Informationslage
Unvollständige Informationen ergeben eine Geschichte. Fast immer. Nur unter Umständen eine falsche. Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe wird das wissen. Er erzählt gern eine Anekdote aus seinem ersten Jahr im Amt, als er abends im Winter auf dem Heimweg mit seinem Fahrrad hinter einem Streuwagen fuhr und nicht überholen konnte. Minutenlang fuhr er hinter dem Streuwagen her. Am nächsten Morgen bekam er eine E-Mail mit der Betreffzeile: „Spartipp an die Stadt Münster.“ Der Absender wollte wissen, ob es nicht günstiger wäre, dem Oberbürgermeister einen Dienstwagen zur Verfügung zu stellen – statt eines Streuwagens.
In diesem Fall steht am Ende eine lustige Pointe. Aber auf die gleiche Weise kann ein schlimmer Verdacht aufkommen. Im Fall von Thomas Robbers ist das passiert. Und die Frage ist, ob Oberbürgermeister Markus Lewe tatsächlich Münsters Ansehen und das Vertrauen in die städtischen Institutionen vor Schaden bewahrt hat, wie er es den Westfälischen Nachrichten am vergangenen Montag (€) gesagt hat – oder ob die Stadt mit einer zu schnellen Entscheidung die Reputation eines Menschen schwer beschädigt und dabei hohe Kosten in Kauf genommen hat.
Mit den vorliegenden Informationen lässt sich diese Frage nicht eindeutig beantworten. Aber aus einem vertraulichen Schreiben, das wir einsehen konnten, geht hervor, dass die Fraktionsspitzen ihre Entscheidung, Thomas Robbers abzuberufen, auf Grundlage von recht dünnen Informationen treffen mussten. Es ist zudem der Eindruck entstanden, dass es noch einen anderen Grund für die Trennung von Robbers geben könnte, der nicht in der Information für die Fraktionsspitzen stand.
Die Chronologie
Versuchen wir zu rekonstruieren, was in den vergangenen Wochen passiert ist. Auf die Informationen von Thomas Robbers müssen wir dabei leider verzichten. Er lässt mitteilen, dass er sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht äußern möchte. Die Stadt Münster hat immerhin einen Teil der über 30 Fragen inhaltlich beantwortet, die wir am Freitag gestellt haben.
Die Stadt verrät nach unserem Eindruck nur das Allernötigste. Informationen, die sie uns nicht gibt, sind zum Beispiel eine Antwort auf die Frage, an welchem Tag der Oberbürgermeister den Hinweis erhielt, dass Thomas Robbers in einer Verbindung zu Adrian V. stand. Auch darüber, wann genau Markus Lewe mit Thomas Robbers über diese Verbindung gesprochen hat, gibt der Oberbürgermeister keine Auskunft. Doch das geht aus dem vertraulichen Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden hervor.
Nach unseren Recherchen war die Chronologie wie folgt:
Am 8. Juni, zwei Tage nach Bekanntwerden des Missbrauchsfalls, meldet sich Thomas Robbers bei der Staatsanwaltschaft Münster, um seine Verbindung zu Adrian V. offenzulegen. Dieses Datum hat die Staatsanwaltschaft bestätigt. Am Tag darauf, dem 9. Juni, ruft Markus Lewe Thomas Robbers an, nachdem er einen Tipp erhalten hat. Den Missbrauchsfall spricht Lewe nicht sofort an, sondern erst gegen Ende des Telefonats. Kurz bevor die beiden auflegen, erwähnt Robbers seine Bekanntschaft zu Adrian V. „beiläufig“, wie es in dem Schreiben heißt, eingeleitet mit dem Satz: „Was ich noch sagen wollte.“
In dem Gespräch geht es unter anderem um Robbers’ Ferienwohnung in Belgien. Dort soll Adrian V. sich zusammen mit dem zehnjährigen Hauptopfer aus Münster aufgehalten haben. Dort soll V. auch „eine IT-Anlage“ installiert haben. So heißt es etwas vage in dem Schriftstück.
Nach dem Gespräch lässt Lewe Robbers „sechs detaillierte Fragen zu dessen Umgang mit dem Hauptbeschuldigten“ von einem Boten überbringen – zu beantworten bis Mittwoch, 10. Juni, um 14 Uhr. Lewe möchte wissen, warum Robbers Adrian V. die Wohnung in Belgien zur Verfügung gestellt hat. Außerdem soll er den Aufsichtsratsvorsitzenden der Wirtschaftsförderung, Mathias Kersting, informieren.
Am Montag ging alles ganz schnell
Am Mittwoch übergibt Thomas Robbers seine Antwort in Form eines Briefs. Laut dem vertraulichen Schreiben beantwortet Robbers keine der Fragen, die ihm gestellt worden waren. Aber er ergänzt mündlich, so heißt es, dass Adrian V. vier Mal in seiner Wohnung in Belgien gewesen sei. Die Mutter von Adrian V. habe sich ebenfalls in dem Haus aufgehalten.
Was in den vier Tagen darauf passierte, geht nicht aus dem Papier hervor. Die Westfälischen Nachrichten schreiben, die Situation habe sich offenbar zugespitzt. Ein Ratsmitglied vermutet, dass das einfach bedeutet: Es wussten immer mehr Menschen davon, und es bestand die Gefahr, dass es irgendwann bei der Boulevard-Presse ankommt.
Am Montag, dem 15. Juni, ging schließlich alles ganz schnell. Die Fraktionschefs wurden zu 17 Uhr ins Rathaus bestellt. Dort legte man ihnen das vertrauliche Schreiben vor, an dessen Ende steht:
„Folgende Einschätzung wird den Verantwortlichen immer deutlicher: Die unprofessionelle Kommunikation von Herrn Dr. Robbers gegenüber den Repräsentanten der kommunalen Eigentümerin des von ihm geführten Unternehmens lassen zudem seine Qualifikation für die Fortführung der Dienstgeschäfte als höchst zweifelhaft erscheinen. Er hätte unverzüglich von sich aus spätestens nach Bekanntwerden des Falles über seine Verbindung zum Hauptbeschuldigten, die Eigentümerin der Wirtschaftsförderung Münster GmbH in Kenntnis setzen müssen.“
Im Wesentlichen auf der Grundlage dieser Informationen berufen die Fraktionschefs Thomas Robbers ab. Doch einiges bleibt unklar. Den genauen Inhalt der Fragen etwa, die Robbers beantworten sollte, kennen die Fraktionschefs nach unserer Recherche nicht, als sie die Entscheidung treffen. Aus Fraktionskreisen heißt es, Markus Lewe habe auf die Entscheidung gedrängt. Letztlich lassen sie sich von ihm überzeugen. Die Entscheidung fällt einstimmig. Man einigt sich auf eine gemeinsame Sprachregelung.
Ging es um die private Verbindung zu V.?
Kurz nach 19 Uhr, die Sitzungen sind gerade vorbei, erscheint die Pressemitteilung der Stadt Münster. Im letzten Satz steht der Hinweis: „Die Gründe für die Abberufung sollen zum jetzigen Zeitpunkt und zum Schutz der Privatsphäre Dritter nicht öffentlich gemacht werden.“ Aber keine fünf Stunden, nachdem man den Chef der Wirtschaftsförderung mit der Begründung „unprofessionelle Kommunikation“ abberufen hat, berichten die Westfälischen Nachrichten über die Hintergründe, die eigentlich geheim bleiben sollten.
Die Quelle der Zeitung hat die Begründung für die Abberufung allerdings nicht so in die Öffentlichkeit getragen, wie sie im Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden steht. Dort ist nicht die Rede davon, dass Robbers gehen musste, weil er „eine zu nahe private Verbindung zum Hauptbeschuldigten hatte“, wie die Westfälischen Nachrichten es berichten. Laut dem Schreiben geht es lediglich um „unprofessionelle Kommunikation“. Das müsste bedeuten: Hätte Thomas Robbers anders kommuniziert, wäre die private Verbindung zu Adrian V. kein Problem gewesen.
Aber stimmt das wirklich?
Die Westfälischen Nachrichten schreiben in ihrer ersten Meldung zur Abberufung (€) von Thomas Robbers am 15. Juni über Adrian V.: „Auch dessen ebenfalls inhaftierte Mutter soll sich, wie auch das zehnjährige Hauptopfer des Missbrauchs, in dem Ferienhaus aufgehalten haben. Für Lewe war danach offensichtlich eines klar: Der private Umgang eines städtischen Spitzenbediensteten mit einem des vielfachen sexuellen Kindermissbrauchs Beschuldigten, der bereits zuvor schon zweimal wegen des Besitzes und Vertriebs von Darstellungen sexueller Gewalt an Kindern verurteilt war, untergrabe das Ansehen städtischer Institutionen. Unabhängig davon, ob Robbers von den Vorgängen etwas wusste oder nicht.“
Das kann nun eine Interpretation des Autors sein, die möglicherweise nichts mit dem zu tun hat, was ihm von seiner Quelle gesagt wurde. Dann wäre es eine Vermutung. Es kann aber auch sein, dass jemand aus dem Umfeld von Markus Lewe es so dem Autor erzählt hat. Oder Lewe selbst hat es ihm gesagt. Dann wäre jeweils gegen die vereinbarte Sprachregelung verstoßen worden. In den letzten beiden Fällen würde sich die Frage stellen: Wenn dieser Grund bei der Abberufung von Thomas Robbers eine Rolle gespielt haben sollte, warum steht davon dann nichts in dem Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden?
Und falls der Grund keine Rolle spielte: Warum hat Lewe es dann noch nicht dementiert? Schließlich hat auch die FAZ geschrieben, der Rat der Stadt habe Robbers von seinen Aufgaben entbunden, “weil er Umgang mit dem Hauptverdächtigen hatte”. In dem Artikel kürzt der Autor Robbers mit “R.” ab und stellt ihn damit auf die gleiche Ebene wie den Hauptverdächtigen. Der Spiegel schreibt, Robbers sei freigestellt worden, weil “er offenbar private Beziehungen zu dem Hauptverdächtigen im Missbrauchsfall pflegte”.
Weiter kein Verdacht gegen Robbers
Vollkommen unwahrscheinlich ist es nicht, dass die private Verbindung von Robbers zu V. für die Stadt eine größere Rolle spielte, als aus dem Schreiben hervorgeht, das man den Fraktionsvorsitzenden präsentierte. Ein mögliches Motiv wäre: Man wollte auf Nummer sicher gehen – und zu hundert Prozent den Fall ausschließen, dass irgendetwas an den städtischen Institutionen oder dem Oberbürgermeister hängenbleiben könnte, falls sich später herausstellen sollte, dass Thomas Robbers doch etwas mit dem Missbrauchsfall zu tun hat.
Für Letzteres gibt es jedoch weiterhin keine Anhaltspunkte. Die Staatsanwaltschaft Münster hat erst am Dienstag in einer Pressemitteilung darüber informiert, dass ihre Ermittler die Ferienwohnung von Thomas Robbers in Belgien untersucht haben. Die Informationen über das Geschehen dort klingen sehr viel vorsichtiger als in dem vertraulichen Schreiben an die Fraktionschefs. „Wir können nicht ausschließen, dass sich der 27-jährige Beschuldigte mit dem zehnjährigen Opfer in der Wohnung in Belgien aufgehalten hat“, sagt Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt in der Pressemeldung. Dass gegen Thomas Robbers weiter nichts vorliegt, hat er uns gestern am Telefon bestätigt.
So bleiben mindestens zwei Möglichkeiten. Die eine wäre: Thomas Robbers hat durch seine Kommunikation einen Vertrauensbruch verursacht, der nach Ansicht der Stadt nicht mehr zu reparieren war. Dafür würde sprechen, dass mehrere Ratsmitglieder, mit denen wir geredet haben, sich in einem Punkt einig sind: Thomas Robbers hat mit seiner Kommunikation einen Fehler gemacht. Er hätte die Vorwürfe selbst aus der Welt schaffen können, wenn er seine Verbindung zu Adrian V. erklärt und die Fragen beantwortet hätte, so sagen es mehrere. Warum er das nicht getan hat, wissen wir nicht. Dem WDR hat Thomas Robbers gesagt, von den Tatvorwürfen habe er nichts gewusst. Wörtlich sagte er: „Wir konnten nichts erkennen, sonst hätten wir das nicht angeboten.“ Mit „das“ meint er den Aufenthalt in der Ferienwohnung. Vielleicht ist das aus seiner Sicht alles, was es zu sagen gibt. In diesem Fall hätte er es selbst in der Hand gehabt. Und dann müsste er mit der Abberufung leben.
Möglicher Grund: das Risiko
Die zweite Möglichkeit wäre: Thomas Robbers musste gehen, weil er zu einem zu großen Risiko wurde. Er gilt zwar als unschuldig, aber es hätte ja jederzeit etwas bekannt werden können. Dann wäre die Frage gekommen: Warum habt ihr denn nichts unternommen, wenn ihr doch etwas wusstet? In diesem Fall hätte Robbers auch mit einer besseren Kommunikation nichts an seiner Abberufung ändern können. Und wenn das so wäre, hätte der Oberbürgermeister sich von Robbers getrennt, um die Stadt und sich selbst in Sicherheit zu bringen. Die beschädigte Reputation von Robbers und die hohen Kosten für die Stadt wären dann ein Kollateralschaden.
Um von den Kosten einen Eindruck zu geben: Vor sieben Jahren hatte Thomas Robbers ein Jahresgehalt von 230.000 Euro, plus Zulagen. Das ist die letzte Veröffentlichung, die uns vorliegt. Gesunken sein dürften seine Bezüge seitdem nicht. Sein Vertrag wurde vor zwei Jahren verlängert und läuft bis 2024. Da Robbers nur als Geschäftsführer abberufen, aber noch immer angestellt ist, wird er weiterhin bezahlt – bis man sich entweder einigt oder möglicherweise vor Gericht sieht. Man kann wohl jetzt schon sagen: Die Trennung von ihm wird nicht billig werden.
Die zweite Möglichkeit erscheint auch deshalb nicht vollkommen ausgeschlossen, weil Markus Lewe der Zeitung wörtlich gesagt hat: “Münsters Ansehen und das Vertrauen in die städtischen Institutionen standen auf dem Spiel und sind durch diese Dringlichkeitsentscheidung des Rates vor Schaden bewahrt worden.”
Stehen wirklich das Ansehen und das Vertrauen der Stadt auf dem Spiel, weil der Chef der Wirtschaftsförderung unprofessionell kommuniziert?
Markus Lewe könnte das klarstellen, wenn er sich zu den Gründen für die Abberufung von Thomas Robbers äußern würde. Bislang hat er das nicht getan. Er könnte dementieren, dass Robbers seinen Posten wegen einer zu nahen privaten Verbindung zu Adrian V. verloren hat. Viel mehr müsste er nicht sagen, um Thomas Robbers – gegen den, um es noch einmal zu wiederholen, bislang überhaupt nichts vorliegt – von dem Eindruck zu befreien, dass man bei der Stadt denkt: Vielleicht hängt er ja doch irgendwie in der Sache drin.
So manche haben Bauchschmerzen
In der Ratssitzung heute Abend in der Halle Münsterland steht der Fall Thomas Robbers auf der Tagesordnung, allerdings in dem Teil der Sitzung, der nicht öffentlich ist. Die Parteien müssen die Dringlichkeitsentscheidung genehmigen, die ihre Fraktionsvorsitzenden getroffen haben. Schon am Montag in den Fraktionssitzungen wurde darüber diskutiert. Keines der Ratsmitglieder, mit denen ich gesprochen habe, rechnet damit, dass die Entscheidung gekippt werden könnte. Aber alle hoffen auf eine Diskussion über die offenen Fragen. Bauchschmerzen mit der Entscheidung haben so manche, aber sich öffentlich zu äußern, sei in dem Fall sehr schwer. Viele hätten die Angst, hier jemandem den Rücken zu stärken, von dem sich später herausstellen könnte: Er steht in Verbindung zu einem Missbrauchsfall. Wenn es um Kindesmissbrauch geht, scheint die Unschuldsvermutung relativ zu sein.
In der Grünen-Fraktion ging es am Montag um die Sorge, dass die AfD das Thema ausschlachten und behaupten könnte, man stelle sich „hinter einen möglichen Täter“, falls man den Beschluss nicht genehmige. Ein Ratsmitglied erzählte am Telefon, dass es im Moment nachts schlecht schlafe wegen der Entscheidung. Auf der einen Seite wolle man keinen unschuldigen Menschen stigmatisieren, schon gar nicht dessen Familie. Auf der anderen Seite hätten viele selbst Familie, und da sei ja der ganze Hass auf den Social-Media-Kanälen. „Das ist alles völlig außer Kontrolle“, sagte die Stimme am Telefon. Es klang, als ginge es nicht nur um das Internet.
Am Freitag schreibt Ihnen meine Kollegin Katrin Jäger. Haben Sie bis dahin eine schöne Woche.
Herzliche Grüße
Ralf Heimann
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