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Ein bisschen Schule | Münster maskiert sich | Gefährliche Vorsicht
Guten Tag,
ich lehne mich wohl nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass etwa 2.700 Familien in Münster das Frühstück heute nicht so gut schmeckte. Das lag nicht am Kaffee, Toast oder den Äpfeln im Müsli – der Schulstart für die Abschlussklassen der Haupt-, Real- und Sekundarschulen sowie für die Abiturientinnen und Abiturienten sorgte bei vielen Eltern und Jugendlichen für ein flaues Gefühl in der Magengegend. Bestenfalls. Schlimmstenfalls für Angst.
Zur Schule mussten heute 1.162 Zehntklässlerinnen und -klässler, zusätzlich noch einige Hundert Schülerinnen und Schüler der Berufskollegs – und maximal 1.618 Abiturientinnen und Abiturienten, die zur Schule gehen können, aber nicht müssen. In einem Interview (hinter der Paywall) mit den Westfälischen Nachrichten sagte Schuldezernent Thomas Paal, dass die Schulen darauf gut vorbereitet seien. „Sie sind zwar seit Wochen geschlossen, aber die Reinigung ist weitergelaufen. Viele Schulen sind also sauberer als je zuvor.“ Nun gut. Eine in den Osterferien grundgereinigte Schule ist ja eigentlich auch außerhalb jeder Krisenlage selbstverständlich.
Eher 2 minus
All das nutzt wenig, weil – wie jeder weiß – Viren mit Menschen kommen. Unser Reporter Sebastian Stachorra hat für RUMS bei einigen Schulen nachgefragt, wie der erste Tag gelaufen ist. Ulrich Bertram zum Beispiel würde seiner Schule die Note „2 minus“ geben. „Woran wir alle noch arbeiten müssen, ist der Mund-Nasen-Schutz“, sagt der Leiter der Friedensschule, in der 115 von 139 Abiturientinnen und Abiturienten am Unterricht teilnahmen. Etwa 60 Prozent seien ohne Schutzmaske gekommen, auch die Abstandsregeln seien schwierig einzuhalten gewesen. Übrigens: Bertram schätzt, dass von seinen insgesamt 1.400 Schülerinnen und Schülern maximal die Hälfte gleichzeitig beschult werden kann, wenn die Corona-Abstandsregeln weiter gelten. Am Hans-Böckler-Berufskolleg hingegen gab es genügend Masken, die entweder von der Schule gestellt oder von den Schülerinnen und Schüler mitgebracht wurden, sagt Schulleiter Günther Menke, der die Planung aber als „zu kurzfristig“ bezeichnete.
Bei dem Thema Schule und Corona geht es aber nicht nur um Regeln, sondern auch um Emotionen. Schulleiterin Kathrin Kösters von der Gesamtschule Münster Mitte hat vor allem eine besondere Stimmung wahrgenommen: Einige sonst eher lebhafte Schülerinnen und Schüler hätten eher ernst und ruhig gewirkt. Der Großteil aber sei erleichtert gewesen. Die Schule hatte die 123 Schülerinnen und Schüler der Klasse 10 (einen Abijahrgang gibt es noch nicht) im Halbstundentakt empfangen.
Das Busproblem
Doch nicht nur beim Unterricht in den Schulen, auch auf dem Weg dorthin mussten die Abstandsregeln eingehalten werden können. Für die Schülerinnen und Schüler, die mit Fahrrädern, zu Fuß oder mit dem „Elterntaxi“ kamen, war das einfach zu gewährleisten. Für den Busverkehr dagegen war schon mehr Planung erforderlich. In der vergangenen Woche hatten die Stadtwerke Münster zum Beispiel mit den vier Berufskollegs im Mauritz-Viertel, dem Schulzentrum Roxel und der Friedensschule den Bedarf geklärt. Das ist gar nicht trivial: In einen Gelenkbus passen, wenn die Abstandsregeln gewahrt werden sollen, etwa 20 Menschen, unter Normalbedingungen sind es 120 bis 130. Momentan reicht das, es gibt zudem sogenannte „Verstärker“, also Busse, die sofort einsatzfähig sind, wenn es zu voll werden sollte. Wenn nun aber alle Schülerinnen und Schüler, die gewöhnlich den Bus nutzen, wieder zur Schule fahren würden, wären Corona-bedingt 900 Busse nötig. Den Stadtwerken stehen 200 Busse zur Verfügung, von denen vor Corona zu Stoßzeiten 170 im Einsatz für den Schulverkehr waren. Außerdem ist die Personaldecke jetzt schon dünn.
Ins Herz der Zielgruppe
Mit der Thematik „Schule“ hat sich auch YouTuber und Politikerschreck Rezo beschäftigt. Ähnlich wie schon bei seinem Video „Die Zerstörung der CDU“ aus dem vergangenen Jahr ist er wieder emotional und provokant vorgegangen. Aber: Er formuliert klar, stellt Fragen und nimmt sich Zeit für die Argumente der Jugendlichen. Doch auch Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern werden sich von ihm gehört fühlen. Binnen eines Tages haben sich mehr als eine Million Menschen seinen Film „Wie Politiker momentan auf Schüler scheißen…“ angeschaut. Wer es weniger reißerisch und fäkalsprachlich mag, kann auch in der Wochenzeitung „Die Zeit“ eine Kolumne von ihm lesen.
Maskenball statt Abiparty
Münster war die erste Stadt in NRW, die eine Maskenpflicht angekündigt hat. Sie gilt – jetzt auch landesweit – ab Montag in Geschäften, auf Ämtern und im öffentlichen Nahverkehr. Die Frage ist nur: Wo soll der Schutz herkommen? Die Lieferprobleme für medizinische Masken sind hinlänglich bekannt, eine zentrale Verteilstelle gibt es erst recht nicht. Die Stadt Münster sagt zum Glück, dass auch Schals oder Tücher ausreichen. Oder eben selbstproduzierte Masken: Deshalb bieten wir Ihnen zur Sicherheit zwei wirklich simple Self-Made-Anleitungen, die selbst Näh- und Bastelunbegabte wie mich nicht überfordern. Sie haben die Wahl: Tuch-Maske oder T-Shirt-Mundschutz?
Wer nicht basteln oder nähen mag, kann aber nach wie vor auch in vielen Apotheken von Münsteranerinnen und Münsteranern genähte Masken bekommen. Hier außerdem noch ein paar Tipps für Verkaufsstellen, die uns Leserinnen und Leser geschickt haben: Frau Schuh an der Kreuzkirche (Hoyastraße 7), Witt & so (Coerdestraße 36) und die Schneiderei am Bült (Kirchherrngasse 12) haben Masken im Sortiment. Die Preise in den Geschäften variieren je nach Fertigungsaufwand, manchmal werden Teile des Erlöses gespendet, eine einheitliche Regelung gibt es dazu nicht. (Hinweis für alle Preußen-Münster-Fans: die Masken in den Vereinsfarben waren leider schon nach fünf Stunden vergriffen.)
Die Firma Stricker verkauft außerdem seit heute von 8 bis 15 Uhr am Hauptsitz (An der Kleimannbrücke 4) auch die medizinischen FFP2-Masken an Privatleute. Wie das genau geht, lesen Sie hier. Demnächst soll es auch Masken in Discountern geben.
Kleiner Tipp übrigens noch am Rande: Üben Sie am Wochenende das Aufsetzen des Mund-und Nasenschutzes! Mal bestehen die Fixierungsbänder aus Stoff, mal aus Gummi, mal sind sie sehr kurz und drücken am Ohr, dann lösen sie sich wieder, weil sie zu locker sitzen. Brillenträger jammern, weil die Gläser beschlagen, der Stoff verrutscht nach oben oder nach unten. Kurz: Bequem sind die Dinger nicht, und wir müssen uns erst daran gewöhnen.
In unserem Brief am Dienstag schrieben wir, Geschäfte in NRW dürften nicht öffnen, wenn sie größer als 800 Quadratmeter sind. Das hat sich inzwischen geändert. Die NRW-Landesregierung hat dazu gestern eine Pressemitteilung veröffentlicht. Ab Montag dürfen auch größere Geschäfte wieder öffnen – allerdings nur, wenn sie ihre Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter reduzieren können.
Weltweit suchen Forschungsgruppen im Kampf gegen Corona nach einem Impfstoff. Erste Tests werden bereits in klinischen Studien durchgeführt, auch in Deutschland erhielt ein Unternehmen jetzt eine Genehmigung für Tests an Menschen.
Parallel dazu werden durch Obduktionen verstorbener Covid-19-Patientinnen und -Patienten neue Erkenntnisse zum Krankheitsverlauf gewonnen. Pathologinnen und Pathologen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf haben mehr als 100 Corona-Tote untersucht und sind laut Merkur zu dem Schluss gekommen, dass bei allen Verstorbenen Vorerkrankungen vorlagen, „in der Regel mehrere.“ Da die Begriffe „Vorerkrankung“ und „Risikogruppe“ sehr weit gefasst sind und immer wieder zu Verunsicherungen führen, hier noch einmal eine ausführliche Liste, die das genauer erklärt.
Auch bei den zwei weiteren Corona-Todesfällen (insgesamt zwölf), die die Stadt für Münster jetzt meldete, lagen Vorerkrankungen vor. Ein 78-jähriger Mann und eine 79-jährige Frau starben in einem Krankenhaus.
Die Gesamtzahl labordiagnostisch bestätigter Corona-Fälle im Stadtgebiet ist auf 619 gestiegen. Davon sind 553 Patientinnen und Patienten wieder genesen. Somit gelten aktuell 54 Menschen in Münster als infiziert.
Die Krankenhäuser behandeln zurzeit 34 Corona-Patientinnen und Patienten, davon 17 auf Intensivstationen. Aktuell müssen 14 Covid-19-Infizierte beatmet werden. Auf den Intensivstationen der Stadt sind 68 Betten frei.
+++ Aus Angst, sich mit Corona zu infizieren, meiden derzeit viele Menschen Krankenhäuser und Notaufnahmen. Das ist lebensgefährlich. Laut Uniklinik (UKM) gibt es bereits erste Auswirkungen bei Schlaganfällen, die zu spät behandelt wurden. „Betroffene hatten dann entweder sehr schwere oder teils sogar irreparable Schäden. Das ist fatal, denn medizinisch haben wir die Möglichkeit, durch schnelles Handeln bleibende Schäden am Gehirn und damit verbundene Behinderungen oder gar Todesfälle zu verhindern“, sagt Heinz Wiendl, Direktor der Klinik für Neurologie am UKM. Für Herzinfarkte – in Münster sind das statistisch rund 785 pro Jahr – gilt Ähnliches. Auch hier drohen dauerhafte Schäden oder weitere, weitaus schlimmere Infarkte. Die Medizinerinnen und Mediziner des UKM appellieren deshalb: „Für alle Notfälle gilt: Suchen Sie sofort eine Notaufnahme auf oder alarmieren Sie die 112. Herzinfarkt und Schlaganfall nehmen auch in Zeiten von Corona keine Auszeit!“
+++Falsche Corona-Tester unterwegs. Die Stadt Münster warnt vor Betrügerinnen und Betrügern, die Menschen zu Hause oder auf der Straße ansprechen und ihnen Corona-Test-Abstriche anbieten. Es gibt derzeit keine unangekündigten Besuche vom städtischen Gesundheitsamt in Münster, und es werden vom Amt auch keine Passantinnen oder Passanten angesprochen.
+++ „Schon zu normalen Zeiten ist die medizinische Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen in Münster prekär“, schreibt das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung in einer Pressemitteilung. Durch die Pandemie bestehe nun das Risiko, dass die wenigen Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, ausfallen könnten. Die Landesregierung, Beratungsstellen und Arztpraxen versuchen zwar, die ungewollt Schwangeren auch weiterhin medizinisch zu versorgen, doch das ist schwierig. Eine Forderung des Bündnisses lautet deshalb, das UKM seitens der Stadt damit zu beauftragen, Schwangerschaftsabbrüche nach den gesetzlichen Beratungsregeln anzubieten.
+++ Ab Montag fahren die Stadtbusse der Linien 1 bis 34 wieder in einem Grundtakt von 20 Minuten. An Bord gilt Maskenpflicht. Mehr Informationen hier.
+++Versammlungsfreiheit oder Infektionsschutz? Das ist bei diesem Thema – mal wieder – die Frage. Da Versammlungen in NRW derzeit per Coronaschutzverordnung des Landes untersagt sind, hat die Gruppe „Extinction Rebellion“ bei der Stadt Münster eine Ausnahmegenehmigung beantragt. Es ging um eine einstündige Mahnwache mit 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die Stadt erteilte diese nicht, weil die Frage nicht beantwortet werden konnte, wie die Veranstalter die Zahl der Demonstrantinnen und Demonstranten begrenzen können. Da es kaum vergleichbare Entscheidungen gebe und die Rechtsprechung sehr uneinheitlich sei, „ist eine kritische Prüfung der aktuellen Verfahrensregeln durch die Landesregierung angezeigt“, sagte Ordnungsdezernent Wolfgang Heuer. Im Klartext: Das Land soll festlegen, ob und wie Demonstrationen in Corona-Zeiten erlaubt werden können.
Wer zur Risikogruppe gehört oder sich in Quarantäne befindet, muss trotzdem nicht auf frische Lebensmittel verzichten. Gut ist nämlich, dass sehr viele Menschen helfen und für andere einkaufen gehen wollen. Verwirrend daran ist aber, dass man oft nicht weiß, an wen man sich wenden soll. Die Caritas Münster hat deshalb viele Einkaufshilfen unter der Telefonnummer 0151 2506 5518 gebündelt. Dort können Hilfesuchende montags bis sonntags von 10 bis 15 Uhr anrufen oder sich per E-Mail melden. Je nachdem, wo sie wohnen und was sie brauchen, werden sie an die richtige Stelle bei AWO, Caritas, Diakonie und DRK in den münsterschen Stadtteilen weitergeleitet.
Eine Übersicht über alle Einkaufshilfen finden Sie auch bei der Freiwilligenagentur Münster.
Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!
+++ Was Gemäldeklassiker mit Corona-Verhaltensregeln zu tun haben, zeigt dieses launige Filmchen mit dem Titel „Quarantäne mit Kunst“, das seit ein paar Tagen auf der Seite des Onlinemagazins „Kunstleben“ Berlin zu sehen ist und gerne unter WhatsApp-Freunden weitergeleitet wird. Es ist leider recht kurz, aber wer noch mehr Zeit mit den schönen Künsten verbringen will, kann ja einfach auf der Seite bleiben und sich noch andere Werke, Künstlerinnen und Künstler oder Dokumentationen anschauen.
+++ Im besten Fall ist man danach so inspiriert, dass man beim Kunstprojekt „Pssssst! – der kulturellen Reigen um Stille und Schweigen“ mitmacht. Der Münsteraner Künstler Stephan Us sammelt Bilder, Texte, Klänge, Gedichte und Ideen, die sich mit der ungewohnten Situation der Corona-Krise befassen. Mehr Informationen hier.
+++Zocken für die Wissenschaft. Fold it statt Fortnite – mit einem wissenschaftlichen Computerspiel wollen Forschende der University of Washington die Schwarmintelligenz von Gamerinnen und Gamern nutzen. Sie sollen durch Tüfteln und Puzzeln ein Protein entwickeln, das gegen das Coronavirus helfen könnte. Kenntnisse in Biochemie sind hilfreich, aber nicht erforderlich. Ein Tutorial führe Laien in den Stoff ein, berichtet Deutschlandfunk Nova.
Am Wochenende schreibt Ihnen wieder Klaus Brinkbäumer aus New York. Bis dahin wünsche ich Ihnen schöne Tage in Münster.
Ihre Katrin Jäger
PS
Wenn Sie finden, Masken zu tragen, sei unbequem oder anstrengend, dann könnten Sie sich ein Beispiel an Entertainer und Schauspieler Didi Hallervorden nehmen. Der 84-Jährige sang, tanzte und hüpfte sich im TV-Quotenhit „The Masked Singer“ im kompletten Chamäleon-Kostüm bis ins Halbfinale, grinste bei seiner Demaskierung übermütig in die Runde und sagte: „Vor euch steht also ein Mitglied der Risikogruppe.“
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