Nach der Wahl und vor der Wahl | Ausblick | Rathaus-Reportage

Porträt von Katrin Jäger
Mit Katrin Jäger

Guten Tag,

kaum ist die Wahl vorbei, befinden wir uns schon wieder mitten im Wahlkampf zur nächsten. Denn noch wissen wir nicht, wer der nächste Oberbürgermeister von Münster wird.

Als gestern um 22.09 Uhr der letzte Stimmbezirk ausgezählt war, stand nur fest: Keiner der neun angetretenen Kandidaten konnte mehr als die Hälfte aller Stimmen auf sich vereinen. Mit 68.817 von insgesamt 154.463 gültigen Stimmen kam der amtierende Oberbürgermeister Markus Lewe auf 44,6 Prozent, Peter Todeskino von den Grünen erreichte mit 43.978 Stimmen 28,5 Prozent. Das heißt: Diese beiden Kandidaten gehen am 27. September in die Stichwahl. SPD-Kandidat Michael Jung landete weit abgeschlagen mit gut 16 Prozent auf Position drei. Er und seine Partei (die bei der Ratswahl 17,6 Prozent der Stimmen bekam) sind die Verlierer dieser Wahl. Die CDU kam auf 32,7 Prozent, die Grünen auf 30,25 Prozent.

Noch am Wahlabend brachten sich die beiden Spitzenkandidaten auf der bis dahin recht zähen Wahlveranstaltung im Rathaus in Position. Todeskino gab sich selbstbewusst und kämpferisch, stellte sich sehr schnell und offensiv den Fragen der Presse und zeigte sich immer wieder lachend im Festsaal des Rathauses. Lewe ließ sich sehr lange nicht blicken und gab erst spät die ersten Interviews. Er blieb bei seiner auch schon im Wahlkampf eingenommenen Positionierung, ausgleichend und pragmatisch zu sein. Todeskino preschte vor und kritisierte die vor wenigen Tagen angekündigte Lewe-Reise. „Wenn man nächste Woche mit dem Bundespräsidenten nach Italien fahren will, dann ist das für mich pflichtverloren.“ Lewe wiederholte indes immer wieder den Satz: „Von neun Kandidaten sind sieben weg.“

So viel Vielfalt war noch nie

Damit hat Lewe natürlich recht, und auch der Abstand von 16 Prozentpunkten auf seinen Mitbewerber ist ein gutes Ergebnis. Aber es ist schlechter als vor sechs Jahren, als Lewe nicht in die Stichwahl musste, sondern direkt zum Oberbürgermeister gewählt wurde.

Um es mit den Worten einer Münsteranerin zu sagen, die die Wahlveranstaltung als Gast besuchte: „Die Schwarzen müssen jetzt strampeln.“

Interessant könnte dabei auch die neue Besetzung des Rates werden. Drei neue Parteien sind dabei: VOLT, Die PARTEI und MBI. So viel Parteienvielfalt gab es noch nie. Insgesamt verteilen sich die Sitze nun so auf die zehn Parteien: CDU 22, Grüne 20, SPD 12, FDP 3, Die Linke 3, Volt 1, Die PARTEI 1, ÖDP 1, MBI 1, AfD 1.

Alle Ergebnisse finden Sie übrigens auf dieser städtischen Seite. Dazu noch ein Hinweis: Für alle dort aufgelisteten Ergebnisse gilt: Es handelt sich immer um das vorläufige Endergebnis. Das endgültige amtliche Endergebnis stellt der Wahlausschuss in öffentlicher Sitzung fest, und zwar am 15. September für die Oberbürgermeister-Wahl, am 17. September für die Kommunalwahl, die Wahl der Bezirksvertretungen und für den Integrationsrat. Sitzungsbeginn ist in beiden Fällen um 16 Uhr.

Für die neuen Ratsherren und –frauen geht es jetzt also daran, Bündnisse für die neue Legislatur zu schließen – und es muss noch immer der Oberbürgermeister gewählt werden. Wie werden sich die Parteien positionieren? Werden sie sich für Lewe oder Todeskino aussprechen?

Wie wird am 27. gewählt?

Es sind natürlich die Bürger:innen, die am Ende entscheiden. Genauer: in 13 Tagen. Im städtischen Wahlamt haben die Vorbereitungen für diese Stichwahl bereits begonnen. Und falls Sie sich jetzt fragen, wie das geht, hier die wichtigsten Antworten:

  • Alle Bürger:innen, die am 13. September bei der Kommunalwahl wahlberechtigt waren, sind auch zur Stichwahl zugelassen.
  • Die alten Wahlbenachrichtigungen sind weiterhin gültig.
  • Wer seine Benachrichtigung nicht mehr zur Hand hat, darf trotzdem abstimmen. Die Vorlage des Personalausweises reicht.
  • Geöffnet sind die Wahllokale am 27. September von 8 bis 18 Uhr. Zur Stimmabgabe geht es in zwei Wochen in das gleiche Wahllokal wie am Sonntag.
  • Wer vorsorglich für die Stichwahl bereits die Briefwahlunterlagen beantragt hat, bekommt sie unaufgefordert zugesandt. Ab Donnerstag, 17. September, gibt die Stadt die Briefwahlunterlagen in die Post.
  • Wahlberechtigte, die erstmals von der Briefwahl Gebrauch machen möchten, haben zwei Optionen: Sie können die Unterlagen entweder persönlich in den beiden Hauptwahlbüros im Stadthaus 1, Klemensstraße, oder in der VHS im Aegidiimarkt, ab Freitag, 18. September, beantragen (Öffnungszeiten: montags bis freitags 8 bis 18 Uhr, am Samstag, 19. September, 8 bis 16 Uhr) oder den Wahlschein ab Mittwoch, 16. September, online hier anfordern.

So viele Parteien, so viele Möglichkeiten

Doch zurück zum aktuellen Ergebnis und den möglichen Folgen, die die Stimmverteilung auf die künftige Arbeit der Abgeordneten haben wird. Im Rat gibt es 66 Sitze, eine weitere Stimme hat der Oberbürgermeister. Für eine Ratsmehrheit ohne Oberbürgermeister braucht es also 34 Stimmen – 22 davon kann die CDU beisteuern. Theoretisch könnte sie zusammen mit der SPD (12 Sitze), eine Mehrheit stellen, mit den Grünen (20 Sitze) sowieso. Klingt komfortabel, aber – man muss es so deutlich sagen – damit hat die CDU ihr Wahlziel klar verfehlt.

40 Prozent und mehr, das war die vollmundige Ankündigung des CDU-Kreisvorsitzenden Hendrik Grau in den WN, es sollte keine Ratsmehrheit ohne die CDU möglich sein. Und nun gibt es gleich mehrere mögliche und denkbare Konstellationen, die ohne die CDU auskommen.

SPD (12 Sitze) und Grüne (20 Sitze) kommen zusammen zwar nur auf 32 Sitze. Doch die zwei zur Mehrheit fehlenden Stimmen könnten jeweils die Linke (3 Sitze), die FDP (3 Sitze) oder VOLT (2 Sitze) beisteuern. Und dann sind da noch die Parteien, die im Rat jeweils eine Sitz haben: Die PARTEI, ÖDP und MBI (und ja, auch die AfD hat einen Sitz, aber sie wird für die Mehrheitsbildung keine Rolle spielen).

Damit ist auch klar: Mit Blick auf die Stichwahl wird es in den nächsten Tagen vor allem auf den Wahlverlierer SPD ankommen. Oberbürgermeisterkandidat Michael Jung sprach zwar von einer „Enttäuschung“ auf ganzer Linie. Und doch hat die Partei nun Handlungsmöglichkeiten. Sprechen die Sozialdemokrat:innen sich für Lewe oder Todeskino aus? Und was machen sie, wenn es dann doch der jeweils andere Kandidat wird? Heute Abend tagen die Parteigremien. Vielleicht wissen wir am Freitag schon mehr.

Wählen während der Pandemie – eine Echtzeitreportage

Der Wahltag in Münster war in vielerlei Hinsicht besonders. Nicht nur, weil er zum Ergebnis hatte, dass es am 27. September eine Stichwahl zwischen dem amtierenden Oberbürgermeister Markus Lewe geben wird. Er war auch deshalb besonders, weil die Wahl unter Corona-Bedingungen stattfand. Weder die Organisator:innen und Politiker:innen noch die Reporter:innen wussten, wie es sein würde, wenn im Rathaus die Gästezahlen beschränkt werden, wenn Interviews mit Abstand oder Masken gegeben werden müssen und wenn sich die Sieger nicht unbefangen umarmen dürfen. Für uns Journalist:innen bestand die Schwierigkeit vor allem darin, an vielen verschiedenen Orten Stimmen und Stimmungen einzufangen, denn es gab mehrere Räume, in denen Bürger:innen, Presse und Parteien live die Ergebnisse mitverfolgen konnten. Wir schwärmten also aus und protokollierten den Wahlabend quasi in Echtzeit. Es ging uns dabei nicht nur um die Ergebnisse. Es ging uns dabei um die Dramaturgie eines ganz besonderen Abends. Für uns begann er um 17.37 Uhr. Und er endete genau fünf Stunden später. Hier finden Sie unseren Beitrag.

Am Freitag schreiben wir Ihnen wieder.

Herzliche Grüße

Katrin Jäger

Mitarbeit: Sebastian Stachorra

PS

Falls Sie eine wirklich interessante Politikserie sehen wollen, in der es auch um das Schließen von Bündnissen geht, kann ich Ihnen Borgen empfehlen. Allein die Hauptdarstellerin Sidse Babett Knudsen ist das Anschauen dieser dänischen Serie wert, die bald in die nächste Staffel geht.

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