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Neues zum Stellplätzeprogramm | 50 Jahre „Rebel Dance Company“ | Die Stadtfinanzen: kurz vor knapp

Guten Tag,
fast die Hälfte aller Wege legen Münsteraner:innen mit dem Fahrrad zurück. Trotzdem fehlt es noch immer an passenden Abstellmöglichkeiten – vor allem in der Innenstadt und im Kreuz- und Hansaviertel. Und sowieso: Finden Sie mal überdachte Fahrradbügel. Gerade bei dem Herbstwetter ist das super ärgerlich. Kein Wunder, wenn Fahrradfahrer:innen ihre Leezen lieber woanders parken, vor einem Haus zum Beispiel.
Das „3.000 Fahrradstellplätze-Programm“ soll genau dagegen helfen. Seit 2021 baut die Stadt neue Fahrradstellplätze – genauer gesagt 1.500 Anlehnbügel, jeder soll Platz für zwei Fahrräder bieten. Orte dafür kann jede:r vorschlagen: Autoparkplätze, die extra für die Radbügel umgebaut werden sollen, oder Bushaltestellen, die noch Platz haben.
Und wie läuft das so? 456 neue Stellplätze wurden bis Mitte September gebaut. 2023 waren es insgesamt 1.078. Die Zahlen kommen aus dem aktuellen Bericht zum Status Quo des Programms, der nächste Woche im Verkehrsausschuss Thema ist. Rechnet man die Zahlen hoch, kommt man auf 2.108 neue Fahrradstellplätze seit 2021.
Das Ziel ist also noch nicht erreicht. Deshalb hatte die Stadt aber schon im vergangenen Jahr mehr Zeit, als anfangs kalkuliert, eingeplant und rechnet mit einem Abschluss des Projekts bis 2027 (RUMS-Brief). In der Ruhe liegt die Kraft. (ani)
Heute lesen Sie im Brief:
- Kommunalwahl 2025: Der Termin steht fest
- Mehr Bewohnerparkzonen
- Polizei: Schwerpunktkontrollen im Bahnhofsviertel
- Der Rürup: Farbe bekennen
- Vor 50 Jahren: Wie der Jazz Dance nach Münster kam
- Finanzen: Wie die Stadt die Haushaltssicherung vermeiden will
- Ein-Satz-Zentrale: Eine Bank gegen Einsamkeit
- Unbezahlte Werbung: Ballons von „Luftikus“
- Drinnen und Draußen: Ausstellung über Kirchenasyl
+++ Nordrhein-Westfalens Innenministerium hat den Termin für die nächste Kommunalwahl bekannt gegeben: 14. September 2025. Dann wählen die Menschen in Münster den neuen Stadtrat und den neuen Oberbürgermeister oder die neue Oberbürgermeisterin. Sollte kein:e Kandidat:in in der ersten Runde eine Mehrheit für sich gewinnen, findet die Stichwahl zwei Wochen später am 28. September statt. Dieser Termin überschneidet sich mit der Bundestagswahl. (sfo)
+++ Wie sieht’s eigentlich aus mit dem neuen Parkraumkonzept? Das hatte der Rat vor der Sommerpause beschlossen, um für Recht und Ordnung auf Münsters Parkplätzen zu sorgen (RUMS-Brief). Ein wichtiger Bestandteil sind Bewohnerparkzonen, die in Vierteln mit viel Parkdruck entstehen sollen: Dann werden die Parkplätze zwar kostenpflichtig, aber sie sind für die Autofahrenden reserviert, die im Quartier wohnen. Auswärtige hätten somit das Nachsehen. Laut einem Bericht aus dem Tiefbauamt müssen sich wohl bald die Menschen im Hansa- und Erphoviertel sowie in Pluggendorf einen Bewohnerparkausweis für ihr Auto zulegen. An der Hittorfstraße und der Waldeyerstraße würden Bewohnerparkzonen die Situation allerdings nicht verbessern. Für das Kreuz- und das Südviertel werden entsprechende Gutachten zurzeit vorbereitet. (sfo)
+++ Nächste Woche Donnerstag ist Tag der deutschen Einheit. Der Feiertag bringt traditionsgemäß ein bisschen Abwechslung in den Alltag, und da wir hier bei RUMS sehr serviceorientiert arbeiten, kommen schon mal zwei Infos. Einmal: Die Müllabfuhr verschiebt sich. Wie die Stadt mitteilt, werden die Tonnen in den Donnerstags- und Freitagsbezirken einen Tag später geleert. Sperrmüll und Grünabfall fallen allerdings ersatzlos aus. Dann noch: Für den „Sparkassen Münsterland Giro“ werden von 6 bis 19 Uhr mehrere Straßen in der Innenstadt gesperrt. Welche genau, steht hier. (sfo)
+++ Am Montag und am Mittwoch hat die Polizei Münster das Bahnhofsviertel nach Messern abgesucht. Die Bilanz der 88 Schwerpunktkontrollen sind 41 Platzverweise und zwei Festnahmen (die aber nichts mit Messern zu tun hatten). Dreimal stellte die Polizei Strafanzeigen aufgrund von Verstößen gegen das Waffengesetz aus. Außerdem wurden Gegenstände einkassiert, genauer gesagt: sechs Messer, drei Reizstoffsprühgeräte und ein gestohlenes Fahrrad. Hinzu kommen weitere Flaschen, Knallkörper, faustgroße Steine und andere Sachen, von denen womöglich Gefahr ausgehen könnte. An der Promenade fand die Polizei an einigen Stellen Drogenverstecke. Auffällig ist: Der Bremer Platz scheint sich zu wandeln. Die Polizeipräsidentin sagt in einer Pressemitteilung, die lokale Szene werde immer häufiger mit Gewalt von Dritten konfrontiert. Im Ergebnis wandere die Szene zunehmend in umliegende Straßen ab. (sfo)

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Beitrag von Anna Niere am 27.09.2024
Wie Jazz Dance nach Münster kam

Seit 50 Jahren gibt es die „Rebel Dance Company“ in Münster. Die Compagnie war eine der ersten Tanzgruppen für Jazz Dance in Deutschland. Die ehemalige Tänzerin Renate Rittmeyer-Müller war eine der ersten Gesichter der Compagnie. Wir haben sie und die Proben für die Jubiläumsshow besucht.
Beitrag lesenDieser Brief ist auch ein kleiner Testballon. Wir haben den Artikel über die Tanzcompagnie in diesem Brief und als RUMS-Beitrag veröffentlicht. Gefällt Ihnen das? Wir würden unseren Beiträgen gerne mehr Aufmerksamkeit verschaffen und hatten uns deshalb diese Variante überlegt. Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail, wie Sie diese Idee finden. Aber jetzt zum Text:
Wie Jazz Dance nach Münster kam
Seit 50 Jahren gibt es die „Rebel Dance Company“ in Münster. Die Compagnie war eine der ersten Tanzgruppen für Jazz Dance in Deutschland. Die ehemalige Tänzerin Renate Rittmeyer-Müller war eine der ersten Gesichter der Compagnie. Wir haben sie und die Proben für die Jubiläumsshow besucht.
Montagnachmittag im Kreuzviertel. Renate Rittmeyer-Müller sitzt vor ihrem Haus und egal, wo sie hinschaut, überall ist es grün. In diesem Sommer hat sie viel Zeit in ihren Garten gesteckt. Zwischendurch huschen ihre Katzen über die Terrasse, die seit vielen Jahren bei der alleinstehenden Münsteranerin leben.
Drinnen im Haus hängen viele Gemälde. Die hat die 78-Jährige selbst gemalt. Viele abstrakte Zeichnungen, dazwischen hängt auch ein Selbstporträt. „Renate früher“ nennt sie das.
Das Gärtnern und das Malen sind aber nicht die einzigen Hobbys von Renate Rittmeyer-Müller. Fast 25 Jahre gehörte das Tanzen zu ihrer Leidenschaft. „Renate früher“, das war eine Person, die auf der Bühne stand und getanzt hat. Mehr als zehn Stunden pro Woche hat Rittmeyer-Müller in ihrer Freizeit in Tanzstudios verbracht.

Obwohl Renate Rittmeyer-Müller mittlerweile nicht mehr selbst tanzt, hat sie ihre Leidenschaft nicht aufgegeben. Sie ist nur etwas in den Hintergrund getreten. Heute unterstützt Rittermeyer-Müller ihre ehemalige Tanzcompagnie, die „Rebel Dance Company“ als Vorsitzende von „Tanzkultur Münster“. Der Verein kümmert sich um die Organisation von Auftritten mit allem Drum und Dran.
Das ist in diesem Jahr ganz besonders, denn die „Rebel Dance Company“ gibt es seit 50 Jahren. Am Sonntag feiern die Tänzer:innen das Jubiläum mit einer großen Show. Dieses Mal schaut Renate Rittmeyer-Müller aus dem Publikum zu.
Vom Karneval zur Theaterbühne
Sie selbst hat mit dem Tanzen als junges Mädchen angefangen. „Wir haben damals in den 1960er-Jahren auf allen Karnevalsveranstaltungen getanzt“, erinnert sie sich. „Keine Garde, Showtanz.“ Ballett habe sie nie gelernt, auch wenn das oft die Grundlage für viele andere Tanzstile sei. Ihre Erfahrungen sammelte sie vor allem praktisch, auf der Bühne. Los sei es mit 15 gegangen. In den sechs Jahren danach sei Rittmeyer-Müller auf rund 250 Auftritte gekommen, sagt sie. Das bedeutete: mehrere Auftritte pro Wochenende, vom 11. November bis Aschermittwoch – und das mehrere Jahre hintereinander.
Die „Rebel Dance Company“ lernte Renate Rittmeyer-Müller bei einem der ersten Auftritte der Gruppe kennen. Danach trat sie direkt bei und verließ ihre vorherige Gruppe. Das war 1975. Damals hieß die Tanzgruppe noch „Jazz Dance Company“ und wurde ein Jahr zuvor von Günther Rebel gegründet. Rittmeyer-Müller war quasi von Anfang an dabei.
Der neue Tanzstil aus Amerika
Jazz Dance war zu der Zeit noch eine Neuheit, wurde ab Mitte der 1970er-Jahre immer beliebter. Tänzer:innen und Choregraph:innen aus den USA importierten den Stil in Workshops und Tanzschulen nach Deutschland. Ursprünglich wurde zu Jazzmusik getanzt, heute zu Pop-Songs. Jazz Dance ist recht massentauglich: Der Stil vereint Elemente, die sich auch in anderen Tanzrichtungen finden. Zugleich ist der persönliche Ausdruck im Jazz Dance sehr wichtig, denn die Choreografien leben von Emotionen. Bekannte Szenen aus Musicals wie „La La Land“ oder „Grease“ haben Jazz Dance populär gemacht.
Als Günther Rebel seine Tanzschule in Münster gründete, war es noch recht ungewöhnlich, eine ganze Compagnie dem Jazz Dance zu widmen. Seine „Jazz Dance Company“ war sogar eine der deutschlandweit ersten Tanzgruppen, die sich dem neuartigen Stil verschrieben habe, sagt Rebel.
Renate Rittmeyer-Müller stand in den ersten acht Jahren der Tanzcompagnie bei jedem Auftritt mit zehn bis fünfzehn anderen Mitgliedern auf der Bühne. Viermal in der Woche Training, meistens jeweils für drei Stunden. Geld bekamen Tänzer:innen und Choreograph:innen nie. Die Einnahmen bei den Vorstellungen gingen an den Verein, um damit die nächste Produktion zu finanzieren.
Idealismus über Finanzen
Einmal verfasste die „Jazz Dance Company“ ein eigenes Musical. „Pick up“ lautete der Titel, neben den Tänzer:innen sollte auch eine Liveband mit auf der Bühne stehen. „Wir haben total unterschätzt, wie viel Geld alleine die Band kostet, sodass wir die gar nicht bei der Generalprobe dabei hatten“, sagt Rittmeyer-Müller. Größere Produktionen wie diese zogen das Konto auch schonmal ins Minus. Die Konsequenz: jahrelang Schulden abstottern.
Für die 78-Jährige und ihr damaliges Team sei der Tanz nie etwas gewesen, womit sie nebenbei Geld verdienen wollten. Dafür hat Renate Rittmeyer-Müller ihren Bürojob. Sie leitet bis heute ihr eigenes Maschinenbauunternehmen, zusammen mit ihrem Bruder und Neffen, ein Familienbetrieb. Die Firma beliefert die Automobilindustrie, kümmert sich um die Bearbeitung von Kabeln für E-Fahrzeuge. Die Aufgabe von Rittmeyer-Müller ist der Verkauf. Sie hängt viel am Telefon oder beantwortet E-Mails. Das ist etwas ganz anderes als Tanzen.
Rittmeyer-Müller liebt ihre Routinen. Jeder Tag ist einstudiert wie eine Choreografie. Morgens beginnt sie mit einem Espresso. Danach geht es zur Arbeit. Auf dem Weg dorthin fährt sie immer die gleichen Straßen. Um 16 Uhr macht sie Feierabend und auch auf dem Heimweg: wieder die gleichen Straßen.
Zufällig auf der Bühne gelandet
Eine Choreografie für die Bühne musste sich Renate Rittmeyer-Müller zum letzten Mal vor 12 Jahren merken – unfreiwillig, denn eigentlich wollte sie nicht mehr im Rampenlicht stehen. „Ich habe einfach unkommentiert von Günther den Probenplan bekommen und da stand mein Name mit drauf“, sagt Renate Rittmeyer-Müller. In dem Stück „Pinky’s Dream“ sollte sie nicht irgendeine Nebenfigur verkörpern, sondern gleich in die Titelrolle schlüpfen: „Ich musste zum Glück nicht viel tanzen, sondern die meiste Zeit auf einem Stuhl sitzen und so tun, als würde ich etwas in eine Schreibmaschine tippen.“
Eine längere Choreografie, das hätte Renate Rittmeyer-Müller auch gar nicht mehr gewollt: „Früher haben wir zwei Stunden lange Stücke getanzt, heute könnte ich mir vermutlich gerade mal zwei Minuten merken“, sagt sie. Produktionen in dieser Länge sind bei der Tanzcompagnie keine Ausnahme. Meist gibt es, wie bei der aktuellen Jubiläumsgala, zwei einstündige Teile, zwischendrin eine Pause. Für die Tänzer:innen heißt das nicht nur, dass die Technik sitzen muss. Solche Auftritte sind auch eine Frage der Ausdauer.
Modern Jazz Ballett
1987 wurde aus der „Jazz Dance Company“ die „Rebel Dance Company“. Der neue Name sollte auch den Wandel im Repertoire widerspiegeln. Gründer und Namensgeber Günther Rebel nennt den Stil „Modern Jazz Ballett“: eine Kombination aus Contemporary, Modern, Stepptanz und Ballett. Auch bei der Jubiläumsshow soll diese Mixtur aufgeführt werden. „Die Tänzer:innen sind heute viel geschulter als wir damals – die haben häufig jahrelange Vorbildung im Ballett“, sagt Rittmeyer-Müller.
Gerade laufen die letzten Proben in der Tanzschule. Günther Rebel steht in der Ecke des Saals und beobachtet mit hochkonzentriertem Blick die Tänzer:innen. Ein gefühlvolles Solo zu einem traurigen Billie Eilish-Song, danach eine gut gelaunte Choreo zu Disco-Beats – wie auf Knopfdruck müssen die Tanzenden in der Probe vom einen in den anderen Modus umschalten. Schließlich muss das auch in der Show klappen.
17 Mitglieder zwischen 18 und 40 Jahren hat die „Rebel Dance Company“ im Moment. „Wer dabei sein will, muss einen bestimmten technischen Standard erfüllen. Außerdem achte ich darauf, verschiedene Typen zu haben. Das sieht man im Ausdruck“, erklärt Günther Rebel. Das Choreographieren und Trainieren teilt sich der Tanzlehrer schon länger mit zwei weiteren Trainerinnen, die selbst schon lange in der Gruppe tanzen. Über die Jahre haben die Gesichter der Tanzcompagnie immer wieder gewechselt. Einige von Ihnen sind mittlerweile selbst erfolgreiche professionelle Tänzer:innen und Choreograph:innen.
Renate Rittmeyer-Müller wird bei der Jubiläumsshow in der ersten Reihe sitzen. Sie ist froh, mittlerweile die Aufregung und den Stress nicht mehr zu haben – und einfach mal die Show zu genießen. Auch wenn sie immer noch ein kleines bisschen mitfiebert. Aber das wird eine Tänzerin wohl kaum los.
Zum Schluss ein Transparenzhinweis: Ich selbst nehme seit einigen Monaten Unterricht in der Rebel-Tanzschule. Das Interesse am Thema ist aber schon bei RUMS aufgetaucht, als ich hier noch gar nicht gearbeitet hatte. Für die Recherche fanden wir es praktisch, dass ich schon einiges an Vorwissen aus dem Tanzen mitbringen konnte. (ani)
Wie die Stadt die Haushaltssicherung vermeiden will
Münster droht das, was einige Städte schon durchgestanden haben: Die Stadt könnte die Hoheit über ihre Finanzen verlieren. Damit es gar nicht erst so weit kommt, wollen die Kämmerin und der Oberbürgermeister entgegenlenken.
Schon gestern Mittag haben die Sozialverbände den neuen Haushaltsentwurf der Stadt Münster in einer Pressemitteilung kommentiert. Das kann man kurios oder sogar unprofessionell finden. Denn erst heute Vormittag haben der Oberbürgermeister und die Kämmerin im Stadtweinhaus die Eckdaten des neuen Haushalts vorgestellt. Wohlgemerkt: Das ist nur die Stoßrichtung, nicht der Plan für 2025.
Worum geht es? Die Sozialverbände kritisieren, die Stadt würde an der falschen Stelle sparen, nämlich bei den Schwächsten. Münster würde Ausgaben für Soziales, Integration, Bildung, Kinder- und Jugendhilfe kürzen, schreiben die Verbände.
Diese Informationen haben die Sozialverbände aus der Zeitung. Den Westfälischen Nachrichten wurden wahrscheinlich die Sparpläne durchgestochen. Wochenlang berichteten die Westfälischen Nachrichten, wo Christine Zeller, Münsters grüne Stadtkämmerin, überall den Rotstift ansetzen muss – zum Beispiel beim Maxi-Sand, bei den Kitas oder beim Ausbau des offenen Ganztags. Die Pressemitteilung der Stadt kam erst heute rein.
Die Eigenständigkeit bewahren
Heute Morgen bemängelte Oberbürgermeister Markus Lewe allerdings den Tenor, in dem die Wohlfahrtsverbände ihre Pressemitteilung verfasst haben. Die Überschrift lautet: „Soziale Stadtgesellschaft in Gefahr“. In dem Text ist die Rede von einem „Kahlschlag“, der Münster spalten und die Demokratie gefährden könnte. Dabei sei das Gegenteil der Fall, sagte Lewe: Der neue Haushalt soll darauf hinwirken, dass Münster die Eigenständigkeit über die Stadtfinanzen behalten und weiterhin freiwillige soziale Leistungen bezahlen kann.
Münster steht nämlich kurz vor der Haushaltssicherung. Sobald einer Kommune das Geld endgültig ausgeht, rutscht sie unter eine kommunale Aufsicht. Die kontrolliert, dass die betroffene Stadt ihre Finanzen binnen zehn Jahren saniert. Die Stadt verliert somit einen Großteil ihrer Entscheidungshoheit.
Vier von zehn Kommunen in Nordrhein-Westfalen droht so ein Szenario. Münster gehört dazu. Stadtkämmerin Christine Zeller sagte, die Stadt nehme zwar viel ein, gebe aber noch viel mehr aus. Sie muss also auf das angesparte Vermögen der Stadt zugreifen, um diese Lücke auszugleichen. Für nächstes Jahr liegt dieser Fehlbetrag bei 37,4 Millionen Euro.
Nur: Irgendwann ist die Stadtkasse leer, schlimmstenfalls ist es schon bald so weit. Nach Hochrechnungen der Stadt wird der Sicherheitsabstand zur Haushaltssicherung immer schmaler. 2026 liegt das Polster bei 3,4 Millionen Euro, 2027 bei 1,1 Millionen. Das hört sich nach Geldbergen an – ist aber bei einem Gesamthaushalt von 1,7 Milliarden nur ein Hauch von einem Pölsterchen.
Die Stadt muss also alles unternehmen, um die Haushaltssicherung abzuwenden. Denn damit wäre klar: Für pompöse Projekte wie den Musik-Campus oder das neue Fußballstadion für Preußen Münster würde es dann düster werden.
Steigende Ausgaben, neue Rahmenbedingungen
Aber warum kränkeln die Stadtfinanzen? Das hat viele Gründe. Einer davon sei der Dauerkrisenmodus seit 2020, sagte Christine Zeller. Zuerst die Corona-Pandemie, danach der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Dazu kommt: Der Bund und das Land übertragen immer mehr Aufgaben an die Stadt, ohne ihr das nötige Geld dafür mitzuliefern. Dabei sollte es eigentlich anders laufen. Gleichzeitig hält der Bund an der Schuldenbremse fest. Die Stadt muss also mehr Kredite aufnehmen, um ihre Aufgaben zu erledigen. Die Schuldenbremse im Bund wirkt so wie ein Schuldenturbo in der Kommune.
Für Münsters Haushalt haben sich also die Rahmenbedingungen geändert. Aber auch die Stadt hat selbst ihren Anteil an der Misere. Kämmerin Christine Zeller sagte heute Morgen im Stadtweinhaus, bislang konnte es sich die Stadt erlauben, den einzelnen Ämtern Wünsche zu erfüllen. Wenn ein Amt einen Wunsch geäußert hat, schaute das Finanzdezernat nach Möglichkeiten, diesen Wunsch zu erfüllen.
Jetzt ist die Zeit des Wünschens aber vorbei. Inzwischen gilt das Gegenteil: Die Ämter bekommen Budgets zur Verfügung gestellt, die das Wunsch-Maximum vorgeben. So soll das Geld der Stadt sorgsamer ausgegeben werden.
581 Euro pro Kopf für Kinder, Jugendliche und Familien
Konkret betrifft das vor allem den Familien-, Kinder- und Jugendbereich. Dieser Posten ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen. 2023 hat die Stadt rund 247 Millionen Euro für Familienleistungen ausgegeben. Vor der Pandemie, im Jahr 2019, lag der Posten bei rund 187 Millionen Euro. Vergangenes Jahr hat somit jede:r Einwohner:in in Münster 581 Euro für Kinder, Jugendliche und Familien ausgegeben. 2019 waren es 405 Euro pro Kopf.
Aber wie gesagt, hier will die Stadt sparen. Ein Beispiel, das viele Familien betrifft: In Münster zahlen Eltern nur einen Kita-Beitrag, Geschwisterkinder kosten nichts. Das ist eine freiwillige Leistung der Stadt. Diese Regelung soll – so heißt es zumindest in den Westfälischen Nachrichten – wie viele andere freiwillige Familienleistungen überdacht werden.
An welchen Schrauben sonst noch gedreht wird
Beim Sparen und Streichen soll es aber nicht bleiben. Die Stadt will noch weitere Schritte gehen, um die Finanzlage wieder in den Griff zu bekommen:
- Alle zwei Jahre kommen die Gebühren auf den Prüfstand. Je nachdem, was die Prüfung ergibt, müssen die Menschen in Münster dann mehr für die Müllabfuhr, die Kita oder den Bus zahlen. Die Gewerbesteuer für Unternehmen will die Stadt nicht antasten. Die Hebesätze, die seit 13 Jahren gelten, sollen auch weiterhin so bleiben, wie sie sind. Sonst würden Unternehmen andere Standorte suchen, sagte der Oberbürgermeister.
- Die Stadt wird allerdings am „Münster-Standard“ rütteln. Der „Münster-Standard“ beschreibt ein ungeschriebenes Gesetz in der Stadt (RUMS-Brief): Alles, was sich die Stadt vornimmt, muss nahezu perfekt laufen – was aber auch ganz schön teuer ist. Auf Dauer wird die Stadt die selbst gesetzte Qualität nicht halten können. Der Oberbürgermeister und die Kämmerin nannten als Beispiel die hohen Gebäude- und Energiestandards bei Baubeschlüssen.
- Für jede Investition will die Stadt direkt eine günstigere Variante mit vorschlagen. Was zum Schluss durchkommt, ist dann eine Frage der Politik.
- Auch in der Verwaltung soll sich einiges ändern. Die Stadt will eine Beratungsfirma beauftragen, die Verbesserungsvorschläge für interne Prozesse erarbeitet. Das soll alles effizienter und günstiger machen, zum Beispiel mit Hilfe künstlicher Intelligenz. Auch werden einige Stellen gestrichen, für die sich fachkräftemangelbedingt einfach keine Bewerber:innen finden.
Für die Stadt wird das Ziel, die Haushaltssicherung abzuwenden, zu einer Gratwanderung. So viel steht fest. In den nächsten Wochen wird die Politik die Vorschläge diskutieren, bevor der Rat im Dezember abstimmt. Der Entwurf für den Haushalt 2025 wird also viel Stoff für weitere RUMS-Briefe bieten. (sfo)

Anonymer Briefkasten
Haben Sie eine Information für uns, von der Sie denken, sie sollte öffentlich werden? Und möchten Sie, dass sich nicht zurückverfolgen lässt, woher die Information stammt? Dann nutzen Sie unseren anonymen Briefkasten. Sie können uns über diesen Weg auch anonym Fotos oder Dokumente schicken.
+++ Am Samstag werden mehrere Buslinien wegen einer Veranstaltung umgeleitet und halten dann nicht am Domplatz und Prinzipalmarkt. (Stadtwerke Münster)
+++ Die Sanierung der Wolbecker Straße wird heute und damit einen Tag später fertig als geplant. (Antenne Münster)
+++ Ab Donnerstag wird die Bürgerhalle im historischen Rathaus bis Ende November umgebaut. (Stadt Münster)
+++ Nachdem ein Bauträger im York-Quartier pleite gegangen ist, sind erst 36 von 112 geplanten Neubauten fertig, während andere Baustellen verwaisen. (Westfälische Nachrichten)
+++ Die Margaretenschule in Mauritz wird ab Oktober erweitert und saniert. (Stadt Münster)
+++ Nicht nur die Stadt, sondern auch der LWL hat ganz schöne Finanzprobleme. (Landschaftsverband Westfalen-Lippe)
+++ Die Waldschule Kinderhaus hat einen Preis für ihre Nachhaltigkeitskeitsbildung bekommen. (Stadt Münster)
+++ Möglicherweise verkauft die BASF ihre Holding in Hiltrup, die sich mit Lacken und Beschichtungen beschäftigt, was aber laut Konzern keine Folgen für Mitarbeitende und Kund:innen haben wird. (Westfälische Nachrichten)
+++ Die Beschäftigung hat in Münster nur leicht zugenommen, sodass die Arbeitslosenquote mit 5,2 Prozent unverändert bleibt. (Arbeitsagentur Ahlen-Münster)
+++ Ein neues Konzept soll Münster vor Terrorangriffen auf Veranstaltungen schützen. (WDR)
+++ Unbekannte haben den Eisenman-Brunnen an der Kreuzschanze mit Gaza-Slogans beschmiert. (Polizei Münster)
+++ Mehr als 1.000 Menschen haben am Mittwoch für einen liberalen Umgang beim Cornern (so nennt man neudeutsch das Bierchentrinken auf der Straße) demonstriert. (Alles Münster)
+++ Eine Initiative hat in Münster eine „Zuhör-Bank“ aufgestellt, die gesprächsbereite und besorgte Menschen in Kontakt bringen soll. (Westfälische Nachrichten)
Was wären eine Hochzeit, ein Geburtstag, eine Taufe oder einfach eine gute Party ohne Heliumballons, Gummitiere oder aufwändig gestaltete Geschenke zum Geldumschlag? – Eben. Seit über 30 Jahren finden Sie an der Aegidiistraße den kleinen Laden „Luftikus“, in dem Sie all das und noch mehr bekommen. Für einen Vorgeschmack ins Sortiment schauen Sie am besten mal in den Online-Shop. Geöffnet hat das Geschäft montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 15 Uhr.
Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!
Annalena Zernott hat heute in den Terminkalender geschaut. Das kann sie Ihnen für die kommenden Tage empfehlen:
+++ Weiter oben steht es schon: Am Donnerstag, dem Tag der deutschen Einheit, findet traditionell ein großes Radrennen in Münster statt. Am selben Tag findet auch der „Giro inklusiv“ statt, ein kostenloses Radrennen für Menschen mit Behinderung. Wer mitmachen will, kann sich noch bis Mitte nächster Woche anmelden. Den Streckenverlauf und weitere Infos gibt’s hier.
+++ Von der Tradition auf dem Rad kommen wir jetzt zur Tradition im Wasser: Morgen endet die Freibadsaison mit dem alljährlichen Flutlichtschwimmen im Freibad Coburg an der Grevener Straße. Ab 19 Uhr ist der Eintritt gratis. Schwimmen können Sie bis 22 Uhr. Service-Tipp: Eine Dreiviertelstunde vor Schluss werden die letzten Besucher:innen reingelassen.
+++ Eine neue Ausstellung porträtiert neun Geflüchtete, die im Kirchenasyl waren oder immer noch sind. Fotos und Texte erzählen Geschichten von Flucht, Entrechtung und Entkommen. Bis zum 6. Oktober läuft die Ausstellung in der Überwasserkirche. Dazu gibt es ein Rahmenprogramm. Der Eintritt ist frei.
+++ Mit dem Herbst beginnt die Pilzsaison. Auch hier in Münster wachsen unzählige Sorten. Die Pilz-AG des Nabu stellt einige davon am Sonntag in einer Ausstellung vor. Frisch gesammelt, versteht sich. Die kostenlose Veranstaltung findet von 11 bis 17 Uhr in der Nabu-Station in Hiltrup statt. Mehr Infos gibt es hier.
+++ Das Franz-Hitze-Haus startet eine neue Veranstaltungsreihe: Viermal im Jahr soll ein „Münsteraner Streitgespräch“ stattfinden. Den Auftakt macht am Montag ein Diskussionsabend über die autofreie Innenstadt. Der Beginn ist 18:30 Uhr. Eine Karte kostet 15 Euro. Für mehr Infos einmal hier entlang, bitte.
+++ Zum Schluss ein Ausblick auf die Herbstferien: Die Uni Münster organisiert ein Feriencamp für Jugendliche ab der siebten Klasse. Das Thema ist dieses Jahr Mikroplastik in Gewässern. Das Programm finden Sie hier und die Anmeldung hier.
Am Dienstag schreibt Ihnen mein Kollege Ralf Heimann. Die Kolumne am Sonntag fällt diese Woche aus. Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende!
Liebe Grüße
Anna Niere
Mitarbeit: Sebastian Fobbe (sfo), Jan Große Nobis (jgn), Annalena Zernott (aze) – das bedeutet: Die einzelnen Texte im RUMS-Brief sind von der Person geschrieben, deren Kürzel am Ende steht.
Lektorat: Maria Schubarth
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PS
Der heutige Brief ist ein Testballon. Wir veröffentlichen unseren neuen Beitrag heute parallel zusätzlich im Brief. Hätten wir den Ballon gestern über die Stadt steigen lassen, meine Güte, der wäre in einen ganz schönen Strudel geraten. Gestern fegten anscheinend Tornados durch Nordrhein-Westfalen, möglicherweise auch durch Handorf, wie der Meteorologe Jörg Kachelmann auf Twitter vermutet. Verletzt wurde zum Glück niemand. Die Feuerwehr musste aber einige Male ausrücken. Hier und hier können Sie nachsehen, wie es nach dem Unwetter in Münsters Osten aussieht.
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