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Böllerei in der Stadt: Siegt die pure Vernunft? | Die Geschichte von Tilman Holze | Makimaki Sushi Green
Guten Tag,
ein frohes Neues und herzlich willkommen im ersten RUMS-Brief des Jahres 2023. Fangen wir an mit einem kleinen Gedankenspiel. Mal angenommen, man wollte den Menschen zum Jahresbeginn etwas maximal Unsinniges und Unvernünftiges schenken, gewissermaßen ein Fest der Freiheit, dann könnte man zum Beispiel sagen: Gegen Mitternacht werfen die Leute in einer Art Ritual brennende Papierrollen auf die Straße und halten sich dazu symbolisch die Ohren zu.
Das wäre allerdings etwas langweilig und öde. Deswegen könnte man das Ritual noch weiter verschärfen, um den Wert der Freiheit auch wirklich hervorzuheben. Man könnte Schwarzpulver in die Papierrollen stopfen und eine Lunte drankleben. Dann wären die meisten Frauen schon mal raus aus der Sache und mit ihnen auch ein großer Teil der verbliebenen Vernunft. Aber was ist mit dem Rest der Unvernunft?
Man will ja nun auch nicht riskieren, dass die Menschen auf die Idee kommen, nach der Böllerei einen Besen aus der Garage zu holen, um das zerfetzte Papier zusammenzufegen und womöglich noch in den Mülleimer zu werfen. Also, was könnte man tun? Natürlich, die Universallösung in solchen Fällen ist Alkohol. Und schon wird die Silvesternacht zu einem völlig unkalkulierbaren Spektakel mit abgetrennten Fingern, ganz viel männlichem Lärm und freiheitlichen Verwüstungen.
Dann bräuchte man nur noch einen Namen für das Ganze, der nicht auf den ersten Blick preisgibt, worum es hier eigentlich geht. Wie wäre es zum Beispiel mit Brauchtum? Das klingt wunderbar nach Tradition, und es ist ein solides Argument für den Fortbestand von allem Möglichen, das seinen eigentlichen Sinn verloren hat. Die bösen Geister von heute lassen sich von Böllern jedenfalls offenkundig nicht mehr vertreiben.
Mit dem Argument Brauchtum wäre man nach der Pandemie gut aus der Nummer rausgekommen. Zwei stille Jahre ohne stadtweite Böllerei sind ja irgendwie auch eine Tradition, die gepflegt werden möchte. Es gäbe aber auch noch einen anderen Weg.
Der Kriminologe Thomas Feltes hat dem Evangelischen Pressedienst Anfang der Woche gesagt, er würde ein Verbot für angemessen halten. Illegale Böller würden zwar nicht verschwinden, aber die Polizei hätte etwas gegen die Böllerei in der Hand – vor allem: etwas, das nicht nach wenigen Sekunden explodiert. Bliebe die Frage: Was machen dann die Menschen an Silvester, die bislang auf den Unfallstationen Finger und Hände wieder annähen?
Sie könnten sich im Krankenhaus ans Fenster stellen und das zentrale Feuerwerk beobachten, das Thomas Feltes als Alternative vorschlägt. So könnte auch Münsters Feuerwehr-Chef Gottfried Wingler-Scholz sich Silvester vorstellen, mit einem zentralen Feuerwerk für alle, sozusagen das Modell Send.
Wingler-Scholz wägt ab. Auf der einen Seite stehen die Umweltbelastung durch die Böllerei, der ganze Feinstaub, auch die Gefahr, dass es irgendwo brennt, wird größer. Das sind die Argumente gegen das Böllern, die Wingler-Scholz nennt.
Und es gibt weitere: in diesem Jahr etwa die Gewalt auf den Straße in vielen Städten. Rettungskräfte, Feuerwehr und Polizei wurden angegriffen. Dann die Überlastung der Krankenhäuser, weil Menschen sich aus Leichtsinn selbst verletzen. Auch für Tiere ist die Silvesternacht ein Horror. Die Münsteranerin Heike Garlepow hat eine Petition gestartet, mit der sie erreichen möchte, dass es im nächsten Jahr zu Silvester in Münster ruhiger wird. Eine andere Petition mit dem gleichen Ziel, unterschrieben bislang von 251 Menschen, nennt auch die Müllentsorgungskosten als Argument. In diesem Jahr waren es laut Stadt 3,6 Tonnen, die auf den Straßen liegen blieben.
Auf der anderen Seite steht im Grunde nur ein Argument, doch das wiegt bislang schwerer als 3,6 Tonnen Papier. Es ist einfach der Spaß – die Freiheit, etwas zu machen, das unsinnig und unvernünftig ist, ganz im Sinne der Band Tocotronic, die singt: „Pure Vernunft darf niemals siegen“. Leicht verdünnte aber vielleicht schon. Der Deutsche Städtetag schlägt größere Böllerverbotszonen in den Städten vor. Oder wie Münsters Rathausbündnis es sagen würde: die weitgehend böllerfreie Innenstadt. (rhe)
+++ Hier noch ein paar Zahlen zur Silvesternacht. Bei der Polizei war es einigermaßen ruhig. Sie musste 70-mal zu „silvestertypischen Einsätzen“ ausrücken. Sie können sich bestimmt vorstellen, was das bedeutet: Irgendwer hat sich gezofft oder angefangen zu randalieren. Macht insgesamt sieben Anzeigen wegen Körperverletzung, neun wegen Sachbeschädigung, einen Platzverweis und drei Leute in Gewahrsam. (sfo)
+++ Der Rettungsdienst rückte 69-mal aus, das ist für Silvesterverhältnisse im Rahmen. Anders bei der Feuerwehr. Sie wurde zu 26 Brandeinsätzen gerufen – mehr als in vergleichbaren Jahren. (sfo)
+++ Besonders böse hat es den Düesbergweg erwischt. Dort brannten sieben parkende Autos. Die Polizei geht von Brandstiftung aus. (sfo)
+++ Und was ist mit den Krankenhäusern? Die unfallchirurgische Notaufnahme an der Uniklinik hatte auch alle Hände voll zu tun. Die Notfalldienst war nonstop im Einsatz, schreibt uns Sprecherin Anja Wengenroth auf Anfrage. Auch im Laufe des Neujahrstages kamen immer wieder Menschen mit Verletzungen, zum Teil auch aus dem Umland. Neben Sprengverletzungen an den Händen haben die Ärztinnen und Ärzte „außergewöhnlich viele – teils schwere – Gesichts- und Augenverletzungen“ behandelt. (sfo)
+++ Das Geböller belastete an Silvester aber nicht nur die Unfallchirurgie an der Uniklinik, sondern auch die Umwelt. Die Feinstaubbelastung war deutlich höher als in den beiden Vorjahren – aber niedriger als 2019. (sfo)
+++ Während in anderen Städten die Krawalle an Silvester ausgeufert sind und sich zum Teil auch gegen Einsatzkräfte gerichtet haben, ist es in Münster friedlich geblieben. Die Polizei und die Feuerwehr teilen uns auf Anfrage mit, dass bei ihren Einsätzen kein Personal verletzt wurde. Die Westfälischen Nachrichten berichten dagegen, dass ein in der Bahnhofsmission Hilfesuchender bei einem Einsatz einen Rettungssanitäter angriff. Der Sanitäter konnte seinen Dienst fortsetzen. (sfo)
Es gibt Neuigkeiten aus Bremen. Und wie so oft, wenn es im RUMS-Brief um Bremen geht, ist das Thema das Parken auf Gehwegen. Ende 2021 hatten einige Leute die Stadt Bremen verklagt, weil sie die Autos auf den Gehwegen loswerden wollten. Das aufgesetzte Parken ist laut Straßenverkehrsordnung eine Ordnungswidrigkeit, wird aber fast überall in Deutschland stillschweigend geduldet.
Das Verwaltungsgericht gab den Kläger:innen in erster Instanz Recht: Die Falschparker:innen können sich nicht auf ihr Gewohnheitsrecht berufen, schon immer ihre Autos ordnungswidrig abgestellt zu haben, ohne dass sie Konsequenzen fürchten mussten. Gegen dieses Urteil ging der Bremer Senat in Berufung. Vor allem die Innenbehörde, die für die Verkehrsüberwachung zuständig ist, hält das Urteil für „völlig lebensfremd“.
Kurz vor Weihnachten hat das Oberverwaltungsgericht allerdings bestätigt, dass die Stadt Bremen das aufgesetzte Parken nicht länger ignorieren darf. Jetzt muss Bremen handeln und die Autos irgendwie vom Bürgersteig bekommen. Sollte der Senat noch mal in Revision gehen, würde der Fall beim Bundesverwaltungsgericht landen. Spätestens dann hätte ein erneutes Urteil bundesweite Strahlkraft auf die Mobilitätswende.
Doch schon jetzt fühlen sich die Gegner:innen des Gehwegparkens in Münster vom Bremer Urteil bestärkt. In einer Pressemitteilung schreibt Stefan Tigges von der Verkehrswendeinitiative im Kreuzviertel, die Aktiven erwarteten von der Stadt Münster nun ein kurzfristiges Maßnahmenpaket, denn „sonst werden die Gerichte zukünftig Vorgaben machen“.
Werden die Mülleimer bald aus dem Weg geklagt?
Im Oktober startete die Stadt mit einem Lösungsversuch in Sachen Gehwegparken: In der Melchersstraße befinden sich jetzt Parkzonen, die zwar zum Teil auf den Bürgersteig ragen, aber nur, wenn genug Platz für die Fußgänger:innen bleibt. Dieses Modell namens Faires Parken müsse nach Ansicht der Verkehrswendeinitiative jetzt „deutlich beschleunigt werden“.
Dass die Verkehrswendeinitiative vor dem Klageweg keinen Halt machen würde, daraus machte Tigges schon im Oktober keinen Hehl. Konkret geht es dabei um die Mülltonnen, die ebenfalls ordnungswidrig auf den Gehwegen abgestellt werden. In diesem Punkt scheint die Geduld der Aktiven allmählich zu Ende zu gehen: „In Sachen ordnungswidrig abgestellte Müllbehälter wird die Stadt auch einlenken müssen“, schreibt Stefan Tigges in der Pressemeldung. Und: „Münster wird sonst, ähnlich wie Bremen nun beim Autoparken, als Musterstadt für eine Mülleimerklage öffentlich bekannt werden.“
Ob die Bremer Politik das Urteil noch einmal anficht, ist unklar. Die Innen- und die Verkehrsbehörde warten die Begründung des Gerichts noch ab. Sie soll demnächst erscheinen. (sfo)
Beitrag von Katrin Groth am 03.01.2023
„Wir haben beide experimentiert, er hat weitergemacht”
Mit 16 Jahren zog Tilman Holze das erste Mal an einem Joint. Mit 24 starb er an einer Überdosis Fentanyl. Seine Eltern wollen nicht, dass der Tod das letzte Wort hat. Sie gründeten eine Stiftung und versuchen so, in anderen Familien das zu verhindern, was ihrem Sohn passierte.
Beitrag lesen+++ Sie haben es bestimmt längst mitbekommen, aber man kann es nicht oft genug melden: Der Virologe Christian Drosten hält die Coronapandemie für beendet. Die Immunität sei in der Bevölkerung dank der Impfungen hoch und auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich in Deutschland eine neue gefährliche Variante des Virus ausbreiten könne, sei gering, sagte Drosten dem Berliner Tagesspiegel. (sfo)
+++ Trotz der frohen Kunde gelten in Nordrhein-Westfalen immer noch Schutzmaßnahmen. Falls Sie den Überblick über die derzeitigen Regeln verloren haben, beim WDR finden Sie ihn wieder. (sfo)
+++ Die Stadt meldet 123 Corona-Neuinfektionen, die seit gestern per PCR-Test bestätigt worden sind. Münster verzeichnet aktuell 1.178 offiziell infizierte Personen. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt laut Robert-Koch-Institut bei 384 pro 100.000 Menschen. Laut Intensivregister liegen in Münster acht Menschen mit Covid-19 auf der Intensivstation. Davon werden drei invasiv beatmet. (sst)
+++ Die Stadt meldet außerdem zwei neue Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19. Seit Beginn der Pandemie sind 253 Menschen in Münster an oder mit Corona verstorben. (sst)
+++ Das Jahr 2022 war 2,2 Grad heißer als in den 30 Jahren zuvor. (Westfälische Nachrichten)
+++ Bis Anfang Februar können Sie der Stadtverwaltung mitteilen, was Sie vom neuen Wohngebiet in Wolbeck halten. (Stadt Münster)
+++ Die Gastronomie in Münster führt ein Glas-Mehrwegsystem ein. (Westfälische Nachrichten)
+++ Die Stadt Münster hat mit anderen kreisfreien Städten Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof von Nordrhein-Westfalen gegen das neue Gemeindefinanzierungsgesetz eingelegt. (Westfälische Nachrichten)
+++ Nachdem in den sozialen Medien ein Video aufgetaucht war, in dem eine Ratte in einer Backstube am Sentmaringer Weg zu sehen ist, hat die Bäckerei Schrunz offenbar eine Lösung für das Problem gefunden. (Reddit, Bäckerei Schrunz)
+++ Die Polizei ermittelt, nachdem an dem Geldautomaten in der Post am Domplatz Kameras entdeckt wurden. (Polizei Münster)
+++ Ein 15-jähriger Jugendlicher aus der Nähe von Osnabrück soll für den Drohanruf gegen die Mathilde-Anneke-Schule Anfang Dezember 2022 verantwortlich sein. (Westfälische Nachrichten)
+++ Die Uni Münster will noch in diesem Jahr darüber entscheiden, ob sie ihren Namen behalten will. (Uni Münster)
+++ Die Amateurbühne Münster-Ost sucht eine neue Bleibe für Proben, Auftritte, Kostümfundus und Kulissen. (Westfälische Nachrichten)
+++ Die digitale Plattform „Kultur-Klima“ soll Kulturschaffende in der Energiekrise unterstützen und der schnellen Vermittlung der Förderprogramme dienen. (Landschaftsverband Westfalen-Lippe)
Sushi ohne Fisch, ist das nicht langweilig? Ganz und gar nicht, das beweist Makimaki Sushi Green an der Hammer Straße 63. Das Restaurant bietet originelle Sushi-Kreationen aus rein pflanzlichen Zutaten. In den Reisrollen landen nicht nur Klassiker wie Avocado und Gurke, sondern auch Seitan oder Lotuswurzel. Auf seiner Website verspricht das Restaurant selbst: Hier kommt Sushi aus einer bisher unentdeckten Geschmacksdimension.
Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!
Neues Jahr, neue Veranstaltungen. Viktoria Pehlke hat ein paar schöne Empfehlungen für Sie herausgesucht:
+++ Am ersten und dritten Mittwoch im Monat zeigt das Cinema jeweils einen „Arthouse Sneak“. Das bedeutet: Das Kino überrascht Sie mit einem Film, der offiziell noch gar nicht läuft. Morgen beginnt die Vorstellung um 22:15 Uhr. Karten gibt es für fünf Euro online und an der Kinokasse.
+++ Am 1. Februar beginnt das Klimatraining der Stadt. Das Programm ist Teil der Initiative, Münster bis zum Jahr 2030 klimaneutral werden zu lassen. Teilnehmer:innen lernen dabei, ihren Alltag nachhaltiger zu gestalten. Das Training findet an mehreren Terminen statt und läuft bis Mai. Anmeldungen sind per E-Mail möglich.
+++ Das Planetarium im LWL-Naturkundemuseum startet heute ein neues Kinderprogramm. Die Show 3-2-1 Liftoff! erzählt von Hamster Elon und seiner Reise ins Weltall. Tickets gibt es hier.
+++ Und noch ein Kinotipp: Der französische Film Passagiere der Nacht läuft ab Donnerstag im Cinema. Er erzählt das Leben einer Pariser Familie in den Achtzigerjahren und ist dabei wunderbar nostalgisch. Karten gibt es online im Ticketshop.
Am Freitag schreibt Ihnen Sebastian Fobbe. Kommen Sie gut durch die erste Woche des Jahres. Es ist ja immerhin warm.
Herzliche Grüße
Ralf Heimann
Mitarbeit: Viktoria Pehlke (vpe), Svenja Stühmeier (sst), Sebastian Fobbe (sfo), Jan Große Nobi (jgn)
Lektorat: Antonia Strotmann
PS
Wir haben eine neue Kollegin. Sie heißt Svenja Stühmeier, ist 26 Jahre alt, und bis vor wenigen Wochen hat sie für die Aachener Zeitung gearbeitet. Dort hat sie volontiert, sie hat viel für das Stadtmagazin Klenkes geschrieben. Vor ihrer Zeit in Aachen war sie beim Mindener Tageblatt, und jetzt ist sie bei uns. In der nächsten Woche wird sie Ihnen zum ersten Mal schreiben. Herzlich willkommen, Svenja. Wir freuen uns sehr.
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