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Die RUMS-Kolumne von Dina El Omari | Über die Werte der CDU
Guten Tag,
„Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland“, ließ die CDU Ende letzten Jahres in ihrem Grundsatzprogramm verlauten. Nach viel Kritik an dieser Formulierung hat die CDU nun verkündet, dass man sich auf eine neue Formulierung geeinigt habe, nun heißt es: „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“ Ein Paradebeispiel dafür, wie man etwas wunderbar verschlimmbessern kann. Aber was ist eigentlich das Problem an diesen Formulierungen?
Beginnen wir einmal damit, dass man von allen Weltanschauungen und Religionen, die unser schönes Land zu bieten hat, eine auserkoren hat, der eine Ansage über Werte und freiheitliche Gesellschaft gemacht werden muss. Da hilft es herzlich wenig, dass man erst einmal von Muslimen oder einem Islam spricht, was hängen bleibt, ist das in der Öffentlichkeit viel zelebrierte und undifferenzierte Bild: Der Islam beziehungsweise die Muslim:innen brauchen eine Sonderbehandlung in puncto Werte und demokratischen Denkens.
Durch das Zuschneiden dieser Aussage auf eine bestimmte Gruppe wird zudem impliziert, dass diese Aussage eben nur dieser Gruppe gilt. Alle anderen Religionen und Weltanschauungen sind nicht vom Ausschluss betroffen und bleiben Deutschland zugehörig, auch wenn sie die Werte der CDU nicht teilen.
Außerdem könnte die von der CDU gewählte Formulierung den Eindruck erwecken, dass es ihnen eigentlich nicht um die Werte oder um das Bekenntnis zu einer freiheitlichen Gesellschaft geht, sondern um die Stigmatisierung einer bestimmten Gruppe.
Wir alle, ganz gleich welche Religion oder Weltanschauung wir haben, sollten als Gesellschaft Werte teilen, die mit den Menschenrechten und der Demokratie konform sind. Wenn es mir darum geht, dann formuliere ich das auch so und schaffe ein Wir-Gefühl, egal was es letztendlich für Unterschiede zwischen den Individuen gibt. Ich schaffe keine Trennlinien zwischen einzelnen Gruppen, indem ich ihnen ein Label gebe, sondern ich schaffe die Trennlinie zwischen solchen, die eben nicht menschenrechtskonform handeln und denen, die dies tun.
Damit komme ich auch gleich schon zu einer weiteren Problematik in der Formulierung der CDU, welche die Aussage „unsere Werte“ betrifft. Nicht nur, dass hier wieder mal ein Wir und Ihr geschaffen wird, in dem Muslime nur insoweit mitgedacht werden, wie sie sich den Werten der CDU anpassen, denn die CDU gibt das „Unser“ vor. Auch stellt man sich die Frage, was das eigentlich für Werte sein sollen?
Der Verfassungsrechtler unter meinen Kollegen, Çefli Ademi, hielt dazu treffend fest: „Jedenfalls können es keine Verfassungswerte sein, denn die Verfassung verlangt von keiner Religion Wertekonformität. Auch kennt die Verfassung keine ‚fremde‘ Religion“, sie garantiert das universelle Menschenrecht auf Religionsfreiheit.“
Unabhängig von der rechtlichen Perspektive, ist die Formulierung „unsere Werte“ schwammig und nichtssagend. Zu welcher Absurdität sie führen kann, sieht man an Friedrich Merz‘ Statement Ende des letzten Jahres, dass es Teil der deutschen Leitkultur sei, zu Weihnachten einen Weihnachtsbaum zu kaufen.
Um es klar zu sagen: Eine gut funktionierende Gesellschaft braucht Werte. Hier sollte aber der Fokus auf diesen Werten, die sich durch Menschenfreundlichkeit auszeichnen, sowie einem gemeinsamen Wir liegen. Abzugrenzen gilt es sich von allen menschenfeindlichen Positionen, egal aus welcher Richtung diese kommen.
Herzliche Grüße
Ihre Dina El Omari
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Dina El Omari
… ist Professorin für interkulturelle Religionspädagogik am Zentrum für Islamische Theologie. Sie forscht und lehrt zu den Themen feministische und geschlechtersensible islamische Theologie, interreligiöses Lernen sowie islamische Textwissenschaften.
Die Kolumne
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