Die Kolumne von Dina El Omari | Der Prophet empfiehlt ein Nickerchen

Porträt von Dina El Omari
Mit Dina El Omari

Guten Tag,

vor wenigen Tagen hat eine deutschlandweite Studie der Universität Münster belegt, dass die Vier-Tage-Woche sich positiv auswirkt. Trotz der reduzierten Arbeitszeit zeigt die Untersuchung, dass Wohlbefinden und damit die Lebenszufriedenheit steigen, während die Produktivität entweder gleich bleibt oder sogar zunimmt.

Eine gesunde Live-Work-Balance ist wichtig. Gerade in einer Leistungsgesellschaft wie der unseren kann das eigentlich nicht oft genug betont werden. Immer wieder hört man davon, dass Menschen in ihren Jobs ausbrennen, weil sie überarbeitet sind, nicht wertgeschätzt oder gefördert werden, immer erreichbar sein müssen oder sich der Willkür von Vorgesetzten ausgesetzt sehen.

Gerade wenn es um das Thema Mental Health und Arbeitsbelastung geht, liegt die Schwierigkeit aber auch darin, dass dies ein höchst individuelles Feld ist: Nicht jeder empfindet eine Belastung gleich und reagiert gleich. Eine grundsätzliche Veränderung von Rahmenbedingungen scheint allerdings einen wesentlichen Beitrag dazu zu leisten, dass sich Menschen in ihrer Arbeit wohler fühlen.

Auch Religionen haben einen Blick auf eine gesunde Balance zwischen Verantwortung und Pflichtbewusstsein auf der einen Seite und das starke Bedürfnis, auch einmal nicht funktionieren zu müssen und sich auf Dinge zu besinnen, die einem guttun, auf der anderen Seite.

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Im islamischen Kontext wird diese Balance in der einen oder anderen Überlieferung des Propheten Muhammad deutlich. So soll dieser an das Verantwortungsbewusstsein seiner Gefährten mit den Worten appelliert haben: „Gott mag es, wenn einer von euch seine Aufgaben gut und zuverlässig erledigt.“

Grundsätzlich gilt der verantwortungsvolle Umgang mit seinen Aufgaben, Mitmenschen und der Umwelt als eine wichtige menschliche Eigenschaft, da der Mensch laut Koran von Gott als Verwalter beziehungsweise Beschützer seiner Schöpfung auf Erden eingesetzt wurde.

Doch das schließt keinesfalls aus, dass er auch mal an sich selbst und sein Wohl denken kann und auch muss. Das kann auch schon ein einfacher Mittagsschlaf sein.

Eines Tages kam ein Wüstenbewohner zum Propheten und erzählte ihm, dass er früher immer ein gutes Gedächtnis gehabt hatte, er aber nun sehr vergesslich geworden sei. „Was soll ich also tun?“ fragte er den Propheten und dieser antwortete ihm: „Vielleicht hast du früher stets ein Nickerchen zur Mittagszeit gehalten.“

Als der Wüstenbewohner dies bejahte, fragte der Prophet: „Hast du damit aufgehört?“

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Was sein Gegenüber wieder bejahte, woraufhin der Prophet ihm empfahl, wieder zu seiner Gewohnheit zurückzukehren und jeden Tag ein kleines Nickerchen am Mittag zu machen, dann werde er sein Gedächtnis wiedererhalten.

Diese Anekdote zeigt, dass wir uns nicht selten selbst vergessen, indem wir uns Dinge nicht nehmen, die uns gut tun und damit uns so weit von uns selbst entfernen können, dass sich das auch auf unseren Körper und Geist niederschlagen kann.

Dass der Mensch beziehungsweise sein Menschsein zunehmend ins Zentrum der Arbeitswelt rückt, muss man daher als richtungsweisend bewerten. Es gibt Hoffnung, dass Menschen nicht mehr nur darauf reduziert werden, eine funktionierende Arbeitskraft zu sein.

Herzliche Grüße

Ihre Dina El Omari

Porträt von Dina El Omari

Dina El Omari

… ist Professorin für interkulturelle Religionspädagogik am Zentrum für Islamische Theologie. Sie forscht und lehrt zu den Themen feministische und geschlechtersensible islamische Theologie, interreligiöses Lernen sowie islamische Textwissenschaften.

Die Kolumne

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