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Die Kolumne von Michael Jung | Neuigkeiten aus Auenland
Guten Tag,
im Jahr 2020 vollzog sich in der Stadtverwaltung ein Personalwechsel. In diesem Fall hatte der Oberbürgermeister intensives Interesse an der Nachbesetzung einer Leitungsfunktion. Natürlich ging es nicht um das Tiefbauamt (wo die Leitung auch nach mehreren Anläufen immer noch vakant ist) oder ein anderes Feld inhaltlicher Arbeit, sondern um ein Thema, das den Oberbürgermeister viel mehr interessiert als die normale Verwaltungsarbeit: Die Außen- und Selbstdarstellung.
Nachzubesetzen war die Leitung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt, und gefunden wurde ein Mann, der bis dahin Leiter des Ressorts Landespolitik der Rheinischen Post gewesen war, allerdings seine ersten beruflichen Erfahrungen bei den Westfälischen Nachrichten gesammelt hatte – also jemand mit solidem Stallgeruch.
Nach mehr als zwei Jahren ist es Zeit für eine erste Zwischenbilanz, und ich möchte Sie heute mitnehmen auf eine Reise durch das Jahr 2022 – eine Reise durch die Medieninformationen der Stadt, die zeigen, wie der neue Mann das Amt ausgerichtet hat und wie der Oberbürgermeister die Stadt gesehen haben möchte. Kommen Sie mit ins Auenland.
1. Münster, sensationell und einzigartig
Natürlich ist im Auenland nichts alltäglich, sondern eigentlich alles sensationell und einzigartig. Zuletzt informierte das Presseamt, dass das Baugebiet an der ehemaligen York-Kaserne in Gremmendorf – wörtlich – „weltweit Vorbild für nachhaltige Stadtentwicklung“ sei. Die Konversion dort, so tönte es weiter aus der städtischen Medieninformation, habe „Vorbildcharakter nicht nur für andere Neubaugebiete in Münster und Deutschland, sondern weltweit“.
Nun mag man sich fragen, ob der Vorbildcharakter darin besteht, dass man nach dem Abzug der britischen Truppen erstmal nichts tat, um dann fünf Jahre später zu kräftig gestiegenen Preisen die Grundstücke zu kaufen, oder darin, dass es dann noch einmal fünf Jahre brauchte, bis die ersten Wohnungen fertig wurden.
Doch die städtische Medieninformation weiß es genauer: Der Vorbildcharakter liegt darin begründet, dass man Grundstücksausschreibungen mit Nachhaltigkeitskriterien verknüpft. Und wer jetzt dachte, es sei mindestens der UNO-Generalsekretär vorbeigekommen, um den Vorbildcharakter zu loben, es waren dann doch nur elf Leute aus Amman in Jordanien, die sich bei der Verwaltung informiert haben.
Hier sieht man schon: Aus nichts eine Sensation machen, die Münsters Einzigartigkeit betont – so wünscht der Oberbürgermeister sich die Außendarstellung seiner Stadt. In die gleiche Richtung geht die Arbeit des Presseamts beim Megathema Klimaschutz. Dort geht es auch nur ganz groß: „Münster leitet neue Phase der Klimawende ein“ – „als erste Kommune in Deutschland“ habe Münster „eine neue und entscheidende Weichenstellung in Richtung Klimawende“ vorgenommen, so tönte es da.
Das Abkommen von Paris schrumpft schon zur Fußnote angesichts der Tatsache, dass sich in Münster hundert Hauptamtliche aus der Verwaltung zu einem „Klimakonferenz“ genannten Tagesworkshop getroffen haben.
Konkrete Umsetzungsschritte wurden nicht bekannt, im Kern ging es bei der großen Weichenstellung um eine interne Umorganisation, wie aber erst im dritten Absatz deutlich wird: Klimaschutz sei jetzt Querschnittsaufgabe in der Verwaltung und „nicht mehr in einem Dezernat verortet“, ließ sich der Oberbürgermeister zitieren, so werde man „schneller, dynamischer und vernetzter“ die Themen anpacken.
Und so zeigt sich hinter der großen Fanfare des Presseamts vor allem ein übles Nachtreten gegen einen längerfristig erkrankten Beigeordneten, der das Thema nämlich bisher verantwortete. Offenbar nicht schnell, dynamisch und vernetzt genug.
Aber die Fassade glänzt natürlich in deutschlandweiter Einmaligkeit. Und so hat es das Presseamt geschafft, hinter der Fassade den eigentlichen Machtkampf zu verstecken, dass nämlich der Oberbürgermeister das Thema Klimaschutz in Zukunft exklusiv für seine eigene Außendarstellung reservieren möchte.
Soweit man sehen kann, hat das auch geklappt: Denn solche Meldungen werden dann eins zu eins in den Medien übernommen, die Hintergründe, insbesondere der Machtkampf an der Verwaltungsspitze mit einem erst entmachteten und dann erkrankten Dezernenten, dem man erst die Mitarbeiter und dann die Kompetenzen entzieht, bleiben öffentlich unausgeleuchtet.
Wie sich der Oberbürgermeister die neue Querschnittsaufgabe vorstellt, demonstriert das Presseamt dann auch: Vor allem über publikums- und medienwirksame Fotoauftritte, bei denen man dann schöne Schlagzeilen produziert wie die von „Münster als Hotspot der Batteriezellforschung“.
So macht Klimaschutz auch viel mehr Spaß, als wenn man sich wie der erkrankte Dezernent mit Gebäudeleitlinien und anderem dürren Verwaltungswerk herumschlagen muss. Im Auenland läuft es jetzt, deutschlandweit einmalig mindestens, wenn nicht sogar als Vorbild für die ganze Welt.
2. Münster und sein Staatsmann an der Spitze
Das Presseamt hat die Außendarstellung der Verwaltung erkennbar exklusiv auf die Person des Oberbürgermeisters zugeschnitten, und es fällt vor allem auf, dass die Beigeordneten dahinter deutlich zurücktreten.
Vom Stadtdirektor hat man in städtischen Medieninformationen eigentlich das ganze Jahr über kaum etwas gelesen, die Kämmerin und die Sozialdezernentin sind in Nebenrollen abgedrängt, gelegentlich fällt noch etwas Licht auf den Leiter diverser Krisenstäbe und natürlich auf den Stadtbaurat, der zwar wenig gebaut bekommt, aber dafür dem Oberbürgermeister stetig heiße Luft zuliefert, die der so mag.
Die Kriterien sind klar: Potenzielle Konkurrenz um den Platz an der Sonne hat keinen Platz in städtischen Medieninformationen, die Bühne bespielt nur die Nummer eins. Und die Amtsleitung richtet die gesamte Außendarstellung daran aus. Dem normalen Verwaltungshandwerk ist der Oberbürgermeister entrückt, seine Rolle ist vielmehr die des Staatsmanns an der Spitze der Stadt.
Nicht nur, dass er den Klimaschutz deutschlandweit einmalig als Querschnittsaufgabe versteht, er kämpft auch für den Frieden in der Welt. So informierte das Presseamt, dass der Oberbürgermeister sich genau einen Monat vor dem russischen Überfall auf die Ukraine in einem Brief an die Verwaltungsspitze von Münsters russischer Partnerstadt Rjasan wandte und sich bei der Gelegenheit auch noch gleich mit einem Video mit russischer Übersetzung an die Menschen in Rjasan wandte, das acht Monate später auf Deutsch gute 600 und auf Russisch rund 300 Aufrufe hatte.
Der polyglotte Oberbürgermeister formulierte auch selbst schwungvoll ein „Dobroj djen“ in die Kamera, aber der weiten Verbreitung scheint es noch nicht genutzt zu haben. Auch hier sieht man wieder: Es war vor allem ein Auftritt für die eigene Außendarstellung, denn wenn es dem Oberbürgermeister um einen ernsthaften Dialog gehen würde, dann hätte er in den letzten Jahren Gelegenheit genug dafür gehabt.
Stattdessen wurde, was vor allem dem Regime Putins nützte, der ursprünglich zivilgesellschaftlich breit getragene Kontakt mit Rjasan immer mehr auf einen der Verwaltungsspitzen verengt – und die war in Rjasan dem Moskauer Kreml meist voraus.
Noch bevor Putin zum Beispiel diskriminierende Gesetze gegen queere Menschen einführte, waren die Regelungen in Rjasan schon umgesetzt, und schon vor Jahren wurden Münsteraner Vertreter einschließlich Oberbürgermeister zum Fest der Partnerstädte nach Rjasan geladen, wo Münster sich in illustrer Gesellschaft mit Städtepartnern aus Putinschen Fake-Staaten wie Abchasien und Transnistrien am Tisch wiederfand.
Zu einem kritischen Dialog und einer Neuausrichtung der Partnerschaft im Hinblick auf die Zivilgesellschaft hat das nicht geführt. Interessant wird das Thema für den Oberbürgermeister erst, wenn man in unmittelbarer Kriegsgefahr einen schönen Medienauftritt inszeniert bekommt oder am Tag vor dem russischen Angriff mit der neuen Osnabrücker Kollegin ein schönes Friedenslicht entzünden kann.
Auch hier zeigt sich: Die mediale Herausstellung des Oberbürgermeisters wird zum zentralen Ziel der Öffentlichkeitsarbeit der Stadt. Ergebnisse sind zweitrangig, der Auftritt zählt. Von einer Antwort aus Rjasan hat man – zumindest über die städtischen Medieninformationen – dann auch nie was gehört.
Das Thema hat mit schönen Videos und Fotos seinen Zweck auch erfüllt, das nächste kann kommen, vielleicht auch mit Youtube-Video. Hauptsache, es kann so aufbereitet werden, dass kein Raum für Hintergründe oder Nachfragen bleibt oder jemand nach Ergebnissen fragt. Die Inszenierung des Auftritts ist alles.
3. Münster – Erfolge, wohin man blickt
Dazu gehört auch, dass Münster eigentlich nur Erfolge feiert, die städtischen Medieninformationen bemühen hier gerne den Begriff des Durchbruchs. Dieses Jahr gab es gleich mehrere, beim Musik-Campus, beim Stadion, beim Hafenmarkt. Durchbrüche, wohin man blickt.
Aber auch sonst läuft es in Münster rund, nur mit der Wahrheit nimmt man es nicht immer so genau. Fallen die lokalen Medien, vor allem die vom Oberbürgermeister viel gelesenen Westfälischen Nachrichten, einmal mit einer Berichterstattung auf, die nicht so recht ins Auenland passen will, so folgt oft am gleichen Tag noch eine Quasi-Korrektur über den städtischen Presseverteiler.
Journalistisch aufgepeppt, wird dort dann quasi amtlich nochmal richtiggestellt, dass im Auenland doch alles in Ordnung ist. Wie konnten Journalist:innen anderes annehmen oder gar berichten?
Zwei Beispiele: Das Dauerdrama um die Mathilde-Anneke-Gesamtschule, deren Baukosten völlig aus dem Ruder gelaufen sind und deren Fertigstellung sich zum pädagogischen Leidwesen aller Beteiligten weit verzögert, ist bei Licht betrachtet eigentlich doch eine Erfolgsgeschichte. Die Stadt reagiert jedenfalls auf kritische Berichte mit der schönen Feststellung: „Die Gebäudelandschaft nimmt Formen an.“
Anlass dafür war, dass eine Treppe fertiggestellt wurde. Wer soll angesichts solch beeindruckender Erfolge noch kritisieren, dass die Mensa und vieles andere nicht fertig wurde und man millionenschwere Übergangslösungen brauchte?
Im Auenland freuen wir uns über eine tolle Gebäudelandschaft – mit Treppe. Ähnlich schön wird es sicher für die Gymnasien, auch dort stehen bald große Erfolge an: So feierte das Presseamt einen Grundsatzbeschluss des Rates und stellte fest: Bei der Umstellung vom acht- auf den neunjährigen gymnasialen Bildungsgang würden die Räume knapp, aber bis 2026, wenn der erste G9-Jahrgang Abitur mache, sei das Problem gelöst.
Im Auenland läuft es mal wieder wie am Schnürchen. Schade nur, dass die zusätzlichen Räume bisher nicht einmal fertig geplant oder im Haushalt veranschlagt sind.
Es waren aber auch nur sechs Jahre Zeit seit dem G9-Beschluss der Landesregierung, um das zu merken. Achten Sie darauf, ob im Auenland bald von fehlenden Räumen die Rede ist oder doch eher von einem engeren Zusammenrücken und partnerschaftlich dichteren Begegnungen beim Lernen.
Auch hier zeigt sich: Der städtische Pressedienst schreibt sich mehr und mehr presseähnliche Aufgaben zu und übernimmt an Stelle der Medien oder in deren kritischer Korrektur die „richtige“ Deutung des Geschehens in der Stadt. Neuerdings gilt das auch für Ratsbeschlüsse.
4. Hilfen der Verwaltung für das schöne Leben im Auenland
Das ist aber nicht alles. Das Presseamt flutet die Öffentlichkeit auch mit Dauermeldungen über die Aktivitäten der Verwaltung. Dabei entsteht das Bild, dass die Stadtverwaltung sich zunehmend in der Rolle einer Super-Nanny für alle Menschen im Auenland sieht. Auch für Ihre Sorgen und Nöte hat die Verwaltung ein passgenaues Angebot, das Presseamt informiert in Dauerbeschallung umfangreich.
In fast allen großen Lebenskrisen weiß die vom Oberbürgermeister so gut geführte Verwaltung Rat, und sie erteilt den auch gerne in Sprechstunden und Broschüren. Das Presseamt hilft Ihnen täglich. Falls Sie bisher keine Ahnung hatten, wie Sie ihre Ostereier färben sollen, hat die Verwaltung für Sie eine Broschüre mit dem originellen Titel „Ei, Ei, Ei“ erstellt, die Ihnen wertvolle Hilfen bietet bei diesem Thema.
Das Presseamt geht auch davon aus, dass viele Menschen unsicher sind, wie sie Eier und andere Einkäufe nach Hause bekommen sollen. Für dieses Problem gibt es aber eine eigene Ansprechpartnerin und eine Sprechstunde, zu der Sie gehen können. Die Verwaltung empfiehlt Ihnen für den Einkauf grundsätzlich wiederverwendbare Stoffbeutel, aber gerade für Detailfragen zum Obst- und Gemüsetransport gehen Sie auf jeden Fall zur professionellen Beratung in der Sprechstunde.
Und auch, wenn Sie weniger davon einkaufen, weil Sie einen eigenen Garten haben, nutzen Sie die Sprechstundenangebote. Gerade mit Nacktschnecken und dem Apfelwickler („der bedeutendste Schädling am Apfel“) ist nicht zu spaßen. Wenn Sie sich im Garten lieber zurückhalten und sich lieber einmal mit diesem neuen Computer-Kram beschäftigen wollen, dann hat die Verwaltung in der letzten Woche auch noch ein spannendes Angebot für Sie bereitgestellt: „Online Banking für Einsteiger“. Münsters Stadtverwaltung weiß in jeder Notlage Rat.
Das Presseamt informiert in endlosen Mailsendungen – es liegt an Ihnen: Nutzen Sie die Hilfsangebote, die es im Auenland gibt. Bezahlt haben Sie das alles schon mit Ihren Steuern. Das Presseamt kümmert sich um alle Notlagen – auch wenn Sie im europäischen Ausland in den Verdacht geraten, betrunken ein Lokal in Brand gesetzt zu haben, ist zu Hause an alles gedacht. Eine eigene Pressemitteilung informiert dann darüber, dass die Stadt sich um Aufklärung bemühe und „konsularische Betreuung“ gewährleistet sei.
Zwar ist die Stadt weder für die Aufklärung von Bränden auf Mallorca noch für die konsularische Betreuung in spanischen Gefängnissen zuständig, aber all diese in großer Zahl versandten Meldungen geben uns so ein beruhigendes Gefühl, dass uns Auenland-Menschen dank unserer Stadtverwaltung nichts passieren kann, nicht auf Mallorca, nicht beim Ostereierfärben, und selbst der Apfelwickler kann uns nichts anhaben. Und dieses Glück teilen wir auch gerne.
So hat die Stadt ihrer neuen Partnerstadt Enschede eine Sitzbank geschenkt – im Promenaden-Design. Auch dazu erschien eine Pressemitteilung mit Bild, die zeigte, dass die Stadt Münster dort prominent repräsentiert wurde, nämlich durch den Fraktionssprecher von „Die Linke“. Damit ist auch klar, dass wirklich niemand sonst Lust hatte auf den Termin in Enschede, und so durfte „Die Linke“ die Bank überbringen.
Der Fraktionsvorsitzende hat eine wechselhafte politische Laufbahn hinter sich, nach langer FDP-Mitgliedschaft versuchte er, bei der SPD Bundestagskandidat zu werden. Als das scheiterte, begann er bei der Linken und arbeitet dort nun in der „Kommunistischen Plattform“ mit.
Ob bei seinem neuen Karriereschritt als städtischer Bank-Botschafter das Objekt im Geist des proletarischen Internationalismus auch standesgemäß mit Hammer und Sichel verziert übergeben werden konnte – leider klärt das Presseamt diese wirklich interessante Frage nicht, aber dennoch schön, dass wir auch diese wichtige Information über die Bank bekommen haben.
So ist erkennbar das Ziel, über die schiere Masse an Medieninformationen zu den schönsten Bagatellen die Redaktionen zu einer möglichst wortgetreuen Übernahme der Darstellungen der Stadt zu bringen.
5. Das Auenland wäre ohne Medien und Recherchen noch viel schöner
Denn wenn das Presseamt derartige Absurditäten groß herausbringt oder es zumindest versucht, sollte am Schluss ein Blick auf die Gesamtstrategie stehen. Es ist auffällig, dass das Amt sich unter neuer Leitung nicht mehr nur darum bemüht, Medien Informationen bereitzustellen. Erkennbar ist vielmehr das Bestreben, die Narrative nicht nur zu setzen, sondern diese auch – wenn es kritisch wird – zu korrigieren.
Neu an dieser Strategie ist dabei der Versuch, quasi selbst Aufgaben von Presse und Medien gewissermaßen amtlich zu übernehmen. So werden unter der neuen Amtsleitung fertig produzierte Texte zur Verfügung gestellt, die weit über bloße Sachinformationen hinausgehen. Ein paar Beispiele.
In diesem Jahr fertigte das Presseamt eine ganze Serie von Personality-Berichten zu Mitarbeitenden der Verwaltung unterhalb der Führungsebene, die in irgendeiner Weise in Tatort-Produktionen in Münster beteiligt waren.
Hier liefert die Stadt selbst journalistisch fertig aufbereiteten Inhalt in der Hoffnung, dass dieser möglichst unverändert abgedruckt wird. In diesem konkreten Fall mag man das für belanglos halten. Das Vorgehen geschieht aber nach dem Prinzip „steter Tropfen höhlt den Stein“. Denn es gibt auch vorproduzierte Inhalte, die ganz und gar nicht belanglos sind. Da werden fertige Interviews mit den städtischen Verantwortlichen des Corona-Krisenstabs geliefert, oder auch blumige Porträts von Bürgermeister:innen und Bezirksbürgermeister:innen.
Nach Ratssitzungen erscheinen Zusammenfassungen der Ergebnisse und entsprechende Deutungen und Würdigungen („Durchbruch“). Hier wird es natürlich politisch – und die Zielsetzung ist klar: Wenn die Zeit und das Personal in den Redaktionen knapp werden, hofft man mit quasi journalistisch aufbereitetem Inhalt schnell den Sprung in die wortgleiche Übernahme zu schaffen.
Damit sind dann die Deutungen und Wertungen der Verwaltungsspitze eben diejenigen, die öffentlich Meinung machen. Dazu gehört auch die Flutung der Redaktionen mit absurden Belanglosigkeiten. Wenn der Damm einmal bricht, rutscht beim nächsten Mal auch mehr in der Redaktion durch.
Hier besteht für die Zukunft die Gefahr, dass einseitige und unkritische Narrative mit Steuergeld aufgepumpt direkt in die Medien gedrückt werden und die kritische Recherche weniger wird. Im Auenland mag man sich wohlfühlen, aber man sollte auch noch lesen können, was sich außerhalb der Idylle zuträgt.
Herzliche Grüße
Ihr Michael Jung
Michael Jung
… lebt schon immer in Münster. Er wurde 1976 hier geboren. Er hat an der Uni Münster Latein und Geschichte studiert und in Geschichte promoviert. Heute ist er Lehrer am Annette-Gymnasium in Münster. Michael Jung war viele Jahre in der Politik: Von 2013 bis 2020 war er Fraktionschef der SPD im Rat der Stadt. Im Jahr 2020 trat er für die SPD bei den Kommunalwahlen als Oberbürgermeisterkandidat an.
Die Kolumne
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