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Die Kolumne von Michael Jung | Münsters Museen – ein neuer Star und viel Tristesse
Guten Tag,
zugegeben, wie alle Kultureinrichtungen ist die Zeit des Corona-Lockdowns für Museen keine einfache. Was kann man machen, wenn man das Publikum zwangsweise aussperren muss und seine Exponate nicht zeigen und Veranstaltungen nicht stattfinden können?
Man kann es zum Beispiel digital versuchen. Viele Museen präsentieren ihre Sammlungen online, veranstalten virtuelle Führungen. Gute Beispiele gibt’s nicht nur aus den großen Museen der Welt mit Riesenbudgets, sondern auch aus Nordrhein-Westfalen, aus Wuppertal, Essen, Düsseldorf und Köln.
Schaut man auf die öffentlich finanzierten Museen Münsters, gibt es eigentlich nur eines mit einem nennenswerten und interessanten digitalen Angebot, nämlich das LWL-Museum für Naturkunde. Ein eigener Youtube-Kanal, Podcasts und auch Materialien aus dem Museum für die Beschäftigung zuhause. Das ist schon mal was.
Das LWL-Museum für Kunst und Kultur hat erst spät im zweiten Lockdown den Weg zu digitalen Führungen und Angeboten gefunden. Ja, und das Stadtmuseum hat eine Homepage, die seit mindestens zehn Jahren keinen Relaunch mehr gesehen hat. Digitale Angebote zum Beispiel auf Youtube gibt es allenfalls sehr selten-
Hotspot unter Münsters Museen
So spiegelt die Corona-Krise in der Landschaft der öffentlich finanzierten Museen (das Picasso-Museum ist privat finanziert) das, was auch vor der Krise deutlich erkennbar war: Eine richtig spannende und vielversprechende Entwicklung gibt es beim LWL-Museum für Naturkunde, das sich, auch gemessen an Besuchszahlen, längst zum Hotspot unter den Museen in Münster entwickelt hat. Mit fast regelmäßig über 200.000 Museumsbesuchen pro Jahr hat es eine Frequenz aufgebaut, die auch angesichts eines nicht kostenlosen Eintritts bemerkenswert ist.
Der Schlüssel dazu waren tolle Blockbuster als Ausstellungsprojekte. Fachlich hoch anspruchsvolle und komplexe naturwissenschaftliche Themen („Wasser bewegt“, „Das Gehirn“) wurden für ein breites interessiertes Publikum so aufbereitet, dass sowohl für Familien, als auch für fachlich Interessierte und für Schulen gleichzeitig was dabei war.
Dabei hat das Museum auch neue Wege ausprobiert – zum Beispiel ein Ausstellungsguide mit Robotik. Das alles hat man so bisher in keinem anderen Museum in Münster gesehen. Es ist mehr als erstaunlich, wie aus einem Haus, das jahrelang eher eine Anlaufstelle für Dino-Fans und Sternenfreunde war, inzwischen ein hochinnovatives Museum geworden ist, ein Highflyer der Museumlandschaft in Münster.
Die seit einigen Jahren massiv angestiegenen Zahlen bestätigen den Kurs. Mit seinem neuen Leiter Jan-Ole Kriegs ist das LWL-Museum für Naturkunde das innovativste und spannendste Museum am Platze. Und die Neuaufstellung des Planetariums verspricht noch mehr in dieser Richtung. Der Erfolg nährt den Erfolg. Und so ist es kein Zufall, dass dieses Haus auch das einzige ist, das in Corona-Zeiten ein annehmbares digitales Angebot bereitstellt.
Trotz Neubau kaum mehr Besucher
Herausragende Startbedingungen hat auch das LWL-Museum für Kunst und Kultur am Dom. In kein anderes Haus sind in den letzten Jahren so viele Millionen Steuergeld investiert worden, und doch ist die Entwicklung hier sehr viel differenzierter und keine uneingeschränkte Erfolgsgeschichte. Auch wenn hier offiziell regelmäßig hohe Besuchszahlen ausgewiesen werden, sind diese in den meisten Fällen deutlich geschönt.
Mal schlägt das Museum die Besucher*innen der Skulpturenausstellung dem Museum zu (so 2017), dann lockt es mit eintrittsfreien Freitagabenden auch das sparsame Münsteraner Publikum in die ansonsten eher spärlich besuchten neuen Räume. Auch das poliert kurzfristig die Statistik auf. Die Wahrheit aber ist: Trotz der Millioneninvestition in das neue Gebäude liegen die Besuchszahlen außerhalb von Sonderausstellungen inzwischen wieder auf demselben niedrigen Niveau wie vor der Runderneuerung des Hauses.
Trotz der ambitionierten Pläne ist kein westfälisches Pendant zum Folkwang-Museum entstanden. Sonderausstellungen bieten ebenso Licht und Schatten. Der große Publikumserfolg der Turner-Ausstellung auf der einen Seite steht dem Flop der Friedensausstellung gegenüber. Nun soll es der alte Hausheilige wieder einmal retten – die nächste August Macke-Ausstellung kommt bestimmt.
Alles in allem zeigt sich aber das Problem, dass eine richtige Strategie und Zielgruppenorientierung des Hauses nicht erkennbar wird. Noch immer dominiert das stark an einzelnen Künstlerpersönlichkeiten ausgerichtete Ausstellungsprogramm. Ist ein Künstler bekannt (wie Turner oder Macke), dann wird das Haus voll, handelt es sich um eine unbekannte Persönlichkeit, dann ist man auch mit den üblichen bekannten, dafür aber sachverständigen Besucher*innen zufrieden, man richtet sich problemlos elitär aus.
Dieses Haus kann eigentlich mehr
Breitere Ansätze, mit denen das Haus seinem steuerfinanzierten Bildungsauftrag gerecht werden könnte, und wie sie anderswo, vor allem in Süddeutschland, längst gepflegt werden, bleiben dem Museum fremd: Epochenausstellungen oder Einordnungen von Kunst in die Gesellschafts- und Kulturgeschichte bleiben Stückwerk oder werden alle zwanzig Jahre wieder ohne konzeptionelle Innovation aufgelegt, die beim Publikum durchgefallene Friedensausstellung war ein Beispiel.
Man wird sich überlegen müssen, ob man auch ein Ort der Debatte und Diskussion sein möchte oder weiter mit hohen Prohibitivmieten für die eigenen Räumlichkeiten dafür sorgt, dass nur die zahlungskräftige Wirtschaftsklientel dort Veranstaltungen durchführt und nicht die Kultur in Münster und der Region. Dieses Haus kann eigentlich viel mehr. Auch digital muss mehr kommen.
Noch trauriger wird es, wenn man sich die Entwicklung des Stadtmuseums anschaut. Nach seiner späten Gründung in den 1980er Jahren bot es ein vielfältiges Programm an Sonderausstellungen und mit dem Umzug an die Salzstraße erhielt es erstklassige Präsentationsräume. Seit vielen Jahren aber wirkt es wie eingefroren, was auch an der ausgeprägten Burn-out-Stimmung im Haus liegt.
Klagen über fehlende Budgets korrespondieren damit, dass das Museum dem Rat der Stadt seit Jahren keine Ideen mehr vorgelegt hat für spannende größere Ausstellungsprojekte, die über das Alltägliche hinausgehen. Stattdessen Jahr für Jahr Fotoausstellungen aus der Hänscheid-Sammlung, jetzt fortgesetzt mit neuen Fotoserien aus den 1970er Jahren. So bekommt man auch Ausstellungsplatz voll.
Und wenn es dann doch mal größere Sonderausstellungen gibt, dann kommt inhaltlich Fragwürdiges dabei heraus: So bei der weitgehend geflopten Reformationsausstellung 2017 oder bei einer Ausstellung zu deutschen Kolonien, die wegen ihres Zugriffs (katholische Orden in den Kolonien) den kolonialen Blick einseitig reproduzierte.
Es fehlt die Lust an der Debatte
Nun soll es Playmobil retten – die Stadtgeschichte, großzügig bei den Dinos gestartet, in Playmobil nachgestellt, das dann über ein ganzes Jahr. Auch wenn das Römermuseum in Haltern vor einigen Jahren spektakulär Playmobil zur Visualisierung von Inhalten nutzte, setzt das Stadtmuseum jetzt allein auf Playmobil.
Der inhaltliche Anspruch, Stadtgeschichte interessant und vielleicht auch kontrovers zu präsentieren, ist kaum noch erkennbar. Es fehlt einfach die Lust an der historischen, vor allem der stadthistorischen Debatte. Digitalisierung gibt’s zudem gar nicht, auch da fällt das Stadtmuseum erkennbar hinter das Niveau anderer Städte zurück. Stagnation ist Rückschritt. So verliert das Stadtmuseum gerade in vielerlei Hinsicht den Anschluss: an die Debatten der Stadtgesellschaft (wo war die Ausstellung zu Straßennamen-Kontroversen?), zu spannenden Geschichtsthemen (Playmobil ist kein Selbstzweck) und eben auch zur Digitalisierung.
Zuletzt hat die Stadt dann auch Verantwortung für das Freilichtmuseum Mühlenhof übernommen. Nach öffentlich und juristisch eskaliertem Streit zwischen der damaligen ehrenamtlichen Trägervereinsführung und einem langjährigen Mitarbeiter zog man die Reißleine: Der Verein, jahrelang im Stil einer CDU-Ortsunion geführt, wollte sich professionalisieren mit neuer Spitze und neuen Ideen. Eine hauptamtliche Geschäftsführung und ein Fachbereit zur inhaltlichen Weiterentwicklung waren die Bedingungen der Stadt für einen hohen Jahreszuschuss.
Dieses Vorhaben scheiterte schon im Ansatz: Der nun von CDU-nahen Bauunternehmern besetzte neue Vorstand feuerte schon im ersten Arbeitsmonat die gerade eingestellte Geschäftsführerin, daraufhin ließ der Beirat (kompetent besetzt mit der Leitung LWL-Freilichtmuseum, LWL-Naturkundemuseum, Universität) seine Funktionen ruhen, und so entwickelt sich der Mühlenhof seither als Freilichtmuseum jetzt zu etwas, womit kurzfristig Geld verdient werden soll: zur Event-Gastronomie.
Vorläufiger Höhepunkt des Ganzen: „Grünkohl to go“ mitten im Lockdown, als die Gastronomie schon geschlossen war. Der Rat der Stadt Münster wird sich überlegen müssen, ob er beim Mühlenhof eine Professionalisierung und ein tragfähiges Konzept sehen möchte. Oder ob er aus dem Kulturetat „Grünkohl to go“ finanzieren will.
Herzliche Grüße
Ihr Michael Jung
Michael Jung
… lebt schon immer in Münster. Er wurde 1976 hier geboren. Er hat an der Uni Münster Latein und Geschichte studiert und in Geschichte promoviert. Heute ist er Lehrer am Annette-Gymnasium in Münster. Michael Jung war viele Jahre in der Politik: Von 2013 bis 2020 war er Fraktionschef der SPD im Rat der Stadt. Im Jahr 2020 trat er für die SPD bei den Kommunalwahlen als Oberbürgermeisterkandidat an.
Die Kolumne
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