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Die Kolumne von Michael Jung | Knalleffekte am Hafenmarkt
Guten Tag,
wenn Sie wie ich auch schon etwas älter oder zumindest mittelalt sind, dann können Sie sich bestimmt noch an das Jahr 2001 erinnern. Das war das Jahr von 9/11, und es war die Zeit, als die Dotcom-Blase platzte. So manches, was man als New Economy gefeiert hatte, sah plötzlich sehr alt aus. In Münster war es das Jahr, in dem ein Stück Old Economy und Industriegeschichte zu Ende ging: Die Firma Ostermann-Scheiwe musste Insolvenz anmelden.
Teil der Insolvenzmasse waren auch zentrale Betriebsgrundstücke und Hallen in direkter Stadthafenlage. Was für die Beschäftigten ein Unglück war und lange Unsicherheit nach sich zog, war für die Stadtentwicklung eine Chance, wie sie sich selten bietet: Wäre nicht dort, wo gegenüber in den 1990er-Jahren der „Kreativkai“ entstanden war, ein guter Ort für neue Wohnungen, in direkter Hafenlage und innenstadtnah?
Die Idee war schnell Konsens – aber wenn Sie sich heute am Hafen umsehen, dann stellen Sie fest: Zwanzig Jahre sind in unserer Stadt keine Zeit, in der man mit der Realisierung eines wichtigen Vorhabens rechnen dürfte, auch wenn Wohnungen noch so knapp sind. Eigentlich ist das ein Skandal, dass Verwaltung und Politik hier in den letzten zwanzig Jahren nicht sehr viel weitergekommen sind und das Osmo-Areal noch immer eine Industriebrache ist. Man kann daraus dreierlei lernen:
Erstens ist es mit neuen Wohnungen doch nicht so dringend, wenn es drauf ankommt, und zweitens stört es auch niemanden ernsthaft. Proteste gibt es nicht, wenn Hunderte Wohnungen auch nach zwanzig Jahren nicht entstanden sind. Aber wenn in der Nähe Platanen gefällt werden sollen, dann geht’s rund. Und drittens läuft die Zeit für den Investor, die Bodenpreise steigen und steigen.
Ich möchte diesen unschönen Jahrestag einmal zum Anlass nehmen, mit Ihnen einen genaueren Blick auf die Probleme der Hafenentwicklung und damit auf eine zentrale Zone der Stadtentwicklung zu werfen.
Das Privat-vor-Staat-Mantra wirkt fort
Aus der Osmo-Insolvenz ergab sich direkt eine zentrale Frage für die Stadt Münster: Wer würde die Flächen erwerben, um dort zu bauen? Und daran schloss sich eine weitere Frage an: Sollte die Stadt sie selbst kaufen? Nun waren die 2000er-Jahre in Münster eine Zeit absoluter CDU-Mehrheiten und später die einer schwarz-gelben Koalition. Wichtiger als die Stadtentwicklung war die Haushaltskonsolidierung, und als ein Instrument galt dabei, Flächen zu reduzieren.
In diesem Kontext traf die Stadt unter der Ägide des damaligen Stadtdirektors Hartwig Schultheiß eine Grundentscheidung von erheblicher strategischer Tragweite: Sie erwarb die Hafenflächen nicht aus der Insolvenzmasse. Damit war die Bahn frei für zwei Herren namens Andreas Deilmann und Rainer Maria Kresing, die sich die Flächen sicherten.
Die zentrale Entscheidung war damit gefallen: Die Stadt besaß fortan für diese zentralen Flächen nur das Instrument der Flächennutzungs- und Bauleitplanung, war aber selbst nicht Eigentümerin. Sie konnte also nur den rechtlichen Rahmen verändern, um Einfluss zu nehmen.
Die Industrieflächen würden zu Wohnflächen werden. Ihr Wert würde erheblich steigen. Doch von den Gewinnen würden allein die Investor:innen profitieren. Die Stadt war also im besten Falle Partnerin, im schlechtesten aber nur noch Dienstleisterin für die privaten Entwickler:innen und Investor:innen, aber nicht selbst Entwicklerin.
Diese Leitentscheidung wirkt bis heute fort und zog andere nach sich: Die Stadt und die Stadtwerke veräußerten in den Jahren danach immer weitere Grundstücke selbst aus eigenem Besitz an Privatinvestor:innen. Zuletzt fand in den Jahren der schwarz-grünen Mehrheit 2015 bis 2020 ein regelrechter Ausverkauf aller noch im Besitz von Stadt oder Stadtwerken befindlicher Flächen an private Eigentümer:innen statt. Damit ist sichergestellt, dass auch in Zukunft die Gewinne der Hafenentwicklung privat vereinnahmt werden, nur die Lasten trägt die Allgemeinheit.
Zugleich bedeutet das auch, dass der Stadt in Zukunft nur die schwächeren Instrumente des Planungsrechts zur Verfügung stehen, um in dieser zentralen Zone Stadtentwicklung zu betreiben. Sie ist immer auf den Konsens mit der Investor:innenseite angewiesen. Dass das so gekommen ist, war politisch nicht alternativlos.
Die Stadt hätte die Entwicklung auch selbst vornehmen können – so wie das zum Beispiel bei den Kasernenflächen aktuell auch geschieht. Das müsste nicht bedeuten, dass die Stadt alles selbst baut und Private nicht zum Zuge kommen. Die Alternative wäre gewesen: Die Stadt hätte die Grundstücke als Industrieflächen kaufen und später als Wohnflächen zu einem besseren Preis verkaufen können. Dann hätte auch die Allgemeinheit finanziell profitiert. Und die Stadt hätte die Entwicklungsziele formulieren können.
Gentrifizierung, das sind die anderen
Rasch zeigte sich: Das Verfahren sorgte für Ärger, vor allem weil der damalige Stadtbaurat Hartwig Schultheiß bei der Hafenentwicklung auch keinerlei besonderen Wert auf Bürger:innenbeteiligung jenseits der im Baurecht vorgeschriebenen Formen Wert legte. Und als Schwarz-Gelb 2009 Geschichte war, beschloss eine bunte Mehrheit, das zu ändern. Das sogenannte Hafenforum wurde geboren. Die Organisation übernahm die Verwaltung. Und das bedeutete: Alle Teilnehmer:innen durften sagen, was sie sich so wünschten, und so fand jede:r hinterher in den Ergebnissen, was persönlich gefiel und der eigenen Meinung entsprach.
Nur im Konsens erarbeitete und gemeinsam vereinbarte Ziele gab es nicht – und genau das war von der Verwaltungsspitze auch nicht gewollt. Sie wollte diese Ziele lieber in Planungsrunden mit den Investor:innen selbst verhandeln.
Aus diesem Umstand entstand dann bald im Viertel um den Hafen eine beachtliche Protestszene, die die Hafenentwicklung fortan kritisch begleitete und sich regelmäßig laut zu Wort meldete. Inzwischen hatten zugleich nämlich die Gentrifizierung und der Generationswechsel rund um den Hafen Fahrt aufgenommen.
Aus dem einstigen „Klein-Muffi“ der kleinen Leute wurde ein hippes Stadtviertel gutverdienender Akademiker:innen oder solcher, die das werden wollten – die, nachdem sie selbst gekauft, saniert oder hochpreisig gemietet hatten, dieses Viertel fortan zu ihrem erklärten.
Diejenigen, die das Viertel zu bewahren behaupteten, waren nun nicht mehr die kleinen Leute der 1980er-Jahre, sondern die WGs, die die einstigen Familienwohnungen nun zimmerweise teuer mieteten, oder die gutverdienenden Singles und Paare, die neu zuzogen – kurz: Menschen, die wissen, was sie wollen: Vor allem keine Veränderung im gerade neu gewonnenen Wohnumfeld.
Gentrifizierung entdeckt man nämlich, wenn man aus dem Fenster sieht, und nie, wenn man in den Spiegel schaut. Und so entstand eine explosive Mischung: Auf der einen Seite eine fast ausschließlich investor:innengestützte Stadtentwicklung, auf der anderen Seite eine Protestszene, die sich kraftvoll zu organisieren wusste. Fehlte nur noch ein Symbol, an dem man alles festmachen konnte.
Ein Supermarkt als Symbol und der Kampf um Marktanteile
Das wurde ein Supermarkt. 2004, die Osmo-Insolvenz lag kurz zurück, und die Idee für neue Wohnungen war auf dem Markt, entstand ein neues Einzelhandelskonzept – ein großer Plan, der unter anderem festlegte, wo in der Stadt Supermärkte in welchen Größen erlaubt sind. Am Hafen sah er ein „Nahversorgungszentrum“ vor. Die Firma Stroetmann, die kurz zuvor an der Friedrich-Ebert-Straße im Bezirk Schützenhof (wo die Gentrifizierung damals noch auf sich warten ließ) ohne Proteste und Widerstand einen großen Markt, ein sogenanntes E-Center, errichtet hatte, plante nun an dieser Stelle ein vergleichbares Projekt. Dafür erwarb das Unternehmen nun die Grundstücke, vor allem das Areal, auf dem sich bis dahin die Post befunden hatte.
Bald erhob sich Protest: War das nicht ein weiteres Beispiel für die verfehlte, von Investoren gesteuerte Planung am Hafen und das Gegenteil von Nahversorgung? Braucht das Viertel wirklich ein großes E-Center? Aus diesen Fragen entstand bald eine große Meistererzählung – nämlich die vom bösen Investor, der mit seinem Supermarktraumschiff das gewachsene schöne Viertel zerstören wollte.
Solche Geschichten sind vor allem deswegen so eingängig, weil sie die Welt so übersichtlich in Gut und Böse sortieren: Hier lauter Menschen, denen die gewachsenen Strukturen ihres Viertels am Herzen liegen, dort ein Investor, der nur schnödes Geld verdienen will.
Solche Geschichten haben meistens den Haken, dass die Wirklichkeit komplexer ist, und dass es meistens auf beiden Seiten Menschen gibt, die Geld verdienen wollen. Und so ist es interessant zu sehen, wer denn den Protest eigentlich anschob – das waren zwar auch interessierte Bürger:innen, aber vor allem solche mit handfesten eigenen Interessen.
Zuerst waren da nämlich die Gewerbetreibenden der Warendorfer und Wolbecker Straße, vor allem aber betraf die Planung natürlich den vorhandenen roten Supermarkt auf der anderen Straßenseite. Das bedeutete die Aussicht auf beinharte Konkurrenz im margenschwachen Lebensmitteleinzelhandel. Entsprechend scharf wird der Konflikt bis heute geführt. Hört man die Gegner:innen an, dann ist auch selten vom geplanten Discounter oder vom Drogeriemarkt die Rede, sondern stets nur vom Hafenmarkt.
Das lenkt den Blick auf den Kern des Konflikts – und das ist eben ein Kampf um Marktanteile; es geht um knallharte Geschäftsinteressen, und zwar auf beiden Seiten, nicht nur auf einer. So präsentierte sich der aus Dortmund betriebene vorhandene Supermarkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite fortan als das heimelige Geschäft für das Viertel und realisierte schnell eine voluminöse eigene Erweiterung.
Daneben bekam er an der Bahnhofsostseite noch den Zuschlag für einen künftigen Markt mit Sonntagsöffnung dazu. Der Kampf um Marktanteile kennt angesichts des blockierten Planungsverfahrens für den Hafenmarkt also bisher eine klare Punktsiegerin, und das ist keine Firma mit Sitz in Münster.
Die Grünen fanden politisch auch rasch in die Spur und boten sich als politische Partner:innen gegen die Planungen an. So bildete sich schnell eine Dagegen-Allianz aus denen, die politisch zu profitieren hofften, denen, die keine Veränderung wollten, und denen, die sich vor Konkurrenz abschirmen wollten.
Diese Allianz war erstaunlich erfolgreich: Unter öffentlichem Druck wurden die vorgesehenen Verkaufsflächen bald drastisch reduziert, und bei jeder Beratungsrunde fielen weitere Quadratmeter fort. Inzwischen ist der einst als E-Center geplante Hafenmarkt viel kleiner als das Projekt an der Friedrich-Ebert-Straße.
Der Investor bekam immer neue Auflagen: Mindestens 30 Wohnungen sollten auch noch dazu kommen, und vor allem ein Quartiersparkhaus wurde von CDU und SPD dekretiert – um den Parksuchverkehr zu reduzieren und damit dem Argument entgegenzutreten, es entstehe immer mehr Verkehr.
Das wurde dann direkt wieder attackiert: Der Investor erhalte – wie alle, die Stellplätze schaffen – für den Bau auch noch Stellplatzablösesummen, ein Skandal! Seit die Grünen allerdings auch für Quartiersgaragen sind und das konkrete Projekt auch so benennen, ist dieser Teil des Projekts auf die gute Seite gewechselt und wird nicht mehr angegriffen.
Die weitere Geschichte ist bekannt: Das Projekt ging in den Bau, eine Klage dagegen vor dem Verwaltungsgericht scheiterte, vor dem Oberverwaltungsgericht jedoch war sie erfolgreich. Seither gilt ein Baustopp, und ein korrigierter Bebauungsplan lässt auf sich warten. Bis dahin rottet der Rohbau vor sich hin, und es werden gerne Geschichten erzählt, wie schön alles werden könnte: Ein selbstverwaltetes Kulturzentrum statt Investor:innen, und ganz viele preiswerte Wohnungen.
Nur der Weg dahin dürfte schwierig werden: Erst müsste die Stadt das Areal kaufen – und das zu erheblich gestiegenen Grundstückspreisen und mit einem Rohbau darauf, den man mitkaufen müsste, plus Entschädigung. Und dann müsste man ihn erst einmal zurückbauen. Aber bis jetzt lässt die Stadtverwaltung sich mit den nächsten Schritten Zeit. Den Entwurf eines Satzungsbeschlusses für einen neuen Bebauungsplan hat sie noch nicht vorgelegt. Man kann also jetzt schon sagen: Die Geschichte wird noch etwas dauern, der Showdown kommt aber sicher bald.
Sobald der Beschluss dann vorliegt, wird es ein Windhundrennen geben: Ist schneller fertig gebaut? Dann hat der Investor Glück, und es gilt der Bestandsschutz. Oder ist die Klage schneller? Kompromisse sind kaum noch vorstellbar, wie das bei Symbolen und knallharten Interessen ja oft ist.
Das Domino-Spiel mit den Bebauungsplänen
Das Symbol verstellt aber auch den Blick auf die eigentlichen Fragen. Vor allem aber führt die Phantomdebatte über weitere Wohnungen statt Supermarkt dazu, dass die eigentlichen Wohnbaupläne auf dem Osmo-Areal kaum diskutiert werden: Dort konnte die Stadtverwaltung zwar jetzt einen Anteil Sozialwohnungen in der Planung festschreiben, allerdings um den Preis zahlreicher hochpreisiger Einraumappartements und zweifelhafter Hotelplanungen auf der anderen Seite.
Die erheblich gestiegenen Bodenwerte machen aber auch die lange Verzögerung des Projekts zu einem einträglichen Geschäft – es gibt nur ein Problem: Da die Verwaltungsführung es im Rahmen ihrer investorengestützten Entwicklung so für richtig hielt, gibt es keinen Bebauungsplan für das ganze Areal, sondern lauter Einzelpläne, passgenau für jedes Einzelinteresse.
Was einst als vorteilhaft erschien, könnte jetzt ein dickes Ende finden: Die gesamte Verkehrsprognose hängt am Hafenmarkt, die Bebauungspläne sind – bildlich gesprochen – wie in einem Domino-Spiel aufgereiht: Fällt ein Stein, wird es nicht bei einem bleiben. Die Widersprüche in der Planung sind schon jetzt offensichtlich.
Auf der einen Seite wird der Schillerstraße eine entscheidende Erschließungsfunktion zugesprochen. Das heißt, über sie soll der Autoverkehr fließen, um den Ring zu entlasten. Gleichzeitig wird die Schillerstraße immer weiter zur Fahrradstraße umgebaut. Das Problem Theodor-Scheiwe-Straße bleibt weiter bestehen – und wie löst man das Lärmproblem?
Diese Fragen werden nicht nur für den Einzelhandel zur Gretchenfrage, sondern sie werden, wenn sie keine rechtlich tragfähige Beantwortung finden, auch von massiver Bedeutung für die weiteren Bebauungspläne für andere Entwicklungsvorhaben sein. In Kenntnis dieser Dinge holte Stadtbaurat Robin Denstorff im Sommer letzten Jahres zum entscheidenden Schlag auf den Gordischen Knoten aus: einfach weiterplanen, ein großes neues Wohngebiet direkt im Anschluss – und vor allem: den widerstrebenden Eigentümern, darunter Peter Scheiwe und sein Nachfolger Christian Cordes, mit dem Instrument des Planungsrechts faktisch aufzeigen, dass am Ende auch eine Enteignung stehen könnte („Städtebauliches Erneuerungsgebiet“).
Die Überlegung dahinter: auf der einen Seite für die Öffentlichkeit viele neue Wohnungen in schönen Bildern aufmalen, auf der anderen Seite aber die ominöse private und aktuell gesperrte Theodor-Scheiwe-Straße gleich mit in städtische Hand bringen, die seinerzeit Anlass für das Urteil des Oberverwaltungsgerichts gegen die Hafenmarktplanung war.
Dafür erhielt Denstorff im Sommer 2020 trotz Bedenken einen Ratsbeschluss (nur die FDP enthielt sich). Die nicht unwesentliche Tatsache, dass bereits Bauvoranfragen vorlagen, spielte darin nur eine geringe Rolle. Insofern können die Eigentümer juristisch gesichert belegen, dass sie eigene, werthaltige Entwicklungen planen.
Damit besitzen die nicht verkaufswilligen Eigentümer nun einen mächtigen juristischen Hebel, mit dem sie die gesamte Planung für ein Wohngebiet nicht nur verzögern, sondern mit guten Chancen ganz kippen können – und am Ende entstehen so nicht ganz viele neue Wohnungen, sondern Industrie.
Da dies wesentlich auch Fragen der verkehrlichen Erschließung für die übrigen Projekte betrifft, ziehen hier dunkle Wolken für die gesamte Hafenentwicklung auf – und das, weil der Stadtbaurat wieder einmal schönes Wetter mit bunten Bildchen herbeizuzaubern versprach.
Damit sind wir schon beim entscheidenden Punkt: Schon bisher rettete Robin Denstorff seine stockende Planung nur mit immer neuen Anordnungen, sogenannten Veränderungssperren, über die Zeit. Das hat folgenden Hintergrund: Wenn die Stadt erklärt, einen Bebauungsplan aufstellen oder ändern zu wollen, kann sie Bauvoranfragen für eine gewisse Zeit stoppen. Doch damit ist allenfalls auf der Zeitschiene etwas gewonnen, nicht in der Sache selbst: Wenn es Denstorff nicht gelingt, die unterschiedlichen Enden (Hafencenter, Osmo-Areal plus LVM/Kuhr-Projekte, Wohngebiet Albersloher Weg bis Hafenkante) planerisch so zusammenzufügen, dass sie allen juristischen Anfechtungen standhalten, dann wird es schiefgehen.
Die kritischen Punkte sind die Verkehrsprognosen, die auch weiterhin auf im Detail bemerkenswerten Annahmen beruhen, die Lärmproblematik sowie die Bauvoranfragen, die für mehrere Punkte in unterschiedlichen Planungsvorhaben bestehen und den städtischen Intentionen zuwiderlaufen. Und die Kernfrage ist schließlich, ob es überhaupt gelingt, die unterschiedlichen Einzelpläne zu einem kongruenten gesamten Entwicklungsvorhaben zusammenzubinden.
Auf der anderen Seite marschieren die Gegner:innen auf: Die Klage gegen den Hafenmarkt ist sicher, diejenigen gegen das Enteignungsvorhaben auch, und je nach Ausgang könnten schnell weitere dazukommen. Betrachtet man die Art, mit der Robin Denstorff seine Planungen in der Vergangenheit angegangen ist, und berücksichtigt man, dass die Stadt zuletzt bei allen Klagen gegen große Bebauungspläne unterlegen war, fällt die Prognose nicht gut aus.
So kann es gut sein, dass die Fehler vom Beginn am Ende noch zu größeren Knalleffekten führen – und zwar dass die Stadt die Flächen nicht selbst gekauft und die Bebauungspläne investor:innenfreundlich portioniert hat. Es bleibt interessant am Hafen. Wenn Sie noch jünger sind, können Sie dann mal sehen, was in den nächsten zwanzig Jahren realisiert sein wird.
Herzliche Grüße
Ihr Michael Jung
Michael Jung
… lebt schon immer in Münster. Er wurde 1976 hier geboren. Er hat an der Uni Münster Latein und Geschichte studiert und in Geschichte promoviert. Heute ist er Lehrer am Annette-Gymnasium in Münster. Michael Jung war viele Jahre in der Politik: Von 2013 bis 2020 war er Fraktionschef der SPD im Rat der Stadt. Im Jahr 2020 trat er für die SPD bei den Kommunalwahlen als Oberbürgermeisterkandidat an.
Die Kolumne
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