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Die Kolumne von Michael Jung | 50 Jahre FMO, und nicht alle wollen feiern

Guten Tag,
nächste Woche gibt es etwas zu feiern. Oder auch nicht. Das prominente Geburtstagskind ist umstritten: der Flughafen Münster/Osnabrück. Für die einen ein unverzichtbarer Beitrag zum Wirtschaftsstandort Münsterland, für die anderen ein klimapolitisches Fossil. Der Geburtstag aber ist eine schöne Gelegenheit, heute einmal vor allem auf die letzten FMO-Jahre zurückzuschauen. Sechs davon, von 2014 bis 2020, war ich im Aufsichtsrat des Flughafens – langweilig war es nie, das kann ich sagen.
Der FMO zeichnet sich schon auf den ersten Blick durch ein besonderes Merkmal aus, nämlich seine günstige Lage. Im schönen Ladbergen, was politisch zu Greven und zum Kreis Steinfurt gehört, fügt er sich anmutig in die münsterländische Parklandschaft ein. Anders als bei anderen Flughäfen stört keine Bahntrasse die Landschaft, so dass ein Umstieg zum Flieger nur übers Auto, oder – wenn die Flugzeit günstig liegt – gelegentlich auch per Bus gelingt.
Ein Symbol der technischen Moderne
Dass das so kam, war nicht immer klar. Vor 50 Jahren war es das Ziel, einen Flughafen für die Region zu errichten – damals ein Symbol der technischen Moderne und der großen weiten Welt. Doch es gab durchaus Standortalternativen, genauer gesagt gab es zwei Kandidaten, einen nördlich und einen südlich gelegenen. Für den südlichen Standort sprach, dass der Flughafen sein Einzugsgebiet in Richtung Ruhrgebiet hätte ausdehnen können, für den nördlichen, dass er genau das nicht tat, also nicht in Konkurrenz zu den Flughäfen weiter südlich in Nordrhein-Westfalen trat. Die Wahl fiel auf die Nordvariante, und so wurde der Flugplatz in Ladbergen zum Flughafen ausgebaut.
Anteilseigenerinnen sind die beteiligten Kommunen, die Stadt Münster besitzt bis heute 35 Prozent und ist die größte Eigentümerin, es folgen der Kreis Steinfurt mit rund 30 Prozent und die Stadt Osnabrück mit knapp 17 Prozent. Weitere Kommunen haben geringere Anteile, etwa die Landkreise Warendorf und Osnabrück und die Stadt Greven. Diese Gewichtungen sind deshalb von Bedeutung, weil sie auch etwas über die Kostenverteilung sagen.
Für den FMO sprachen von Anfang an vor allem wirtschaftspolitische Argumente. Die stark mittelständisch orientierte Wirtschaft des Münsterlandes, die allerdings viele global tätige Unternehmen umfasst, wollte den Anschluss an die internationalen Märkte halten. So blieb der FMO zuerst ein Flughafen vor allem für die Wirtschaftsklientel. Etwas davon hat er bis heute behalten, denn das Geschäftsfeld General Aviation spielt am FMO heute immer noch eine Rolle. Wenn Sie einen Privatflieger haben, wissen Sie das.
Ganz neue Rahmenbedingungen
Rund 25 Jahre nach seiner Gründung veränderten sich die Rahmenbedingungen fundamental. Fliegen wurde billiger, und viele neue Airlines drängten auf einen liberalisierten Markt. Das war die Zeit, als der FMO zum einzigen relevanten regionalpolitischen Thema des Münsterlandes wurde. Während – anders als etwa in Ostwestfalen-Lippe – regionale Zusammenarbeit ansonsten nicht viel interessierte, konnten sich die damals noch fast ausschließlich schwarzen politischen Spitzen des Münsterlandes beim FMO rasch zusammenfinden. Und man hatte eine Idee, die sich scharf abhob von der ansonsten oft geübten münsterländischen Sparsamkeit: Wenn schon kein Busnetz in relevanter Frequenz existiert, sollte wenigstens der Flugverkehr in die Region kommen. Dazu wollte man den FMO endlich richtig ausbauen.
Es entstand also Anfang der 2000er-Jahre ein für die Region sehr groß dimensioniertes neues Terminal, das Tausende zusätzliche Fluggäste abfertigen sollte. Doch das war nicht alles. Der FMO sollte auch eine Verlängerung der Start- und Landebahn für Interkontinentalflüge erhalten: von Ladbergen nach New York! Dafür wurde Land angekauft – der eine oder andere Ladbergener Landwirt machte das Geschäft seines Lebens.
Dann traten jedoch mehrere Entwicklungen ein, die dem schönen Projekt ordentlich zusetzten. Zum einen waren auch andere Kommunen auf die Idee gekommen, sich einen Flughafen zu leisten. Da das Land NRW nie regulierend eingriff, konnte der freie Wettbewerb des Steuergeldes bald eine ganze Flughafenlandschaft erschaffen. In Paderborn-Lippstadt und in Dortmund entstanden weitere Flughäfen in erreichbarer Nähe, und Düsseldorf und Köln/Bonn waren ja auch noch da. Es gab also Konkurrenz für den FMO. Vor allem der Flughafen Dortmund wuchs mächtig heran, und das direkt angrenzende Holzwickede hat etwas, was dem FMO fehlt: einen Bahnanschluss.
Aber das war nicht alles. In Düsseldorf regierte seit 1995 eine rot-grüne Landesregierung, und deren Umweltministerin Bärbel Höhn war nicht unkreativ dabei, dem schönen Startbahnvorhaben beim Planungsrecht allerlei Aufgaben mitzugeben. Die gläserne Überdachung eines Bächleins in der Nähe des FMO für Zwecke des Artenschutzes war nur eine davon. Das Vorhaben geriet durch diese Vorgaben unter Druck.
Wirtschaftlicher Absturz, Erholung – aber die Schulden bleiben
Und dann geschah, was sich in der schönen Welt der New Economy niemand hatte ausmalen mögen. Mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 geriet das Bild des immerzu wachsenden Luftverkehrs ins Wanken; die Branche stürzte wirtschaftlich ab. Für den FMO legte das eine unangenehme Wahrheit offen: Die Kosten des neuen Terminals und der Startbahnplanungen hatte man in die Zukunft verschoben. Künftige Fluggäste und stetiges Wachstum sollten den FMO entschulden, nicht etwa die Kommunen, die den Ausbau beschlossen hatten. Das konnte unter den veränderten Bedingungen allerdings nicht mehr funktionieren – der FMO schleppte fortan eine Schuldenlast in dreistelliger Millionenhöhe mit sich herum.
Operativ dagegen gelang es dem FMO in den 2000er-Jahren nach einer Durststrecke durchaus, sich wieder zu stabilisieren, und zwar deutlich besser als anderen vergleichbaren Regionalflughäfen. Und dabei zeigte sich rasch eine grundlegende Kennzahl, die bis heute gilt: Um operativ eine schwarze Null zu erzielen, braucht der FMO etwa eine Million Starts und Landungen von Fluggästen pro Jahr. Das klappte öfter, und so blieben die Kommunen als Eigentümerinnen über viele Jahre frei von der Verpflichtung, das Geschäft zu bezuschussen. Zur Schuldentilgung reichte es allerdings nicht.
Das verhältnismäßig positive wirtschaftliche Ergebnis lag auch daran, dass der FMO etwas sehr viel weniger tat, was andere damals begannen: Airlines durch hohe Zuschüsse anzulocken („Incentives“). In der Nachbarschaft des FMO etablierte sich das entgegengesetzte Geschäftsmodell: Dortmund wuchs immer stärker, eben weil man die neuen Billigflieger mit hohen Zuschüssen köderte. So flogen Wizz Air, RyanAir, EasyJet und andere bald gerne von Dortmund. Allerdings zahlten die Dortmunder Stadtwerke in Spitzenzeiten auch über 25 Millionen Verlustausgleich – pro Jahr. Die billigen Tickets wurden also direkt von den Dortmunder Stadtwerke-Kund:innen bezahlt.
Zwei schwere Krisen
Anders als bei der Infrastruktur ging der FMO operativ nie so ins Risiko. Die Kehrseite davon war deutlich weniger Verkehr, der dafür aber halbwegs profitabel war. Eben keine Easyjet und keine Wizz Air. Konkret hieß das, dass Ende der 2000er-Jahre neben Lufthansa vor allem ein Carrier das FMO-Geschäft am Laufen hielt, und das war AirBerlin. Die Finanzkrise und ihre Folgen überlebte AirBerlin bekanntlich nicht, und so stürzte der FMO im letzten Jahrzehnt in gleich zwei schwere Krisen – die Pleite von AirBerlin und die Coronapandemie. Während die erste Krise sehr FMO-spezifisch war, traf die Pandemie die ganze Branche.
Der Untergang der Haus- und Hof-Airline des FMO brachte den Flughafen in eine Existenzkrise, die andere weit weniger stark traf. Die Fluggastzahlen brachen dramatisch ein, und die Folgen zeigten sich rasch. Irgendwer musste die Rechnung am Ende doch bezahlen. Und anders als es manche heute auch gerne in der Öffentlichkeit erzählen, muss eben festgehalten werden: Über Jahre floss kein kommunaler Cent in die Finanzierung des FMO und seines laufenden Geschäfts.
Erst der Untergang von AirBerlin ließ viele an der Zukunft des FMO zweifeln. Und daraus ergab sich die Notwendigkeit, den unangenehmen Folgen einstigen Größenwahns ins Auge zu blicken. Zum einen wuchsen in der nicht christdemokratischen Politik die Zweifel daran, ob es richtig sei, dass der FMO neben Hannover der zweite Flughafen in Norddeutschland werden könnte, der eine Start- und Landebahn für Interkontinentalflüge ohne Interkontinentalverkehr haben sollte. Was aber sollte aus den teuer gekauften Grundstücken werden, die mit überhöhten Werten in der Bilanz standen? Hier drohten hohe bilanzielle Abschreibungen, wenn man sich ehrlich machte und das Projekt Startbahnverlängerung aufgab.
Viele Millionen aus den Stadtkassen
Zum anderen aber musste die Schuldenlast des FMO drastisch reduziert werden, und das ging nur, indem die seinerzeit allzu optimistisch in die Zukunft verschobenen Kosten jetzt doch fällig wurden. Nach langem Ringen einigten sich die Kommunen auf einen Tilgungsplan, der in den folgenden Jahren seit 2015 umgesetzt wurde. Viele Millionen flossen aus den Stadtkassen Münsters und der anderen beteiligten Kommunen – aber nicht ins operative Geschäft wie in Dortmund, sondern in die Finanzierung des einst selbst verschuldeten infrastrukturellen Größenwahns.
Am überraschendsten war, dass bei all den Turbulenzen personelle Konsequenzen an der Spitze des FMO erst spät in den Blick genommen wurden. Durch eine gezielte Dauerunterhaltung der politischen Entscheidungsträger:innen und spätabendliche SMS-Stürme hatte der langjährige FMO-Geschäftsführer es geschafft, dem wechselnden politischen Personal die Vorstellung zu verkaufen, dass hinter der nächsten Tunnelkurve bestimmt das Licht komme. Immer neue Airlines wurden als große neue Hoffnungsträger präsentiert, die aber alle nach kürzester Zeit wieder die Segel strichen. Irgendwann riss der Geduldsfaden, zuerst geschah das im Kreis Steinfurt. Das Ende war unausweichlich, nach zwanzig Jahren machte sich der FMO auf die Suche nach einem neuen Chef.
Der neue Geschäftsführer richtet den FMO neu aus
Er fand ihn in Rainer Schwarz. Der Mann kannte sich aus mit schwierigen Flughäfen, er war nach einer steilen Karriere unter anderem als Chef in Düsseldorf nach Berlin gegangen, um dort für den BER Verantwortung zu übernehmen, was in seiner Entlassung endete. Mit einer Zwischenstation landete er schließlich beim FMO. Damit änderte sich vieles, um nicht zu sagen alles. Der Ton, die Struktur, die Ziele. Innerhalb von kurzer Zeit richtete Schwarz den FMO neu aus. Die Grundstücke für die Startbahn wurden abgeschrieben auf das, was sie nach Lage der Dinge bleiben werden, nämlich landwirtschaftliche Flächen.
Das hatte zwar einen negativen bilanziellen Einmaleffekt, aber belastete damit die Zukunft nicht mehr. Zur Bilanzbereinigung gehörte auch ein Umbau der konzernartigen Struktur des FMO in Richtung einer mittelständischen GmbH. Schwarz gelang es, durch operative Maßnahmen die Betriebskosten des FMO in siebenstelliger Höhe zu reduzieren, ohne irgendeine Leistung streichen zu müssen. Pläne für die Umnutzung des überdimensionierten Terminals ließ er ausarbeiten.
Vor allem aber diversifizierte er das Airline-Angebot am FMO, ohne allerdings die starke Abhängigkeit von Lufthansa, die weiterhin eine absolut zentrale Rolle für das Finanzergebnis des FMO spielt, reduzieren zu können. Zum ersten Mal wurde eine Strategie erkennbar, zu der auch das Ziel der Klimaneutralität des Airport-Betriebs gehört. Insgesamt gehört die operative und strategische Leistung von Schwarz als Geschäftsführer zu den markantesten Management-Erfolgen, die es in den letzten Jahren über alle städtischen Gesellschaften hinweg zu beobachten gab.
Die Coronapandemie allerdings traf den FMO genauso hart wie die gesamte Reisebranche. Das faktische Ende des Flugverkehrs und seine zögerliche Wiederbelebung stellte die Existenz des Flughafens erneut in Frage – auch wenn die staatlichen Coronahilfen die finanziellen Verluste teilweise ausglichen. Es wird interessant sein, zu sehen, ob der FMO unter Schwarz‘ Führung wieder auf den wirtschaftlich erfolgreichen Weg zurückfindet, den er vor der Pandemie gegangen war.
Ein Ausstieg aus dem FMO wäre für die Kommunen sehr teuer
Zugleich drängt aber die grundlegende Frage immer mehr in den Vordergrund: Soll es überhaupt noch Regionalflughäfen geben? Oder überhaupt noch Flugverkehr? Ist das ökologisch und ökonomisch angesichts der klimapolitischen Herausforderungen überhaupt noch tragbar? Diese Fragen begleiten den FMO eigentlich schon seit 50 Jahren, aber die Fragen sind inzwischen existenziell geworden.
Zuletzt hat der Rat der Stadt Münster ein Gutachten zu diesen Fragen in Auftrag gegeben. Eine wesentliche Erkenntnis daraus ist nicht neu: Ein Ausstieg aus dem FMO ist nicht billig. Rund 100 Millionen Euro Kosten kämen auf die Kommunen zu, ein großer Teil davon sofort mit der Schließung: Die übernommenen Bürgschaften der öffentlichen Hand würden dann natürlich fällig, und das Personal müsste weiterbezahlt werden. Für Münster wären das also weit über 30 Millionen Euro – das sind anderthalb Spielzeiten des Stadttheaters oder fünf Jahre Schwimmbadbetrieb, um das einmal einzuordnen und ins Verhältnis zu anderen nicht pflichtigen städtischen Aufgaben zu setzen.
Kurzfristig scheint die Festlegung des Rates, ab 2024 den operativen Betrieb des FMO nicht mehr zu finanzieren, hart. Aber auch nur auf den ersten Blick: Was vor allem auf Druck der Grünen hier festgeschrieben wurde, soll vor allem die Szene der Fridays-for-Future-Aktivist:innen beruhigen. Der operative Betrieb des FMO ist schließlich auch in der Vergangenheit (vor den Corona-Soforthilfen) anders als in Dortmund über viele Jahre nicht finanziert worden; es war vielmehr die überdimensionierte Infrastruktur, die die Millionensummen der letzten Jahre nötig werden ließ. Gelingt es also dem Geschäftsführer, in Zukunft wieder in die Nähe der nötigen eine Million Passagiere pro Jahr (PAX) zu kommen, werden mit dem Beschluss alle leben können.
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In der Zusammenschau ergibt sich also das relativ eindeutige Bild: Ein kurzfristiger, abrupter Ausstiegsbeschluss könnte der Stadt Münster (und anderen) das finanzpolitische Genick brechen und ist deshalb im Haushalt kaum darstellbar. Das Vorhaben, keine Zuschüsse mehr ins operative Geschäft zu stecken, wurde den Fridays-for-Future-Fans als verbalradikaler Grundsatzbeschluss verkauft, ist aber noch lange kein Ausstieg und auch kein Abschied aus der Verantwortung.
Letztlich muss man klar sagen: Ob den 50 Jahren des FMO noch viele weitere folgen werden, entscheiden weder der Rat der Stadt Münster noch die anderen kommunalen Gremien. Es entscheidet sich in Brüssel, Berlin, Düsseldorf und Frankfurt. In Brüssel entscheidet es sich, weil die EU den regulatorischen Rahmen setzt und ihn schärfer oder schwächer ausgestalten kann. Die EU-Richtlinie, die ab 2024 öffentliche Zuschüsse für den Flugverkehr ausschließen will, dürfte nicht das Ende öffentlicher Querfinanzierung sein, zu stark stehen zum Beispiel die Interessen einzelner Mitgliedsstaaten wie Griechenland dagegen.
Wie es mit dem FMO und dem Flugverkehr weitergehen könnte
Unterhalb der von der Aktivist:innenszene stets wortgewaltig geforderten Grundsatzbeschlüsse sind dagegen viele graduelle Weichenstellungen denkbar, die zu einer Reduzierung der Zahl von Flughäfen in der EU führen können. Grundlegend dafür wird aber der Ausbau der Schnellzugstrecken in Europa sein, wenn es der Kommission ernst ist mit ihren klimapolitischen Zielsetzungen.
Klar ist nur: 2024 wird nicht das Jahr sein, in dem Brüssel den FMO schließt. Berlin und Düsseldorf dagegen sind am Zuge, wenn es darum geht, endlich die Flughafenszene in Deutschland zu regulieren. Die Dichte an Flughäfen ist absurd hoch, und das gilt nicht nur für Baudenkmäler wie Kassel-Calden, sondern auch für NRW. Deutschland käme mit viel weniger Flughäfen aus, aber natürlich steht hinter der hohen Dichte eine fundamentale regionale Strukturpolitik. Also die Gründe, die vor 50 Jahren zur Gründung des FMO führten.
Natürlich könnte man Dortmund, Paderborn und den FMO schließen. Das aber hätte nicht nur klimapolitische, sondern auch regionalpolitische Folgen: Der Flugverkehr würde sich verlagern, und zwar einmal mehr an die Rheinschiene. Im westfälischen Landesteil wäre dann kein Flughafen mehr. Das mag für verträglich halten, wer meint, dass sowieso nicht mehr geflogen werden sollte. Für die wirtschaftlichen Unwuchten in NRW wäre das aber eine weitere Verstärkung. Mittelfristig wäre eine weitere wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Stärkung der Rheinschiene zulasten der westfälischen Landesteile, insbesondere auch des Münsterlandes, die Folge. Deswegen werden die radikalsten Forderungen nach der Schließung des FMO auch am lautesten von denen vertreten, die im öffentlichen Sektor arbeiten oder Geld verdienen.
Dennoch ist eine Regulierung des Flughafengeschäfts dringend erforderlich. Der über Jahrzehnte eingetretene Wildwuchs an Flughäfen in Deutschland und NRW ist abenteuerlich. Es braucht hier aber keine kommunalen Alleingänge, sondern einen geordneten Prozess, der auch die struktur- und regionalpolitischen Fragen einbezieht. Und schließlich wird nicht nur in Berlin und Düsseldorf über die Zukunft des FMO entschieden, sondern auch in Frankfurt am Main.
Eine Umstellung des Geschäftsmodells der Lufthansa – von dezentralen Flughäfen aus die großen Drehkreuze in Frankfurt und München an- und von dort in die Welt weiterfliegen – oder eine Einstellung der Lufthansa-Präsenz am FMO, das wäre tatsächlich das Ende, das wirtschaftlich nicht mehr aufzufangen wäre. Vorerst aber steht das wohl nicht an: Die Strecke vom FMO zum Drehkreuz München gehört zu den am stärksten nachgefragten Strecken des Zubringernetzes. Die Frage des innerdeutschen Flugverkehrs ist aber eben auch eine zentrale Aufgabe für die Berliner Politik, auch und gerade im Hinblick auf den Ausbau der Alternativen.
Die Entscheidung wird nicht in Münster getroffen – und das ist richtig so
Fünfzig Jahre nach der Gründung des FMO kann man also sagen: Es war eine kommunale Entscheidung, den Flughafen zu schaffen. Die Frage nach Weiterbetrieb oder Ausstieg aber liegt nicht mehr allein in kommunaler Hand. Wer im nächsten Kommunalwahlkampf wieder anderes behauptet, baut (wieder) Potemkinsche Dörfer auf. Am Ende wird sich die Zukunft des FMO genau wie die aller anderen Regionalflughäfen in übergeordneten politischen Kontexten entscheiden. Und ganz ehrlich: Das ist auch richtig so. Es war absurd genug, dass die Gründung kommunal entschieden wurde.
In Zukunft sollte sich das bei zentraler, auch sicherheitsrelevanter Infrastruktur nicht noch einmal wiederholen. Das Klima wird nicht durch den FMO zerstört, sondern durch grundlegende politische Entscheidungen auf nationaler und europäischer Ebene. Leider muss ich es auch als ehemaliger Kommunalpolitiker so formulieren: Manches lässt sich nicht vor Ort regeln, sondern es gehört sinnvollerweise in einen nationalen und europäischen Kontext. Die Zukunft des Flugverkehrs gehört dazu.
Herzliche Grüße
Ihr Michael Jung

Michael Jung
… lebt schon immer in Münster. Er wurde 1976 hier geboren. Er hat an der Uni Münster Latein und Geschichte studiert und in Geschichte promoviert. Heute ist er Lehrer am Annette-Gymnasium in Münster. Michael Jung war viele Jahre in der Politik: Von 2013 bis 2020 war er Fraktionschef der SPD im Rat der Stadt. Im Jahr 2020 trat er für die SPD bei den Kommunalwahlen als Oberbürgermeisterkandidat an.
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