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Die Kolumne von Michael Jung | Die Mutter aller gebrochenen Wahlversprechen
Guten Tag,
an diesem Wochenende beginnt eine neue Fußballsaison, und für den SC Preußen Münster heißt das: Auf zu Spielen gegen Wattenscheid, Kaan-Marienborn und Lippstadt. Nach dem etwas bräsigen Abstieg aus der dritten Liga vor zwei Jahren, als man lange gegen das Ende des Lockdowns klagte und viel über die Ungerechtigkeiten des Lebens lamentierte, griff man im letzten Jahr in der Regionalliga oben an.
Es gab eine sportlich überzeugende Mannschaft und eine kluge Kaderplanung, Dinge, die man vom SC Preußen lange nicht kannte. Was man aber kannte, war, dass es tragisch enden musste, wenn es um den Aufstieg geht. Das Spielglück war noch nie beim SC Preußen.
Das Saisonende brachte eine ernüchternde Bilanz: Am Ende fehlten drei Tore zum Aufstieg in die dritte Liga, und der Westfalenpokal ging im Finale auch noch verloren. Aber immerhin war man im letzten Jahr der einzige Verein in Deutschland, der erst nach zwei Niederlagen aus dem DFB-Pokal ausschied. Den Saisonstart möchte ich zum Anlass nehmen, mit ihnen einen Blick auf den SC Preußen als kommunalpolitisches Thema zu werfen.
Das große Versprechen
Im Juni 1989, die Berliner Mauer schien noch für die Ewigkeit gebaut, verzeichnete der SC Preußen Münster einen großen sportlichen Erfolg: Der Aufstieg in die Zweite Bundesliga konnte gefeiert werden. Das war ein Tag, an den sich nur noch die Älteren erinnern können, alle Jüngeren haben seither drei Abstiege und einen Aufstieg erleben dürfen, siebzehn Trainer hatte der Verein in der Zeit, während Deutschland mit einer Kanzlerin auskam.
Sportlich gab es also viel Tristesse, aber das war im Sommer 1989 eine Zukunft, die sich niemand vorstellen konnte. Preußen war wieder da. Und da die CDU in Münster immer Großes mit unserer Stadt vorhat, vor allem dann, wenn kurz darauf eine Kommunalwahl ansteht, gab der damalige Oberbürgermeister Jörg Twenhöven ein Versprechen. Den auf dem Prinzipalmarkt versammelten Fans versprach er ein neues Stadion.
Dieses Wort von vor über 30 Jahren hallt heute noch nach. Es ist zur Mutter aller gebrochenen Wahlversprechen geworden. Schon damals zeigte sich nämlich: Die langjährige Mehrheitspartei in Münster hat ein eher taktisches Verhältnis zu großen Themen der Stadtentwicklung. Nach der gewonnenen Wahl im Herbst 1989 war es nicht mehr so eilig, und der SC Preußen stieg ja auch schon 1991 wieder ab.
Gleichwohl wurden in Münster Planungen betrieben, und wie immer, wenn ein teures Projekt im Raum steht, war auch damals der Ruf im sparsamen Münster: Ein neues Stadion gerne, nur soll es bitte nichts kosten. Und so gaben sich vor allem die CDU und die SPD – dem Mehrheitswechsel im Rathaus 1994 zum Trotz – gemeinsam der Illusion hin, so könne das was werden.
Aussichten, die nicht alle freuten
Mit dem Shoppingmall-Betreiber ECE entstand also die Idee vom „Preußenpark“ an der Hammer Straße. Ein neues Stadion sollte da entstehen, aber eben auch eine riesige Einkaufsmall. Das waren Aussichten, die nicht alle freuten, vor allem jene nicht, die an der bisherigen Mall auf dem Prinzipalmarkt ihre Geschäfte betrieben. Mit diesem Konzept gelang es dem SC Preußen, sich relevanten Wortführern in der Münsterischen Wirtschaft zu entfremden, auch das hatte langfristige Folgen.
Stadtpolitisch zeigte sich damals, dass die Grünen solchen Vorhaben generell kritisch gegenüberstanden und bereit waren, diese Haltung auch mit Verve gegen den Verein zu wenden. Eine ganze Generation grünen Führungspersonals verfolgte den Verein fortan mit grimmiger Ablehnung, der eine ließ sich demonstrativ im Trikot eines berüchtigten ostwestfälischen Vereins sehen, der andere feierte jede Niederlage des SCP wie andere einen Sieg.
Auch diese Frontlinie prägte das Verhältnis des Vereins zur Politik für Jahre. Der Rat verabschiedete 1997 den Bebauungsplan für den Preußenpark dennoch. Und während es in Oberhausen im gleichen Zeitgeist zur Eröffnung des „CentrO“ kam und die Innenstadt unterging, klagte man in Münster vor Gericht.
2001 war die Klage erfolgreich, der Preußenpark gescheitert. Das war eine gute Nachricht für die Struktur der Innenstadt und auch für relevante Teile der Traditionsbataillone der münsterischen Wirtschaft, aber eine schlechte für den Verein, der nach dem Urteil eine wirtschaftliche und sportliche Talfahrt erlebte, die 2006 in der vierten Liga endete. Einen Plan B gab es nämlich nicht. Die Stadt machte sich halbherzig auf die Suche nach einem Alternativstandort für ein Stadion, da am bisherigen Standort, wo Lärmschutz den Ausschlag gegen den Preußenpark gegeben hatte, kaum noch etwas möglich erschien.
Fünf Millionen als städtischen Zuschuss
Es fand sich kein geeigneter Standort. Am Ende half die Stadt mit einer Mehrheit, die man damals noch nicht Jamaika nannte, dem Verein ein wenig, damit zumindest die Insolvenz abgewendet werden konnte. CDU, Grüne und FDP modifizierten das Versprechen von 1989 grundlegend – fünf Millionen Euro sollte es noch geben für ein Stadion als städtischen Zuschuss, den Rest solle der Verein bitte selbst erledigen.
Ein Grundstück an der Nieberdingstraße, das der Stadt gar nicht komplett gehörte, wurde mit großer Geste in den Flächennutzungsplan eingezeichnet als neuer Standort, aber wichtiger war etwas anderes: Bis es soweit wäre, sollte der Verein für maximal fünf Jahre die „Zinsen“ der Summe, nämlich eine Viertelmillion Euro jährlich, als Zuschuss erhalten, und wenn er für fünf Millionen Euro kein Stadion hinbekäme, dann sollten die auch für etwas anderes im Stadion fließen können.
Das war der Grund, warum der kurz vor der Insolvenz stehende Verein zugriff: Der Preis war, dass das Versprechen von 1989 offiziell abgeräumt war. Es zeigte sich erneut: Wenn es um Macht und Mehrheit geht, ist das Verhältnis der CDU zum Verein taktischer Natur. Fortan gab es also zwei Stadien in der Stadt, eines in trübem Bauzustand, aber real, und ein fiktives im Flächennutzungsplan, aber ohne Baurecht, ohne Finanzierung und ohne Realisierungschance.
Der Verein machte mit neuer Führung das Beste aus der verfahrenen Lage: Er sanierte sich mit Hilfe des städtischen Zuschusses und eines neuen starken Manns. Der kam – wie schon die frühere Vereinsführung – aus den Bereichen der münsterischen Wirtschaft, die nicht auf Tradition und Erbe zählen konnten, sondern mit neuen Geschäftsmodellen zu Geld gekommen waren und nun im Sport gesellschaftliche Reputation zu kaufen erhofften.
Der Fußballaufschwung zog an Münster vorbei
Der eine Franchisenehmer einer Burgerkette, der andere Zeitarbeitsfirmengründer, beides nicht auf dem Prinzipalmarkt gewachsen. Nach dem Preußenpark-Debakel hielten die etablierten Familien, das alte Geld, sich in Münster weiter sauber auf Distanz zum Verein. Wenn schon Sport, dann förderte man lieber den Damenvolleyball beim USC oder die Reiterei. So kam es, dass der große Fußballaufschwung der 2000er-Jahre an Münster vorbeizog, trotz eines nach wie vor starken Markenkerns eines Traditionsvereins und Bundesliga-Gründungsmitglieds.
Viele Vereine sah der SC Preußen an sich vorbeiziehen. Immerhin gelang der Vereinsführung die wirtschaftliche Stabilisierung. 2008 entschied man sich dann, die versprochenen fünf Millionen zu nehmen, um damit wenigstens die Haupttribüne zu erneuern. Bezeichnenderweise musste viel Geld als Eigenleistung in die Sanierung einer eigentlich städtischen Immobilie gesteckt werden, während einige Kilometer weiter südlich große Traditionsvereine auch mit dem Geld ihrer Städte, die im Nothaushaltsrecht standen, ganz anders aufrüsteten.
In Münster blieben die Bleistifte gespitzt, wenn es um den SC Preußen ging. Das lag auch an der Bezirksregierung, die in Münster auch schon mal auf der Grundlage von Zeitungsberichten kritisch anfragte, ob das wohl angehe, dass Flutlichtmasten im städtischen Stadion kommunal bezahlt werden sollten.
Was im Zuständigkeitsbereich derselben Behörde gleichzeitig in königsblau aus kommunalen Kassen finanziert wurde, interessierte weit weniger. Trotz dieser Begleitumstände gelang es der Vereinsführung, den Standort Hammer Straße in kleinen Schritten modernisiert zu bekommen. Dahinter stand die Überzeugung, dass der Neubauplan von einst endgültig gestorben sei.
Nichts ist einfach, und nichts wird einfach gut
Es war ein zähes Ringen um jeden Euro mit der Stadt und ihren wechselnden politischen Mehrheiten. Am Ende zeitigten die mit der neuen Tribüne verbesserten Vermarktungsmöglichkeiten immerhin einen ersten sportlichen Erfolg, 2011 gelang mit der vorübergehenden Rückkehr in die Drittklassigkeit auch die in den professionellen Fußball.
Weitere Schritte sollten folgen, zur Mitte des Jahrzehnts zeichnete sich ab, dass auch die Westtribüne erneuert werden sollte. Diskutiert wurde ein städtischer Neubau mit Vermietung an den Verein. Hinter den Kulissen gab es dazu grundsätzlich die politische Einigung mit der Vereinsführung. Doch wir reden vom SC Preußen. Nichts ist einfach, und nichts wird einfach gut. Deswegen begann das Spiel plötzlich von vorne. Das ist auch für Münsters Rathauspolitik typisch: Nach zehn oder fünfzehn Jahren dreht die Debatte einfach wieder auf ihren Ausgangspunkt zurück und fängt von vorne an. So ist es mit dem Ruf nach einer Musikhalle, so kam es auch mit dem Stadion.
In den Jahren 2015 und 2016 warf die Vereinsführung nach einem Jahrzehnt hin, eine neue übernahm, und gleich die erste Pressekonferenz wurde zum Fanal. Die neue Truppe um den damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Christoph Strässer verkündete: Ziel sei ein neues Stadion für 40.000 Zuschauende, und die Stadt werde es nichts kosten. Investoren stünden bereit.
In den Monaten zuvor hatte der Betreiber einer bundesweit agierenden Kleidungskette hinter den Kulissen bereits für dieses Modell getrommelt, in Augsburg habe das auch geklappt. Die Investition werde durch die zu erwartenden Fernsehgelder beim Aufstieg wirtschaftlich. Das Problem war nur: Dessen Auftritte waren in der Rathauspolitik völlig durchgefallen, nun aber machte die neue Vereinsführung dies zu ihrem Programm.
40 Millionen für ein runderneuertes Stadion
Die Politik verhielt sich distanziert, nur die SPD folgte dem Verein, an dessen Spitze nun einmal ihr eigener Bundestagsabgeordneter stand. Es kam, wie es kommen musste: Die Debatte, die 2001 bis 2008 geführt worden war, wiederholte sich einfach, allerdings in geraffter Form. Die Stadt konnte und wollte kein geeignetes Grundstück finden, es folgte wie 15 Jahre zuvor der Debatten-Schlenker, ob der Verein dann nicht besser hinter der Stadtgrenze schauen sollte, schließlich die Entscheidung: Nein, es bleibt doch bei der Hammer Straße. Das alte Stadion wird modernisiert. Inzwischen war es 2018 geworden, und natürlich war in der Zwischenzeit im alten Stadion auch nichts mehr passiert.
Nachdem die Vereinsführung nun beidrehte und die Idee vom neuen Stadion fallen ließ und auf den alten Pfad der Modernisierung zurückkehrte, bewegte sich auch die Politik. Und wieder war es die CDU – die Wahlen 2020 fest im Blick – die zusammen mit ihrem damaligen Koalitionspartner von den Grünen eine Summe in den Haushalt schrieb: 40 Millionen für ein runderneuertes Stadion sollten von der Stadt kommen, der CDU-Fraktionsvorsitzende sah schon die Bagger rollen.
Auch wenn das noch bis in diesen Sommer dauern sollte, war es ein typisches Muster für die Stadionpolitik der CDU der letzten drei Jahrzehnte: Vor der Wahl schnell mal ein Versprechen raushauen, man wird hinterher sehen, was draus wird. Auf der Grundlage begannen also die Planungen der Verwaltung, und die Entscheidungsprozesse gingen voran. Sogar der Abriss der alten Westkurve begann diesen Sommer nach Saisonschluss. Nun aber steht die Debatte vor einem neuen Highlight. Nach dem Sommer steht eine neue Stadionvorlage zur Beratung an.
Deren Kerninhalt kann man so zusammenfassen: Es ist das geschehen, was SPD und FDP der CDU und ihrem damaligen Partner von den Grünen schon 2018 vorgehalten hatten: Dass nämlich 40 Millionen im Haushalt eine willkürlich gegriffene Summe sind, nahe an der Utopie. Schon ein kleiner Blick auf vergleichbare Projekte in anderen Städten, wo auch alte Stadien saniert werden mussten wie zum Beispiel in Karlsruhe, zeigte von Anfang an: Für 40 Millionen ist das nicht zu haben.
100 Millionen sind die unterste Kostengrenze
Und so kommt im September jetzt die große offizielle Überraschung: Das kostet doch eher 100 Millionen oder sogar darüber. Also so viel wie in Karlsruhe auch. Und das ist erst die Kostenschätzung, die derzeit davon galoppierenden Baukosten dürften noch manche Überraschung bereithalten. So kann man sicher sein: 100 Millionen sind die unterste Grenze bei den Kosten, wenn man das Stadion komplett ausbaut. Und alles, was mit Marketing und Logen zu tun hat, soll sowieso der Verein alleine tragen, was noch einmal einen mittleren einstelligen Millionenbetrag kosten wird. Im September steht nach 30 Jahren Debatte jetzt wieder mal ein entscheidendes politisches Spitzenspiel an.
Zugleich zeigt sich aber auch, in welche Falle der Verein wieder einmal gelaufen ist. Trotz einiger politischer Erfahrung, die in den Führungsgremien versammelt ist, hatte man offenbar den Unterschied zwischen „es gibt 40 Millionen“ und „es gibt ein komplett saniertes Stadion“ für gering gehalten. Zwar war es gelungen, die zwischenzeitlich relevant erscheinende Frage nach der Kostenübernahme für die Altlasten am Stadionstandort in den Verhandlungen der aktuellen Rathauskoalition aus der Summe auszuklammern, doch jetzt zeigt sich: Entscheidender war ein ganz anderer Punkt.
Während die erste Machbarkeitsstudie zur Sanierung noch davon gesprochen hatte, dass ein Umbau als Komplettmaßnahme in einem Guss angegangen werden sollte, erhob der Verein Einspruch: Wo sollte denn während der Bauzeit gespielt werden? Anders als der KFC Uerdingen, der zeitweise in Lotte spielte, wollte man daheim bleiben. Die Konsequenz: In den weiteren Planungen war eine Sanierung in Bauabschnitten und Modulen geplant.
Findige politische Köpfe hätten darauf kommen können, was das bedeutet – nämlich, dass jeder Bauabschnitt neu beschlossen und genehmigt werden müsste. Genau das schlägt die aktuelle Verwaltungsvorlage jetzt vor. Die aufgeregte Reaktion der Vereinsführung zeigt der Öffentlichkeit: Diese Gefahr hatte man offenbar ein wenig unterschätzt. Denn die Realisierung soll (im besten Fall) bis 2027 erfolgen, dazwischen liegt noch eine Kommunalwahl. Damit hätte der Verein also keinerlei Planungssicherheit, ob er am Ende ein komplett saniertes Stadion oder eben nur eine Teillösung hat, zum Beispiel eine neue Westtribüne.
Die überraschende Erkenntnis: Stadien kosten Geld
Dazu kommt die Erkenntnis, die sich unlängst schon beim Stadthaus IV-Projekt und der Mathilde-Anneke-Gesamtschule zeigte: Nur weil die CDU sich eine bestimmte schöne, runde Kostensumme ausdenkt für ein Neubauvorhaben und sie mit Mehrheiten in Ratsbeschlüsse gießt, sind das dann nicht die realen Kosten.
So wenig wie die Gesamtschule für 50 Millionen zu haben war, kostet die Stadionsanierung 40 Millionen. Jetzt ist klar: Für manche überraschend, kosten Stadien doch Geld. Es kommt nirgendwo die Fee mit dem Füllhorn, die Geld verschenkt, auch wenn sie in Münster bei jedem Großprojekt immer wieder sehnlichst erwartet wird (erinnern Sie sich an die Musik-Campus-Debatte). Über dreißig Jahre später liegt jetzt die Rechnung für Jörg Twenhövens Wahlversprechen auf dem Tisch. Das ist auch gut so, denn jetzt muss die Politik klar sagen, was sie will.
Angefangen hat standesgemäß die Partei, die in den letzten dreißig Jahren den größten Anteil daran hatte, dass die Debatte so lief, wie sie lief, nämlich die CDU. Zu Beginn der Sommerferien ließ der CDU-Fraktionsvorsitzende verlauten, wie er sich den Umgang mit der Frage vorstellt. Er sprach sich dafür aus, das Stadion-Bauprogramm umzusetzen, allerdings fügte er hinzu: „so zügig wie möglich und die städtischen Finanzen es verkraften“.
Das nennt man dann wohl einen Haushaltsvorbehalt, und es ist weit weg von dem Getöse, das man vor der letzten Wahl wieder angestimmt hatte, als man ein komplett saniertes Stadion versprochen hatte. Dank der modularisierten Planung kann man dann eben immer wieder neu diskutieren, ob das denn jetzt wirklich noch sein muss. Dieselbe Partei, die vor Wochen noch alle, die hundert Millionen für einen Musik-Campus kritisch sahen, als Kleingeister abschrieb, formuliert nun Haushaltsvorbehalte. Auch das ist natürlich kein Zufall.
Brünstiges Balzverhalten
Wieder einmal ist die Stadiondebatte Teil taktischer Spielchen, zuallerletzt geht es um den Verein und die Sache. Darum ging es der CDU in den letzten dreißig Jahren nie, sondern immer nur um den Machterhalt. So ist das bis heute geblieben. Und so sind die ersten Einlassungen der CDU-Fraktionsspitze zum Thema vor allem als brünstiges Balzverhalten zu sehen.
Sie zielen nicht auf den Verein oder seine Fans, sie zielen auf den umworbenen Balzpartner, die Grünen. Deren Begeisterung für ein derart voluminöses Stadionprojekt dürfte sich in Grenzen halten, auch wenn dort das einstige Kriegsgeschrei gegen den Verein auch dank neuen Personals inzwischen einer anderen Tonlage Platz gemacht hat.
Zuletzt hatte die grüne Fraktion Stadionvorlagen nur noch mit allerlei kleinteiligen Nickeligkeiten versehen. Zusammen mit den freundlichen Einlassungen des CDU-Fraktionsvorsitzenden zu dem neuerdings angeblich bestehenden großen Konsens beim alten Streitthema Verkehr zeigt sich auch hier: Die CDU setzt wieder voll auf die Grünen als potenziellen Partner zur Absicherung politischen Einflusses.
Die Situation ist günstig wie nie: In Düsseldorf gerade Schwarz-Grün als Gegenmodell zur Ampel im Bund etabliert, mit etlichen Akteur:innen aus Münster dabei, im Landeshaus beim LWL gemeinsam unterwegs, wünscht die CDU sich in Münster das auch wieder.
Ein Thema für die nächsten 30 Jahre
Nach dem taktischen Bruch zwei Monate vor der letzten Wahl stehen die Zeichen günstig wie nie. Der aktuelle Partner der Grünen, die SPD, ist gerade mit der Suche nach dem vierten Fraktionschef in zwei Jahren beschäftigt, da erhöht die CDU die Intensität des Balzrufs. Und man weiß jetzt schon: Ihr Verhalten zu Verein und Stadion war immer rein machttaktisch geprägt, und das ist es wieder: Wenn der Preis für die Rückkehr in die Mehrheit im Rathaus das Stadion ist, dann wird die CDU kein Problem damit haben, es wieder einmal zu opfern.
Dann wird eben nur die Westtribüne gebaut, natürlich nur wegen der schwierigen Finanzlage. Alles weitere vielleicht irgendwann mal später. Hauptsache, man hat vor der nächsten Kommunalwahl 2025 ein schönes Foto von der Eröffnung der Westseite. Der Verein hätte dann genau das bekommen, was er zehn Jahre früher auch schon hätte haben können und so wieder einmal ein Jahrzehnt Entwicklung verloren, das andere genutzt haben.
Die Stadt hat ein Thema für die nächsten 30 Jahre. Gespielt wird nämlich weiter. Im Rathaus um die Macht. Im Stadion gegen Kaan-Marienborn. Und zumindest für das Letztere wünsche ich an dieser Stelle alles Gute, sportlich hat der Verein in den letzten zwei Jahren vieles verbessert. Es gibt Weniges, was ich mir in Münster mehr wünschen würde, als endlich mal wieder einen großen sportlichen Erfolg des SC Preußen zu feiern.
Herzliche Grüße
Ihr Michael Jung
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Michael Jung
… lebt schon immer in Münster. Er wurde 1976 hier geboren. Er hat an der Uni Münster Latein und Geschichte studiert und in Geschichte promoviert. Heute ist er Lehrer am Annette-Gymnasium in Münster. Michael Jung war viele Jahre in der Politik: Von 2013 bis 2020 war er Fraktionschef der SPD im Rat der Stadt. Im Jahr 2020 trat er für die SPD bei den Kommunalwahlen als Oberbürgermeisterkandidat an.
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