Die Kolumne von Michael Jung | Bei Herrn Teflon brennt der Baum

Porträt von Michael Jung
Mit Michael Jung

Guten Tag,

im Jahr 2006 kam es im Rat der Stadt Münster zu einem Showdown. Die damalige Koalition aus CDU und FDP wählte den grünen Dezernenten Gerhard Joksch ab; seine SPD-Kollegin war diesem Schicksal durch eine Flucht auf eine Stelle in Köln zuvorgekommen. Sparen war damals das Mantra, und so fügte man rasch zusammen, was nicht zusammengehörte: So wurde ein Dezernat für Soziales und Umwelt ausgeschrieben.

Statt zwei Beigeordneten von SPD und Grünen sollte es nur einen neuen geben, den allerdings von der CDU. Und in einer Kampfabstimmung hielt die Ein-Stimmen-Mehrheit von CDU und FDP, und so begann damals die Karriere von Thomas Paal bei der Stadt Münster.

Die Konstellation der Wahl prägte dessen Amtsverständnis stark. Ohnehin kein Mann für Polarisierungen, sorgte Paal danach umsichtig dafür, nirgends anzuecken. Dabei hatte er viel Freiraum, denn für Soziales und Umwelt interessiert sich die CDU ohnehin weniger, und umso mehr konnte der Neue daher die Wunden seiner Wahl oder besser die der Abwahl seiner Vorgänger verarzten. Der SPD gab er im Sozialbereich keinen Anlass zu Klagen, und die Grünen bezirzte er mit besonderer Inbrunst. Und, wie sich zeigen sollte, die Methode hatte Erfolg.

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Denn als seine Wiederwahl acht Jahre später anstand, hatten sich die politischen Verhältnisse deutlich verschoben, und nach der Wahl 2014 hatten SPD und Grüne weit bessere Karten auf der Hand als acht Jahre zuvor. Doch nun konnte Paal ernten, was er gesät hatte: Den Grünen war keine Personalfrage wichtiger als die Wiederwahl Paals, und weil der sich wünschte, ins vakante Schul- und Jugenddezernat wechseln zu können, wurde auch dies möglich.

Der einst in einer Kampfabstimmung von CDU und FDP gewählte Dezernent wurde nun im großen Konsens von CDU, SPD und Grünen in sein ganz neues Wunschdezernat geschickt. Doch das war nicht alles: Als zwei Jahre später nach Bildung der schwarz-grünen Koalition die CDU ihren Stadtbaurat auf dem Koalitionsaltar opferte, folgte Paal ihm als Stadtdirektor, also als stellvertretender Verwaltungschef, nach. Und im letzten Jahr wurde Paal sogar für eine dritte Amtszeit wiedergewählt, wieder im ganz großen Konsens.

Der Stadtdirektor ist der Herr Teflon der Verwaltung: An ihm bleibt kein Problem kleben. Das liegt nicht daran, dass es keine gäbe, sondern an geschmeidiger Kommunikation, gutem Netzwerken und einem persönlichen Nahverhältnis zu relevanten politischen Entscheidungsträgern, das Kritik unmöglich macht.

Doch nun, kurz nach seiner Wiederwahl, brennt der Baum bei Mister Teflon lichterloh. Die Methode Paal kommt gerade an ihr Ende. Gehen wir die größten Brandherde in Paals Dezernat einmal durch.

Das Kita-Problem

Am offensichtlichsten ist es bei den Kitas. Hunderte Kinder sind bei der Vergabe ohne Platz geblieben, und auch die war eine Katastrophe. Der „Kita-Navigator“ hatte absurde bis falsche Ergebnisse produziert, trotzdem hatten manche einen Platz bekommen, viele andere nicht. Das Ergebnis war ein Desaster. Dafür gibt es mehrere Ursachen: eine fehleranfällige Softwarelösung, ein Arbeitsmarkt, der für Fachkräfte immer enger wird und hausgemachte Probleme.

Deutlich ist das Problem bei der Ausbildung von Erzieher:innen. Es ist nicht so, dass das Problem überraschend käme, Paals eigenes Dezernat beschreibt den Fachkräftemangel bei gleichzeitigem Ausbau der Kapazitäten zuerst als drohend, inzwischen als eingetreten.

Schaut man sich den langen Anlauf an, den Paals Dezernat beim Sprung ins Desaster genommen hat, so wird klar: Neben allgemeinen Rahmenbedingungen spielen spezifisch münsterische Konstellationen natürlich eine Rolle. Der Rückzug der Kirchen aus den Strukturen ist dabei ein zentraler Faktor, hier insbesondere das Ende der Evangelischen Sozialpädagogischen Ausbildungsstätte (ESPA) und der Rückzug der evangelischen Kirche aus der Ausbildung.

Paal lieferte auf diese Herausforderung 2018 das, was er immer liefert: Die einfachste Lösung, die am wenigsten Ärger macht und für den Moment gut aussieht. Im konkreten Fall war das die Übernahme der ESPA durch die Stadt und der Ausbildungsgänge durch das Anne-Frank-Berufskolleg, eine Schule, die ebenfalls aus allen Nähten platzt.

So steht jetzt nur noch ein Angebot zur Ausbildung statt früher zwei zur Verfügung, und die Ausbildungskapazitäten konnten mit Mühe gehalten werden, in einer organisationsaufwendigen Doppelstruktur an zwei Standorten.

Ein bedarfsgerechter Ausbau stand nicht zur Debatte. Dass mehr nötig gewesen wäre, hätte nach der eigenen Analyse von 2016 klar sein müssen, aber dafür reichte es nicht. Man hätte nämlich eine Lösung für den Ausbau der Berufskollegs vorlegen müssen. Das aber bringt dem treuen Parteisoldaten Paal in der gymnasialfixierten CDU und darüber hinaus in der Stadt keinen Ruhm, berufliche Bildung hat kaum Lobby in Münster. Also besteht auch kein Druck.

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Stattdessen machten sich Paal, CDU und Grüne lieber Gedanken, wie man aus dem ESPA-Gebäude, das unerwartet in die Hand der Stadt gekommen war, ein schönes Gymnasium machen könnte (dazu gleich mehr). So nahm das Desaster Fahrt auf – Ausbau der Plätze, Ausbau der Betreuungszeiten, Ausbau der Qualität – aber gleichbleibende Ausbildungskapazitäten trotz Rolle als Oberzentrum.

Das verschärfte die Lage und während man anderswo längst Anstellungsprämien zahlt, kommt das in Münster natürlich ordnungspolitisch nicht in Frage. Da sucht man jetzt lieber Fachkräfte in Spanien (katholisch ist immer noch wichtig in Münster), in der Hoffnung, die Niedriglöhne noch eine Weile halten zu können.

Für den seit Jahren überfälligen Ausbau der Berufskollegs aber gibt es noch immer kein Konzept, was auch daran liegt, dass es in Münster neben zu wenig Kapazitäten an Schulraum auch Orte gibt, an denen es zu viel gibt. So hängen alle Brandherde in Paals Dezernat miteinander zusammen. Und so ist es beruhigend, dass dieser Tage das Paal-Dezernat die Ergebnisse einer Elternumfrage vorlegen konnte.

Wer sein Kind in einer Kita hat, wünscht sich flexiblere und mehr Betreuungszeiten und mehr Qualität. Da freuen sich all diejenigen, die erst gar keinen Platz bekommen haben. Man sieht deutlich, dass Fehleranalyse nicht zu den Stärken des Dezernats gehört. Nötig wäre eine klare Prioritätenfestlegung von Verwaltung und Politik und die Einsicht, dass auch in Münster die Ressourcen endlich sind, und dass ein qualitativer und quantitativer Ausbau bei immer flexibleren Betreuungszeiten gleichzeitig nicht erreichbar sein wird.

Das Problem mit den Gymnasien

Ein altes Problem hat Paal von seiner Vorgängerin geerbt. Die hatte das Schlaun-Gymnasium seinerzeit schließen wollen und war damit gescheitert. Die Folge war ein Ausbaustopp, der in einem gigantischen Sanierungsstau endete.

Eine Sanierung käme so teuer wie ein Neubau und wäre bei laufendem Schulbetrieb gar nicht möglich. So verfiel Paal 2018 auf eine Lösung, die alle wichtigen Entscheidungskriterien erfüllte, die es bei ihm so gibt: möglichst wenig Ärger, CDU dafür, die Grünen möglichst auch und mit einem schönen Beschluss die Sache erstmal vom Tisch. Ob die Lösung funktioniert – zweitrangig.

Und das sah dann so aus: Das Schlaun sollte für die Bauzeit in das gerade in die Hand der Stadt gelangte ESPA-Gebäude ziehen, derweil würde am Schulstandort weitestgehend ein Neubau entstehen, und danach würde man wieder umziehen.

Dass bei einer Schule, die schon jetzt die wenigsten Anmeldungen von allen Gymnasien hat, zwei Umzüge vielleicht nicht attraktiv wirken könnten oder dass die bauliche Umgestaltung des ESPA-Gebäudes plus Neubau am Altstandort sogar noch teurer wären als die Sanierung allein, spielte keine Rolle.

Trotzdem beschloss der Rat mit Stimmen von CDU und Grünen es so. Das Thema war also für die Wahl zwei Jahre später entschärft. Natürlich war das ein verrückter Ansatz und so beschloss der Rat letztes Jahr, wieder mit einer Vorlage von Paal (und wieder mit den Stimmen von CDU und Grünen), dann doch das Gegenteil: Jetzt soll eher ein neuer Standort als Option ins Auge gefasst werden.

Das kennzeichnet die Methode Paal: Bevor man der eigenen Fraktion sagt, dass eine Idee richtig daneben ist, schreibt man lieber eine Vorlage und lässt sie so beschließen – statt für die beste und richtige Lösung zu kämpfen. Der Weg des geringsten Widerstands und des tagesaktuell wenigsten Ärgers, das ist die Methode. Ob die Lösung morgen noch trägt, ist zweitrangig.

Genau so läuft es gerade auch beim Ausbau und der Erweiterung der Gymnasien insgesamt. Im Jahr 2017 hatte die Regierung Laschet die „Leitentscheidung“ verkündet, die Gymnasien wieder auf einen neunjährigen Bildungsgang umzustellen. Das bedeutete für die Stadt: Neun Jahre Zeit. Das ist nicht allzu viel, wenn man sich Planungsprozesse In Münster ansieht.

Paals Dezernat begann also zuerst einmal „Machbarkeitsstudien“ anzufertigen. Wie könnte man die bestehenden Schulstandorte so erweitern und ausbauen, dass sie für G9 geeignet wären? Damit hatte man erstmal Zeit gewonnen und die Politik war auch ruhiggestellt. Inzwischen ist es 2023, und für sagenhafte drei von elf Gymnasien gibt es Beschlüsse, und zwar für Wolbeck, für das Hittorf und für das Rats. Das ist kein Zufall.

Bei dem einen war der Oberbürgermeister früher Bezirksbürgermeister und wohnt im Einzugsgebiet, bei dem anderen waren führende Grüne früher Elternvertreter, und beim dritten ist der Schulleiter der Sprecher aller Gymnasien in der Stadt.

Also ist auch hier nach den üblichen Paal-Kriterien alles auf dem besten Weg: Den Schreihälsen das Maul gestopft, ein schöner Beschluss gefasst und was mit den anderen ist, das sehen wir später, und ob und wann die Beschlüsse umgesetzt werden, auch.

Was 2026 herauskommen wird, das sage ich Ihnen heute schon voraus: Weil das Baudezernat (alternativ künftig auch: Die Bauwerke GmbH) es nicht geregelt bekommen haben werden, weil die Baukapazitäten nicht ausreichen und weil alles teurer wird, werden leider, leider temporär Übergangslösungen kommen müssen.

Zu den zahlreichen Containern, die in Paals Amtszeit überall auf Schulhöfen entstanden sind, werden dann bei den Gymnasien noch ein paar mehr kommen. Kostet zwar, aber soll man die Schulen ohne Räume lassen? Eine Vorlage dazu wird sicher mit breiter Mehrheit beschlossen, und alle sind froh, dass Herr Paal so pragmatisch und kompetent für Lösungen sorgt. Für Probleme, für die es sicher Schuldige in der Verwaltung geben wird, die nicht Paal heißen.

Das Schulbauproblem

Überhaupt, der Schulbau. In der Verwaltung ein leidiges Schnittstellenthema. Da gibt es einmal die Ämter, die den Bedarf haben und planen müssen, also das Schulamt in Paals Dezernat. Und dann gibt es die, die bauen und unterhalten müssen, also das Baudezernat. Künftig kommt, weil alle das Problem lieber outsourcen als lösen wollen, dann noch die Bauwerke GmbH dazu.

Das Kernproblem liegt aber in den Schnittstellen zwischen Bedarf und Bau. Und bei all den Problemen der letzten Jahre beim Schulbau weiß der Schuldezernent stets gut zu kommunizieren, wer am Desaster die Verantwortung trägt: er nicht. Dabei ist das nicht ganz die Wahrheit, wie ich Ihnen an zwei Beispielen demonstrieren möchte.

So baute man in Wolbeck eine neue Grundschule. Das wurde nötig, weil neue Baugebiete entstanden und die Anzahl junger Familien stark wuchs. Im Ergebnis hakte es wieder lange, aber dann gab es einen Beschluss, einen Auftrag und einen Bau. Die neue Grundschule konnte eingeweiht werden.

Wochen nach der offiziellen Einweihung folgte dann die nächste Vorlage aus dem Hause Paal: Die neue Grundschule muss erweitert werden, die Kapazitäten reichen nicht. Natürlich beschloss der Rat auch das, und weil Paal ja immer so treffsichere Lösungen liefert, fragt auch niemand nach: Wer will denn gegen Schulbau sein?

Dass Grundschulkinder die Angewohnheit haben, erst mit sechs Jahren ihre Laufbahn zu starten und es deswegen einen gewissen Planungs- und Erkenntnisvorlauf gibt, kommt niemandem in den Sinn, und wenn doch, dann war die fehlerhafte „kleinräumige Bevölkerungsprognose“ aus dem anderen Dezernat schuld.

So kommt es dann zu Lösungen wie der in Wolbeck; dort wird der Neubau erweitert. Kostengünstig ist das nicht und wenn es in einem anderen Dezernat passiert wäre, würde man sogar von einem krassen Planungsfehler sprechen.

Bei dem aus dem Ruder gelaufenen Bau der Mathilde-Anneke-Gesamtschule ein ähnliches Bild. Während Paals Dezernat, zuständig für Kitas, Schulen und Sport, den Bedarf definierte und andere dann planen und bauen sollten, unterlief auch hier ein Fehler – und das schon zu Beginn. Man übersah einen Sportverein.

Der musste später umziehen, damit die neue Schule überhaupt entstehen konnte. Dafür brauchte man einen neuen Standort und im Ergebnis einen Neubau. Das alles musste kostenträchtig nachgeschoben werden, weil man zu Beginn leider geschlafen hatte.

Dann gab es noch Ärger mit einem anderen Sportverein, auf dessen Gelände der Neubau entstehen sollte – ein Geschenk des Himmels, dass hier ein ehemaliger Verwaltungsmitarbeiter aus dem Hintergrund den Konflikt zwischen Stadt und Verein anheizte. Ein Geschenk für Paal – so konzentrierten sich alle wieder auf den tagesaktuellen Konflikt, und keiner fragte mehr, wie es zu dem millionenschweren Planungsfehler hatte kommen können.

Der Sportdezernent Paal sorgte geschmeidig dafür, dass die Problematik in einer eigenen Haushaltsstelle separiert wurde. Deswegen tauchte sie nie wieder im Zusammenhang mit den Kosten für den Schulneubau auf. Dieses Problem hatten dann andere.

Dass solche Planungsfehler in Paals Dezernat Methode haben, kann man leicht erkennen, wenn man die Zahl der Container auf Schulhöfen ermittelt. „Temporär“ sollen solche Übergangslösungen sein, kosten viel Geld und dokumentieren in der Regel klassische Planungsfehler auf Seiten des Bedarfsamtes. Das wird eine Bauwerke GmbH nicht lösen, das könnte man nur mit einer verbesserten Bedarfsplanung.

Das Gesamtschulproblem

Die Suche nach einem Standort für eine dritte Gesamtschule ist auch ein Beispiel für die Methode Paal. Zum einen ist das Problem für einen Christdemokraten sowieso nicht ganz so dringlich wie für andere, zum anderen kommt auch hier alles auf die richtige Kommunikation an, wenn es schiefgeht.

Um eine neue Schule zu errichten, verlangt das Schulgesetz das Einvernehmen mit den Nachbarkommunen, ansonsten liegt der Ball im Feld der Bezirksregierung. Da in Havixbeck die Begeisterung für einen Standort in Roxel aus bekannten Gründen nicht so groß ist, kam es zum Konflikt.

Auch hier lohnt ein Blick aufs Verfahren, um die Methode in ihrer ganzen Schönheit würdigen zu können. Zunächst ging der Wunsch nach dem Standort Roxel an die Bezirksregierung. Es kam eine Absage. Die Stadt lieferte eine zweite Anfrage mit mehr Material. Dann kam die zweite Absage.

Ein Vorgang, den interessanterweise alle normal finden, in der Politik wie in der Öffentlichkeit. In Wahrheit ist es ein schönes Beispiel dafür, wie man sich hinter die Fichte führen lassen kann. Paal war sich nämlich immer (zu) sicher, dass es bei der Genehmigung von Roxel schon nicht zu Problemen kommen würde. Deswegen gab es nicht nur keinen Plan B, sondern nicht mal einen sauber ausgearbeiteten Plan A.

Deswegen war die Anfrage an die Bezirksregierung zur Herstellung des gemeindlichen Einvernehmens, sagen wir vorsichtig, zuerst vielleicht nicht in der Schärfe mit Zahlen und Fakten belegt, wie man das für den Konfliktfall hätte erwarten können. Wenn es in einem anderen Dezernat passiert und andere schuld sein würden, hätte man vielleicht gesagt: Sie war schludrig ausgearbeitet.

Nachdem das Nein der Bezirksregierung alle aus dem Schlaf der Gerechten riss, wusste Paal natürlich Rat: Nur eine unverbindliche Voranfrage sei das doch gewesen bei der Bezirksregierung, man werde jetzt einfach die richtige und endgültige ordentlich ausgearbeitet nachlegen, dann werde alles gut. Und alle legten sich beruhigt wieder schlafen, Paal hatte wieder alles im Griff.

Dabei hätte ein einfacher Blick auf die Fakten früherer Vorgänge gezeigt: Das war falsch, dass es ein zweigestuftes Verfahren mit Voranfragen und Hauptanfragen gibt. Das Nein der Bezirksregierung war begründet und es lag nicht zuletzt an der schludrigen Begründung der Anfrage aus Münster.

So musste über Monate nachgebessert werden, was von Anfang an in die Anfrage gehört hätte: Prognosen, Demographie, Schülerströme. Dann ging die nachgebesserte Anfrage raus, das Ergebnis blieb dasselbe: nein.

Unabhängig von der Sachfrage, zu der ich Ihnen schon einmal geschrieben habe, sieht man an diesem Beispiel, wie Paal es schafft, auch die größten Böcke noch als normalen Verwaltungsvorgang zu verkaufen und niemand Anlass sieht, den jahrelangen Verzug und die fehlende Lösung etwa in seinen Fehlern zu suchen – die machen in der Verwaltung nämlich immer nur andere. Oder die Bezirksregierung ist der Buhmann. In der nächsten Runde vielleicht auch das Verwaltungsgericht.

Das Bäder-Problem

Ähnlich sieht es mit dem Bäderthema aus. Wer hat sich nicht schon daran abgemüht – es wurde jahrelang geprüft, ob nicht vielleicht die Stadtwerke besser die Bäder betreiben könnten, die Fraktionen produzierten Anträge über Anträge zur Verbesserung der Qualität und der Öffnungszeiten.

Seit das Thema in Paals Dezernat gelandet ist, ist aber Ruhe. Es läuft weiter grandios, mit Sole, die nicht genutzt werden kann, und neuerdings als Highlight: Bädern, die wegen Personalmangels geschlossen bleiben.

Ganz schüchtern merkte der Sportausschussvorsitzende an, das dürfe aber kein Dauerzustand werden. Das war’s. So etwas passiert nur im Paal-Dezernat, dass die Einrichtungen einfach geschlossen werden und alle sagen: Ja, so ist das dann halt.

Aber natürlich gilt auch hier: Das ist die Folge von aufgeschobenen und vermiedenen Entscheidungen, die Ärger gemacht hätten. Zum einen ist da die Frage, wie man an Aufsichtspersonal kommt, das ausreichend qualifiziert ist. Natürlich war der Personalmangel in den Bädern nicht überraschend, und Münster steht auch nicht allein mit dem Problem.

Insofern hätte man längst mit den Sportvereinen nach Lösungen suchen müssen. Stattdessen macht man die Bäder jetzt erst mal für die Öffentlichkeit dicht. Wer konnte das schließlich ahnen, dass man in diesem Jahr Freibäder und Hallenbäder haben würde?

Und natürlich, in größerem Maßstab, ereilt Münster hier die Konsequenz einer jahrelang verfehlten Politik vor allem der Grünen, die mit Zähnen und Klauen verteidigen, was in anderen Städten seit 20 Jahren abgeschafft ist: eine Bäderstruktur mit lauter kleinen, teuren und dezentralen Schwimmbädern, die nicht nur extrem teuer im Betrieb sind, sondern eben auch extrem personalaufwendig.

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Andere Städte haben sich längst für größere und weniger Bäder mit klaren Zielgruppenschwerpunkten entschieden (Sport für Schulen und Vereine einerseits, Familien und Freizeit andererseits), ein Blick ins nahe Osnabrück oder Hamm könnte das lehren. Dort braucht man weniger Personal und hat geringere Betriebskosten.

Münster dagegen bekommt demnächst ein weiteres Bad wiederaufgebaut, das genau dasselbe bietet wie die bestehenden: eine 25 Meter Bahn. Das neue Südbad könnte dann demnächst aber auch genauso oft geschlossen bleiben wie die bestehenden. Denn mehr Bademeister gibt es deswegen trotzdem nicht.

Man sieht: Auch hier stehen eigentlich lange schon Grundsatzentscheidungen an, die aber Ärger machen würden. Weil das so ist, darf man sie aus dem Paal-Dezernat nicht erwarten. Dort wird nämlich nur aufgeschrieben, was gefällt. Und zwar zuerst der CDU, dann möglichst auch den Grünen und schließlich dem Rest. Wenn es knallen könnte, dann lassen wir es lieber oder sorgen dafür, dass andere den schwarzen Peter bekommen.

Doch nun brennt bei Mister Teflon der Baum: Kinder ohne Kita-Platz, Schwimmbäder dicht, Gesamtschule ohne Lösung, Gymnasien ohne Platz und Baupläne. Das ist die Folge der jahrelangen Konfliktvermeidung und des Lavierens nach tagesaktuellen Befindlichkeiten. Ärger braucht der Stadtdirektor trotzdem keinen zu erwarten. Oder denken Sie, dass jemand, der Kontrolle ausüben und politische Zielvorgaben machen müsste, den äußert, wenn er mit Familie und Stadtdirektor zum Abendessen zusammensitzt? Eben. Und genau so funktioniert das Teflonprinzip auch.

Herzliche Grüße
Ihr Michael Jung

Porträt von Michael Jung

Michael Jung

… lebt schon immer in Münster. Er wurde 1976 hier geboren. Er hat an der Uni Münster Latein und Geschichte studiert und in Geschichte promoviert. Heute ist er Lehrer am Annette-Gymnasium in Münster. Michael Jung war viele Jahre in der Politik: Von 2013 bis 2020 war er Fraktionschef der SPD im Rat der Stadt. Im Jahr 2020 trat er für die SPD bei den Kommunalwahlen als Oberbürgermeisterkandidat an.

Die Kolumne

Immer sonntags schicken wir Ihnen eine Kolumne. Das sind Texte, in denen unsere acht Kolumnistinnen und Kolumnisten Themen analysieren, bewerten und kommentieren. Die Texte geben ihre eigene Meinung wieder, nicht die der Redaktion. Mitgliedschaften in politischen Parteien oder Organisationen machen wir transparent. Wenn Sie zu den Themen der Kolumnen andere Meinungen haben, schreiben Sie uns gern. Wenn Sie möchten, veröffentlichen wir Ihre Zuschrift im RUMS-Brief. Wenn Sie in unseren Texten Fehler finden, freuen wir uns über Hinweise. Die Korrekturen veröffentlichen wir ebenfalls im RUMS-Brief.

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