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Die Kolumne von Ruprecht Polenz | Solarenergie ja. Aber warum in der historischen Altstadt?

Einen schönen Sonntag wünsche ich Ihnen.
Was würden Sie sagen, wenn jemand forderte, ein Windrad auf dem Domplatz zu errichten, damit alle sehen: Münster meint es ernst mit der angestrebten Klimaneutralität bis 2030?
Keine Angst, auf die Idee, unser Stadtbild so zu verändern, kommt kein vernünftiger Mensch. Bisher gibt es 28 Windkraftanlagen im Stadtgebiet, die rund 5 Prozent des Bruttostromverbrauchs liefern. Zwar muss in Münster sicher noch das eine oder andere Windrad aufgestellt werden, damit das Klima-Ziel erreicht werden kann.
Aber selbstverständlich wird man Standorte für weitere Anlagen so auswählen, dass sie das Landschaftsbild und die Natur möglichst wenig beeinträchtigen.
Wenn es um den Ausbau der Solarenergie geht, soll das künftig für die Altstadt innerhalb der Promenade nicht mehr uneingeschränkt gelten. SPD, Grüne und Volt haben zusammen mit ÖDP und „Die Partei“ einen Antrag zur „Anpassung der Altstadt-Satzung“ gestellt: „Solaranlagen auch in der Altstadt möglich machen.“ Bisher ist das unzulässig.
In dem Ratsantrag heißt es: „Der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Münster hat eine hohe Priorität. Um die Klimaziele der Stadt erreichen zu können, müssen insbesondere solarthermische und solarenergetische Nutzungen deutlich und mit hohem Tempo ausgebaut werden. Dazu sollen möglichst alle geeigneten Dachflächen im Stadtgebiet Münster genutzt werden können, auch im Bereich der Altstadt und anderer Geltungsgebiete städtebaulicher Erhaltungssatzungen.“
Änderungen nicht absehbar
Spätestens am 1. September soll die Altstadt-Satzung entsprechend geändert sein, so der Antrag. Damit die Verwaltung den Auftrag in jedem Fall fristgerecht erledigt, haben die Antragsteller die Formulierungsvorschläge gleich mitgeliefert.
Eine Bürger:innen-Beteiligung ist nicht vorgesehen. Sachkundiger Rat von Stadtplaner:innen und Architekt:innen muss vor der Änderung nicht eingeholt werden. Der Gestaltungsbeirat soll erst im Nachhinein beteiligt werden – wenn die Altstadt-Satzung zum Einsatz kommt, und das auch nur im Einzelfall.
Damit wiederholen SPD, Grüne und Volt den Fehler, den sie bei den Fahrradstraßen gemacht haben. Erst nach massiven Protesten hatte man sich dazu bereit erklärt, mit den Anliegern der Hittorfstraße zu sprechen, deren Parkplätze wegen der Umwidmung zur Fahrradstraße wegfallen sollten. Diese brachiale Vorgehensweise verursacht unnötige Widerstände gegen die Förderung des Radverkehrs.
Die Auswirkungen der beantragten Änderung der Altstadtsatzung auf das charakteristische Bild der Altstadt lassen sich nicht absehen. Glänzende Solarpanele oder Dachbegrünungen, die ebenfalls ermöglicht werden sollen, wären einschneidende Eingriffe. Allein das spricht für eine sorgfältige und breite Diskussion, bevor man den Schutz der Altstadt-Satzung aufhebt.
Um den Wiederaufbau wird Münster beneidet
Münster hat trotz Kriegszerstörung und wirtschaftlichen Wachstums den Charakter seiner historischen Altstadt bewahrt. Prägende Einzelbauten wie das Rathaus wurden weitgehend original wiederhergestellt. Der Wiederaufbau des Prinzipalmarkts und anderer Altstadtquartiere orientierte sich am Vorkriegszustand. Der mittelalterliche Stadtgrundriss blieb weitgehend erhalten.
Um diesen Wiederaufbau, bei dem man sich an der seit 1913 bestehenden Gestaltungssatzung orientiert hatte, wird Münster von vielen beneidet. Da die Altstadt das Zentrum der Gesamtstadt ist, war ihre städtebauliche Entwicklung stets begleitet vom aufmerksamen Interesse der gesamten Bürgerschaft.
Inzwischen ist der Wiederaufbau nahezu vollständig abgeschlossen. Das Ziel bleibt unverändert, denn wirtschaftliche Strukturveränderungen drohen die Gestaltqualität der Altstadt zunehmend zu beeinflussen. Auch in Zukunft gilt es, die städtebaulichen Eigenart der Altstadt zu erhalten und das charakteristische Orts- und Straßenbild zu schützen. Diesem Ziel dient die 1989 verabschiedete Altstadt-Satzung.
Sie schreibt bis in gestalterische Details vor, was baulich erlaubt ist, und was nicht.
So legt der zweite Absatz in Paragraf 3 beispielsweise fest:
„Wandflächen sind in der Materialwahl dem Erscheinungsbild anzupassen, das für die historische Altstadt charakteristisch ist. Dieses wird geprägt durch rotes Ziegelsichtmauerwerk, glatte Putzflächen und die Verwendung von Sandstein, vor allem für Gliederungselemente. Hiervon abweichendes Material kann als Ausnahme zugelassen werden, wenn es sich in Struktur und Farbe einfügt.“
Und im dritten Absatz heißt es:
„Schaufenster sind nur im Erdgeschoss zulässig. Soweit die Schaufenster nicht hinter Bogengängen liegen, sind sie durch Pfeiler oder Säulen so zu gliedern, dass der historische Maßstab der Altstadt gewahrt bleibt.“
Nur durch so kleinteilige Vorschriften konnte erreicht werden, dass der Gesamteindruck der Altstadt von Münster seine einzigartige Wirkung entfalten kann. Weil sich die bauliche Gestaltung an diesem Maßstab orientieren sollte, wurde dieser im Laufe der Jahre kaum geändert. Die letzte Änderung aus dem Jahr 2004 ist jetzt 17 Jahre her.
Schaden größer als der Nutzen
Jetzt möchten Grüne, SPD und Volt diesen Beurteilungsmaßstab grundsätzlich ändern, „weil eine Anpassung an die gesellschaftlichen und umweltpolitischen Erforderlichkeiten angezeigt“ sei.
Bisher waren „spiegelnde Materialien sowie grelle Farben und Lichtprojektionen“ innerhalb der Promenade unzulässig. Das soll jetzt anders werden.
Photovoltaikmodule reflektieren das Licht anders als ein rotes Ziegeldach. Soweit sie sichtbar sind, müssten sie zwar „die städtebauliche Gestalt berücksichtigen“, so der Änderungsantrag. Aber was soll das heißen? Als ob nicht jede Sichtbarkeit von Photovoltaikmodulen eine Beeinträchtigung der bisherigen städtebaulichen Gestalt wäre.
Dass möglichst viele geeignete Dachflächen in Münster für Solaranlagen genutzt werden sollten, ist unstrittig. Aber warum ausgerechnet in der historischen Altstadt? In Münster gibt es etwa 60.000 Wohngebäude, dazu kommen tausende von Gewerbe- und Bürogebäuden. Die Stadt bietet Beratung und Unterstützung an, damit möglichst viele Eigentümer:innen in die Nutzung der Solarenergie investieren.
Man könnte sich möglicherweise vorstellen, dass in eng begrenzten Ausnahmefällen ausschließlich auf Flachdächern von Gebäuden in der Altstadt Solaranlagen zugelassen werden unter der Voraussetzung, dass sie von unten nicht gesehen werden können. Aber das reicht Grünen, SPD und Volt nicht aus. Ihr Antrag, für den sie sich wegen fehlender eigener Mehrheit die Unterstützung von ÖDP und „Die Partei“ gesichert haben, geht deutlich darüber hinaus. Wegen der absehbaren Kontroversen darüber hat er das Zeug dazu, der Nutzung von Solarenergie in Münster eher zu schaden, als sie voranzubringen.
Herzliche Grüße und eine gute Woche
Ihr
Ruprecht Polenz

Ruprecht Polenz
Viele Jahre lang war Ruprecht Polenz Mitglied des Rats der Stadt Münster, zuletzt als CDU-Fraktionsvorsitzender. Im Jahr 1994 ging er als Bundestagsabgeordneter nach Berlin. Er war unter anderem CDU-Generalsekretär, zwischen 2005 und 2013 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Von 2000 bis 2016 war Ruprecht Polenz Mitglied des ZDF-Fernsehrats, ab 2002 hatte er den Vorsitz. Der gebürtige Bautzener lebt seit seinem Jura-Studium in Münster. 2020 erhielt Polenz die Auszeichnung „Goldener Blogger“.
Die Kolumne
Immer sonntags schicken wir Ihnen eine Kolumne. Das sind Texte, in denen unsere acht Kolumnistinnen und Kolumnisten Themen analysieren, bewerten und kommentieren. Die Texte geben ihre eigene Meinung wieder, nicht die der Redaktion. Mitgliedschaften in politischen Parteien oder Organisationen machen wir transparent. Wenn Sie zu den Themen der Kolumnen andere Meinungen haben, schreiben Sie uns gern. Wenn Sie möchten, veröffentlichen wir Ihre Zuschrift im RUMS-Brief. Wenn Sie in unseren Texten Fehler finden, freuen wir uns über Hinweise. Die Korrekturen veröffentlichen wir ebenfalls im RUMS-Brief.
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