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Die Kolumne von Ruprecht Polenz | Verkehrspolitik mit Tunnelblick

Guten Tag,
Einen schönen Sonntag wünsche ich Ihnen.
Wissen Sie, was die Abkürzung BuBiM bedeutet? Nein? Das verwundert mich nicht. Schließlich wohnen die meisten Abonnent:innen von RUMS in Münster. Warum sollten Sie sich also für den öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) im Münsterland interessieren?
Die meisten von uns haben ihren Arbeitsplatz innerhalb der Stadtgrenzen. Vergleichsweise wenige müssen täglich ins sogenannte Umland zur Arbeit fahren. Auch zum Einkaufen haben wir alles vor der Haustür, jedenfalls in Fahrrad-Distanz.
BuBiM steht für Busse und Bahnen im Münsterland und ist der Name einer App des Zweckverbands Mobilität Münsterland (ZVM). Im ZVM widmen sich die Kreise Borken, Coesfeld, Steinfurt und Warendorf sowie die Stadt Münster seit mehr als 25 Jahren der Aufgabe, Mobilität für das Münsterland zu organisieren.
Die BuBiM-App zeigt, wie weit man es damit gebracht hat. Sie gibt Auskunft über Bus- und Bahnverbindungen, Fahrpläne und Ticketpreise. Wer sich politisch damit beschäftigt, die Verkehrsprobleme der Stadt Münster zu lösen, sollte sich gut mit BuBiM auskennen. Denn pointiert ausgedrückt: Die Verkehrsprobleme in Münster kommen vor allem von denen, die nach Münster wollen.
- 360.000 Pendler:innenfahrten pro Tag werden zu 80 Prozent mit dem Auto und nur zu 20 Prozent mit Bus und Bahn erledigt.
- Münsters Stadtgrenze überqueren montags bis freitags täglich rund 300.000 Autos, 15.000 Personen im Bus und nochmal 63.000 im Zug.
- Acht Bahnstrecken und 18 Regionalbuslinien, davon sieben Schnellbuslinien, verbinden Münster mit dem Umland.
- Wird zum Pendeln nach Münster ein Auto genutzt, sitzen im Schnitt 1,2 Personen darin. Zum Vergleich: In einen Schnellbus passen 80 Personen. Entscheiden sich also beispielsweise morgens im Berufsverkehr 80 Leute für den Schnellbus und gegen das Auto, sind 66 Wagen weniger auf der Straße, die dann keinen Parkplatz in Münster brauchen.
Wer in die BuBiM-App schaut, kann nachvollziehen, warum sich bisher nur 20 Prozent der Pendler:innen für den ÖPNV entscheiden: längere Fahrzeiten, kein Zeittakt, Ticketpreise.
Mit starrem Blick aufs Ziel fixiert
Es ist deshalb gut, dass der ZVM in seiner Verbandsversammlung einen Antrag von Walter von Göwels (CDU) angenommen hat, der in dem Gremium als Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke die Stadt Münster vertritt. Darin heißt es:
„Der ZVM fordert die Stadt Münster auf, den Prozess einer Verlagerung der Verkehre hin zu mehr ÖPNV-Angeboten in einer gemeinsamen Strategie mit den Münsterlandkreisen und dem ZVM anzugehen, der auch sicherstellt, dass verkehrliche Alternativen zur Verfügung stehen bevor restriktive Maßnahmen gegen Pkw-Verkehre, wie die von der Stadt Münster vorgeschlagene Reduzierung des MIV um 50%, umgesetzt werden.“
Man kann es auch einfacher sagen: Die Stadt Münster soll bitte nicht den Karren vor das Pferd spannen, indem sie Maßnahmen zur Verdrängung des Autoverkehrs ergreift, bevor geeignete Alternativen im ÖPNV zur Verfügung stehen.
Verkehrspolitik mit Tunnelblick – so könnte man die Maßnahmen beschreiben, die SPD, Grüne und Volt in der letzten Ratssitzung durchgesetzt haben. Mit starrem Blick nur auf das Ziel fixiert, Autos möglichst schnell aus der Innenstadt zu vertreiben. Kein Blick auf die, die als Ziel von den Autofahrer:innen angesteuert werden: den Einzelhandel. Kein Gedanke daran, wie die 1,5 Millionen Menschen aus dem Einzugsbereich Münsters in die Stadt kommen sollen, so lange der ÖPNV dafür kein ausreichend attraktives Angebot bereit hält.
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Selbst wenn mit dessen Verbesserung alles klappt, was man sich vorgenommen hat, wird es noch viele Jahre dauern, bis der ÖPNV für die Menschen aus dem Münsterland, dem Emsland, Ostwestfalen oder dem nördlichen Ruhrgebiet eine wirkliche Alternative zum Auto ist, um nach Münster zu kommen. Bis dahin haben sich die Kund:innen längst andere Ziele gesucht – zu Lasten des Einzelhandels in Münster und seiner mehr als 30.000 Beschäftigten.
Auf einen Schlag sollen in den nächsten Monaten fast 1.500 Parkplätze entweder vollständig wegfallen (Arkaden 150, Domplatz 94) oder von den Zufahrten über Münzstraße beziehungsweise Mauritzstraße abgeschnitten werden (Tibus 748, Hörster Platz 230, Alter Steinweg 390).
Dem Einzelhandel muss es wie Hohn vorkommen
Was das für den Einzelhandel in der Innenstadt bedeutet, der noch von Corona gebeutelt ist und der gegen die Online-Konkurrenz ankämpfen muss, wird vom Tunnelblick von SPD, Grünen und Volt nicht erfasst. Es interessiert die drei Parteien nicht.
Dabei hatten sie in der Präambel ihres Koalitionsvertrags noch verkündet:
„Unser Anspruch ist es, im Umgang mit allen Fraktionen und politischen Gruppen des Rates, der Verwaltung sowie gemeinsam mit den Münsteraner*innen offen, transparent und fair politisch zu agieren… Wir wollen die Attraktivität unserer Innenstadt stärken und dazu auch neue Wege gehen. Diesen Prozess wollen wir gemeinsam mit Bürger*innen und Gewerbetreibenden gestalten.“
Davon ist in der Verkehrspolitik nicht viel übrig geblieben. „Klimaneutrales Münster möglich machen – mit Bürger:innenbeteiligung und wirksamen Maßnahmen“ – diese Überschrift über dem jetzt vom Rat beschlossenen Antrag von SPD, Grünen und Volt muss dem Einzelhandel wie Hohn vorkommen.
Mit der Industrie- und Handelskammer oder dem Einzelhandelsverband, dem Verein der Kaufmannschaft, den Straßensprecher:innen, der Initiative Starke Innenstadt (ISI) oder der Gewerkschaft Verdi haben SPD, Grüne und Volt nicht einmal gesprochen.
Auch mit den Münsterlandkreisen und den unmittelbar an Münster angrenzenden Gemeinden gab es keinerlei Abstimmungsgespräche. Dabei sind diese, wie gezeigt, von der Verkehrspolitik der Stadt ebenfalls betroffen. Und Münster ist auf sie angewiesen, wenn die Stadt ihre Verkehrsprobleme wirklich lösen will.
Dabei gibt es gute Wege, den Autoverkehr in der Innenstadt zu reduzieren, ohne mit dem Bad auch das Kind auszuschütten. Münster sollte es machen wie Paris. Großflächig Tempo 30 überall innerhalb des zweiten Tangentenrings. Die Angleichung der Geschwindigkeiten ermöglicht es, den knappen Verkehrsraum zwischen den Häuserzeilen für Fußgänger:innen, Fahrradfahrer:innen, Autofahrer: innen und dem ÖPNV anders aufzuteilen. Die Bedeutung des Autos nimmt ab. Die Lebensqualität nimmt zu.
Weiterer Vorteil: Es ist deutlich preiswerter. Allein die Entschädigung für den privaten Eigentümer des Arkaden-Parkhauses in der Königstraße dürfte sich auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag belaufen. Davon könnte man stattdessen große Teile des neuen Preußen-Stadions bezahlen.
Ich wünsche Ihnen eine gute Woche.
Herzliche Grüße
Ihr
Ruprecht Polenz
Korrekturhinweis:
In einer früheren Version des Textes hieß es, es sei geplant, die Zufahrten zu drei Parkhäusern „über Münzstraße und Mauritzstraße“ abzuschneiden. Um zu verdeutlichen, dass die Zufahrt des Parkhauses Tibus weiter von der Münzstraße erreichbar sein soll, und die Parkhäuser am Hörster Platz und am Alten Steinweg über die Mauritzstraße, heißt es nun: „über Münzstraße beziehungsweise Mauritzstraße“.

Ruprecht Polenz
Viele Jahre lang war Ruprecht Polenz Mitglied des Rats der Stadt Münster, zuletzt als CDU-Fraktionsvorsitzender. Im Jahr 1994 ging er als Bundestagsabgeordneter nach Berlin. Er war unter anderem CDU-Generalsekretär, zwischen 2005 und 2013 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Von 2000 bis 2016 war Ruprecht Polenz Mitglied des ZDF-Fernsehrats, ab 2002 hatte er den Vorsitz. Der gebürtige Bautzener lebt seit seinem Jura-Studium in Münster. 2020 erhielt Polenz die Auszeichnung „Goldener Blogger“.
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