Die Kolumne von Ruprecht Polenz | Alles hängt mit allem zusammen

Porträt von Ruprecht Polenz
Mit Ruprecht Polenz

Guten Tag,

ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag.

Vor einer Woche hat Ihnen Juliane Ritter hier geschrieben und erklärt, warum Pflegekräfte in einen Streik getreten waren: „Wir streiken für steigende Gehälter, für bessere Arbeitsbedingungen, für mehr Personal und für spürbare Entlastung. Nicht nur für uns, sondern um unsere Patient:innen gut und menschlich versorgen zu können. Und das sind Ihre Freunde, Ihre Eltern, Ihre Kinder und vielleicht auch Sie selbst.“

Nicht nur in den Krankenhäusern schieben die Pfleger:innen Berge von Überstunden vor sich her. Auch in vielen Arztpraxen ist es keine Seltenheit, dass Mitarbeiter:innen inzwischen 40, 50 und mehr Überstunden abgeleistet haben, weil zur alljährlichen Grippeimpfung das Impfen gegen Corona dazu kommt. Obendrauf auf die normale Versorgung der Kranken. Unser Gesundheitswesen ist in manchen Bereichen inzwischen am Limit.

Zwar werden die Überstunden doppelt vergütet. Aber durch die Steuerprogression bleibt viel von diesem Geld beim Staat, statt auf die Konten der Pflegekräfte und des medizinischen Personals in den Arztpraxen zu kommen. Deshalb sinkt die Bereitschaft, für zusätzliche Impftermine abends oder am Wochenende weiterhin Überstunden zu leisten.

Das ließe sich schnell ändern. Warum verzichtet der Staat nicht für die nächsten Monate darauf, diese Überstunden von Pflegekräften und Arzthelfer:innen zu besteuern? Steuerfreiheit für Überstunden wäre ein überfälliges Zeichen dafür, dass der Staat ihre außergewöhnlichen Leistungen anerkennt.

Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten

Seit dem 24. November gelten in Nordrhein-Westfalen wieder verschärfte Corona-Regeln. Geimpft oder genesen – das ist die Eintrittskarte für Weihnachtsmärkte genauso wie für Sportveranstaltungen, Kinos oder Ausstellungen. Wie alle Eintrittskarten müssen auch die Impfnachweise kontrolliert werden.

Veranstalter:innen und Betriebe klagen darüber, dass diese Kontrollen häufig auf Unverständnis und Ablehnung stoßen. Es gibt Beschimpfungen, und auch über Handgreiflichkeiten wird vereinzelt berichtet. Wir sollten den Menschen, die die Kontrollen durchführen, den Rücken stärken. Sie tun es zu unserer Sicherheit. Warum also nicht am Eingang ausdrücklich dafür bedanken, wenn man es mit den Kontrollen ernst nimmt?

Ich jedenfalls fühle mich wohler in einem Restaurant, das die Impfausweise sorgfältig kontrolliert und die Besucher:innen nicht einfach so durchwinkt. Impfen bleibt der einzige Weg aus der Pandemie. Mit 93 Prozent aller Erwachsenen hat Münster eine der besten Impfquoten in Deutschland.

Vor einem Jahr war noch unklar, wie lange der Impfschutz halten würde. Inzwischen wissen wir, dass es drei Impfungen braucht (zwei, wenn man mit Johnson & Johnson geimpft ist), und dass man die Impfung etwa sechs Monate nach der zweiten Impfung auffrischen lassen muss, um den vollen Impfschutz zu erhalten.

40.000 bekommen dritte Impfung

„Daten aus der klinischen Prüfung zeigen, dass Antikörperspiegel etwa ab dem siebten, achten oder neunten Monat nach der Impfung beginnen zu sinken, sodass es auch zu einer Ansteckung kommen kann“, sagt Biontech-Chef Uğur Şahin.

Am Dienstag öffnet deshalb die neue Impfstelle im Jovel. Zuvor konnten sich Impfwillige vom 24. bis 26. November am Ludgerikreisel vor einer schweren Covid-Erkrankung schützen lassen.

Damit ergänzt die Stadt die Impfangebote in den Arztpraxen. Dort waren allein in der letzten Woche über 40.000 Menschen zum dritten Mal geimpft worden, wie die Westfälischen Nachrichten am 23. November berichteten. Es sieht also ganz danach aus, als würde Münster auch die dritte Impfrunde gut über die Bühne bringen.

Inzwischen wird auch überregional nachgefragt, warum Münster vergleichsweise gut durch die Corona-Pandemie kommt. Das Heute-Journal des ZDF ging dieser Frage nach und kam zu folgendem Ergebnis:

Neben einem sehr guten Krisenstab unter der Leitung von Wolfgang Heuer, einem klar kommunizierenden Oberbürgermeister Markus Lewe und einer ziemlich solidarischen Stadtgesellschaft (AfD unter 3 Prozent) trägt auch der hohe Anteil des Fahrradverkehrs dazu bei (ab Minute 09:40 im Video).

Es hängt eben alles mit allem zusammen.

Ich wünsche Ihnen eine gute Woche.

Herzliche Grüße – und bleiben Sie gesund.

Ihr

Ruprecht Polenz

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Porträt von Ruprecht Polenz

Ruprecht Polenz

Viele Jahre lang war Ruprecht Polenz Mitglied des Rats der Stadt Münster, zuletzt als CDU-Fraktionsvorsitzender. Im Jahr 1994 ging er als Bundestagsabgeordneter nach Berlin. Er war unter anderem CDU-Generalsekretär, zwischen 2005 und 2013 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Von 2000 bis 2016 war Ruprecht Polenz Mitglied des ZDF-Fernsehrats, ab 2002 hatte er den Vorsitz. Der gebürtige Bautzener lebt seit seinem Jura-Studium in Münster. 2020 erhielt Polenz die Auszeichnung „Goldener Blogger“.

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