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Die Kolumne von Ruprecht Polenz | Es wäre ein Meilenstein
Guten Tag,
ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag.
Hören Sie auch immer im Hintergrund Musik, wenn Sie lesen? In diesem Brief soll es um Musik gehen. Genauer gesagt geht es um den Stellenwert, den das Musikleben in unserer Stadt in Zukunft haben soll.
Der Stadtrat tut sich sehr schwer damit, diese Frage zu beantworten. Und das seit 30 Jahren. Vor 30 Jahren hatte die Diskussion über eine städtische Musikhalle in Münster begonnen. Dieser Anlauf endete 2008 in einem Bürger:innenentscheid, mit dem die seinerzeit auf dem Schlossplatz geplante Musikhalle abgelehnt wurde. Es dauerte etliche Jahre, bis es zu einem neuen Anlauf kam.
Im Sommer 2016 wandten sich Stadt und Universität in einer gemeinsamen Absichtserklärung an das Land Nordrhein-Westfalen. Das Anliegen: Man will gemeinsam einen Musik-Campus bauen für die Musikhochschule der Universität (bisher beengt am Ludgeri-Kreisel), die städtische Musikschule (bisher beengt an der Himmelreich-Allee) und für das Sinfonieorchester der Stadt Münster, dem angemessene Proberäume fehlen und für dessen Konzerte der große Saal im Theater eher ein Notbehelf ist.
Seit über fünf Jahren wird geplant. Im Oktober 2019 hat der Rat „seinen ausdrücklichen Willen zur Errichtung eines Musik-Campus“ erklärt. Im Haushalt stehen seitdem 45 Millionen Euro dafür bereit. Letzten Mittwoch hätte der Rat diesen Willen in einem Grundsatzbeschluss bekräftigen sollen.
„Dann aber wirklich“
Zur Selbstvergewisserung hatten die Fraktionen der Verwaltung noch einmal einen umfangreichen Fragenkatalog vorgelegt:
- zur Bedeutung des Projekts,
- zur Zusammenarbeit mit dem Land, zu Bauflächen und dem Apothekergarten,
- zu den investiven Kosten der Baumaßnahme,
- zu den laufenden Kosten der Baumaßnahme,
- zum Bestand,
- zu Bau, Nachhaltigkeit und Zeitplan,
- zu (städtischen) Nutzer:innen und zum Raumprogramm,
- zum Betrieb/Betreiber:innenmodell.
Alle Fragen hatte die Verwaltung auf 27 Seiten ausführlich und rechtzeitig vor der Ratssitzung beantwortet. Aber anstatt zu entscheiden, wurde noch einmal vertagt – jetzt auf die nächste Ratssitzung im April.
„Dann aber wirklich“ solle die Grundsatzentscheidung fallen, hat Oberbürgermeister Markus Lewe gesagt. Darauf hätten sich die Fraktionen einvernehmlich verständigt. So berechtigt die Fragen der Fraktionen im Einzelnen sein mögen: Es irritiert der Geist zögerlicher Bedenklichkeit, mit dem sie formuliert sind.
Würde man ähnlich bedenklich an den Umbau des Preußenstadions gehen, würde man alles auf Eis legen, bis die Preußen wenigstens wieder in die 3. Liga aufgestiegen wären. Schließlich soll das neue Stadion so ausgebaut werden, dass es für die 2. Bundesliga taugt.
Win-win-Situation für Stadt und Universität
Dass man bei Zukunftsinvestitionen so nicht vorgehen kann, liegt auf der Hand. Auch für den Musik-Campus sollte die Entscheidung nicht allzu schwer fallen. Die Universität ist für Münster herausragend wichtig. Sie ist mit Abstand größter Arbeitgeber in Münster.
Es ist ein Glücksfall, dass die Stadt die Möglichkeit hat, ein solches Projekt gemeinsam mit der Universität und zum gegenseitigen Nutzen in Angriff zu nehmen. Eine Win-win-Situation für Stadt und Universität.
Die Hochschule steuert das landeseigene Grundstück hinter dem Schlossgarten an der Hittorfstraße bei. Von den Baukosten in Höhe von geschätzt 285 Millionen Euro muss die Stadt nur ein Drittel tragen: 70,1 Millionen.
Die Konzerthalle mit 1.200 Plätzen müsste die Stadt mit 31,6 Millionen mitfinanzieren. Das entspricht ebenfalls nur einem Drittel der Kosten. Zum Vergleich: Allein die notwendige Modernisierung der städtischen Musikschule am alten Platz würde über 40 Millionen Euro kosten.
Ja, das ist viel Geld. Aber die genannten Kosten verteilen sich auf acht Jahre. Die Fertigstellung des Musik-Campus ist für 2030 geplant. Die Risiken sind überschaubar und beherrschbar. Zur Einordnung der Summe sollte man wissen, dass der städtische Haushalt für dieses Jahr 1,3 Milliarden Euro beträgt.
Die städtische Finanzsituation hängt viel stärker von den Steuereinnahmen ab, und damit von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung der nächsten acht Jahre, als von möglichen Steigerungen der Baupreise beim Musik-Campus.
3.235 Unterschriften für den Musik-Campus
Die Entscheidung über den Musik-Campus sagt viel darüber aus, welche Stadt wir sein wollen, welchen Stellenwert die Kultur in Münster haben soll. Seit dem Stadtjubiläum 1993 hat sich die Stadt keine größere Kulturinvestition mehr zugetraut.
Damals wurden die neue Stadtbücherei und das Stadtmuseum in der Salzstraße gebaut. Das Theater stammt von 1956. Mit dem Fragenkatalog der Fraktionen von heute wäre es wohl nicht gebaut worden. Schließlich fehlten damals noch Schulräume und Turnhallen.
3.235 Unterschriften für den Musik-Campus wurden Oberbürgermeister Markus Lewe vor der Ratssitzung am Mittwoch überreicht. Sie waren binnen weniger Tage vom Förderverein der Westfälischen Schule für Musik mit der Hilfe von Götz Alsmann und anderen online gesammelt worden.
Bei der Übergabe spielte die Combo „United Brass“ den Hit „One Moment in Time“ von Whitney Houston. Der Rat sollte ihn in seiner nächsten Sitzung nicht verpassen. Sehen wir es positiv. Gut Ding will Weile haben. Wenn dieser Satz auch umgekehrt gilt, wird der Musik-Campus ein Meilenstein für Münster.
Ich wünsche Ihnen eine gute Woche.
Herzliche Grüße – und bleiben Sie gesund.
Ihr Ruprecht Polenz
Ruprecht Polenz
Viele Jahre lang war Ruprecht Polenz Mitglied des Rats der Stadt Münster, zuletzt als CDU-Fraktionsvorsitzender. Im Jahr 1994 ging er als Bundestagsabgeordneter nach Berlin. Er war unter anderem CDU-Generalsekretär, zwischen 2005 und 2013 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Von 2000 bis 2016 war Ruprecht Polenz Mitglied des ZDF-Fernsehrats, ab 2002 hatte er den Vorsitz. Der gebürtige Bautzener lebt seit seinem Jura-Studium in Münster. 2020 erhielt Polenz die Auszeichnung „Goldener Blogger“.
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