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Die Kolumne von Ruprecht Polenz | Die Politik muss jetzt Aufbruchstimmung erzeugen
Guten Tag,
einen schönen Sonntag wünsche ich Ihnen.
Im Vergleich zur Rathausmehrheit aus Grünen, SPD, Volt und Internationaler Fraktion bewegt sich die Echternacher Springprozession (zwei Schritte vor, einen zurück) mit der Geschwindigkeit eines ICE vorwärts. Beim Musik-Campus dreht sich das Bündnis seit langem im Kreis.
Seit sechs Jahren wird geplant. Im Oktober 2019 (!) hatte der Rat „seinen ausdrücklichen Willen zur Errichtung eines Musik-Campus“ erklärt. Im Haushalt stehen seitdem 45 Millionen Euro für das Projekt.
Aber in der Februar-Sitzung hatte der Rat auf Antrag von SPD, Grünen, Volt und Internationaler Fraktion die Grundsatzentscheidung über den Musik-Campus erneut vertagt. Es seien noch Fragen offen, hieß es. Im April werde der Rat ganz bestimmt entscheiden, ob Münster einen Musik-Campus bekommen soll oder nicht.
Nur noch Bekenntnis zur Idee
Im Beschlussvorschlag der Verwaltung für die Ratssitzung am 6. April hieß es daher kurz und klar im ersten Absatz:
„Der Rat der Stadt Münster spricht sich für den Bau eines ‚Musik-Campus‘ aus.“
Nein, sagte die Rathausmehrheit, das geht uns zu weit. Stattdessen brachten Grüne, SPD, Volt und Internationale Fraktion einen Änderungsantrag ein. Darin heißt nun der erste Satz:
„Der Rat begrüßt ausdrücklich die geplante Zusammenarbeit mit der WWU und damit die Idee einer Realisierung eines gemeinsamen Musik-Campus an der Hittorfstraße.“
Der Musik-Campus mutiert damit zur platonischen Idee. Und dann folgen, wie schon bei den Vertagungsanträgen der Vergangenheit, jede Menge Prüfaufträge und Fragen zu ökologischer Ausrichtung, Träger- und Betreiberkonzept, Finanzierung und laufenden Kosten. Mit den bisherigen Antworten sei man nicht zufrieden.
Die SPD ließ extra in einer Protokollnotiz festhalten, dass die Finanzierung des Musik-Campus die Bewältigung „zentraler und unabdingbarer Aufgaben nicht beeinträchtigen“ dürfe. Das sei für sie der Maßstab, mit der sie das Projekt beurteilen werde.
Was auf den ersten Blick nicht unvernünftig klingt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen allerdings als eine beliebige Begründung für ein künftiges „Nein“. Die SPD nennt als wichtige kommunale Aufgaben, die „unabdingbar“ seien: Verkehrswende, Klimaschutz, Armutsbekämpfung und Flüchtlingshilfe. In Zukunft kann die SPD immer behaupten, durch den Musik-Campus sei die Erfüllung dieser Aufgaben beeinträchtigt. Schließlich kann man nie genug in den genannten Arbeitsfeldern tun.
In Meinungsumfragen Mehrheit für den Campus
Statt zu entscheiden, baute man neue Veto-Positionen auf und vertagte noch einmal. Als hätte man nicht längst alle Einwände, Fragen und Bedenken rauf und runter geprüft, schiebt das „progressive Bündnis“ (Selbstbezeichnung) die Entscheidung weiter vor sich her.
Statt klarer Absicht eine Politik des „als ob“. Politik als Simulation. Man tut so, als ob man den Musik-Campus unterstütze. Denn am 15. Mai ist Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen und natürlich kennt auch die Rathausmehrheit die Meinungsumfragen, wonach 72 Prozent den Musik-Campus für „sinnvoll“ halten, während rund 28 Prozent die Pläne ablehnen.
Auch dem Rat sollte eine Entscheidung für den Musik-Campus nicht allzu schwerfallen. Stadt und Universität können nur gewinnen. Mehrere Probleme werden gleichzeitig gelöst: ein Neubau für die Musikhochschule der Universität (bisher beengt am Ludgeri-Kreisel), ein Neubau für die städtische Musikschule (bisher beengt an der Himmelreich-Allee). Außerdem endlich angemessene Proberäume für das Sinfonieorchester der Stadt Münster. Dazu ein Konzertsaal für 1.200 Personen.
Die Universität steuert das landeseigene Grundstück hinter dem Schlossgarten an der Hittorfstraße bei. Von den Baukosten in Höhe von 285 Millionen Euro muss die Stadt nur ein Drittel tragen: 70,1 Millionen. Die Konzerthalle mit 1.200 Plätzen müsste die Stadt mit 31,6 Millionen mitfinanzieren. Das entspricht ebenfalls nur einem Drittel der Kosten. Zum Vergleich: Allein die notwendige Modernisierung der städtischen Musikschule am alten Platz würde über 40 Millionen Euro kosten.
Bei anderen Anliegen spielt Geld für SPD und Grüne eher keine Rolle
Ja, das ist viel Geld. Aber die genannten Kosten verteilen sich auf acht Jahre, denn die Fertigstellung des Musik-Campus ist für 2030 geplant. Die Risiken sind überschaubar und beherrschbar. Schließlich hat der städtische Haushalt ein Volumen von 1,3 Milliarden Euro.
Wenn SPD und Grünen etwas zum Herzensanliegen wird, spielt Geld eher keine Rolle. So wurde das lange geplante Baugebiet an der Vogelstange auf den letzten Metern gekippt, weil Naturschutzbelange dagegen stünden. 60 Wohnungen konnten nicht gebaut werden. Der Verlust für die Stadt, der die Fläche gehört: 7 Millionen Euro.
Die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) wollten Grüne und SPD nicht in Münster haben, weil auch Abschiebungen zu deren Aufgaben gehören. Dass die Stadt deshalb für die Verlagerung der Erstaufnahmeeinrichtung in der York-Kaserne aufkommen muss – was soll’s. Die Kosten der Verlagerung an den Pulverschuppen: mindestens 20 Millionen Euro.
Mit diesen 27 Millionen wären die 31,6 Millionen des städtischen Anteils am Konzertsaal weitgehend finanziert.
„Es steht nichts in unserem Änderungsantrag, was den Campus unmöglich macht“, hat der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Christoph Kattentidt, gesagt. Schöner kann man die Als-ob-Haltung der Rathausmehrheit nicht auf den Punkt bringen. Wer etwas voranbringen will, redet anders.
Aufbruchstimmung zuletzt bei Stadtbücherei und Stadtmuseum
Politik muss eine Aufbruchstimmung erzeugen, wenn sie etwas voranbringen will. Das war 1956 mit dem Bau des Stadttheaters so, das man sich zugetraut hat, obwohl noch längst nicht alle Ruinen beseitigt waren, Schulräume und Turnhallen fehlten.
Für die letzten größeren Kulturbauten der Stadt – Stadtbücherei und Stadtmuseum – nutzte die Politik das Stadtjubiläum als besonderen Anlass, für die Zukunft etwas Bleibendes zu schaffen. Das war 1993.
Seitdem hat sich die Stadt keine größere Kulturinvestition mehr zugetraut.
Im Mai soll der Rat jetzt endgültig entscheiden. Wieder einmal. Ohne ein klares „Ja, wir wollen den Musik-Campus“ ist die Universität draußen und verabschiedet sich von dem gemeinsamen Projekt mit der Stadt. Das hat Johannes Wessels, der Rektor der Uni Münster, unmissverständlich angekündigt. Die Musikhochschule könne nicht länger warten. Die Universität werde sich dann unabhängig von der Stadt um einen Neubau kümmern.
Mit einem „Campus-Gipfel“ will Oberbürgermeister Markus Lewe den Musik-Campus doch noch retten. Mit dem Rektor der Universität und den Fraktionsvorsitzenden soll nach Ostern die Zustimmung des Rates vorbereitet werden.
Man darf Zweifel haben, ob die Vorsitzenden von Grünen und SPD bei diesem Gipfel für ihre Fraktionen überhaupt sprechfähig sind, um bisherige Positionen zu korrigieren. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Ich wünsche Ihnen eine gute Woche – und bleiben Sie gesund.
Herzliche Grüße
Ihr Ruprecht Polenz
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Ruprecht Polenz
Viele Jahre lang war Ruprecht Polenz Mitglied des Rats der Stadt Münster, zuletzt als CDU-Fraktionsvorsitzender. Im Jahr 1994 ging er als Bundestagsabgeordneter nach Berlin. Er war unter anderem CDU-Generalsekretär, zwischen 2005 und 2013 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Von 2000 bis 2016 war Ruprecht Polenz Mitglied des ZDF-Fernsehrats, ab 2002 hatte er den Vorsitz. Der gebürtige Bautzener lebt seit seinem Jura-Studium in Münster. 2020 erhielt Polenz die Auszeichnung „Goldener Blogger“.
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