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Die Kolumne von Ruprecht Polenz | Warum die AfD eine faschistische Partei ist

Guten Tag,
Einen schönen Sonntag wünsche ich Ihnen.
Geht es Ihnen auch so? Seit Wochen verfolge ich mit Sorge, dass die AfD an Zustimmung gewinnt, jedenfalls wenn man den Meinungsumfragen glauben darf.
Bundesweit kommt die AfD demnach auf 19 Prozent. Sie wäre damit nach CDU/CSU zweitstärkste Partei, noch vor SPD und Grünen. Die Unionsparteien kommen auf 28 Prozent.
In den ostdeutschen Bundesländern würden sogar 26 Prozent die AfD wählen. Damit wären die Faschisten dort stärkste Kraft, mit drei Prozentpunkten Abstand zur CDU.
In Thüringen läge die AfD mit 31 Prozent sogar zehn Prozent vor der CDU an der Spitze.
Auch in Brandenburg liegt die AfD mit 28 Prozent deutlich vorn, vor der SPD mit 21 Prozent und der CDU mit 18 Prozent.
In Sachsen haben AfD und CDU jeweils 29 Prozent Zustimmung.
Auch in Sachsen-Anhalt sind CDU (31 Prozent) und AfD (29 Prozent) fast gleichauf.
Wenn man diese Zahlen sieht, kann man fast nicht glauben, dass die AfD 2021 bei den letzten Bundestagswahlen in Münster mal gerade 2,87 Prozent bekam. Bei den Landtagswahlen 2022 waren es mit 2,3 Prozent sogar noch weniger.
Die Zivilgesellschaft muss konfliktfähiger werden
Damit das so bleibt, muss man etwas tun. Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer, der sich seit langem mit Extremismus-Forschung beschäftigt, hat die Zivilgesellschaft aufgerufen, konfliktfähiger zu werden.
Wann immer im Verwandten- oder Freundeskreis, im Sportverein oder am Arbeitsplatz Positionen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit eingenommen würden, solle man sofort entschieden widersprechen, „auch auf die Gefahr hin, aus den eigenen Bezugsgruppen ausgeschlossen zu werden.“ Sonst trage man an der Normalisierung und Anschlussfähigkeit der AfD eine Mitschuld.
Protest gegen die Demokratie
Für diesen Widerspruch möchte ich Ihnen ein paar Argumente an die Hand geben.
Denn die AfD ist keine bloße Protestpartei, die man guten Gewissens wählen könnte, um den anderen Parteien einen „Denkzettel“ zu erteilen.
„Der Begriff Protestwähler ist komplett verharmlosend“, sagt Heitmeyer, der den Erfolg der AfD vor allem auf die gesellschaftlichen Strukturen zurückführt. Unter AfD-Wähler:innen seien Positionen gegen die offene Gesellschaft und die liberale Demokratie weit verbreitet und vor allem stabil.
Lähmung und Verfall eines demokratischen Gemeinwesens ist nicht zuletzt die Folge verwirrter Maßstäbe, geschwächter Abwehrbereitschaft und falscher Illusion über Toleranz gegen die Feinde der Demokratie. Diese Beobachtungen von Karl-Dietrich Bracher zum Scheitern der Weimarer Republik gelten auch heute.
Man sollte sich nicht damit beruhigen, dass ein kleines Landratsamt wie Sonneberg in Händen der AfD und 20 Prozent in den Meinungsumfragen zwar ärgerlich, aber für unsere Demokratie doch nicht wirklich bedrohlich seien.
Das stimmt für den Augenblick. Vor einem kleinen Feuer muss man keine Angst haben. Man kann es unter Kontrolle halten. Aber wenn es eine demokratische Dürre gibt, dann herrscht Waldbrand-Gefahr. Kommt noch der richtige Wind dazu, stehen schnell riesige Flächen in Flammen. Diese demokratische Dürre hat Bracher beschrieben.
Es zeugt von geschwächter Abwehrbereitschaft, wenn laut einer Allensbach-Umfrage in Ostdeutschland fast die Hälfte (45 Prozent) die Meinung vertritt, in einer „Scheindemokratie“ zu leben, „in der die Bürger nichts zu sagen haben“. Denn warum sollte man sich für eine Demokratie einsetzen, die ja keine mehr ist.
Auch in Westdeutschland sind 28 Prozent dieser Ansicht.
Wer Kritik mit Einschränkung der eigenen Meinungsfreiheit verwechselt, in Ernährungstipps Bevormundung wittert und über angebliche Fleischverbote jammert, ist ein Demokratie-Hypochonder. In schweren Fällen bildet er sich ein, in einer Diktatur zu leben.

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Verwirrte Maßstäbe
Verwirrte Maßstäbe führen nicht nur zu Wahlentscheidungen für diese faschistische Partei. Verwirrte Maßstäbe prägen auch den Umgang mit den völkischen Nationalisten, selbst in vielen Medien. Dass die AfD vom Verfassungsschutz in großen Teilen als rechtsextrem, das heißt, als Gefahr für unsere Demokratie eingestuft wird, dringt nicht mehr durch, wenn die Maßstäbe erstmal durcheinander geraten sind.
Die AfD ist eine faschistische Partei. Viele Medien drücken sich darum, das so deutlich zu sagen. Aber es geht um das Warnschild. Immer noch glauben viele den Behauptungen der AfD, dass sie heute vertrete, was die CDU früher vertreten habe. Aber die CDU war nie eine völkisch-nationalistische Partei.
Wenn man die AfD als das bezeichnet, was sie ist, hört man immer: Die AfD-Wähler:innen sind doch nicht alles Nazis. Das ist sicher richtig. Die AfD schreit deshalb „Wählerbeschimpfung“ und „Nazi-Keule“. Eine durchsichtige Immunisierungs-Strategie, die ihre Wähler:innen noch enger an die AfD binden soll. Sie sollen sich angegriffen fühlen. Aber das ändert nichts daran, dass sie eine faschistische Partei gewählt haben. Denn die Rede ist hier vom Zug, nicht von den Fahrgästen. Die AfD vereinnahmt ihre Wähler:innen und identifiziert sie mit der Partei.
Nicht verboten heißt nicht: deshalb demokratisch
Argumenten für falsche Toleranz gegenüber den Feinden der Demokratie begegnet man überall. Solange die AfD nicht verboten ist, sei es legitim, sie zu wählen, heißt es. Es ist legal, aber nicht legitim. „Nicht verboten“ bedeutet eben nicht „deshalb demokratisch“. Denn es gibt keinen Zwang, einen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht zu stellen. Ein Parteiverbot tilgt nicht das undemokratische Gedankengut in der Gesellschaft. Es kann deshalb besser sein, eine verfassungswidrige Partei politisch zu bekämpfen, statt sie zu verbieten.
Die AfD ist eine faschistische Partei
In Deutschland tun sich nicht nur die Medien schwer damit, die AfD als faschistische Partei zu bezeichnen. Denn beim Begriff Faschismus denken wir an die Nazi-Zeit und an Auschwitz.
Aber Faschismus gab es in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts auch in Italien, Ungarn, Schweden, Norwegen, Großbritannien und den USA. Und es gibt ihn heute in Polen, Ungarn und vielen anderen Ländern. Steve Bannon, der frühere strategische Berater von Donald Trump, ist ein lupenreiner Faschist. Und er berät auch europäische Parteien wie die AfD.
Kennzeichen des Faschismus: Eine Methode der Machtergreifung
Faschismus ist nicht erst Holocaust. Faschismus ist vor allem eine Methode der Machtergreifung, die auf einem bestimmten Weltbild basiert.
Kennzeichnend sind:
- Die Ablehnung von Meinungsvielfalt, Pressefreiheit und Pluralismus („Lügenpresse“).
- Ein ausgeprägtes Freund-Feind-Denken, das sich in Hass und Hetze äußert. („Wir gegen die“).
- Eine biologistisch verstandene Nation, die durch Einwanderung in ihrer Identität bedroht wird („Umvolkung“, „Überfremdung“, völkischer Nationalismus).
- Ausländerfeindlichkeit, besonders gegenüber Muslimen, Islamophobie („No Moschee“, „Der Islam ist ein Fremdkörper“).
- Antisemitismus („Bevölkerungsaustausch“, „globalistische Eliten“)
- Rassismus
- Die Verharmlosung der deutschen Geschichte zwischen 1933 und 1945 („Vogelschiss“).
- Die Behauptung, von „denen da oben“ gedemütigt zu werden.
- Eine entmenschlichte Sprache („Flüchtlinge entsorgen“).
- Das Verächtlich-machen unserer Demokratie, verbunden mit unverhülltem Machtanspruch („Wir holen uns unser Land zurück“).
Das können Sie ausführlicher in Umberto Ecos „Merkmale des Ur-Faschismus“ nachlesen.
Die AfD zerstört unser soziales Kapital
Damit richtet sich die politische Arbeit der AfD gegen die Fundamente unserer Demokratie. „Unser freiheitlicher, säkularisierter Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann“, hat Ernst-Wolfgang Böckenförde in seinem zu Recht viel zitierten Diktum festgestellt. Er meint das soziale Kapital, das unsere Gesellschaft immer wieder erschaffen muss, um gut und friedlich zusammenleben zu können.
Die hasserfüllte Polarisierung, die die AfD betreibt, soll dieses soziale Kapital gezielt und systematisch zerstören.
Ihr Protest richtet sich nicht gegen die eine oder andere Regierungsentscheidung, oder gegen andere Parteien. Der Protest der AfD richtet sich gegen die Grundlagen unserer Demokratie.
Das muss wissen, wer meint, sie aus Verärgerung oder Enttäuschung über die Regierung oder das Versagen anderer Parteien wählen zu können, um diesen einen Denkzettel zu verpassen und sie auf Trab zu bringen. Die Fehler können noch so groß sein – Demokrat:innen wählen keine faschistische Partei!
Ich wünsche Ihnen eine gute Woche und schöne Ferien, wenn Sie in Urlaub sind.
Herzliche Grüße
Ihr Ruprecht Polenz
Korrekturhinweis:
Der Soziologe, von dem im Text die Rede ist, heißt Wilhelm Heitmeyer, nicht Werner, wie es ursprünglich im Text stand. Wir haben den Fehler korrigiert.
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Ruprecht Polenz
Viele Jahre lang war Ruprecht Polenz Mitglied des Rats der Stadt Münster, zuletzt als CDU-Fraktionsvorsitzender. Im Jahr 1994 ging er als Bundestagsabgeordneter nach Berlin. Er war unter anderem CDU-Generalsekretär, zwischen 2005 und 2013 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Von 2000 bis 2016 war Ruprecht Polenz Mitglied des ZDF-Fernsehrats, ab 2002 hatte er den Vorsitz. Der gebürtige Bautzener lebt seit seinem Jura-Studium in Münster. 2020 erhielt Polenz die Auszeichnung „Goldener Blogger“.
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