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Der Preußen-Brief von Carsten Schulte | Nur ein Kaffee. Oder hundert.

Guten Tag,
zwei Tage noch, zweimal schlafen, dann hat uns die Liga wieder. In Karlsruhe startet der SC Preußen Münster in eine weitere Zweitliga-Saison. Dass der Sportclub in den üblichen Saisonprognosen eher als Abstiegskandidat gesehen wird, ist wohl keine Überraschung.
Das Schöne am Fußball ist allerdings, dass viele der Erwartungen und Einschätzungen von Experten eher an Kaffeesatzleserei grenzen und daher getrost vergessen werden dürfen. Verschlechtert hat sich die erste Mannschaft der Adler in der Sommerpause sicher nicht. Was auf der Hand liegt: Ehe richtig sichtbar wird, was sich der neue Trainer Alexander Ende vorstellt, werden einige Wochen vergehen. Das ist nichts Neues im Fußball, anderen Teams wird das ähnlich gehen.
Überdies hat Sportchef Ole Kittner am Dienstag noch einen baumlangen Innenverteidiger vom FC Watford aus dem Hut gezaubert. Der junge Herr ist mit 1,98 Metern groß gewachsen, aber mit 21 Jahren auch noch ziemlich jung, ergo mit Perspektive ausgestattet. Ihn jetzt als „Königstransfer“ und „Rekordtransfer“ („Bild“) zu betiteln, ist dennoch leicht übertrieben und überfrachtet ihn eher mit Erwartungen.
Dass dem Neuzugang eine Rekordablöse angedichtet wird (zwischenzeitlich war im Fußball-Boulevard einmal die Rede von einer Million Euro), ist ebenfalls weit hergeholt. So weit, dass sich Kittner in der Video-Präsentation des Neuzugangs ausnahmsweise nicht den Verweis verkniff, die medial gehandelten Summen seien nicht ansatzweise korrekt. Aber so ist das im Fußball oft: größer, weiter, schneller. Show eben.
Allerdings rückt der Transfer von Antonio Tikvic tatsächlich ein Thema ins Licht, das im Fußball ungern angesprochen wird. Aber wir können das ja einmal adressieren.
Geld. Es geht ums Geld.
Dass der Sport Unmengen davon einnimmt und ausgibt, ist nun keine echte Neuigkeit. Milliardenschwere TV-Verträge haben dazu geführt, dass ein normaler Spieltag seit Jahren vom frühen Freitagabend bis zum späten Sonntag reicht.
48 Stunden lang beherrscht der (Männer-)Fußball die Sender, denn das Geld für die Übertragungsrechte müssen die Anbieter auch wieder verdienen. Und das ist nicht wenig. Für die Saison 2025/2026 rechnet die Deutsche Fußball-Liga (DFL) als Dachorganisation mit Medienerlösen von rund 1,12 Milliarden Euro.
Dieses Investment refinanzieren Werbekunden und wir, die Fans. Mein Sky-Abo kostet monatlich 30 Euro, und dafür bekomme ich neben den Preußenspielen jeweils noch eine „Halbzeitanalyse“, deren intellektueller Höhepunkt aus einigen launigen Kommentaren und der Wiederholung erwähnenswerter Szenen besteht. Und eben Werbung, viel Werbung.
Die Medienerlöse wiederum fließen anteilig zurück in die Klubs und das macht die Sache ambivalent. Denn erst das TV-Geld – der SC Preußen kassiert in dieser Saison 7,4 Millionen Euro – ermöglicht den Betrieb einer wettbewerbsfähigen Mannschaft auf Zweitliga-Niveau. Ohne Moos nix los, das ist kaum mehr als eine Binsenweisheit.
Alles, was Geld bringt, ist relevant. Darauf muss man sich einlassen als Fan. Das Spektakel rund um sportliche Duelle gegen Schalke oder Hertha erkaufen wir uns durch einen Verzicht auf einen Teil unserer unschuldigen Fußballseele.
Wo Münster ist, ist Profifußball
Die steht irgendwo an einem Sportplatz im Grünen, lehnt sich dort an einen schlichten Holzzaun, trinkt ein Bierchen für 2 Euro, schwatzt mit den Nachbarn und albert mit dem Schiri herum. So wie es früher war, in der Kindheit. Es duftet nach Gras und Sommer und in der Luft liegt die endlose Aussicht auf ein schönes Spiel und wenn schon kein schönes Spiel, dann wenigstens ein bisschen Spannung.
Witzigerweise gibt es all das noch heute, beispielsweise in der Kreisliga A bis C, also ganz weit unten. Da, wo Münster ist, ist dagegen Profifußball. Da sind Gitter und Fangnetze, da kostet das Bier zweimal, dreimal so viel. Dafür ist dann aber auch Schalke zu Gast und nicht, nun ja, der Klub zwei Straßen weiter. Wir wollen den sportlichen Erfolg, dafür tritt der SC Preußen Münster an. Das ist Leistungssport und das kostet Geld. Das ist alles klar.
Trotzdem ahnt man auch in Münster langsam, dass hier und da das System Geld um sich greift und das verursacht gewisse Anpassungsstörungen. Ein Beispiel: Das letzte Testspiel der Preußen gegen den FC Viktoria Köln fand am vergangenen Samstag im LVM-Preußenstadion statt.
Für den Stadionnamen zahlt der Landwirtschaftliche Versicherungsverein Münster. Für das Spiel zahlen die Fans. Stolze 19,06 Euro rief der SCP als Eintrittspreis auf, Kinder und andere ermäßigungsberechtigte Personen mussten immer noch 9,06 zahlen. Zudem sollten nur Vereinsmitglieder Zutritt haben.
Die passive Vereinsmitgliedschaft kostet 110 Euro im Jahr, das nur nebenbei. Mit Blick auf den Eintrittspreis heißt das: Eine traditionelle vierköpfige Familie stand mit Anpfiff schon mit fast 60 Euro in der Kreide und hatte noch keine einzige Pommes intus.
Fußball – das einzig schiere Glück
Offenbar hatte auch der SCP das Thema unterschätzt. Nach einiger Kritik und einem ziemlich schleppenden Vorverkauf steuerte der Verein nach, öffnete eine Tageskasse für alle. Trotzdem blieben am Ende einige hundert Plätze leer.
Nun könnte man den alten und oft bemühten Vergleich mit der Tasse Kaffee heranziehen. Ja, wenn man heute in Münster eine Tasse Kaffee trinkt oder aber nur mal ins Kino geht, dann zahlt man doch ähnlich viel – oder? Ja, sicher. Und genau deshalb klagt die Gastro über sinkende Besucherzahlen und die Kinos ächzen ebenso.

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Denn alle wollen ja nur diese eine Tasse oder zwei Tassen Kaffee ersetzen. Das Kino. Der Streaminganbieter. Jede popelige App auf dem Smartphone. Für alles muss der arme Kaffee herhalten. So viel Kaffee kann ich gar nicht trinken, wie ich verzichten müsste, um all die Dinge zu bezahlen, die nur ein paar Euro kosten.
Der Fußball hat einzig das schiere Glück, dass er emotional viel stärker besetzt ist als Koffein und damit in der Prioritätenliste stets oben bleibt. Aber man muss deshalb eine Mitte finden. Es ist ein schmaler Grat, bis man zu weit überdreht. Gerade im Fußball.
Als Fan des SC Preußen will ja auch das Trikot noch gekauft werden (80 Euro in der Basisversion, mit Zweitliga-Logo und Rückennummer schon 100 Euro) und ohne Schal geht’s auch nicht (15 Euro) und ruckzuck hat man über die Jahre Devotionalien im Gegenwert einer kleinen Eigentumswohnung erworben. Nur ganz leicht übertrieben.
Bei den Preisen liegt Münster vorn
Der SC Preußen mag Kritik daran ungerecht finden und aus seiner Sicht auf das gebotene Spektakel hat er ja Recht. Aber die Zeche zahlen eben die Fans. So wie in der kommenden Saison auch bei den Dauerkarten. Hanebüchen fallen deren Preise aus. Natürlich sind Plätze wegen des Stadionumbaus gerade in den kommenden Monaten extrem rar.
Die Nachfrage bestimmt den Preis. Aber dass nun über 550 Euro fällig werden für einen Sitzplatz hinterm Tor, das ist halt Neuland in Münster. Auf der Haupttribüne kostet so ein Ticket für Vollzahler schlimmstenfalls 675 Euro. Das sind Preise, die man nicht mehr nebenher stemmt.
Setzt man vier Euro für einen Cappuccino an, sind das fast 170 Tassen, die man sich dafür schenken muss. Und ja, ja, alles gut: Die Tasse Kaffee bietet nicht den gleichen emotionalen Abgang wie ein Tor von Simon „Fußballgott“ Scherder in der 95. Minute – das ist unbezahlbar.
Mit den Ticketpreisen liegt der SC Preußen jedenfalls nicht im „Mittelfeld“ der Liga, wie er zur Vorstellung etwas optimistisch behauptete, sondern ganz weit vorn. Warum drumherum reden?
Wir gönnen uns dieses Erlebnis und wir tun es gern. Aber der SC Preußen spielt jetzt einfach auch finanziell bei den Profis mit, und das spürt man. Dann und wann sollte der Klub innehalten, durchatmen und sich das noch einmal bewusst machen.
Herzliche Grüße
Ihr Carsten Schulte
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Carsten Schulte
…stammt aus dem Münsterland, hat mal Buchhändler gelernt, arbeitet aber seit fast 20 Jahren als Journalist für verschiedene Medienhäuser. Den SC Preußen Münster begleitet er mittlerweile mit seinem eigenen Magazin preussenjournal.de. Von ihm sind auch einige Bücher und Magazine über den Klub erschienen.
Der Donnerstags-Brief
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