Die RUMS-Kolumne von Juliane Ritter | Ein Abschied und ein Ausblick

Porträt von Juliane Ritter
Mit Juliane Ritter (Name geändert)

Guten Tag,

ich bin raus! Nicht raus aus der Pflege, zumindest weiterhin vorerst noch nicht – aber raus aus Münster. Zeit für einen Blick zurück und die Frage „Was nun?“.

In dieser Kolumne wollte ich über das schreiben, was sich im Großen ändern müsste und was sich im Kleinen ändern könnte. Ich fühlte mich dazu getrieben, etwas zu unternehmen, aktiv zu werden, weil es fester Bestandteil meines beruflichen Alltags war, zu erleben, wozu uns das auf Profite ausgerichtete System zwingt.

Ich habe an Demonstrationen in Münster, Nordrhein-Westfalen und ganz Deutschland teilgenommen. Ich habe mich gewerkschaftlich organisiert und Tarifkämpfe für eine bessere Vergütung, vor allem aber für bessere Arbeitsbedingungen aller Beschäftigten in der Klinik ausgefochten. Ich habe mich in Öffentlichkeitsarbeit und der Pflegekammer berufspolitisch engagiert.

Und die Wahrheit ist, ich bin damit nicht allein, sondern wir sind viele!

Ich bin weiterhin überzeugt davon: Wenn man in der Pflege etwas verbessern will, muss man die Pflege von Grund auf selbst gestalten und für die notwendigen Veränderungen mit anpacken. Und das geht am besten zusammen!

Erfolgreicher Kampf für Entlastung

Das haben wir in Münster in den letzten Jahren gezeigt. Wir haben uns in der Klinik zusammengeschlossen, um gemeinsam gegen die immer katastrophaler werdenden Arbeitsbedingungen und zunehmend Patient:innen-gefährdende Versorgungsstrukturen anzugehen. Wir haben uns zu Hunderten gewerkschaftlich organisiert und konnten gemeinsam mit den anderen Unikliniken in NRW einen komplett neuen Entlastungstarifvertrag (TV E) für unsere Kliniken erkämpfen. Wir haben die gewerkschaftlichen Vertrauensleute-Strukturen in unserer Klinik ausgebaut und gefestigt.

Deswegen können wir, die Beschäftigten, uns heute immer noch mit unserer Expertise in die Umsetzung des TV E einbringen und sind ein ernst zu nehmender Gesprächspartner in unserer Klinik.

Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass unsere Kämpfe nicht losgelöst vom restlichen Alltagsgeschehen sind. Gesellschaftspolitische Probleme, die sich zum Beispiel aus dem Klimawandel, der Globalisierung oder den erstarkenden rechten Gruppierungen ergeben, haben auch ganz spezifische Auswirkungen auf uns Beschäftigte im Gesundheitswesen. Die Vernetzung in lokale Bündnisse ergab sich selbstverständlich.

Indem wir zusammenstehen, halten wir das alles auch aufrecht und können es weiter voranbringen. Wir müssen uns weiter einmischen und dürfen mit unserem Blick dafür nicht in der Klinik bleiben.

Das gesamte System in den Blick nehmen

Manchmal ist das Große nämlich gar nicht so groß. Vor allem in unserem Kampf um den TV E hatten wir viel Kontakt zu Politiker:innen. Für unseren TV E waren Gesetzesänderungen notwendig und dafür sind nun einmal Politiker:innen verantwortlich. Häufig konnten wir die notwendigen Schritte anstoßen, weil wir eben vor Ort mit Politiker:innen den Austausch gesucht haben. Für mich heißt das, wir müssen auch in der lokalen Politik mitmischen.

Es ist Teil unseres professionellen Selbstverständnisses, dass zur Erhaltung der Gesundheit nicht nur der betroffene Mensch, sondern auch sämtliche Einflussfaktoren drumherum einzubeziehen sind. Für uns als professionell Pflegende heißt das auch, dass wir in der Verantwortung sind, uns mit unserer Expertise dafür einzusetzen, dass das System der Gesundheitsversorgung eine fachkompetente, qualitativ hochwertige und Patient:innen-orientierte Versorgung zulässt. Deswegen finde ich, gehört es mit zu unserem Beruf, sich für die Belange der Pflege einzusetzen.

Wir Pflegenden müssen darauf gucken, welche Parteien diejenigen sind, die ernsthaft etwas für das Krankenhaus, für Pflegende, für unser Gesundheitssystem tun. Welche Parteien setzen sich seit Jahren für die notwendigen, weitreichenden Veränderungen ein und bieten uns Pflegekräften in Auseinandersetzungen von sich aus die Bühne? Unterm Strich bleibt da nur eine Erkenntnis: Linke Parteipolitik ist unser Weg aus der Krise.

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Neue Reform wird Arbeitsbedingungen verschärfen

Die Krankenhausreform kommt. Sie wird die Arbeitsbedingungen in den großen Kliniken der Maximalversorgung verschärfen und bringt Unsicherheit für kleinere Kliniken. Sie behält die Ausrichtung des Systems auf Profite.

Was passiert mit den Pflegekräften der kleineren Kliniken, wenn es ihren Fachbereich künftig nicht mehr an ihrer Klinik geben wird – erhalten sie Unterstützung bei der Einarbeitung in einen anderen Fachbereich, können sie in der Nähe ihres Wohnortes in eine andere Klinik wechseln oder drängt es sie aus dem Beruf?

Auch bei unserer Berufsgruppe spielt, wie bei den Mediziner:innen, fachliche Spezialisierung eine große Rolle. Wir sind nicht einfach eine Zahl auf dem Papier, die man beliebig innerhalb eines Bundeslandes oder sogar darüber hinaus von Klinik zu Klinik verschieben kann. Wie wirkt sich die Reform auf die Arbeitsbedingungen an den großen Kliniken wie den Unikliniken aus – reichen die Regelungen unseres TV E aus, um künftig nicht nur noch Patient:innen mit hoch komplexen Krankheitssituationen würdevoll versorgen zu können? Kann unsere berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung mit den strukturellen Entwicklungen mithalten? Können noch ausreichend Pflegekräfte den Belastungen und Herausforderungen standhalten?

Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass wir Einfluss auf die Antworten solcher Fragen nehmen können. Wir müssen uns organisieren, uns einbringen und mitmischen – im Krankenhaus, in der Gewerkschaft, in Berufsverbänden, in der Kammer, in der Politik.

Das ist auch mein weiterer Weg. Und vielleicht hilft mir das, um eines Tages sagen zu können: Ich bin nicht raus aus der Pflege. Punkt.

Das hier ist meine letzte RUMS-Kolumne. Vielen Dank fürs Lesen. Bleiben Sie gesund, solidarisch und organisieren Sie sich für Ihre Anliegen.

Herzliche Grüße
Ihre Juliane Ritter

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Juliane Ritter (Name geändert)

… arbeitet als Pflegekraft in einem Krankenhaus in Münster. Sie schreibt in dieser Kolumne darüber, warum sie ihren Beruf liebt. Und darüber, wo es hakt und was in der Pflege besser laufen müsste – grundsätzlich und in Münster. Juliane Ritter ist nicht ihr richtiger Name. Sie schreibt unter einem Pseudonym, damit sie frei über Schwierigkeiten und Missstände erzählen kann.

Die Kolumne

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