Community-Beitrag
Eva Strehlke hat mit Helen Schlüter von der Studierendeninitiative Weitblick Münster gesprochen

RUMS stellt vor: Weitblick Münster (#12)

Eva Strehlke hat mit Helen Schlüter von der Studierendeninitiative Weitblick Münster darüber gesprochen, warum sie Bildung für die wichtigste Grundlage globaler Gerechtigkeit hält und was man beim Schulbau in Benin alles lernen kann. Das Gespräch wurde im Rahmen unserer Marketingaktion auf dem Weihnachtsmarkt 2021 geführt.

von Eva Strehlke
Helen Schlüter, Weitblick Münster

Interview mit Helen Schlüter von der Studierendeninitiative Weitblick Münster

Helen, wofür engagiert ihr euch bei Weitblick?

Weitblick setzt sich weltweit für gerechtere Bildungschancen ein, und zwar durch ganz unterschiedliche Projekte. Bildung ist unserer Meinung nach die wichtigste Grundlage für globale Gerechtigkeit. Wenn ein Kind Zugang zu Bildung erhält, hat es einfach mehr Möglichkeiten, seine eigenen Wünsche zu verwirklichen und dadurch auch glücklicher zu werden. Leider ist der Zugang zu Bildung noch lange nicht ideal und gerecht verteilt – weder in den Ländern des globalen Südens noch hier vor Ort in Münster. Deshalb setzen wir von Weitblick uns in verschiedenen Projekten dafür ein, mehr Menschen den Zugang zu Bildung zu ermöglichen.

Welche Weitblick-Projekte gibt es in Münster?

Da gibt es eine ganze Reihe, zum Beispiel die Theatergruppe und einen Spendenlauf. Zudem gibt es immer sehr viel zu organisieren. Es gibt Gruppen, die sich um Mitgliedergewinnung kümmern, andere stellen Partys und Fundraising-Projekte auf die Beine.

Gibt es ein Projekt, das dir besonders am Herzen liegt?

Ja, unser Pat:innenprogramm. Das ist ein Projekt, bei dem unsere Mitglieder Patenschaften für Grundschulkinder übernehmen. Sie setzen Bildungsprojekte mit Kindern aus benachteiligten Familien um, darunter sind häufig auch Kinder geflüchteter Familien. Diese Kinder werden uns durch die Schulsozialarbeiter:innen vermittelt, das läuft sehr gut. Die Pat:innen unternehmen gemeinsam mit den Kindern etwas, sie fahren zum Beispiel auf den Biobauernhof oder ins Museum. Über solche gemeinsamen Unternehmungen versuchen sie, Zugang zu den Kindern zu finden und ihnen Aktivitäten zu ermöglichen, die die Kinder vielleicht sonst nicht erleben würden. Im Idealfall gewinnen sie das Vertrauen der Kinder und werden so zu einer neuen Bezugsperson, die sie eine Zeit lang begleitet. Dabei sind schon sehr schöne Partnerschaften entstanden.

Ihr seid nicht nur in Münster aktiv, sondern engagiert euch weltweit für gerechtere Bildungschancen. Kannst du an einem Beispiel erklären, wo und welche Projekte ihr im Ausland umsetzt?

Wir sind mit unseren Projekten zum Beispiel in Honduras oder in Benin in Westafrika aktiv. Es gibt eigentlich nicht das typische Weitblick-Projekt, denn unsere Projekte sind sehr divers. Aber wir engagieren uns schon seit unserer Gründung dafür, unseren beninischen Partnerverein ESI beim Schulbau finanziell zu unterstützen. Das heißt, wir finanzieren Grundschulbauten oder Gebäude für weiterführende Schulen und setzen sie dann mit unseren Partnerorganisationen vor Ort um. Ich selbst bin damals übrigens über ein Schulprojekt in Kambodscha zu Weitblick gekommen. Ich wollte mich nach dem Abitur gerne im Ausland engagieren und habe dann über eine Lehrerin von Weitblick erfahren. Und ich bin nach dem Projekt dabeigeblieben und war später auch mal vor Ort in Benin.

Was genau hast du dort gemacht und erlebt?

Weitblick hat die Menschen in diesem Projekt finanziell dabei unterstützt, die bereits existierenden Schulen in der Region Dogbo durch ein Steingebäude wetterfest zu machen. Es war eine typische Situation, wie sie auf dem Land oft vorkommt: Lehrer:innen und Schüler:innen unterrichten und lernen in provisorisch errichteten Gebäuden, zum Beispiel aus Farn und Blättern. Das ist natürlich keine geschützte und produktive Lernumgebung, vor allem dann nicht, wenn die Regenzeit kommt. Deshalb unterstützen wir finanziell dabei, die Schulen mit soliden Steingebäuden auszustatten. Uns wurde von unserem Partnerverein rückgemeldet, dass nach einem solchen Umbau tatsächlich auch mehr Schülerinnen und Schüler zur Schule kommen, und wir sehen, dass sie mit einem guten Gefühl zur Schule gehen. Als ich in Benin bei einer Schuleröffnung dabei war, habe ich die Freude der Kinder selbst erleben können.

Ein schöner Erfolg.

Ja, solche Erlebnisse sind auch für uns sehr schön und motivieren uns. Aber auch wenn wir mit unseren Projekten schon viel erreichen, hört unser eigener Lernprozess nie auf. Wir versuchen immer, uns noch zu verbessern und unser Engagement noch ganzheitlicher zu gestalten. Gerade arbeiten wir zum Beispiel daran, die Schulen, die wir bereits finanziell unterstützt haben, mit Latrinen auszustatten. Für viele Mädchen ist ihre Periode während der Schulzeit ein Problem. Doch das sollte sie natürlich nicht sein – und vor allem sollte sie kein Mädchen daran hindern, zur Schule zu gehen. Deswegen bessern wir an dieser Stelle jetzt nach. Es ist immer ein Prozess.

Der Schulbau ist ja nicht euer einziges Projekt. Was macht ihr in den Partnerländern noch?

In Benin haben wir auch noch einen Start-Up-Wettbewerb ins Leben gerufen, der sich an Gründer:innen vor Ort richtet. Darüber hinaus organisieren wir gerade einen Austausch, in dem deutsche und beninische Studierende gemeinsam ein Unterrichtskonzept zum Thema Nachhaltigkeit und Klimawandel ausarbeiten.

Austausch ist sowieso ein wichtiges Thema für uns. Wir haben auch eine Austauschgruppe, die sich dafür einsetzt, dass beninische Studierende mithilfe eines Stipendiums von Weitblick ein Semester lang hier in Münster studieren können. Und andersherum gehen ungefähr vier bis fünf unserer münsteraner Mitglieder jährlich in eines unserer Partnerländer, um unser Projekt und unsere Partner:innen sowie das Leben und die Menschen vor Ort kennenzulernen. Wir freuen uns immer sehr, wenn jemand diese Möglichkeit nutzt. Die Coronapandemie hat unsere Projektarbeit im Ausland allerdings sehr erschwert. Aber ich hoffe, dass sich das bald wieder ändert.

Das Engagement europäischer Organisationen im Ausland wird ja manchmal auch kritisch betrachtet. Wie steht ihr dazu?

Ja, das ist ein ganz großes Thema für (internationale) Organisationen, die sich mit Entwicklungszusammenarbeit beschäftigen, mit dem auch wir uns sehr viel auseinandersetzen. Es ist uns ganz wichtig, unsere Arbeit und die globalen Strukturen kritisch zu reflektieren, die in den letzten Jahrhunderten durch den Kolonialismus entstanden sind und die sich bis heute in Form von Machtunterschieden auswirken. Wir bewegen uns mit unserem Engagement auf einem ganz, ganz schmalen Grat, über den viel gesprochen werden muss. Wir wollen nicht missionieren und keine ungerechten Strukturen weiter vertiefen, sondern versuchen immer, mit unseren Partnerorganisationen auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten und die gemeinsame Arbeit regelmäßig zu evaluieren. Durch diese Zusammenarbeit lernen wir sehr viel voneinander.

Weitblick ist eine Studierendeninitiative. Können sich bei euch nur Menschen engagieren, die an der Uni Münster studieren?

Nein, jede:r kann sich bei uns engagieren. Es sind zwar viele Studierende dabei, weil Weitblick ja im Jahr 2008 hier in Münster als Studierendeninitiative gegründet wurde. Aber wir freuen uns über alle, die sich bei uns engagieren möchten. Man braucht vor allem Motivation und sollte offen für unsere Themen sein und dafür, Menschen zu treffen. Wer sich für unsere Arbeit interessiert, kommt am besten einfach zu einem unserer Infoabende, die zweimal jährlich stattfinden und bei denen sich die Projektgruppen vorstellen. Der nächste Infoabend ist am 28. April um 19 Uhr im Raum S1 im Schloss. Wir haben einen Mitgliedsbeitrag von 2 Euro im Monat, das ist selbst für Studierende nicht viel. Und schon ist man dabei, wenn man möchte – und kann mit einer netten Gruppe einen Schritt in Richtung einer gerechteren Zukunft machen.

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