Kidane und Herr Schweitzer

50 Prozent der Kinder, die im Stadtteil Münster-Coerde zu Hause sind, leben in Armut. Das hat Folgen für ihre Chancen auf Bildung — und damit für ihr ganzes Leben. Eines dieser Kinder ist Kidane. RUMS-Autorin Sigrid März hat den Zehnjährigen getroffen. Und sie hat mit dem Bildungsexperten Jochen Schweitzer gesprochen, der etwas für die jungen Menschen in seinem Stadtteil verbessern möchte.
Text: SIGRID MÄRZ
Redaktion: CONSTANZE BUSCH, RALF HEIMANN
Titelfoto: NIKOLAUS URBAN
Der zehnjährige Kidane ging immer gerne in die Schule, doch wie wichtig sie ihm ist, verstand er erst im Frühjahr während des ersten Lockdowns. Er fühlte sich oft allein. Er vermisste die Zeit mit anderen Kindern. Er saß viel zu Hause herum. Ob es im Sommer ein Ferienprogramm geben würde, war noch nicht klar. In dieser Zeit hörte Kidane von einem Theaterprojekt in der Nähe, keine zehn Minuten vom Eichhornweg in Coerde entfernt, wo Kidane bei seiner Tante wohnt. Das Projekt war für ihn ein Glücksfall.
Zwölf Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren probten eine Woche lang auf dem Gelände des Sportvereins Teutonia, begleitet von zwei Theaterpädagoginnen. In dem Stück, das sie spielten, ging es um eine Löwin, die nicht schreiben kann.
Zwischendurch schaute immer wieder ein älterer Herr vorbei. Jochen Schweitzer, 78 Jahre alt, ein ehemaliger Lehrer. Manchmal brachte er den Kindern morgens Brötchen. Schweitzer hatte das Projekt organisiert, um die Corona-Zeit zu überbrücken, zusammen mit der Kinderkulturwerkstatt Musifratz. Er hatte auf eigene Faust einen Übungsraum besorgt, Bühnenplatten und eine Plane gegen den Regen. Und er hatte ein Hygienekonzept erstellt. Bei der Aufführung am Ende saß er im Publikum. Für das Finale hatte er den Clown Fidelidad eingeladen.
Die Kinder spielten voller Inbrunst Affen, Löwen und Flamingos, in bunten Kostümen und mit viel Selbstbewusstsein. An diesem Tag sah Kidane glücklich aus.
Das ist die eine Seite der Geschichte, die schöne. Doch es gibt auch noch eine andere. Sie klingt nicht ganz so schön.
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