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David mit einer großen Schaufel auf einem Acker

Neuland beackern

Eigentlich sollte der Biohof Biolee neben dem Gemüseanbau auch zum Bildungsort werden. Doch lange mussten die Landwirte um ihr Land bangen. Das hätten sie durch einen Rechtsstreit fast verloren. Ein neues Urteil gibt jetzt jedoch Hoffnung. Svenja Stühmeier hat sich das für uns genauer angeschaut.

von Svenja Stühmeier • Redaktion: Sebastian Fobbe und Anna Niere • Lektorat: Maria Schubarth

Vor knapp zwei Jahren haben die Landwirt:innen Sarah Hoffmanns und David Büchler einen großen Etappenerfolg für ihren Biohof Biolee gefeiert. Insgesamt 150.000 Euro waren in Form von Genossenschaftsanteilen zusammengekommen. Der Weg zum Kauf war also frei – nur ist bislang noch nichts passiert (RUMS-Brief).

Der Kauf steht schon sehr lange auf der Kippe, weil die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen nicht zustimmen will. Die Kammer muss aber immer grünes Licht geben, wenn große Landwirtschaftsflächen verkauft werden und es mehrere Interessierte gibt.

Schließlich landete der Fall vor dem Oberlandesgericht Hamm. Das gab Biolee vergangene Woche nach anderthalb Jahren Rechtsstreit Recht, der Acker darf also gekauft werden. Bis Anfang November hat die Landwirtschaftskammer jetzt Zeit, Widerspruch einzulegen.

Ein ungewöhnlicher Fall

Mit dem Urteil wäre die Sache abgehakt, könnte man zumindest meinen. Aber das Ganze ist komplizierter. Der große Haken ist: Sarah Hoffmanns und David Büchler können das Land nicht selbst kaufen. Die beiden sind Quereinsteiger:innen und wollen sich mit dem Biolee-Hof eine neue berufliche Existenz aufbauen. Sie wollen auf dem Ökohof nicht nur Biogemüse anbauen, sondern Landwirtschaft auch erlebbar machen. Regelmäßig kommen Familien und Schulklassen vorbei, die an Kartoffelbuddeltagen auf dem Acker mit anpacken (RUMS-Beitrag).

Die Erbengemeinschaft, der das Land gehört, will jetzt sechs Hektar verkaufen. Ausgerechnet die Fläche, die Biolee für die Bildungsangebote nutzen will. Sarah Hoffmanns und David Büchler brauchen den Acker also. Wie aber können sie kaufen, wenn sie keine halbe Million Euro auf der hohen Kante haben?

Die Lösung ist die Kulturland Genossenschaft. Die hat bereits für knapp 400.000 Euro Anteile erworben und die Möglichkeit, das Land zu kaufen. Die Genossenschaft würde die Fläche an Biolee verpachten. David Büchler sagt, im Gegensatz zu gängigen Pachtmodellen böte dieses mit einer quasi unbegrenzten Vertragslaufzeit die größtmögliche Sicherheit.

Büchler hat deshalb mit der Kulturland Genossenschaft eine Kommanditgesellschaft gegründet: Die Genossenschaft ist die Kommanditistin und gibt das Geld ein. Büchler ist im Gegenzug als Geschäftsführer tätig und darf bei allen Entscheidungen sein Veto einlegen.

Drei Erwachsene mit zwei kleinen Kindern
Die zwei Landwirte mit Kindern und Titus von der Kulturgenossenschaft – zusammen wollen sie Biolee retten.

Die KG soll nun Eigentümerin der sechs Hektar großen Ackerfläche werden. Für den Ökohof Biolee wäre das eine Win-Win-Situation. Denn dann könnte Büchler den neuen Pachtvertrag auf beiden Seiten unterschreiben.

Hier legte die Landwirtschaftskammer allerdings ihr Veto ein. Justiziarin Margarete Kreyenkötte sagte der taz: „Der Gesetzgeber gibt ganz klar vor: Grundsätzlich sollen landwirtschaftliche Flächen von Landwirten im Sinne des Grundstücksverkehrsgesetzes erworben werden.“ Oder einfach gesagt: Eine KG ist keine Landwirtin im rechtlichen Sinne.

Unsere Anfrage bleibt von der Landwirtschaftskammer unbeantwortet. Ein Sprecher schreibt uns, die Kammer prüfe den Fall gerade. Das laufende Verfahren wolle man daher nicht kommentieren.

Kern des Rechtsstreits ist das oben bereits erwähnte Grundstücksverkehrsgesetz. Das soll die Agrarstruktur verbessern und landwirtschaftliche Betriebe absichern. Die Biolee-Seite sagt, kurz zusammengefasst, dass Neugründungen zu einer gesunden Agrarstruktur dazugehören. Wenn das Land einmal der KG gehört, dann würde die Fläche dauerhaft für regionale und ökologische Nahversorgung genutzt. Das sei in Zeiten des Höfesterbens sinnvoller, als das Land an Großgrundbesitzer zu verkaufen.

David Büchler ist daher der Meinung: Das Grundstücksverkehrsgesetz lässt einen Spielraum, den die Landwirtschaftskammer auch nutzen könnte. In anderen Fällen habe die Kulturland-Genossenschaft schon Land nach demselben rechtlichen Modell gekauft.

Schweinemast vor Biohof?

Schon vergangenes Jahr hatte das Amtsgericht Münster der Biolee-Seite in erster Instanz Recht gegeben. Die Landwirtschaftskammer ging dennoch in Revision. Warum, diese Frage lässt die Kammer auf Nachfrage unbeantwortet.

Bisher sah die Landwirtschaftskammer den Fall aber so: An dem Acker hat auch ein Schweinemäster Interesse. Der ist ein aktiver Landwirt und habe deshalb aus Sicht der Kammer ein Vorkaufsrecht.

Titus Bahner von der Kulturland-Genossenschaft sieht einen Interessenkonflikt, wie er kürzlich dem Online-Magazin Perspective Daily sagte: „Das Münsterland ist eine Region mit viel intensiver Tierhaltung, der Bioanteil ist minimal. Wir vermuten, dass die konventionellen Betriebe einer Flächenkonkurrenz durch Quereinsteiger frühzeitig einen Riegel vorschieben wollen.“

Das Oberlandesgericht Hamm sagt in seinem Urteil, dass Verkäufe an Nicht-Landwirt:innen wie eine Kommanditgesellschaft kritisch geprüft werden müssten. Man müsse verhindern, dass Landwirtschaftsfläche nur zu Spekulationszwecken erworben wird. Die Landwirtschaftskammer dürfe einen Verkauf verbieten, wenn dadurch eine „ungesunde Verteilung von Grund und Boden“ drohe.

Das sei im Falle von Biolee aber nicht so, urteilte das Gericht. Schließlich wolle der Ökohof die Fläche gemeinschaftlich nutzen und langfristig pachten. Mit dem Konzept trage der Hof zudem zum Ziel der Bundesregierung bei, mehr landwirtschaftliche Fläche in Deutschland ökologisch und über lange Zeit zu bewirtschaften.

Gründen in der Landwirtschaft: besonders schwierig

Das Urteil ist für David Büchler eine große Erleichterung. Er sagt, viele junge Kolleg:innen würden in ähnlichen Situationen aufgeben. Die Ungewissheit, die hohen Gerichtskosten, für ihn und Sarah Hoffmanns sei das vergangene Jahr mit dem Rechtsstreit eine große Belastung gewesen.

Menschen beim Ausgraben auf dem Acker durch Ackergrün fotografiert
Zum Kartoffelbuddeln kommen viele Familien zu Biolee.

Viele Gründungen in der Landwirtschaft scheitern, weil der Erwerb oder die Pacht von Land zu teuer und zu bürokratisch sind. Sowohl das EU-Forschungsprojekt „Newbie“, das drei Jahre lang neue Landwirtschaftsmodelle unterstützt hat, als auch der Agrarbericht von 2023 nennen insbesondere hohe Pacht- und Kaufpreise als Hürde für neue Landwirt:innen.

Die Kulturland-Genossenschaft schreibt in einer Pressemitteilung, das Gericht habe diese Schwierigkeiten in seinem Beschluss berücksichtigt. Es habe anerkannt, dass David Büchler konkret und junge Landwirt:innen insbesondere im Raum Münster generell quasi keine Möglichkeiten haben, Flächen zu erwerben – sofern sie nicht geerbt haben.

Sarah Hoffmanns und David Büchler hoffen, dass sie mehr junge Landwirt:innen ohne eigenen Hof ermutigen können. „Die landwirtschaftliche Branche hat ein Problem mit Nachwuchskräften“, sagt Büchler. „Wir wollen einen Weg bereiten für junge Menschen, die Bock auf den Beruf haben.“

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