Der Sinn und Unsinn der Kanalerweiterung | Baddabäm! Eine neue Show in Münster | Reportage: Bioland vs. Bauland

Müns­ter, 10. Okto­ber 2023

Guten Tag,

am Sonn­tag haben ein paar Leu­te bei einem Kanal­spa­zier­gang fest­ge­stellt: Da wer­den ja alte Eichen abge­holzt, und es soll damit noch wei­ter­ge­hen. Sie haben kur­zer­hand dazu auf­ge­ru­fen, ab Mon­tag­mor­gen eine Pro­test­ak­ti­on an der Pleis­ter­müh­len­weg-Brü­cke zu star­ten. Hat geklappt, die Poli­zei spricht von 20 Per­so­nen, die Aktivist:innen von 50, die vor Ort waren. Ein klas­si­scher Mon­tag also für die­je­ni­gen, die eigent­lich den Job hat­ten, wei­te­re Bäu­me zu fällen.

Aber war­um eigentlich?

Die Bäu­me sol­len für die neue Brü­cke wei­chen. Sie wis­sen schon, die Geschich­te mit der Kanal­er­wei­te­rung, die schon ziem­lich lan­ge dau­ert und sich bereits oft ver­zö­gert hat (RUMS-Brief). Ein erheb­li­cher Grund dafür ist der Per­so­nal­man­gel, im August hat über den Still­stand etwa der WDR berich­tet. Das Per­so­nal, das die Brü­cke am Pleis­ter­müh­len­weg bau­en soll, ste­he jetzt aber zur Ver­fü­gung. Bau­be­ginn ist für Som­mer 2024 geplant, teilt uns eine Spre­che­rin der zustän­di­gen Behör­de mit, des Was­ser­stra­ßen- und Schiff­fahrts­am­tes West­deut­sche Kanä­le am Stand­ort Rhei­ne, oder ein­fach kurz: WSA.

Der Plan ist, den Kanal brei­ter zu machen. An die­ser Stel­le sol­len etwa 30 Meter dazu­kom­men. Grund dafür: Grö­ße­re Schif­fe sol­len unter der Brü­cke hin­durch pas­sen und auch anein­an­der vor­bei­fah­ren können.

„Einige Leute haben geweint“

Heu­te Vor­mit­tag hock­ten wie­der eini­ge Men­schen auf den gefäll­ten Bäu­men. Die Ver­samm­lung ist für die nächs­ten zwei Wochen ange­mel­det, jeweils von acht Uhr mor­gens bis sechs Uhr abends. Gleich neben­an, da, wo noch Bäu­me ste­hen, sind ein paar Leu­te ziem­lich weit nach oben geklet­tert und lie­gen dort in ihren Hängematten. 

Die Men­schen sind aus unter­schied­li­chen Grup­pen gekom­men. Zum einen habe sich die Kli­ma­ge­rech­tig­keits­be­we­gung rund um die Pro­tes­te in Lüt­zer­ath viel stär­ker ver­netzt, sodass Infor­ma­tio­nen jetzt viel schnel­ler und brei­ter ver­teilt wer­den, das ist der Ein­druck eines Men­schen vor Ort. 

Zum ande­ren ist die Dis­kus­si­on nicht neu. Mecht­hild Köne­mann etwa setzt sich schon seit Jah­ren gegen den Kanal­aus­bau ein. Sie ist Anwoh­ne­rin und berich­tet, dass vie­le in der Nach­bar­schaft damit nicht zufrie­den sei­en. „Eini­ge Leu­te haben geweint, als sie die gefäll­ten Bäu­me gese­hen haben“, sagt sie.

Für die Men­schen in der Nach­bar­schaft hat das schließ­lich eine sehr kon­kre­te Aus­wir­kung: Sie ver­lie­ren einen Nah­erho­lungs­ort. Eini­ge erzäh­len zum Bei­spiel, dass man dort ganz wun­der­bar die Hän­ge­mat­te auf­hän­gen konnte.

Anderthalb Schiffe pro Tag

Sie haben aber auch grund­sätz­lich das Gefühl, dass der Aus­bau intrans­pa­rent abläuft. Sie wol­len Öffent­lich­keit schaf­fen für ihre grö­ße­ren Fragen.

War­um wer­den in Zei­ten der Kli­ma­kri­se Bäu­me gefällt für ein Pro­jekt, von dem man immer wie­der hört, dass sich sowie­so noch alles verzögert? 

War­um wer­den 2023 Plä­ne aus dem Jahr 2008 befolgt, die wie­der­um auf Grund­sät­zen von 1994 (Sei­te 8) beru­hen?

War­um soll Natur für Wirt­schafts­wachs­tum wei­chen und für Trans­por­te von Mate­ria­li­en wie Koh­le, wenn doch eigent­lich die Ener­gie­wen­de bevor­ste­hen soll? 

War­um der gan­ze Auf­riss für ein paar Schiffe? 

Laut WDR fah­ren momen­tan im Schnitt andert­halb gro­ße Schif­fe am Tag durch Müns­ter, 2030 sol­len es drei sein. Reicht da nicht ein Ampel­sys­tem, sodass sie im Zwei­fel war­ten, um nicht mit­ein­an­der zu kol­li­die­ren? „Das ist hier ja kei­ne Auto­bahn“, sagt eine Per­son aus der Gruppe.

Ausbau auf einer anderen Ebene

Genau die­sen Ver­gleich zieht Ulrich Wie­ching aber tat­säch­lich. Er lei­tet das WSA. „Vom Cha­rak­ter her ist der Kanal wie eine Bun­des­au­to­bahn“, sagt er. Soll hei­ßen: Der Kanal ist wich­tig für das gesam­te Kanal­netz in Deutsch­land. Das wie­der­um wird bemes­sen auf eine bestimm­te Schiffs­grö­ße. Danach wird es aus­ge­baut, seit 1994. Und man geht davon aus, dass das wie geplant durch­ge­führt wird.

Der Aus­bau pas­siert also gewis­ser­ma­ßen auf einer ande­ren Ebe­ne. Wäh­rend es für die Men­schen vor Ort um das Grün vor der Haus­tür geht, spielt für die Pla­nung eine Rol­le, dass Müns­ter die ein­zi­ge Kanal­ver­bin­dung zwi­schen dem nord-/ost­deut­schen und dem west-/süd­deut­schen Raum ist.

Ulrich Wie­ching sagt am Tele­fon: Dass die Maß­nah­me not­wen­dig ist, hät­te ja das Plan­fest­stel­lungs­ver­fah­ren erge­ben. Und auch, dass es für die Unter­su­chun­gen zur Umwelt­ver­träg­lich­keit schon 1994 sehr hohe Stan­dards gege­ben habe und dass es bis heu­te kei­ne neu­en Erkennt­nis­se gebe. Heißt das, dass die vor 30 Jah­ren schon super fort­ge­schrit­ten waren? Heißt das, dass die heu­ti­gen Stan­dards nicht dem Stand der Wis­sen­schaft ent­spre­chen? Wir wis­sen es nicht.

Was wir aber wis­sen: Schif­fe sind emis­si­ons­är­mer als Lkw-Trans­por­te. Das sagen Ulrich Wie­ching und auch das Umwelt­bun­des­amt. Laut einer Bro­schü­re ver­brau­chen Lkw das Drei­fa­che pro Ton­nen­ki­lo­me­ter. Der Kanal­aus­bau bedeu­tet also nicht zwin­gend, dass ins­ge­samt mehr Güter hin und her trans­por­tiert wer­den. Wie­ching nennt als ein Ziel, mehr Güter von der Stra­ße aufs Was­ser zu verfrachten.

„Regen- und Unwettertänze“

Bleibt die Fra­ge: Was wird da über­haupt trans­por­tiert? Und brau­chen wir das alles in ein paar Jah­ren noch? Ein kur­zer Blick auf die Ladungs­ar­ten, die 2022 Müns­ters Schleu­se pas­siert haben. Ins­ge­samt kamen knapp zehn Mil­lio­nen Ton­nen zusammen. 

Den größ­ten Anteil mit 1,8 Mil­lio­nen Ton­nen mach­ten land- und forst­wirt­schaft­li­chen Erzeug­nis­se aus. Genau­so viel Stein, Erde und Bau­stof­fe wur­den trans­por­tiert. Etwa 1,7 Mil­lio­nen Ton­nen waren Mine­ral­öl­er­zeug­nis­se (also zum Bei­spiel Gas), fes­te Brenn­stof­fe (der Groß­teil ist Koh­le) waren gut eine Mil­li­on Tonnen.

Die Ampel war im Gespräch, habe sich aber nicht als sinn­vol­le Maß­nah­me erwie­sen, schreibt die WSA-Spre­che­rin. Die Kos­ten wären auch ohne Kanal­ver­brei­te­rung hoch gewe­sen, gleich­zei­tig hät­te man zusätz­li­che War­te­stel­len bau­en müs­sen und die Trans­port­zei­ten wür­den sich „unzu­mut­bar ver­län­gern“. Also: kein ange­mes­se­nes Kosten-Nutzen-Verhältnis.

Damit die Brü­cke am Pleis­ter­müh­len­weg gebaut wer­den kann, müs­sen auch Bäu­me auf der ande­ren Sei­te gero­det wer­den. Das wur­de jetzt vor­ge­zo­gen, weil die eine Sei­te ja besetzt ist. Und was macht die Poli­zei? „Regen- und Unwet­ter­tän­ze“, sagt uns eine Spre­che­rin. Also: Solan­ge es kei­ne wei­te­ren Beein­träch­ti­gun­gen gibt, sehe man kei­nen Grund, etwas gegen die ange­mel­de­te Ver­samm­lung zu unternehmen.

Eine Ent­täu­schung? Nein, nicht wirk­lich. Heu­te Vor­mit­tag ging nie­mand davon aus, die Rodung tat­säch­lich zu ver­hin­dern. „Aber wenn man bei unnö­ti­gen Pro­jek­ten vor­her eine Woche Stress macht, führt das viel­leicht dazu, dass es in Zukunft einen bes­se­ren Aus­tausch im Vor­feld gibt.“ (sst)

Kurz und Klein

+++ Am Stadt­wein­haus hängt eine israe­li­sche Fah­ne, die zei­gen soll: Müns­ter ist soli­da­risch. Ober­bür­ger­meis­ter Mar­kus Lewe hat nach dem Angriff der isla­mis­ti­schen Ter­ror­or­ga­ni­sa­ti­on Hamas am Wochen­en­de gesagt: „Wir ste­hen fest an der Sei­te Isra­els und an der Sei­te unse­rer israe­li­schen Freun­din­nen und Freun­de hier in Müns­ter.“ Müns­ters Part­ner­stadt Rishon Le Zion ist mit Rake­ten beschos­sen wor­den, auch ges­tern wie­der. Laut der Stadt Müns­ter gibt es meh­re­re Opfer, über 20 vor allem jun­ge Men­schen wer­den ver­misst. Dar­über berich­ten auch die West­fä­li­schen Nach­rich­ten, wie auch über die Kund­ge­bung am Mon­tag­abend vor dem Rat­haus, an der etwa 300 Men­schen teil­ge­nom­men haben. Eine Grup­pe aus Müns­ter, die ges­tern nach Rishon Le Zion rei­sen woll­te, hat die Rei­se laut Zei­tung abge­sagt. Das Maga­zin „Kir­che + Leben“ hat mit Anselm This­sen gespro­chen, dem Lei­ter einer Pil­ger­rei­se, die zum Zeit­punkt des Angriffs schon am See Gene­za­reth ange­kom­men war. Er sagt unter ande­rem: „Aktu­ell ist die Rück­rei­se regu­lär für Don­ners­tag vor­ge­se­hen, doch die Lage kann sich jeder­zeit ändern.“ Zum Schluss noch ein Lese­tipp: Esther Göbel hat schon vor län­ge­rer Zeit in einem Arti­kel für das Maga­zin Kraut­re­por­ter den Isra­el-Paläs­ti­na-Kon­flikt ver­ständ­lich erklärt. Der Text ist immer noch sehr lesens­wert. (rhe)

+++ In der Innen­stadt sind wie­der so vie­le Men­schen unter­wegs wie vor der Coro­na­zeit, aber die Mie­ten im Ein­zel­han­del sin­ken leicht. Das sind zwei Erkennt­nis­se aus dem Han­dels­im­mo­bi­li­en­re­port der Wirt­schafts­för­de­rung. Dazu noch eine Zahl: Der Ein­zel­han­del in Müns­ter hat zuletzt einen Umsatz von zwei Mil­li­ar­den Euro im Jahr gemacht. (rhe)

+++ In der Begeg­nung Preu­ßen Müns­ter und Fans gegen den DFB reagiert der Ver­ein nach zwei absicht­li­chen Eigen­to­ren der Fans wei­ter mit sehr viel Ver­ständ­nis. Preu­ßen Müns­ter dro­hen nach der Pyro-Orgie vor dem Aus­wärts­spiel in Essen und dem Pokal­spiel gegen Bay­ern Mün­chen „die höchs­ten Geld­stra­fen der Ver­eins­ge­schich­te“, so steht es in einer Pres­se­mit­tei­lung vom Mon­tag. Das wer­fe den Ver­ein weit zurück. Trotz­dem habe man „auf öffent­li­che Stel­lung­nah­men und kol­lek­ti­ve Vor­ver­ur­tei­lun­gen“ ver­zich­tet, um direkt mit den Fans zu spre­chen. Stra­fen gibt es aller­dings auch: Der Ver­ein hat bis zum Jah­res­en­de Cho­reo­gra­phien und Fah­nen über den gan­zen Block ver­bo­ten. Ver­ein und Fans hat­ten sich am Don­ners­tag zu einem schon län­ger geplan­ten Tref­fen zusam­men­ge­setzt. Das bestä­tigt die Fan­hil­fe, eine Rechts­hil­fe für Fuß­ball­fans. Vor­her war beim Heim­spiel gegen Aue ein gan­zer Block leer geblie­ben, weil der Ver­ein kurz­fris­tig ver­bo­ten hat­te, Fah­nen­stan­gen aus Plas­tik mit ins Sta­di­on zu neh­men. Die Fan­hil­fe schreibt, das habe der Ver­an­stal­tungs­lei­ter im Allein­gang ent­schie­den. Die Ver­eins­ver­tre­ter hät­ten davon nichts gewusst. Der Ver­ein wie­der­um teilt in sei­ner Stel­lung­nah­me mit, der Dis­sens habe am Don­ners­tag aus­ge­räumt wer­den kön­nen. Wie hoch die Geld­stra­fen aus­fal­len wer­den, die Preu­ßen Müns­ter zah­len muss, ist noch nicht klar. Dar­über ent­schei­det das DFB-Sport­ge­richt. (rhe)

Wie es weiterging – mit Corona

+++ Wenn man jün­ger als 60 ist, ist es nicht so leicht, sich gegen Coro­na imp­fen zu las­sen. Die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on emp­fiehlt die Imp­fung für die­se Grup­pe nicht, vie­le Pra­xen hal­ten sich dar­an (RUMS-Brief). Aber was, wenn man die Imp­fung trotz­dem gern hät­te? Wir haben bei Twitter/X und Blues­ky gefragt und eini­ge Ant­wor­ten bekom­men. Das Pro­blem scheint zu sein: Eini­ge Pra­xen imp­fen auch Men­schen unter 60, wol­len aber nicht so gern dar­über spre­chen. Wenn Sie unter 60 sind und Tipps für eine Imp­fung brau­chen, mel­den Sie sich, dann ver­su­chen wir, eine Pra­xis zu ver­mit­teln. Wenn Sie selbst Tipps haben, wir freu­en uns über Hin­weis. Schrei­ben Sie uns am bes­ten eine E-Mail. (rhe)

Die Reportage 

Sarah und David gegen Goliath

David Büch­ler und Sarah Hoff­manns hat­ten den Traum von einem eige­nen Bau­ern­hof. Dann ergab sich die Mög­lich­keit, einen Hof zu pach­ten. Das Glück schien per­fekt, aller­dings nur kurz. Jetzt könn­te ein Erb­streit den Traum zum Zer­plat­zen brin­gen. Der Kon­flikt wirft eine grund­sätz­li­che Fra­ge auf: Was ist wich­ti­ger – Bio­land oder Bau­land? Jonas May­er von der Repor­ta­ge­schu­le Reut­lin­gen hat die Geschich­te für RUMS recher­chiert und auf­ge­schrie­ben. Kim Opper­mann hat die Fotos gemacht.

Zum Bei­trag

„Findest du Kommunalpolitik langweilig?”

Am Sams­tag ist in Müns­ter eine neue Show zu sehen. Ihr Name ist „Bad­da­b­äm!“ Die Fra­ge, was das bedeu­tet, kön­nen wir über­sprin­gen. Inter­es­sant ist, was „Bad­da­b­äm!“ sein soll. Ralf Heimann hat mit Jonas Rie­mer dar­über gespro­chen, und um das gleich zu klä­ren: Die bei­den sind befreun­det, daher duzen sie sich. Jonas Rie­mer hat sich die Show zusam­men mit der Regis­seu­rin Ruth Mes­sing aus­ge­dacht. Er wird sie auch mode­rie­ren, zusam­men mit Sophie Czi­chon. In der Ankün­di­gung ist die Idee mit vier Wör­tern erklärt: „Schwe­re Kost, leicht ver­dau­lich.“ Hä?

 

 

​​Jonas, ihr wollt eine Sams­tag­abend­show machen, in der es um Poli­tik, Wis­sen­schaft und Jour­na­lis­mus geht. Wie kön­nen wir uns das vorstellen?

Der Ursprung war, dass wir ver­schie­de­ne Kunst­for­men zusam­men­brin­gen woll­ten. Dazu haben wir vie­le Leu­te zusam­men­ge­trom­melt: eine Sopra­nis­tin, eine Tän­ze­rin, meh­re­re Schauspieler:innen, einen Poe­t­ry-Slam­­mer und ande­re Künstler:innen. Die­se Men­schen haben wir beauf­tragt, sich zum jewei­li­gen The­ma der Show etwas aus­zu­den­ken. Es wird also eine Art Polit-Revue, aber jedes Mal auf ande­re Wei­se. Kei­ne Show wird der ande­ren glei­chen, denn die Betei­lig­ten wech­seln von Fol­ge zu Folge.

 

 

Alle Betei­lig­ten?

Nein, Sophie wird jede Show mode­rie­ren. Ich wer­de ihr Side­kick sein. Auch unse­re künst­le­ri­sche Lei­te­rin Ruth Mes­sing ist in jeder Fol­ge dabei. Und die Kon­zert­pia­nis­tin Yes­se Kim. Sie ist gewis­ser­ma­ßen unser Run­d­­funk-Tan­z­or­ches­­ter Ehrenfeld.

 

 

Ihr nennt das, was ihr macht, „para­po­li­ti­sche Abend­un­ter­hal­tung“. Das klingt subversiv. 

Das steht da ehr­lich gesagt vor allem, weil ich Wort­spie­le mag. Wir woll­ten deut­lich machen, dass es in die­ser Revue auch um Poli­tik geht. Aber wenn wir es poli­tisch nen­nen, klingt es zu sehr nach Kaba­rett. Das Wort „para­po­li­tisch“ soll deut­lich machen, dass es auch etwas schräg wird.

 

 

In der ers­ten Fol­ge geht es um Kom­mu­nal­po­li­tik. Das klingt aber gar nicht so schräg.

Ich habe einen Freund, der Kom­mu­nal­po­li­tik macht. Und wenn der davon erzählt, von den Men­schen, vom Wahl­kampf an der Haus­tür zum Bei­spiel, dann ist das teil­wei­se schon absurd witzig.

 

 

Für vie­le Men­schen klingt Kom­mu­nal­po­li­tik aber wahr­schein­lich eher langweilig.

Fin­dest du Kom­mu­nal­po­li­tik langweilig?

 

 

Nein, über­haupt nicht. Im Gegen­teil. Aber Kom­mu­nal­po­li­tik hat viel­leicht ein ähn­li­ches Image­pro­blem wie der Lokal­jour­na­lis­mus. Da den­ken vie­le an Tau­ben­zucht, Mief und Klein­klein. Man muss den Men­schen erst ein­mal zei­gen, dass die­se Vor­stel­lung so gar nicht rich­tig ist.

Ich habe auch bei der Kom­mu­nal­po­li­tik das Gefühl, dass das gar nicht drö­ge und lang­wei­lig ist, wenn es gelingt, eine Ver­bin­dung her­zu­stel­len. Ich den­ke schon län­ger dar­über nach, wie man eine Stadt­rats­sit­zung so gestal­ten könn­te, dass sie auch für Außen­ste­hen­de span­nen­der ist.

 

 

Das ist ja eigent­lich schon der Sinn einer Rats­sit­zung. Es ist im Grun­de ein Schau­spiel, das poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen ver­ständ­lich machen soll. Die Stadt über­trägt die Sit­zun­gen seit Kur­zem ja sogar live.

Mir kommt es trotz­dem sehr her­me­tisch vor. Um die­se The­men mehr Men­schen zu ver­mit­teln, müss­te man die Schwel­le noch wei­ter sen­ken, man müss­te ein­zel­ne Punk­te her­aus­grei­fen und sie ver­ar­bei­ten. Pimp my Stadt­rats­sit­zung sozusagen.

 

 

Genau das ver­su­chen wir bei RUMS. Oder das ver­sucht der Jour­na­lis­mus gene­rell. Oft geht es ein­fach dar­um, die Din­ge in eine Spra­che zu über­set­zen, die alle Men­schen ver­ste­hen können. 

Uns geht es natür­lich auch dar­um, das alles auf einer Büh­ne unter­halt­sam zu präsentieren.

 

 

Du warst in der letz­ten Rats­sit­zung und hast dort eine Ein­woh­ner­fra­ge gestellt. Wie war denn dein Ein­druck von dem, was du da erlebt hast? 

Ich bin da sehr unbe­darft her­an­ge­gan­gen. Bis­lang hat­te ich gar nicht so vie­le Berüh­rungs­punk­ten mit die­ser Sphä­re. Daher war es für mich ganz span­nend, zu sehen, wie das alles funk­tio­niert. Ich habe zum Bei­spiel erst in mei­ner Recher­che her­aus­ge­fun­den, dass man in der Sit­zung eine Fra­ge stel­len kann, wenn man sie recht­zei­tig vor­her ein­reicht. Und dann haben wir gesagt: Wir pro­bie­ren das mal aus, als Selbstexperiment.

 

 

Was ist herausgekommen?

Wir woll­ten etwas zum Paul-Ger­hardt-Haus wis­sen – wie es gelin­gen kann, die Jugend­ar­beit dort zu ret­ten. Sophie hat eine per­sön­li­che Ver­bin­dung dort­hin. Sie hat dort selbst ihre Jugend ver­bracht. Das ist also eine Fra­ge, die uns wirk­lich inter­es­siert hat.

 

 

Aber eine Lösung gibt es noch nicht. 

Nein. Die Ver­wal­tung hat eine Ant­wort gege­ben, die war aber sehr vage und für mich eher unbe­frie­di­gend. Nach der Sit­zung haben mich aber noch zwei Poli­ti­ker ange­spro­chen, von der SPD und von den Grü­nen. Mit denen konn­te ich noch dar­über spre­chen. Und das hat mich gefreut.

 

 

Es geht in der Show also nicht nur um das leicht Schrä­ge, ihr habt auch ein ernst­haf­tes Anliegen. 

Ja, abso­lut. Wir haben uns erns­te The­men gesucht, die sper­rig wir­ken und es teil­wei­se auch sind. Und wir haben uns gefragt: Wie krie­gen wir das hin, dass die Leu­te Lust bekom­men, sich damit zu beschäftigen?

 

 

Und wie wollt ihr das mit der Kom­mu­nal­po­li­tik schaffen?

Wir haben zum Bei­spiel zwei Men­schen ein­ge­la­den, die sich gut aus­ken­nen und davon so erzäh­len kön­nen, dass man ger­ne zuhört. Das sind Didem Ozan, die in Müns­ter für die Grü­nen im Rat geses­sen hat, und das ist der Poli­­tik-Pro­­fes­­sor Mat­thi­as Frei­se. Wir wol­len aber nicht nur mit den Gäs­ten spre­chen. Die Leu­te kön­nen selbst Fra­gen auf­schrei­ben, die stel­len wir dann. Und wir wer­den zwi­schen­durch immer wie­der Stim­mungs­bil­der im Publi­kum einholen.

 

 

Ihr plant fünf Fol­gen. Unter ande­rem geht es um Gren­zen, also um Migra­ti­on oder Waf­fen und deren Bedeu­tung für den Frie­den, dann ist ein The­ma die Res­sour­ce Was­ser. Ich höre her­aus, ihr wollt auch Stel­lung bezie­hen. Ist das dann noch Kunst? Oder ist das schon Jour­na­lis­mus oder Aktivismus?

Das ist tat­säch­lich eine Fra­ge, die mir im Nacken sitzt. Wir nut­zen zwar künst­le­ri­sche Mit­tel, aber als Künst­ler ist mei­ne Auf­ga­be vor allem, kri­tisch in The­men rein­zu­bei­ßen. Da geht es nicht dar­um, kon­kret zu wer­den oder Lösun­gen anzu­bie­ten. Das wol­len wir hier aber schon. Wir wol­len kon­struk­tiv sein. In unse­ren För­der­an­trä­gen haben wir geschrie­ben, dass es auch dar­um geht, den sozia­len und öko­lo­gi­schen Wan­del voranzubringen.

 

 

Viel­leicht künst­le­ri­scher Akti­vis­mus? Akti­vis­ti­sche Kunst?

Das geht schon in die Rich­tung. Unser Anlie­gen ist aller­dings gar nicht so sehr, eine bestimm­te poli­ti­sche Bot­schaft zu ver­mit­teln. Es geht eher dar­um, den Men­schen The­men nahe­zu­brin­gen, sie zu ani­mie­ren, sich in poli­ti­sche Dis­kur­se ein­zu­mi­schen. Es gibt den Begriff der inter­ve­nie­ren­den Kunst. Das ist Kunst, die sich ein­mischt, die pro­vo­ziert, die Fra­gen auf­wirft, die das Ziel hat, Dis­kus­sio­nen anzu­sto­ßen und viel­leicht auch Ver­än­de­run­gen. Das trifft es glaub ich ganz gut.

 

 

Die Pre­mie­re der Show beginnt am Sams­tag um 20 Uhr im Spe­cops am Aegi­di­i­markt. Mehr Infor­ma­tio­nen und Tickets (ab 11 Euro) fin­den Sie hier. Noch mehr Infor­ma­tio­nen zu den wei­te­ren Shows ste­hen hier. Wenn Sie sich den Insta­­gram-Account zur Show anse­hen möch­ten, fol­gen Sie die­sem Link

Und ein Trans­pa­renz­hin­weis: RUMS hängt auch in der gan­zen Sache drin. Sven­ja Stüh­mei­er ist Teil des Teams. 

 

 

Klima-Update

+++ Wie schäd­lich ist eigent­lich Men­sa-Essen für das Kli­ma? Um die­se Fra­ge bes­ser beant­wor­ten zu kön­nen, haben Forscher:innen einen Index ent­wi­ckelt. Der ermit­telt die Aus­wir­kun­gen von Menüs in Groß­kü­chen auf die Arten­viel­falt, berich­tet der Infor­ma­ti­ons­dienst Wis­sen­schaft. Anbau, Wei­ter­ver­ar­bei­tung, Trans­port, Zube­rei­tung und Ent­sor­gung – Die Idee hin­ter dem Pro­jekt „BiTe – Bio­di­ver­si­tät über den Tel­ler­rand“ ist, auf­zu­klä­ren und Konsument:innen pas­send zu infor­mie­ren. Zusätz­lich zei­gen sie Ver­bes­se­run­gen auf, die bereits bei klei­nen Umstel­lun­gen anfan­gen. Ein Bei­spiel: Raps- statt Palm- oder Oli­ven­öl und Zuta­ten aus Euro­pa. Gelei­tet wur­de der Index von der Hoch­schu­le Osna­brück, die Fach­hoch­schu­le Müns­ter war auch betei­ligt. (ino)

+++ Falls Sie am Frei­tag Lust haben, ein biss­chen was zu ler­nen: Uni und Stadt rich­ten gemein­sam den Nach­hal­tig­keits­tag „Cam­pus Earth“ aus. Das Gan­ze fin­det im Fürs­ten­berg­haus, im Geo­mu­se­um und des­sen Außen­be­reich statt. Von 13 bis 20 Uhr gibt es Work­shops und Dis­kus­sio­nen, zum Bei­spiel zum The­ma Atom­kraft und zu der Fra­ge, was eine nach­hal­ti­ge Uni eigent­lich braucht. Das Pro­gramm fin­den Sie hier. Die Teil­nah­me ist kos­ten­los. (sst)

Anony­mer Briefkasten

Haben Sie eine Infor­ma­ti­on für uns, von der Sie den­ken, sie soll­te öffent­lich wer­den? Und möch­ten Sie, dass sich nicht zurück­ver­fol­gen lässt, woher die Infor­ma­ti­on stammt? Dann nut­zen Sie unse­ren anony­men Brief­kas­ten. Sie kön­nen uns über die­sen Weg auch anonym Fotos oder Doku­men­te schicken.

Ein-Satz-Zentrale

+++ Vier jun­ge Män­ner haben einen jun­gen Mann bedroht, der im Zug auf dem Weg nach Müns­ter einen Krampf­an­fall hat­te. (WDR)

+++ Die Pro­me­na­de am Lud­ge­rik­rei­sel wird wegen Asphalt­ar­bei­ten in der Nacht auf Frei­tag für den Rad­ver­kehr gesperrt. (Stadt­net­ze Müns­ter)

+++ Wer ein Fahr­rad an der Wind­thorst­stra­ße geparkt hat, muss es bis Don­ners­tag dort abho­len oder spä­ter in der Fund­fahr­rad­sta­ti­on. (West­fä­li­sche Nach­rich­ten)

+++ Die bau­fäl­li­ge Auto­bahn­spin­ne am Anfang der A43 (bei Bril­lux) soll im nächs­ten Jahr saniert und der Zubrin­ger zur Auto­bahn dann wie­der zwei­spu­rig wer­den. (West­fä­li­sche Nach­rich­ten)

+++ Weil die Gesell­schaft Stadt­net­ze Fern­wär­me­roh­re aus­tau­schen muss, bleibt der Breul erst mal eine Ein­bahn­stra­ße. (Stadt­net­ze Müns­ter II)

+++ Wer Fern­wär­me von den Stadt­wer­ken bezieht, muss jetzt mit Abschlä­gen in drei­fa­cher oder vier­fa­cher Höhe rech­nen, teil­wei­se statt 200 zukünf­tig 600 oder 700 Euro. (Anten­ne Müns­ter)

+++ Das Haupt­zoll­amt Müns­ter hat bei einer Prü­fung sechs Hin­wei­se auf ille­gal Beschäf­tig­te bei Paket­dienst­leis­tern gefun­den. (Haupt­zoll­amt Müns­ter)

+++ Die Stel­le des Müns­te­ra­ner Stadt­förs­ters ist seit 14 Mona­ten unbe­setzt, weil es kei­ne geeig­ne­ten Bewer­bun­gen gibt. (West­fä­li­sche Nach­rich­ten)

+++ Hen­drik Otrem­ba, Autor und Sän­ger der Band „Mes­ser“, über­nimmt die fünf­te Poe­tik­do­zen­tur und wird drei öffent­li­che Vor­le­sun­gen hal­ten. (Uni Müns­ter)

+++ Die Stadt Müns­ter arbei­tet beim Musik-Cam­pus offen­bar nicht mehr mit dem Bau­be­trieb des Lan­des zusam­men, weil sie nicht Unter­mie­te­rin sein woll­te. (West­fä­li­sche Nach­rich­ten)

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Aus Kind­heits­ta­gen ken­nen Sie bestimmt noch Gri­su, den klei­nen Dra­chen, der unbe­dingt Feu­er­wehr­mann wer­den woll­te. Im Mai hat in der Alten Feu­er­wa­che an der Bern­hard-Ernst-Stra­ße 12 ein neu­es Café eröff­net, das – voll­kom­men fol­ge­rich­tig – auch Gri­su heißt. Im Café selbst erin­nert nichts mehr dar­an, dass hier ein­mal Feu­er­wehr­au­tos geparkt haben und spä­ter der Show­room des Cop­pen­rath-Ver­lags behei­ma­tet war. Ein­ge­rich­tet hat das Café Gri­su das Team von „Don­ner­blitz Design“. Wie Sie hier sehen kön­nen, sind allein schon die Möbel ein Grund, das Café zu besu­chen. Essen und trin­ken kann man dort natür­lich auch. Früh­stück gibt es im Café Gri­su am Wochen­en­de bis 14 Uhr.

Hier fin­den Sie alle unse­re Emp­feh­lun­gen. Soll­te Ihnen ein Tipp beson­ders gut gefal­len, tei­len Sie ihn ger­ne ein­fach über den Link.

Drinnen und Draußen

Heu­te hat Dei­ke Ter­horst für Sie in den Kalen­der geschaut. Das hier sind ihre Empfehlungen:

+++ Ganz kurz­fris­tig: Heu­te Abend um 20 Uhr gibt es in der Pen­si­on Schmidt deutsch­spra­chi­gen Indie-Pop aus Leip­zig: Flo­ri­an Sie­vers ali­as „Das Para­dies“. Tickets gibt es für 15 Euro im Online-Vor­ver­kauf oder für 17 Euro an der Abendkasse.

+++ Am Don­ners­tag spielt das Ensem­ble des Wolf­gang Bor­chert-Thea­ters im Rat­haus­fest­saal am Prin­zi­pal­markt um 14:30 Uhr das Stück „Leg ein­fach auf“, ein Prä­ven­ti­ons­stück, das Men­schen über Trick­an­ru­fe auf­klä­ren soll. Im Anschluss beant­wor­tet Alex­an­dra Bruns, Haupt­kom­mis­sa­rin der Poli­zei Müns­ter, Fra­gen aus dem Publikum.

+++ Der Ver­ein „Han­sa 12“ eröff­net am Don­ners­tag um 18 Uhr sei­ne ers­te Aus­stel­lung. Es geht um das Buch „Petra. Eine Geschich­te aus ein­fa­chen Ver­hält­nis­sen“, das Stef Mose­bach illus­triert hat. Die Aus­stel­lung gibt anhand von Text, Foto­gra­fien und Illus­tra­tio­nen einen Ein­blick in das Leben von Mose­bachs Mut­ter und zeigt, wie Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund von sozia­ler Her­kunft das Selbst­be­wusst­sein beein­flusst. Bis zum 25. Novem­ber kön­nen Sie sich alles am Han­sa­ring 12 anschau­en. Geöff­net ist don­ners­tags bis sams­tags ab 15 Uhr. Der Ein­tritt ist frei.

+++ Am Frei­tag um 20 Uhr fei­ert die Thea­ter­pro­duk­ti­on „Hoping for…“ des Cac­tus Thea­ters ihre Pre­mie­re im Pum­pen­haus. In dem Stück geht es um Frie­den. Mit einer trans­kul­tu­rel­len Col­la­ge soll das The­ma auf eine unkon­ven­tio­nel­le Art auf die Büh­ne kom­men. Tickets gibt es online für 18 Euro, ermä­ßigt 10 Euro.

Am Frei­tag schreibt Ihnen Sebas­ti­an Fob­be. Ich wün­sche Ihnen eine gute Woche! 

Herz­li­che Grü­ße
Sven­ja Stühmeier

Mit­ar­beit: Ralf Heimann (rhe), Jan Gro­ße Nobis (jgn), Imke Noet­zel (ino), Dei­ke Ter­horst (dte)
Lek­to­rat: Eva Strehlke

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PS

Es ist ärger­lich, wenn kein Bus kommt. Noch ärger­li­cher ist eigent­lich nur, wenn der Bus dann end­lich in der Fer­ne sicht­bar wird, man in Gedan­ken schon auf sei­nem Platz sitzt, aber dann fest­stellt: Da ist gar kein Platz mehr. Dazu eine gute und eine schlech­te Nach­richt. Die schlech­te zuerst: Das wird auch in Zukunft immer wie­der pas­sie­ren. Und jetzt die gute: An über hun­dert Hal­te­stel­len in der Stadt zei­gen die Anzei­ge­ta­feln das jetzt schon vor­her an. Man kann sich also auf die Ent­täu­schung ein­stel­len. Ist auf der Tafel eine Figur zu sehen, heißt das: Man hat gute Chan­cen auf einen Sitz­platz. Sieht man drei Figu­ren, kann es auch sein, dass sich die Tür erst öff­net, dann wie­der schließt und man immer noch drau­ßen steht. Und noch ein klei­ner Tipp: Wenn Sie gar kei­ne Figur sehen, ist das nicht zwin­gend ein gutes Zei­chen. Dann ist die Anzei­ge mög­li­cher­wei­se ein­fach kaputt. (rhe)