Von Regeln, Reizen und Signalen | RUMS-Umfrage | Auenhof

Porträt von Ralf Heimann
Mit Ralf Heimann

Münster, 2. April 2021

Tübingen hat in dieser Woche das Modellprojekt gestutzt, an dem sich auch die Stadt Münster gern beteiligen würde. Darüber berichtet unter anderem der Spiegel. Sie erinnern sich vielleicht: In Tübingen kann man einen aktuellen Negativtest als Eintrittskarte für Restaurants, Geschäfte oder Theater verwenden. Und dieses Experiment führte eindrucksvoll vor, was es bedeutet, mit einem komplexen Problem konfrontiert zu sein.

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer erklärte das am Mittwoch in der Talkshow von Markus Lanz (ab Minute 60). Er wollte in seiner Stadt herausfinden, ob Schnelltests eine Möglichkeit sein können, zumindest eingeschränkt öffentliches Leben stattfinden zu lassen. Und das wäre dann der Fall, wenn es mit den Tests gelingt, deutlich mehr Infizierte herauszufischen, als durch die Lockerungen produziert werden.

Die Stadt testete zehn Mal so viele Menschen wie der Durchschnitt der deutschen Städte. „Wir haben 50.000 Tests in einer Woche durchgeführt – in einer Stadt mit 90.000 Einwohnern“, sagte Palmer. Und dabei habe man 30 Menschen gefunden, die keine Symptome hatten und von ihrer Infektion noch nichts ahnten. „Die waren zum Teil extrem infektiös“, sagte Palmer. Dass sie gefunden wurden, verhinderte einerseits, dass sie ihre Infektion weitertrugen. Doch gleichzeitig machte der Inzidenzwert einen großen Sprung. Und wenn man nun lediglich auf die Zahlen schaut und den Zusammenhang dahinter nicht kennt, sieht es nach einer dramatischen Entwicklung aus. Das ist das Problem mit der Fixierung auf die Inzidenzwerte.

In Tübingen ging es danach anders weiter, als man es sich erhofft hatte. Und das hat mindestens zwei Ursachen. Zum einen nimmt die Pandemie gerade wieder Fahrt auf. Zum anderen hat Tübingen mit seinem Experiment viele Touristen angelockt, die neue Infektionen in die Stadt brachten. Und dieser Effekt wird in der Bewertung oft vergessen oder unterschlagen: Regeln setzen Anreize und senden Signale. Und diese beeinflussen das Verhalten von Menschen, allerdings oft anders, als sie das sollten.

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