Tausche Katze im Sack | Ist der Handel nur dagegen? | Kleines Brauhaus


Münster, 23. November 2021
Guten Tag,
wenn man etwas bauen möchte, dann muss man das Grundstück, auf dem der Bau stehen soll, vorher kaufen. Und das kann zu Problemen führen, denn manchmal möchten die Personen, denen es gehört, das Grundstück lieber behalten. Das Ergebnis so einer gescheiterten Verhandlung steht am Albersloher Weg 12, gegenüber der PSD-Bank. Das Haus, das früher als Gaststätte „Zum Landsmann“ bekannt war und heute als Bar „Rote Lola“, war auf den Plänen für den Bürokomplex „Portal 10“ längst abgerissen, aber die Familie Pinkus Müller wollte das Grundstück nicht abgeben. Man musste die Pläne ändern.
An derselben Straße, etwa zwei Kilometer weiter südlich, in Höhe der Oberfinanzdirektion, hätte so etwas nun auch passieren können. Dort steht keine alte Gaststätte, aber auch an dieser Stelle möchte die Stadt etwas bauen: einen Haltepunkt an der Strecke der Westfälischen Landeseisenbahn, auf der in ein paar Jahren wieder Züge fahren sollen. Das 328 Quadratmeter große Grundstück, das die Stadt braucht, gehört einer Immobiliengesellschaft, hinter der ein Wirtschaftsfunktionär aus Münster steht.
Wir haben uns entschieden, den Namen des Mannes nicht zu nennen, denn er steht nicht im Verdacht, etwas Illegales gemacht zu haben. Hier geht es auch um private Dinge. Und in dem Fall muss man abwägen zwischen den Nachteilen, die einer Person entstehen, und den Vorteilen für die Öffentlichkeit. Man könnte das hier auch anders bewerten, denn der Mann hat sein Privates selbst zum Teil einer öffentlichen Sache gemacht. Aber wir denken, es ist vor allem wichtig, was hier passiert ist.
Es begann mit Verwunderung
Es ist ein Handel zustandekommen. Der städtische Liegenschaftsausschuss hat diesen Handel am 28. September einstimmig beschlossen. Am Ende waren sich alle Parteien darin einig, dass es besser sei, den Handel einzugehen, als auf ihn zu verzichten, weil die Bahnlinie ein wichtiges Verkehrsprojekt ist.
Doch die Diskussion über Punkt 6.1.3 der Tagesordnung begann mit einiger Verwunderung im Kreis der Ausschussmitglieder. So beschreiben es mehrere Menschen, die anwesend waren. Verwundert waren sie darüber, was der Stadt in dem Papier mit der Nummer V/0646/2021 vorgeschlagen wurde.
Der Ausschuss sollte über zwei Punkte entscheiden. Zum einen: Die Stadt kauft das 328 Quadratmeter große Grundstück zu einem vorläufigen Gesamtpreis von 75.440 Euro, so steht es in dem Papier, zuzüglich Nebenkosten in Höhe von rund 7.500 Euro, zusammen also knapp 83.000 Euro.
Die Verwunderung ergab sich aus dem zweiten Punkt. In ihm geht es um ein privates Anliegen des Grundstückseigentümers. Er „bittet die Stadt Münster bei dieser Gelegenheit bei der perspektivischen Weiterentwicklung seiner Hofstelle behilflich zu sein“. In anderen Worten: Er möchte Land tauschen, um sein privates Grundstück zu vergrößern.
In der Sitzung sei sehr schnell deutlich geworden, dass es hier weniger um eine Bitte ging als um eine Bedingung für das Geschäft. Das bestätigen mehrere Personen. Öffentlich dürfen sich weder die Stadt noch die Ausschussmitglieder zum Inhalt der Diskussion äußern, denn das alles fand in dem Teil der Sitzung statt, der nicht öffentlich ist.
Rein wirtschaftlich entsteht kein Nachteil
Mehrere Personen, die dabei waren, haben uns die Diskussion beschrieben. Andreas Nienaber, der Leiter des städtischen Amtes für Immobilienmanagement, saß an diesem Abend ebenfalls mit im Festsaal des Rathauses. Er habe dem Ausschuss erklärt, dass so ein Geschäft nichts Ungewöhnliches sei. Das sagte uns auch jemand aus der Stadtverwaltung. So etwas komme immer mal wieder vor.
Ungewöhnlich sei in diesem Fall nur, dass die Stadt und der Eigentümer des Grundstücks gegenseitig etwas voneinander wollten. Aber ist das problematisch?
Wir haben Wolfgang Jäckle gefragt, Rechtsanwalt in Münster und Leiter der Arbeitsgruppe Politik bei der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International, ob an so einer Art von Handel etwas auszusetzen sei. „Rein wirtschaftlich gesehen scheint der Stadt durch das Zusatzgeschäft kein Nachteil zu entstehen“, sagt er. Insofern sei gegen den Handel nichts einzuwenden.
Ob der Stadt ein wirtschaftlicher Schaden entstehen könnte, das war anfangs allerdings gar nicht klar. Der ursprüngliche Antrag, der uns vorliegt, sah lediglich eine vage Option vor: Die Stadt hätte dem Mann sechs Hektar Land in Sankt Mauritz übertragen, im Wert von knapp 600.000 Euro. Dafür bekommen hätte sie sechs Hektar Land an irgendeinem anderen Ort, der noch gar nicht bekannt war.
Der Grund dafür steht auf Seite 2 des Papiers: Der Mann „verfügt derzeit über keine geeignete Tauschfläche“. Er müsste das Land selbst erst kaufen. Könnte er der Stadt für die sechs Hektar in Sankt Mauritz also eine Ackerfläche in Brandenburg unterjubeln?
Das Presseamt gibt eine allgemeine Auskunft: „Generell kauft die Stadt Münster Flächen im Stadtgebiet an. Dies gilt auch für Tauschgeschäfte.“ Nur wo steht das?
In der Ausschussvorlage ist es nicht zu finden. Dort stand zunächst auch nichts über den Gegenwert, den die Stadt für das Ackerland erhält, das sie nun eventuell abgeben wird. Es hätte also passieren können, dass sie für ein Stück Land im Wert von 600.000 Euro ein anderes Stück Land bekommt, das nur halb so viel wert ist.
Aus der Niederschrift geht hervor, dass der Ausschuss das noch verhinderte. Man ergänzte den Satz: „Bei unterschiedlichen Bodenrichtwerten findet ein finanzieller Ausgleich statt.“ Ist das Stück Land weniger wert, bekommt die Stadt dazu also noch Geld.
„Wir können auch Nein sagen“
Aber was ist mit dem Ort? Die Option ist nun beschlossen. Wenn der Wirtschaftsfunktionär innerhalb der nächsten fünf Jahre tauschen möchte, kann die Stadt dann noch zurück? Hat sie hier einen Blankoscheck ausgestellt?
Das Amt für Immobilienmanagement gibt eine klare Antwort: „Wir können auch Nein sagen.“ Die Stadt sei nicht verpflichtet, jedes Grundstück entgegenzunehmen.
In dem Beschluss steht das so nicht. Das Amt für Immobilienmanagement versicherte uns aber, dass es im Hintergrund „umfangreiche Verträge“ gebe, mit denen man ausschließe, dass die Stadt ein Grundstück nehmen müsse, das sie gar nicht haben möchte.
Bleibt noch eine Frage: Warum kümmert die Stadt sich erst jetzt um dieses Grundstück?
Eine Person aus dem Ausschuss sagte uns, der Zeitpunkt für den Kauf sei ungewöhnlich spät. Man wisse ja schon seit Jahren von den Plänen. Hätte man das Geschäft also nicht schon eher auf den Weg bringen können? Das Presseamt schreibt, den Zeitpunkt solcher Ankäufe lege die Stadt „in enger Abstimmung mit den Projektbeteiligten innerhalb der Stadtverwaltung und den jeweiligen Eigentümern“ fest.
Man bitte um Verständnis dafür, dass die Stadt Münster zu konkreten Konditionen von Grundstücksgeschäften nichts sagen könne.
Egal, ob der Handel nun zustande kommt oder nicht. Eine Person wird wohl keine Wahl haben. Denn das Ackerland in Sankt Mauritz, um das es in dem Tauschgeschäft geht, ist im Moment noch verpachtet. Zum Zeitpunkt der Ausschusssitzung wusste der Pächter noch nichts über den Handel. Und möglicherweise ist das immer noch so. In der Niederschrift steht: „Sofern es zu einem Tausch komme, würden frühzeitig Gespräche mit dem Pächter geführt.“
Wir stoßen an!
Bei uns knallen heute mächtig die Sektkorken, wir haben mit Ihrer Hilfe nämlich die nächste Etappe unserer Leser:innen-werben-Leser:innen-Aktion erreicht: 2.000 Menschen lesen RUMS! Vielen Dank dafür!
Wie versprochen werden wir dafür auch dieses Mal wieder etwas zurückgeben, nämlich einen zweiten, ganztägigen Medien-Workshop für eine Jugendeinrichtung. Sie können uns dafür gern eine Organisation vorschlagen. Schreiben Sie uns einfach an diese Adresse.
Zum ersten Mal haben wir so einen Workshop übrigens Anfang November im Jugendzentrum Black Bull in Münster-Amelsbüren ausprobiert, als Dankeschön für die bereits erreichte Zielmarke von 1.750 Leser:innen. Wir haben uns gemeinsam mit einer Gruppe Zehn- bis 13-Jähriger an journalistisches Arbeiten herangetastet und gemeinsam erste Themen entwickelt, die die Jugendlichen bald bei uns veröffentlichen werden. Ein paar Eindrücke des Workshops in Bildern gibt es hier.
Jetzt aber noch mal kurz zurück zu RUMS.
Unser nächstes Etappenziel: 2.250 Leser:innen!
Nach wie vor ist es so, dass wir wachsen müssen, um unser Angebot beibehalten und weiter ausbauen zu können. Und weil Sie alle ja selbst am besten wissen, warum Sie RUMS lesen und unterstützen, werden wir nicht müde, Sie weiterhin um Ihre Mithilfe zu bitten: Empfehlen Sie uns in Ihrem Bekanntenkreis. Reden Sie über uns. Und leiten Sie gerne unsere Briefe weiter, um anderen zu zeigen, was wir tun. Wenn Sie auch noch dazuschreiben, dass die Empfänger:innen uns einfach selbst mal abonnieren sollen, freuen wir uns umso mehr.
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Vielen Dank für Ihre Mithilfe!
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In den vergangenen Wochen haben wir viel über Verkehrspolitik gesprochen. Immer wieder ging es dabei auch um die Wirtschaft, vor allem um den Handel. Oft sah es so aus, als wäre die Wirtschaft einfach dagegen. Gegen Verkehrsversuche. Gegen eine autofreie Innenstadt. Gegen die Mobilitätswende. Aber stimmt das wirklich? Wir haben Joachim Brendel angerufen. Er leitet bei der Industrie und Handelskammer am Sentmaringer Weg den Geschäftsbereich „Handel, Verkehr, Infrastruktur“. Und so viel vorab: Ganz so einfach ist es wieder mal nicht.
„Es geht hier ein Stück weit auch um Respekt”
Herr Brendel, finden Sie, dass in Münsters Innenstadt zu viele Autos unterwegs sind?
Ja, ganz klar. Das ist keine Frage: So, wie es ist, kann es nicht bleiben. Nur: Wie bekommen wir diese Veränderung hin? Und da unterscheiden sich die Einschätzungen darüber, wie und wie schnell so etwas gehen kann.
Wie ist Ihre Einschätzung?
Wir müssen schauen, dass Menschen, die in der Innenstadt arbeiten oder dort ein Geschäft haben, durch diese Veränderung möglichst keine Nachteile erleiden. Das bedeutet, zwei Bedingungen müssen erfüllt sein: Es muss weiterhin Möglichkeiten geben, die Innenstadt gut zu erreichen. Vor allem aber: Die Menschen müssen diese Möglichkeiten auch annehmen.
Sie meinen Alternativen zum Auto.
Genau. Es geht nicht darum, um jeden Preis die gegenwärtigen Bedingungen für das Auto zu sichern. So wird es ja manchmal dargestellt. Aber das ist gar nicht in unserem Sinne. Das Auto schränkt die Aufenthaltsqualität und die Attraktivität der Städte im Moment ja erheblich ein. Das müssen wir in den Griff bekommen.
Und wie kann das gelingen?
Ich habe mir dazu mal ein Bild überlegt. Stellen Sie sich zwei Keile vor. Der eine Keil ist der Umweltverbund, also die umweltverträglichen Verkehrsmittel: Busse, Bahnen, Fahrräder. Der andere ist der Autoverkehr. Wenn wir beide Keile zusammenführen, haben wir ein Rechteck. Das ist das Niveau der Erreichbarkeit. Und wenn der eine Keil kleiner wird, muss der andere größer werden.
Was bedeutet das konkret?
Wir müssen alternative Angebote aufbauen. Velorouten, mehr Schnellbusse aus der Region, vernünftige Mobilitätsstationen, die diesen Namen auch verdienen. Und zwar nicht unbedingt im Stadtgebiet, am Coesfelder Kreuz oder an der Weseler Straße in Höhe der Autobahn, sondern vor den Toren der Stadt. Da müssen wir Umstiegsmöglichkeiten schaffen. Und dazu gehört schließlich auch die Münsterland-S-Bahn. Die dauert aber noch und hilft erst langfristig.
Woran denken Sie noch?
Erinnern Sie sich noch an den Plan, ein Stadion in Bösensell zu bauen? Damals hatte man gesagt: Außerhalb der Spieltage können wir die Parkplatz-Kapazitäten wunderbar als Park-and-Ride-Standort nutzen. Das Thema hat sich leider erledigt. Das ist aus unserer Sicht schade, denn über die A43 kommt die große Masse des Pendelverkehrs und auch der Menschen, die zum Einkaufen nach Münster möchten. Auch ohne Stadion könnte man hier eine große Park-and-Ride-Anlage schaffen, nicht mit ein paar Hundert, sondern mit ein paar Tausend Stellplätzen. Neben Shuttlezügen zum Hauptbahnhof müsste man, zumindest an Werktagen, von dort aus mit Shuttlebussen auch die großen Gewerbegebiete und Arbeitsplatzschwerpunkte anbinden – im Süden und Westen der Stadt, zum Beispiel in Hiltrup, Amelsbüren, an der Weseler Straße und auch das Uniklinikum.
Warum wäre das wichtig?
Sonst würde man die Menschen aus dem Umland erst mitten in die Stadt zum Hauptbahnhof führen, von dort müssten sie einmal durch die Stadt zu ihrem Arbeitsplatz. Ein leistungsfähiges und gut organisiertes Park-and-Ride-System im Bereich A43 würde bereits eine Menge bewirken. Und das wäre, anders als das Megaprojekt Münsterland-S-Bahn, deutlich schneller umsetzbar.
Sie haben die Schnellbusse erwähnt. Das wäre doch auch eine Alternative, die sich schnell einrichten ließe.
Grundsätzlich ja, das Angebot könnte man kurzfristig erweitern, weil es zunächst auch ohne neue Infrastruktur geht.
Woran scheitert das?
Es muss ja nicht scheitern, wenn Stadt und Umland ausreichend Geld zur Verfügung stellen. Die Stadt Münster und die Münsterlandkreise haben hier meines Erachtens nach eine gemeinsame Verantwortung, denn all diese Beteiligten profitieren auch von der Arbeitsteilung zwischen Stadt und Umland. Dann bleibt allerdings noch die Frage, woher die neuen Busfahrerinnen und Busfahrer kommen sollen. Auch den öffentlichen Personennahverkehr hat der Fachkräftemangel längst erreicht.
Wir sprechen jetzt über bessere Alternativen zum Auto. Das ist die eine Seite. In der Verkehrsplanung gibt es aber auch noch eine zweite. Wenn man möchte, dass weniger Menschen mit dem Auto kommen, muss man es dem Auto etwas unbequemer machen? Zum Beispiel, indem man Parkplätze streicht?
Grundsätzlich ist das richtig. Durch den Klimawandel ist der Druck sehr groß geworden. Und da gibt es jene, die jetzt schnell Erfolge sehen sollen, weil sie ja auch zu Recht sagen: Wir können nicht warten, bis wir in 20 Jahren eine Münsterland-S-Bahn haben. Da stimme ich zu. Aber wenn wir nur mehr Restriktionen schaffen, müssen wir auch fragen: Welchen Preis hat das?
Und welchen Preis hat es aus Ihrer Sicht?
Wenn wir die Daumenschrauben anziehen, bis die Menschen reagieren, ist die Frage, in welcher Form sie reagieren. Nutzen sie dann das eigene Fahrrad, den Bus oder die Bahn? Sind die öffentlichen Verkehrsmittel in der Lage, diese Kapazitäten aufzunehmen? Eine andere Frage ist, ob die Menschen dann auch bereit sind, diesen Weg mitzugehen. Zumindest diejenigen, die zum Einkaufen kommen, haben ja grundsätzlich auch andere Möglichkeiten. Sie können zum Einkaufsbummel auch woanders hinfahren. Das wäre nicht nur schlecht für Handel und Gastgewerbe in Münsters Innenstadt – es würde auch dem Klima nichts bringen. Es geht aber nicht nur um die Erreichbarkeit für die Kundschaft.
Worum noch?
Um die Menschen, die im Umland wohnen und arbeiten. Wir hören schon jetzt von vielen Unternehmen: Unsere Leute unzufriedener werden. Die sind genervt vom Stau auf dem Weg zur Arbeit. Dann kommt auch noch ein anderes Problem hinzu: der Fachkräftemangel. Wenn der Weg zur Arbeit ein großer Stressfaktor ist, dann schaue ich mich vielleicht auch nach anderen Stellen um. Und da gibt es zurzeit viele Möglichkeiten.
Man muss aber sagen: Es gibt schon jetzt Alternativen zum Auto. Viele könnten mit der Bahn zur Arbeit fahren, machen es aber nicht. In der letzten Ratssitzung wurde die Frage gestellt: Wann ist denn der Punkt erreicht, an dem wir sagen können: Jetzt sind die Alternativen gut genug?
Wenn Sie mal zur Rushhour morgens am Bahnhof sind, sehen Sie, dass die bestehenden Bahnangebote sehr gut genutzt werden. Dennoch ist das eine gute Frage. Ich kann sie im Moment nicht beantworten. Was ich aber sagen kann: Die Alternativen werden nicht besser, an einigen Stellen werden sie sogar schlechter.
Wo zum Beispiel?
Wir hatten dieses Modell: Parken am Coesfelder Kreuz. Da konnte man im letzten Jahr in der Adventszeit kostenlos das Auto abstellen und dann mit der ganzen Familie mit dem Bus in die Innenstadt fahren. Das hat gut funktioniert und wurde zu Recht als Erfolg gefeiert. Aber dieses Jahr wird es das nicht mehr geben. Wir reden immer darüber, dass wir die Alternativen verbessern wollen, aber hier werden sie klar schlechter. Und dann stellt sich die Frage: Wie sehr können wir uns auf das Versprechen mit den Alternativen verlassen?
Das Parken am Coesfelder Kreuz ist in der Adventszeit weiterhin kostenlos, aber es fährt kein kostenloser Shuttlebus mehr, das stimmt. Man kommt über zwei reguläre Buslinien in die Stadt. Das hat damit zu tun, dass das Angebot teuer war.
Genau. Und das ist an vielen Stellen der Knackpunkt.
Wo noch?
Bei den Bustrassen zum Beispiel. In dem ergänzenden Ratsantrag, bis 2030 klimaneutral zu werden, war die Rede von Busspuren auf allen großen Straßen, die in die Stadt führen. Aber es reicht nicht aus, eine Busspur auszuweisen, wenn dort dann die gleichen Linien in der gleichen Taktzahl wie vorher fahren. Ich kenne kein Konzept für die Stadt Münster oder die Münsterlandkreise, das vorsieht, die Taktung der Schnellbuslinien, der Regionalbuslinien, aber auch der Busse im Stadtverkehr in Münster in nennenswerter Form auszubauen.
Das Rathausbündnis hat in seinem Koalitionspapier angekündigt, die Taktung der Regional- und Stadtbusse schnell zu erhöhen.
Das ist der richtige Weg, den wir unterstützen. Die notwendigen Maßnahmen sollten schnell umgesetzt werden.
Das Problem beginnt aber schon da, wo es darum geht, die Buslinien einzurichten. Das haben wir am Bahnhof gesehen. Es ist oft nicht möglich, erst für Alternativen zu sorgen. Wenn man an dieser Stelle eine Busspur ausweist, muss man sie dem Autoverkehr nehmen. Das ist hier passiert. Und auch hier gab es große Widerstände.
Unsere Kritik war, dass man mit den Gewerbetreibenden am Bahnhof vorher nicht gesprochen hat. Zwei Wochen vorher ist jemand vorbeigekommen, hat ein Faltblatt verteilt, und das wars.
Was hätten Gespräche verändert?
Ich denke, dass man den Geschäftsinhaberinnen und Geschäftsinhabern, die sich dort insbesondere im Rahmen der Immobilien- und Standortgemeinschaft über Jahre und mit ihrem eigenen Geld für diesen Standort eingesetzt haben, schon die Gelegenheit geben muss, sich einzubringen und ihre Sorgen oder Befürchtungen zu äußern. Wäre das passiert, hätte man schauen können, wie man die Folgen etwas abmildern kann. Zum Beispiel mit einer Marketingkampagne in Richtung der Kundschaft und Besucherschaft.
Es klang eher so, als gehe es darum, den Versuch sofort zu beenden.
Nein, so war es nicht. Wir haben eine Umfrage unter den Geschäftsleuten gemacht. Das Ergebnis hat die Betroffenheiten von Hotels, Einzelhandel und Taxigewerbe veranschaulicht. Wir haben die Ergebnisse an die Politik und die Verwaltung übersandt – mit der Bitte, das in die Bewertung und die Abwägung einfließen zu lassen. Entscheiden muss am Ende die Politik. Unser Vorgehen ist aber genau das, wozu es Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern gibt: Wir beraten die Politik. Wir geben ein Feedback aus der Unternehmerschaft – und zwar als gesetzliche Gesamtinteressenvertretung, sprich: nicht nur aus Sicht einer Branche.
Ein paar Wochen später fand der Verkehrsversuch an der Wolbecker Straße statt. Es gab einen intensiven Austausch mit den Menschen, die dort leben und arbeiten. Hier war die Kritik der IHK, es sei zu sehr um die Interessen der Anwohnenden gegangen.
Ja, in dem Fall war es umgekehrt. Für den Ort waren die Auswirkungen positiv. Keine Frage. Und ich gönne es allen sehr herzlich, die davon profitieren, dass der Bereich ruhiger wird und die Bedingungen für die Außengastronomie sich verbessern. Aber die Wolbecker Straße ist eine der Hauptverkehrsstraßen, über die viele Menschen aus den Stadtteilen und dem Umland die Innenstadt ansteuern. Es gibt auch noch andere Menschen, die von so einem Schritt betroffen sind. Man muss sich damit beschäftigen, was so eine Veränderung für das gesamte Verkehrssystem bedeutet.
Verstehen Sie es, wenn der Eindruck entsteht, dass sich immer ein Grund findet, gegen eine Veränderung an einer bestimmten Stelle zu sein?
So ist es ja nicht. Es muss sich etwas ändern, und wir wollen daran mitarbeiten, dass wir eine bessere Mobilität für Münster hinbekommen. Die IHK hat ein Papier entwickelt, das eine Grundlage für gemeinsame Gespräche der Wirtschaft mit der Politik und der Verwaltung sein soll. Und diesem Papier haben die Akteurinnen und Akteure aus der Wirtschaft allesamt grundsätzlich zugestimmt – die Handwerkskammer, Handelsverband und Dehoga sowie die Initiative Starke Innenstadt. In dieser wichtigen Frage sind sich die Wirtschaftsvertretungen in Münster weitestgehend einig. Zudem machen wir auch konkrete Vorschläge.
Welche zum Beispiel?
Nehmen wir die Königsstraße. Da stehen auf einer Strecke von 300 Metern am Wochenende Autos mit laufendem Motor vor dem Parkhaus in der Schlange. Mich wundert ehrlich gesagt, dass das überhaupt noch zugelassen wird. Wir wären sehr dafür, das sofort zu beenden. Aber nicht, indem man das Parkhaus schließt.
Was wäre Ihr Vorschlag?
Man könnte die Zufahrt mithilfe von intelligenten Systemen regeln – und vielleicht nicht nur hier. Am Flughafen zum Beispiel kann man sich im Parkhaus Slots für drei Stunden reservieren. Warum soll das nicht auch in einem Innenstadt-Parkhaus möglich sein? Die Zufahrt könnte, wie in vielen anderen Parkhäusern mit Reservierungsmöglichkeit, über die Kennzeichen gesteuert werden. Und wenn es nötig ist, könnte man die Straße abriegeln, manuell oder elektronisch. Mehr Aufenthaltsqualität und weniger Emissionen ließen sich auf diese Weise auch erreichen. Wir dürfen in der Diskussion nicht vergessen, hier geht es ja auch um das Image der Stadt als Oberzentrum. Es gibt Menschen, die sagen ganz holzschnittartig: Man darf in Münster mit dem Auto nicht mehr in die Innenstadt fahren? Dann fahren wir halt woanders hin.
Da muss ich widersprechen. Das ist eine Erzählung, die verbreitet wird, um Stimmung zu machen. Keine der Parteien im Rat will, dass die Innenstadt nicht mehr erreichbar ist. Umgekehrt gibt es viele Beispiele von Städten, in denen sich zeigt: Ohne Autos wird es für den Handel besser. In Berlin ist im vergangenen Jahr die Friedrichstraße autofrei geworden. Da war vorher von möglichen Umsatzeinbußen von bis zu 30 Prozent die Rede. Hinterher stellte sich heraus: Der Handel hat eher profitiert.
Ich kenne die Argumente. Die gab es vor über 40 Jahren auch schon. Es heißt ja oft: Damals hatte der Handel Angst vor den Fußgängerzonen. Heute möchte sie keiner mehr missen. Aber ich glaube nicht, dass wir so weiterkommen. Im Kern ist es doch so: In den Zielen sind wir uns einig. Wir müssen die Mobilität in der Innenstadt aus städtebaulichen Gründen und zum Schutz des Klimas verändern. Da gibt es keinen Dissens zwischen Politik und Wirtschaft.
Aber die Vorstellungen über den Weg dorthin sind schon recht unterschiedlich.
Einig sind wir uns darin, dass wir Anreize bieten müssen. Das kann an der ein oder anderen Stelle sicher dadurch passieren, dass wir die Bedingungen für das Auto etwas schlechter machen. Aber noch besser wäre es, wenn wir sagen würden: Wir ziehen nicht nur die Daumenschrauben an. Wir schaffen auch neue Angebote. Und da müssen wir schauen, ob wir zurzeit über die richtigen Dinge diskutieren.
Was meinen Sie damit?
Wir schauen zum Beispiel gerade vor allem auf den Samstag. Das ist nur ein Tag in der Woche. An diesem Tag ist vor allem die Innenstadt regelmäßig überlastet. Aber wie ist es denn an den übrigen Tagen, von montags bis freitags? Da reichen die Kapazitäten der Parkhäuser in der Altstadt locker aus. An diesen Tagen haben wir aber ganz andere Probleme durch den Pendelverkehr – Emissionen und Stau, teilweise schon vor den Toren der Stadt. Da brauchen wir noch viel dringender Alternativen.
Aber es gäbe ja auch schon jetzt Möglichkeiten, mit dem Auto in die Stadt zu kommen. Wir haben Park-and-Ride-Stationen. Man kann das Auto schon jetzt am Rande der Stadt abstellen und mit dem Bus ins Zentrum fahren. Das macht aber kaum jemand, weil es mit dem Auto bequemer ist.
Meinen Sie die Station an der Weseler Straße, wo diese gelben Fahrradhäuschen stehen?
Zum Beispiel.
Ich habe es nicht gezählt, aber wenn es dort 80 Stellplätze sind, dann wäre das viel. Wir reden hier aber über Tausende Menschen, die mit dem Auto nach Münster fahren. Die müssen wir zum Umsteigen bewegen. Dafür brauchen wir Angebote in anderen Dimensionen. Wenn es die gäbe, dann hätte das wirklich einen Effekt. Aber wo ist die Planung dazu?
Man könnte einwenden: Dann fahren die Leute vier Fünftel des Weges ja auch wieder mit dem Auto.
Ja, das wäre so. Aber ist die zweitbeste Lösung nicht immer noch besser ist als gar keine. Es soll ja schnell gehen. Wir brauchen eine Lösung, die es möglich macht, dass in absehbarer Zeit zehn- bis fünfzehntausend Menschen aus dem Umland nicht mehr mit dem Auto, sondern vor allem mit Bussen und Bahnen zum Einkaufen oder Arbeiten die Stadt erreichen.
Bis so etwas beschlossen, gebaut und eröffnet ist, vergehen aber auch wieder ein paar Jahre. Was passiert in der Zwischenzeit?
In dem Maße, in dem wir gute Alternativen haben, können wir Vorhandenes zurückfahren. Das muss gleichzeitig passieren. Und wenn es Alternativen gibt, müssen wir den Menschen auch sagen: Nutzt sie bitte. Und wenn das nicht freiwillig passiert, dann müssen wir etwas nachhelfen.
Aber konkret bedeutet das: Bis die Bedingungen für das Auto eingeschränkt werden, muss Ihrer Meinung nach noch etwas Zeit vergehen?
Wenn wir jetzt mit der Spitzhacke etwas einreißen, aber noch nichts Neues gebaut haben, dann können Sie sich doch an drei Fingern ausrechnen, was passieren wird. Beim Pendelverkehr haben wir zurzeit ein Verhältnis von 80 zu 20 Prozent: 80 Prozent fahren mit dem Auto zur Arbeit, 20 Prozent mit dem Bus oder der Bahn. In der Rushhour sind die Busse und Bahnen ohnehin schon überfüllt. Es fehlen Fahrzeuge, es fehlt Personal, es fehlt Infrastruktur. Wie sollen die Menschen zur Arbeit kommen?
Jetzt sprechen wir wieder über die Alternativen. Und ich glaube, das ist ein bisschen symptomatisch. So entsteht der Eindruck: Es wird immer gesagt, wir brauchen Alternativen. Aber sobald über minimale Einschränkungen für das Auto gesprochen wird, gibt es massive Widerstände. Zum Beispiel am Bült. Da geht es darum, den Durchfahrtsverkehr herauszufiltern, versuchsweise für drei Monate. Und auch nur dann, wenn die Stadtverwaltung das für möglich hält. Dadurch geht kein Parkplatz verloren. Aber auch hier gibt es eine große Diskussion.
Man könnte auch umgekehrt sagen: Wir hatten die Verkehrsversuche vor dem Bahnhof und an der Wolbecker Straße. Wir sprechen über die Sperrung am Bült. Die Königsstraße soll gesperrt werden, das Parkhaus dort, die Zufahrt zum Domplatz, auch andere Parkhäuser. Wir streichen Parkplätze zu Gunsten von Fahrradparkplätzen. Es geht fast ausschließlich um Restriktionen. Wann kommen die Alternativen?
Bleiben wir beim Bült. Es gibt dort ein Verkehrsproblem. Das ist seit Jahren bekannt. Was spricht dagegen, überprüfen zu lassen, ob es an dieser Stelle möglich ist, drei Monate lang auszuprobieren, ob die Situation sich bei einer Sperrung verbessert?
Vorab vielleicht: Wir wollen uns einer Verbesserung der Situation am Bült überhaupt nicht in den Weg stellen. Man muss sich die Situation im Detail ansehen. An dieser Stelle gehen zwar keine Parkplätze verloren, es wird aber schwerer, die vorhandenen zu erreichen. Wenn ich in das Parkhaus am Alten Steinweg fahren möchte, es dort aber voll ist, kann ich bislang über den Bült zum Theaterparkhaus durchfahren. Wenn ich auch da keinen Erfolg habe, vielleicht weiter zum Schlossplatz. Bei einer Sperrung müsste ich quasi umdrehen, zuerst zurück – und dann außen um die Innenstadt herumfahren. Auch dabei entstehen vermeidbare Emissionen. Das ist eines der Probleme.
Welche gibt es noch?
Ein anderes ist fehlendes Vertrauen.
Inwiefern?
Wenn beschlossen wird, Parkhäuser zu schließen oder geplant ist, eine Straße zu sperren und vorher keinerlei Gespräche stattfinden, fragen wir uns natürlich: Können wir uns darauf verlassen, dass man uns im Blick hat? Und dann müssen wir schauen, aus welcher Situation wir gerade kommen. Hinter uns liegen fast zwei Jahre Corona. Wir haben das alles längst noch nicht überwunden. Hinzu kommt: Die Geschäfte in der Innenstadt haben durch den Onlinehandel große Konkurrenz bekommen. In der Corona-Zeit hat die Situation sich verschärft. Da reagiert der Handel natürlich empfindlich, auch wenn es nur um kleine Einschränkungen geht. Denn die kommen ja zu alledem noch obendrauf.
Das bedeutet: Wenn mehr Vertrauen da ist, gibt es auch weniger Widerstände?
Ich will es mal so sagen: Es geht hier sicher ein Stück weit um Achtung und Respekt vor dem, was diese Menschen leisten, über die wir hier sprechen. Man kann die unangenehmen Fragen nicht einfach ignorieren, weil die angedachte Lösung sonst nicht so schön glatt durchläuft. Auch mit diesen Fragen muss man sich beschäftigen. Und das ist unser Hauptkritikpunkt. Wenn es eine gute Lösung für den Bült gibt, dann unterstützen wir das Ziel, den Durchgangsverkehr an dieser Stelle herauszubekommen. Wir sind an ganz vielen Stellen bereit, mitzugehen. Wir möchten eigentlich nur stärker einbezogen werden – und an der ein oder anderen Stelle vielleicht auch helfen, Lösungen zu finden. Manchmal kann man ja auch das eine tun, ohne das andere zu lassen.
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In aller Kürze
+++ Die Polizei hat wieder mal Ärger mit ihren eigenen Leuten. Anfang der Woche suspendierten die Spezialeinheiten in Münster einen Beamten, weil der über sein privates Handy Nachrichten an einen Kollegen von der Bundeswehr geschickt hatte, die dieser offenbar gleich an die zuständige Meldestelle weiterreichte, wie aus der Mitteilung der Polizei hervorgeht. Strafrechtlich seien die Nachrichten zwar nicht relevant, schreibt die Polizei. Aber sie zeichneten das Bild eines Beamten, der sich gefährlich weit weg von den Fundamenten des Rechtsstaats bewege. Polizeipräsident Falk Schnabel sagt: „Der Chatverlauf hat mich tief betroffen gemacht.“
+++ Andere Extremisten treiben sich zurzeit möglicherweise im Münsterland herum. Am Wochenende sind im Kreis Borken zwei Corona-Schnelltestzentren in Flammen aufgegangen, in Gronau-Epe und in Ahaus-Ottenstein, das ist der Ort, aus dem Jens Spahn stammt. Die Polizei geht laut einer Mitteilung davon aus, dass die Zentren in Brand gesteckt wurden. Ob es zwischen den Fällen eine Verbindung gibt, sei noch nicht geklärt. Und nun kommen wir nach Münster. Am Hafenweg haben Unbekannte am Sonntagmorgen eine Zeltplane des Schnelltestzentrums aufgeschlitzt. Sie scheiterten aber offenbar an dem Versuch, eine Botschaft zu hinterlassen. Die Polizei beschreibt das Graffito in der Pressemitteilung als „unleserlich“. In dem Fall aber bitte ausdrücklich nicht nachsitzen und das Gleiche noch einmal in Schönschrift abliefern.
+++ Im nächsten Frühjahr soll der erste Wohnungsmarktbericht für die ganze Region fertig sein und dann in Münster sowie elf Städten und Gemeinden in der Nachbarschaft diskutiert werden. Ein erster Zwischenstand liegt jetzt schon vor, meldet die Stadt. Und in dem fünfseitigen Papier stehen ein paar interessante Zahlen. Die gesamte Region ist zum Beispiel zwischen 2010 und 2020 um 40.000 auf etwa eine halbe Million Menschen gewachsen. Das entspricht einem Zuwachs von neun Prozent. In Münster leben heute fast zwölf Prozent mehr Menschen als 2010. Schaut man auf die Zahl der Beschäftigten, sind sogar noch einige mehr hinzugekommen, nämlich 47.000 Menschen. Das ist ein Plus von gut 25 Prozent. Interessant ist auch: Der Pendelverkehr innerhalb der Stadtregion ist zwischen 2010 und 2019 um 7.000 Menschen gewachsen (plus 17 Prozent), bei denen der Wohnort nicht der Arbeitsort ist. Die großen Probleme auf dem Wohnungsmarkt sind bekannt: Höhere Baukosten, höhere Mieten, höhere Grundstückspreise. Die Entwicklung hier ist besonders auffällig. Der Preis für Grundstücke für Einfamilienhäuser ist laut dem Papier seit 2014 jährlich um neun Prozent gewachsen, die Angebotsmieten (Mieten in Wohnungsanzeigen) jährlich um vier Prozent. Den Zwischenbericht finden Sie hier.
Corona-Update
In einer Woche eröffnet die neue zentrale Impfstelle am Jovel, von der wir schon am Freitag berichtet haben. Falls Ihnen der Termin zu weit in der Zukunft liegt, gibt es auch noch andere Möglichkeiten, sich noch vor dem Wochenende einen Impf-Nachschlag zu holen. Ab morgen können Sie sich bis zum nächsten Montag (außer am Wochenende) vor dem Stadthaus II am Ludgeriplatz zwischen 13:30 Uhr und 16:30 Uhr in die Schlange stellen. Damit alles etwas schneller geht, steht dort auch der städtische Impfbus. Und falls Sie sich fragen: Kann ich meine Impfung denn überhaupt schon auffrischen lassen? Wenn Sie beim ersten Mal den Stoff Johnson & Johnson bekommen haben, reicht es, wenn die letzte Spritze einen Monat zurückliegt. Ansonsten ist die Voraussetzung, dass seit der zweiten Impfung sechs Monate vergangen sein müssen. Wenn Sie noch gar nicht geimpft sind, müssen Sie sich solche Gedanken nicht machen. Dann bekommen Sie in jedem Fall eine Dosis. Wo Sie sich sonst noch impfen lassen können, schreibt die Stadt auf einer extra dafür eingerichteten Seite.
Zu den aktuellen Zahlen: Die Wocheninzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen innerhalb einer Woche pro 100.000 Menschen, ist auf 159 gestiegen. Am Freitag lag der Wert noch bei 140, nach dem Wochenende kam der übliche Knick nach unten, auf 131,2, und jetzt wieder ein Sprung. Vom bundesweiten Wert, der sich aktuell bei 400 bewegt, ist Münster weit entfernt. Aber auch hier ist die Tendenz steigend. Aktuell gelten im Stadtgebiet 841 Menschen als infiziert. In den Krankenhäusern liegen 25 Infizierte, 11 davon auf der Intensivstation, zehn werden beatmet.
Und dann noch eine Bitte. Anders als viele andere Städte lässt Münster den Weihnachtsmarkt stattfinden. Wir freuen uns einerseits darüber, denn wie wir schon schrieben, ab dem 3. Dezember haben wir am Harsewinkelplatz selbst einen Stand. Aber auch wir beobachten natürlich, wie die Situation sich entwickelt. Damit der Weihnachtsmarkt sicher ist, ist es wichtig, dass die Menschen sich an die Regeln halten. Der Oberbürgermeister hat „engmaschige Kontrollen“ angekündigt. Der frühere Politiker Rüdiger Sagel schreibt nun bei Twitter, er sei zwei Stunden auf dem Weihnachtsmarkt gewesen, und er habe keine Kontrollen gesehen. Welche Erfahrung haben Sie gemacht? Sind Sie auf dem Weihnachtsmarkt, in Cafés oder Restaurants kontrolliert worden? Wo wird besonders gut hingeschaut? Wo gar nicht? Möchten Sie, dass Kontrollen stattfinden, um sich sicherer zu fühlen? Schreiben Sie uns eine E-Mail. Wir veröffentlichen Ihre Meinung dann im RUMS-Brief.
Unbezahlte Werbung
Obwohl das kleine Brauhaus gar nicht so schwer zu finden ist, bin ich dort 20 Jahre lang nie gewesen. Es liegt an der Hollenbeckerstraße, einer Gasse, die vom Rosenplatz abzweigt (leichter: Wenn Sie davor stehen, links neben Pinkus). Und so, wie es drinnen aussieht, stellt man sich im Ausland wahrscheinlich eine deutsche Gaststätte vor. Ich saß dort neulich mit Freunden, wir wollten etwas essen und hatten uns eigentlich schon entschieden. Da sagte einer der Freunde, der das Brauhaus schon seit Jahren kennt, wir müssten das Kotelett bestellen, ganz hinten auf der Speisekarte, für fünf Euro. Für fünf Euro? Was kann man da erwarten? Ein in Plastik verpacktes Stück Fertigfleisch? Wir vertrauten ihm und folgten seinem Rat. Ein paar Minuten später sagte der Freund: „Und jetzt hört mal.“ In der Küche begann es zu klopfen, erst leise, dann so laut, dass man es nicht mehr überhören konnte. Das war der Koch. Und später auf dem Teller lag tatsächlich ein sehr großes, frisch geklopftes und gebratenes Stück Fleisch. Eine Website hat eine urdeutsche Gaststätte natürlich nicht, aber hier finden Sie Bewertungen und einige Fotos. Meine Bewertung ist: fünf Sterne.
Drinnen und Draußen
Um die Empfehlungen hat sich heute Johanne Burkhard gekümmert. Das hier sind sie.
+++ Wie viele Grashalme hat ein durchschnittlicher Fußballrasen? Wenn Sie auf solche Fragen Antworten wissen, könnten Sie am Donnerstag beim Fußball-Pubquiz in der Pension Schmidt richtig abräumen. Also, falls die anderen Teilnehmenden weniger wissen als Sie – und wenn Sie bereit sind, die zwei Euro Teilnahmegebühr zu zahlen, versteht sich. Ab 20:30 Uhr geht es los. Plätze können Sie ab einer Stunde vor Beginn reservieren. Hier finden Sie alle weiteren Infos. (PS: Die Antwort lautet 200 Millionen).
+++ Mögen Sie Schokolade? Wobei, was ist das für eine Frage? Wer tut das nicht? Noch besser ist das Gefühl beim Schokolade-Essen aber, wenn sie fair hergestellt wurde, und die Kakaobauer:innen davon leben können. Doch auch an „Fairtrade-Schokolade“ verdienen Supermärkte oft noch mehr als die eigentlichen Hersteller:innen. Wie es besser gehen kann, erzählt am Freitag Charlotte Knull von der Firma Fairafric, die ihre Schokolade vor Ort in Westafrika produziert. Dabei können Sie natürlich auch gleich den Geschmackstest machen. Beginn: 17:30 Uhr im Paul-Gerhardt-Haus. Weitere Informationen finden Sie hier.
+++ Abreißen und neu bauen oder aufwändig sanieren? Bei so einer Entscheidung wird oft auf die erste Option zurückgegriffen. Aus diesem Anlass macht sich der Bund Deutscher Architekten Sorgen um den Bestand. In ihrer gleichnamigen Ausstellung gehen Architekt:innen und Urbanist:innen mit gutem Beispiel voran und stellen zehn Strategien vor, wie man mit dem Gebäudebestand verantwortungsvoll umgehen kann. Das Ziel: neue Perspektiven für einen achtsamen Umgang mit Lebensräumen. Wenn Sie wissen möchten, was dabei herausgekommen ist, können Sie die Ausstellung ab Sonntag in der Volksbank Münsterland in der Voßgasse besuchen. Ab 11 Uhr startet die Vernissage. Wenn Sie da schon andere Pläne haben. Die Ausstellung läuft noch bis zum 27. Februar.
Am Freitag melden sich unsere Verleger Götz Grommek und Marc-Stefan Andres bei Ihnen. Haben Sie bis dahin eine gute Woche.
Herzliche Grüße
Ralf Heimann
Mitarbeit: Johanne Burkhardt
PS
Unser Anliegen ist der Journalismus im Lokalen. Das ist unter Menschen, die im Journalismus tätig sind, nicht der beliebteste Arbeitsort, denn im Lokalen geht es nicht um die großen Geschichten, die Ruhm und Preise nach sich ziehen. Hinzu kommt, dass die viele Arbeit sich auf immer weniger Schreibtischen verteilt und die Bedingungen schlechter werden. Warum Menschen diesen Beruf trotzdem mit viel Hingabe, Leidenschaft und Freude ausüben, zeigt der Dokumentarfilm „Die letzten Reporter“ von Jean Boué, der vor Kurzem im Kino lief, aber mittlerweile in der ARD-Mediathek zu sehen ist. Wenn Sie Lust haben, ein bisschen nachzuempfinden, warum uns diese Sache so am Herzen liegt, wäre mein Tipp: Schauen Sie diesen Film.
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Schade, mit Namensnennung entspräche es mehr dem was ich mir von der RUMS versprochen habe.
Ein übliches Grundstücksgeschäft, dass zeigt wie Grundeigentümer lokal Einfluss auf die Politik nehmen. Will die Politik wichtige Projekte im öffentlichen Interesse umsetzen, kommt sie nicht drum rum als alle Forderungen zu erfüllen. Dabei kratzt der Beitrag unweigerlich nur bisschen an der Oberfläche aus zwei einfachen Gründen:
1.: Es geht hier „nur“ um Flächen für Infrastruktur, die mit 230 Euro pro Quadratmeter bewertet werden. Für Flächen die etwa für das Wohnen interessant wären, würden 500 verlangt. Dieselbe Fläche als Acker 8, und als Dauergrünland 5,30 Euro. Auch wenn natürlich objektiv kaum ein Unterschied besteht, außer das rechtliche Privileg ein Grundstück auf eine besondere Art & Weise nutzen zu dürfen.
2.: Über die Grundstücksgeschäfte (und auch Grundstücksbesitz) kann nicht öffentlich berichtet werden - auch nicht in anonymisierter Form. Hier konkret geht es auch nicht um den Schutz der Privatsphäre, hier würde ein Weglassen des Besitzers ausreichen. Stattdessen sind sämtliche Informationen „nicht öffentlich“ - welches Grundstück für wieviel verkauft, und (häufig) später wieder für das x-Fache gekauft wird oder welche Bedingungen die Stadtpolitik eingehen muss sind kaum öffentlich verfügbar.
Ein typischer Grund warum bei Entwicklungsmaßnahmen erst vergleichsweise spät zugekauft wird, ist das der Eigentümer einen höheren Preis erwartet & diesen durchsetzten will.
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