In der Wahlkreis-Schneiderei | Der Wahl-Kompass | Café Prütt


Münster, 19. April 2022
Guten Tag,
in dreieinhalb Wochen ist Landtagswahl. Die Wahlbenachrichtigungsscheine sind unterwegs oder schon angekommen. Überall in der Stadt hängen Plakate. Und vor ein paar Tagen schrieb uns ein Leser, ihm sei aufgefallen, dass es in der Aaseestadt im Wahlkampf doch sehr um die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land gehe. Das sei ja ein wichtiges Thema, aber doch so wenig urban. Warum macht man damit in der Stadt Wahlkampf?
Die Antwort auf diese Frage hat damit zu tun, dass Münster wächst. Bislang gab es in der Stadt zwei Wahlkreise, in diesem Jahr sind es zum ersten Mal drei. Sie haben die Nummern 83, 84 und 85. Ihr Zuschnitt erscheint ungewöhnlich: Alle drei Flächen reichen bis an die Stadtmitte. Im Norden hat man das Gebiet um Altenberge an den Wahlkreis 83 geklebt. Im Westen Havixbeck und Nottuln an die Nummer 85. So kann es vorkommen, dass eine Familie in der Altstadt die gleichen Namen auf ihrem Wahlzettel findet wie eine Familie in Nottuln, aber zwei Straßen weiter im Kreuzviertel bewerben sich ganz andere Personen um das Direktmandat.
Aber warum? Es hätte ja auch andere Möglichkeiten gegeben, die Grenzen zu ziehen. Man hätte zum Beispiel Münsters Innenstadt zu einem Wahlkreis zusammenfassen können. Ein Argument dafür wäre gewesen, dass die landespolitischen Interessen der Menschen in diesem Gebiet mehr Schnittmengen haben als die einer Familie in der Altstadt mit denen von Menschen in Havixbeck.
So kann es zu einer Situation kommen, in der drei Abgeordnete die Interessen der Menschen in Münsters Stadtmitte vertreten, aber zwei von ihnen dabei immer noch auf das schauen müssen, was die Leute im Umland wollen. Ein Beispiel für so ein Dilemma ist das der dritten städtischen Gesamtschule, die Münster gern in Roxel eröffnen würde. Die Gemeinde Havixbeck ist dagegen, weil sie um ihre eigene Gesamtschule fürchtet. Wer den Wahlkreis 84 gewinnt, sitzt in dieser Frage zwischen den Stühlen.
Der Fachbegriff: Gerrymandering
Nur warum hat man die Wahlkreise dann nicht anders geordnet? Eine mögliche Erklärung ist: Einen Wahlkreis Münster-Innenstadt hätten wahrscheinlich die Grünen gewonnen. Das Gebiet ist eine grüne Hochburg. Doch an so einem Wahlergebnis hat die schwarz-gelbe Landesregierung kein Interesse. Nach dem neuen Zuschnitt wird das Gebiet zerteilt. Die ländlichen Gebiete, in denen die Menschen tendenziell eher konservativ wählen, neutralisieren die grünen Bereiche.
Der politikwissenschaftliche Fachbegriff dafür lautet Gerrymandering. Parteien verschieben die Grenzen der Wahlkreise, um ihre eigenen Erfolgsaussichten zu erhöhen. Und ist das hier der Fall? „Ich habe den schweren Verdacht, dass das in genau diese Richtung geht“, sagt Norbert Kersting, Professor für Politikwissenschaft an der Uni Münster. In den USA sei das seit Jahren üblich. „Da macht man das ganz schamlos“, sagt er.
Möglich ist diese Form der Einflussnahme nur in bestimmten Wahlsystemen. In der Verhältniswahl hat der Zuschnitt der Wahlkreise kaum Folgen. Dieses System berücksichtigt die Parteien entsprechend dem Anteil der Stimmen, die sie bekommen haben. In der Mehrheitswahl gilt das Prinzip: The winner takes it all. Wer den Wahlkreis gewinnt, bekommt das Mandat. Die anderen gehen leer aus.
Deutschland hat ein Mischsystem: die personalisierte Verhältniswahl. Es enthält „das Beste aus beiden Welten“, sagt Norbert Kersting. Wer wahlberechtigt ist, hat zwei Stimmen. Die erste geht an eine Person, die zweite an eine Partei. Das garantiert, dass jeder Wahlkreis im Parlament vertreten ist (Erststimme), und gleichzeitig, dass die unterlegenen Parteien nicht unter den Tisch fallen (Zweitstimme).
Aber warum ist es problematisch, die Wahlkreise so zu verändern, dass bestimmte Parteien profitieren? „Gerrymandering beschädigt die Integrität von Wahlen“, sagt Norbert Kersting. Er hat sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Kersting war Teil einer Gruppe von Forschenden, die weltweit die Probleme bei Wahlen untersucht – dem von der Harvard-Professorin Pippa Norris gegründeten Electoral Integrity Project. Gerrymandering sei in diesen Untersuchungen ein wichtiger Problem-Indikator. Die Praxis sei auch der Grund dafür, dass die USA in Ranglisten zur Integrität von Wahlen hinter einem Land wie Bulgarien stehen.
In Nordrhein-Westfalen könnte ein Argument für den neuen Zuschnitt der Wahlkreise sein, dass er Stadt-Land-Konflikte entschärft. Eine Person, die im Parlament die Interessen der Stadtbevölkerung ebenso vertritt wie die auf dem Land, muss den Ausgleich immer im Blick behalten. Norbert Kersting sieht das anders. Er sagt: „Der Ausgleich wird im Parlament hergestellt.“ Die Wahlkreise sollten nach seinem Verständnis möglichst homogen sein.
Und hätte man an ihrem Zuschnitt überhaupt etwas ändern müssen? Norbert Kersting bezweifelt das. „Einen großen Druck sehe ich da nicht“, sagt er. Münster sei nicht so sehr gewachsen, dass man nicht auch weiter mit zwei Wahlkreisen ausgekommen wäre. Dass eine neue Landesregierung den neuen Zuschnitt gleich wieder korrigieren wird, hält er aber für unwahrscheinlich. Damit würde sie sich ja, so Kersting, sofort wieder den gleichen Vorwurf einhandeln.
Der Wahl-Kompass
Das Institut für Politikwissenschaft der Uni Münster hat zur Landtagswahl die Online-Wahlhilfe Wahlkompass eingerichtet, mit der Sie überprüfen können, welche Partei am besten zu Ihnen passt. Hinter dem Wahlkompass stehen Norbert Kersting und sein Mitarbeiter Jan Philipp Thomeczek. Die beiden haben die Wahlprogramme der Parteien ausgewertet und die Unterschiede herausgearbeitet. Das werde allerdings immer schwerer, denn „in der Mitte werden die Parteien sich immer ähnlicher“, sagt Norbert Kersting. Unterschiede könne man aber schon noch erkennen.
Auffällig in Nordrhein-Westfalen sei zum Beispiel, dass die klassischen Lager noch viel stärker vorhanden seien als in anderen Bundesländern. Das sei ein Grund dafür, dass kaum jemand über eine schwarz-rote Koalition spreche, obwohl sie möglich wäre. Nach einer aktuellen Umfrage aus der vergangenen Woche käme die SPD auf 31 Prozent, die CDU auf 29 Prozent, die Grünen lägen mit 14 Prozent auf Platz drei, dahinter befänden sich FDP (10 Prozent), AfD (7 Prozent) und die Linkspartei (4 Prozent). Die schwarz-gelbe Regierung wäre damit abgewählt. Möglich wäre eine Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP – oder ein Ampelbündnis aus SPD, Grünen und FDP. Eine Ampel in Nordrhein-Westfalen würde die Bundesregierung stärken. Eine Jamaika-Koalition hätte im Bundesrat ein Problem. Sie könnte sich in vielen Fällen wohl weder auf die Position der Regierung einigen noch auf die der Opposition. Am Ende müsste sie sich enthalten.
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In aller Kürze
+++ Wer aus der Kirche austreten möchte, braucht einen Termin beim Amtsgericht und vor allem eins: Geduld. Die Ratsgruppe der Partei Volt möchte das ändern und schlägt daher einen Aktionstag vor, einen „Tag des Kirchenaustritts“. Das schreibt die Gruppe in einer Anfrage an die Stadt. Artikel 4 des Grundgesetzes sichere allen Menschen das Recht auf Freiheit des Glaubens zu, heißt es in dem Schreiben. Daher sei es für Volt selbstverständlich, dass dazu auch die Möglichkeit gehöre, unkompliziert, barrierefrei und zeitnah aus der Kirche auszutreten. Die Stadtverwaltung wird das nun prüfen. Allerdings braucht man auch dabei erfahrungsgemäß eins: Geduld.
+++ In der Nacht auf Montag ist an der Hüfferstraße ein 31-jähriger Münsteraner gefunden worden, der schwer verletzt und hilflos neben seinem Fahrrad lag. Falls Sie in dieser Nacht auch an der Hüfferstraße (Ecke Robert-Koch-Straße) unterwegs waren und etwas gesehen haben, melden Sie sich bei der Polizei.
Nach der Flucht
Ende März hatte Johanne Burkhardt für RUMS mit dem Münsteraner Andre Groten gesprochen. Er hat zusammen mit seiner Frau in Kiew gelebt und musste zu Beginn des Kriegs flüchten. Hier erzählen wir ab sofort einmal in der Woche, wie es für die beiden nach ihrer Flucht weiterging.
In vier Tagen werden Andre und Mariia Groten auf einer Hochzeit im Münsterland sein. Am Wochenende sind sie mit dem Sammeltaxi in die Stadt gefahren, um sich einzukleiden. Ihr Kleiderschrank steht noch immer in Kiew, in einer Wohnung, von der sie nur wissen, dass sie weiterhin existiert. Der Vermieter hat es ihnen mitgeteilt. Sie lesen die Nachrichten der Messenger-Gruppe der Nachbarschaft – Menschen, die mit der Ungewissheit leben, die nicht wissen, ob ihr Haus am Wochenende noch da sein wird. Andre und Mariia Groten lernen gerade, sich mit der neuen Normalität zu arrangieren. Zu ihr gehört auch, dass sie lachen und feiern, während ein Teil der Familie im Krieg lebt. „Wir sind ja nach Deutschland gekommen, um körperlich gesund zu bleiben, aber dazu gehört ja auch die mentale Gesundheit“, sagt Andre Groten. Die neue Normalität ist hier wie dort ein Mysterium. Freunde von Andre und Mariia Groten, mit denen sie zusammen aus Kiew geflohen sind, fuhren später wieder zurück. Jetzt repariert der Mann in Kiew Waschmaschinen, mitten im Krieg, um wenigstens etwas Geld zu verdienen. Vor ein paar Tagen sagte seine Frau am Telefon: „Das Stromnetz ist zusammengebrochen. Deswegen geht Kiril nicht ans Telefon. Aber ihr könnt mich anrufen.“ Als wäre das alles ganz normal. In Kiew gab es in der Innenstadt am Wochenende wieder einen Stau. Die Menschen gehen Arbeiten, Einkaufen. Kriegsnormalität. Andre und Mariia Groten haben schon darüber nachgedacht, nach Kiew zu fahren, um ihre Wohnung auszuräumen. Sie zahlen weiter Miete, aber das kann ja nicht ewig so weitergehen. Den Gedanken verwarfen sie wieder. Jetzt denken sie erstmal ans Wochenende. Der nächste Schritt in Richtung Normalität: Eine Hochzeit feiern, ohne Schuldgefühle zu haben.
Corona-Update
So richtig abflauen will die Corona-Welle noch nicht. Die Stadt meldet heute 534 Neuinfektionen und eine Inzidenz von 878 (Neuinfektionen pro 100.000 Menschen innerhalb einer Woche). Im Moment gelten 4.908 Menschen in der Stadt als infiziert. 72 Infizierte liegen in den Krankenhäusern, 8 davon auf der Intensivstation, 2 werden beatmet. Informationen rund um alles, was mit Corona, Impfungen und Tests zu tun hat, gibt die Stadt Münster auf dieser Seite.
Unbezahlte Werbung
Es ist tagsüber nicht leicht, einen Ort zu finden, der gemütlich, aber auch bei schönem Wetter nicht zu sehr überlaufen ist. Bremer Straße 32, das Café Prütt, im Hinterhof. Das wäre so ein Ort. Man sitzt mittags windgeschützt in der Sonne. Es gibt eine wundervolle Tageskarte. Morgen zum Beispiel: Bulgur-Kräuter-Salat mit gebratenem Gemüse und Fetadip. Oder übermorgen: Spanische Kartoffeltortilla mit Brokkoli, Salsa Rosso, dazu Rohkostsalat. Das alles für unter zehn Euro. Die aktuellen Gerichte finden Sie auf der Website. Dort finden Sie auch die Telefonnummer zum Reservieren.
Drinnen und Draußen
+++ Morgen Abend erzählt der Historiker Henning Stoffers wieder Geschichten aus Münsters Vergangenheit, es geht um die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen (mehr Infos hier). Wenn Sie zuhören möchten, müssten Sie um 19 Uhr im Bennohaus sein. Der Eintritt ist frei.
+++ Wahre Geschichten können Sie auch am Freitagabend in der Halle Münsterland hören. Aber da wird es möglicherweise etwas schauriger. Philipp Fleiter ist zu Gast und erzählt live einige Fälle aus seinem bekannten Podcast Verbrechen von nebenan – True Crime aus der Nachbarschaft. Um 20 Uhr geht es los, Karten gibt es für 37,40 Euro hier.
+++ Eines der markantesten, aber auch gleichzeitig unheimlichsten Gebäude in der Stadt ist der fast 500 Jahre alte Zwinger. Am Donnerstagabend können Sie das Denkmal ab 20 Uhr von innen mit der Taschenlampe erkunden. Die Lampe müssten Sie mitbringen, dazu drei Euro Eintritt (ermäßigt zwei Euro). Und wenn Sie teilnehmen möchten, sagen Sie doch kurz vorher per E-Mail Bescheid.
Am Freitag schreibt Ihnen Constanze Busch. Ich wünsche Ihnen eine schöne Woche.
Herzliche Grüße
Ralf Heimann
Mitarbeit: Constanze Busch
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PS
Der Aasee ist keine hundert Jahre alt, aber in der ganzen Welt bekannt. Vor 15 Jahren kamen Kamerateams aus China, um über den schwarzen Trauerschwan Petra zu berichten, der sich in ein Tretboot verliebt hatte und später spurlos verschwand. Der Filmemacher Max Meis hat zwei Jahre lang an einer Dokumentation über den Aasee gearbeitet, in der es um die Geschichte des Sees und die Geschichten rund um den See geht. Am Freitag um 20:15 Uhr läuft die Doku im WDR. Falls Sie da keine Zeit haben, kein Problem. Danach finden Sie den Film in der Mediathek.
HINWEIS: RUMS steht für kritischen, aber auch konstruktiven und wertschätzenden Journalismus. Genauso wünschen wir uns auch die Diskussion unter unseren Beiträgen und Briefen. Streiten Sie sich, schreiben Sie Ihre Meinung — aber bleiben Sie bitte sachlich und höflich. Wir vertrauen darauf, dass Sie sich daran halten. Daher prüfen wir Ihre Kommentare nicht, bevor sie hier veröffentlicht werden. Wir behalten uns jedoch vor, alle Äußerungen zu entfernen, die beispielsweise beleidigend, diffamierend, sexistisch oder rassistisch sind.
Ich frage mich ernsthaft, warum RUMS Herrn Professor Kersting als vermeintlichen Experten für die Frage des Wahlkreiszuschnitts bei der Landtagswahl herangezogen hat. Mal ganz davon abgesehen, dass er sich selbst widerspricht, wenn er dagegen ist, dass innerhalb eines Wahlkreises städtische und ländliche Anteile vertreten sind, aber dafür, dass die Wahlkreise möglichst homogen sein sollen. Die Münsteraner Wahlkreise sind es jedenfalls.
Was ich aber wirklich ärgerlich finde, ist die mal eben so dahin gesagte „Expertenmeinung“, dass es keines neuen Zuschnitts bedurft hätte, weil Münster gar nicht so stark gewachsen sei. Mal davon abgesehen, dass Münsters Wachstum kein Geheimnis ist: Das ganze hat eine rechtliche Grundlage, die man als Politikwissenschaftler kennen sollte, wenn man sich öffentlich zu dem Thema äußert. Nennt sich Landeswahlgesetz und ist durch höchstrichterliche Rechtsprechung unterfüttert. Im Kern geht es darum, dass Wahlkreise ähnlich groß sein müssen – groß bezieht sich hier auf die Einwohnerzahl. Es gibt gesetzlich und durch Richterspruch definierte Abweichungen vom Durchschnitt aller Wahlkreise, die zulässig sind. Bislang 20%, jetzt 15%. Man teilt also die Einwohnerzahl NRWs durch die Zahl der Wahlkreise, hat einen Durchschnittswert und kann dann die Abweichungen ermitteln. Die lagen beim Wahlkreis Münster I (Nord) über 15%. Der Sinn der Sache ist, dass jede Wählerstimme möglichst gleich viel Gewicht haben soll – demokratietheoretisch und damit für den Politikwissenschaftler ein gewichtiges Argument.
Laut Gesetz ist der Innenminister verpflichtet, den Landtag zur Mitte der Wahlperiode (innerhalb von 27 Monaten nach der Wahl) über die Situation zu informieren. Das hat er ausführlich getan (https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-2351.pdf). Das entsprechende Dokument ist im Internet abrufbar, wie auch alle folgenden zu dem Thema einschließlich des folgenden Gesetzentwurfs mit den Anhörungen, Ausschussprotokollen und Änderungsanträgen dazu. Erstaunlich, dass das einem Experten zum Thema verborgen geblieben ist.
Schon aus dem Bericht geht hervor, dass es in Münster Änderungsbedarf gab und nicht nur dort, im Ruhrgebiet auch – dort aber wegen zurückgehender Einwohnerzahlen in die andere Richtung.
Unter dem Strich sollte man vielleicht auch als Münsteraner Medium mal die lokale Sichtweise für einen Moment durch die regionale ersetzen: Es ist nämlich nicht so, dass Münster jetzt einen Wahlkreis mehr hat, sondern das Münsterland. Letztlich gibt es ja auch auf dem Coesfelder Kreisgebiet einen Wahlkreis mehr und auf dem Steinfurter auch. Und was kann man als Münsterländer dagegen haben, dass die eigene Region mehr Gewicht in Düsseldorf bekommt?
Im Übrigen irrt Professor Kersting auch, wenn er meint, dass die nächste Landesregierung nichts am Zuschnitt ändern würde: Das ist – offenbar ausgehend von der irrigen Annahme, dass man das als Regierung so nach Lust und Laune tun könnte - falsch. Denn wenn Münster weiter so wächst, muss die nächste Landesregierung sich wieder mit der Zuschnittsfrage befassen. Das ergibt sich eben aus diesem Gesetz, dass Herr Professor Kersting nicht kennt.
Noch eine Anmerkung zum Stichwort Gerrymandering, mit dem angeblich die Chancen der eigenen Partei durch Verschiebung der Wahlkreisgrenzen beeinflusst werden können: In Wahlsystemen mit Mehrheitswahlrecht wie in den USA oder UK mag das gehen, in Deutschland ist das ausgeschlossen, da die Zweitstimme über die Mehrheitsverhältnisse im Parlament entscheidet und diese wird für eine Liste abgegeben, nicht für einen Wahlkreis.
Und wenn Herr Professor Kersting dennoch Gerrymandering befürchtet bzw. den „starken Verdacht“ (um die vermeintliche Verwerflichkeit dieses Tuns zu unterstreichen) äußert, dass das hier der Fall ist, dann soll er doch mal eine Frage beantworten: Ist es - rein theoretisch und logisch gedacht – überhaupt möglich, Wahlkreise so zuzuschneiden, dass keine Partei in irgendeiner Art und Weise bevorzugt oder benachteiligt wird?
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