FMO in Schwierigkeiten | Übermittlungsfehler | Ziegenhof am Ströhn

Müns­ter, 1. Dezem­ber 2020

Guten Tag,

der Flug­ha­fen Münster/Osnabrück ist in die­sen Tagen ein ruhi­ger Ort. Am Diens­tag sind ins­ge­samt zwei Maschi­nen gestar­tet, bei­de nach Mün­chen, eine um 7.10 Uhr, eine um 16.50 Uhr. Es gab Zei­ten, da flo­gen von Gre­ven aus 1,8 Mil­lio­nen Men­schen im Jahr in den Urlaub oder zu Geschäfts­ter­mi­nen. Aufs Jahr gerech­net sind das fast 5.000 Pas­sa­gie­re an jedem ein­zel­nen Tag. Aber das ist 20 Jah­re her. Im ver­gan­ge­nen Jahr buch­ten immer­hin noch eine knap­pe Mil­li­on Men­schen einen Flug vom FMO aus. Die meis­ten reis­ten nach Mün­chen, Frank­furt, Mal­lor­ca und Anta­lya. Auch 2019 war für den Flug­ha­fen schon kein leich­tes Jahr. Der Rei­se­ver­an­stal­ter Tho­mas Cook ging plei­te und auch die Flug­ge­sell­schaft Ger­ma­nia, deren Flü­ge ein knap­pes Drit­tel des gesam­ten Ver­kehrs aus­mach­ten. Im ver­gan­ge­nen Jahr gelang es Flug­ha­fen­chef Rai­ner Schwarz, schnell einen Ersatz aus dem Ärmel zu zau­bern, der das Schlimms­te ver­hin­der­te. Das ist in die­sem Jahr nicht mög­lich. Mit­te Okto­ber sag­te Schwarz in einem Inter­view mit der Neu­en Osna­brü­cker Zei­tung, er rech­ne mit 200.000 bis 220.000 Flug­gäs­ten. Die zwei­te Coro­na-Wel­le hat­te da noch gar nicht rich­tig begonnen.

Der Flug­ha­fen Münster/Osnabrück steckt in gro­ßen Schwie­rig­kei­ten. Er wird in den kom­men­den Jah­ren sehr viel Geld benö­ti­gen, viel mehr Geld als ohne­hin schon. Die­ses Geld wer­den die Gesell­schaf­ten über­neh­men müs­sen, denen der FMO gehört. Das sind vor allem Kom­mu­nen. Und damit sind es die Men­schen, die Steu­ern zah­len. Doch der Kon­sens dar­über, dass der Flug­ha­fen die­ses Geld wert ist, ist längst nicht mehr so groß wie noch vor eini­gen Jah­ren. Hin­zu­kommt, dass das Flie­gen selbst in die Kri­tik gera­ten ist. Regio­nal­flug­hä­fen sind nicht nur teu­er, sie sind auch kli­ma­schäd­lich. Mitt­ler­wei­le stellt sich die Fra­ge: Wäre es nicht bes­ser, sich von die­sem Mil­lio­nen­grab zu tren­nen und das gan­ze Geld in bes­se­re Bahn­ver­bin­dun­gen zu stecken?

Die fünf größ­ten Eigen­tü­mer-Gesell­schaf­ten sind die Stadt Müns­ter (35 Pro­zent), der Kreis Stein­furt (30 Pro­zent), die Stadt Osna­brück (17 Pro­zent), die Stadt Gre­ven (6 Pro­zent) und der Land­kreis Osna­brück (5 Pro­zent). Sie haben in den ver­gan­ge­nen Jah­ren vie­le Mil­lio­nen inves­tiert, um Teil einer Flug­ha­fen­re­gi­on zu sein. Dass es so viel Geld wur­de, hat­te auch mit poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen zu tun, die sich spä­ter als falsch her­aus­ge­stellt haben. Und das lag auch dar­an, dass man sich die Zukunft des Flie­gens noch vor weni­gen Jah­ren etwas anders vor­stell­te als heute.

Als die Flug­gast­zah­len zu Beginn des neu­en Jahr­tau­sends an der Zwei-Mil­lio­nen-Mar­ke kratz­ten, sah es aus, als wür­de es noch lan­ge so wei­ter­ge­hen – als wäre es erst der Anfang von etwas wirk­lich Gro­ßem. Die Wachs­tums­pfa­de gli­chen dem nach­ge­zeich­ne­ten Weg einer star­ten­den Boe­ing. Es schien klar, dass man hier bald in ande­ren Dimen­sio­nen den­ken müss­te, in inter­kon­ti­nen­ta­len. Der Bau des zwei­ten Ter­mi­nals hat­te begon­nen. Bald soll­ten von hier vier Mil­lio­nen Men­schen im Jahr flie­gen kön­nen. Geplan­te Inves­ti­ti­ons­kos­ten: 100 Mil­lio­nen Euro. Auch die 2.170 Meter lan­ge Start­bahn wür­de bald nicht mehr aus­rei­chen. 3.600 Meter lang soll­te sie wer­den. Geplan­te Inves­ti­ti­ons­kos­ten: 120 Mil­lio­nen Euro. Der Rechts­streit um die ver­län­ger­te Lan­de­bahn zog sich über Jah­re hin. Im Jahr 2011 hat­te die Anbah­nung des Baus schon 19 Mil­lio­nen Euro gekos­tet. Aber mit der Zeit änder­ten sich die Aus­sich­ten. Als der Auf­sichts­rat die Plä­ne im Okto­ber 2017 begrub, geschah das, weil man die lan­ge Start­bahn ein­fach nicht mehr brauch­te. Die Welt­wirt­schafts­kri­se hat­te das Wachs­tum jäh gestoppt, danach kam es nicht wie­der in Gang. Die Flug­gast­zah­len düm­pel­ten bei einer knap­pen Mil­li­on. Von einem Inter­kon­ti­nen­tal-Flug­ha­fen sprach nie­mand mehr. Das Ter­mi­nal II war viel zu groß gera­ten. An den finan­zi­el­len Fol­gen ächzt der Flug­ha­fen noch heute.

Der Flughafen braucht wieder Geld

Ein gro­ßes Pro­blem war: Man hat­te das Ter­mi­nal kom­plett über Bank­kre­di­te finan­ziert. Die Raten waren eine Belas­tung, die der FMO nicht stem­men konn­te. Im Jahr 2014 lag der Schul­den­stand bei über 84 Mil­lio­nen Euro. Ein neu­es Finan­zie­rungs­kon­zept soll­te die­ses Pro­blem lösen.

Das Kon­zept sah vor, dass der Flug­ha­fen zwi­schen 2016 und 2020 ins­ge­samt 84 Mil­lio­nen Euro von sei­nen Eigen­tü­mer­ge­sell­schaf­ten bekom­men soll­te, also knapp 17 Mil­lio­nen Euro pro Jahr. Müns­ter wür­de davon ent­spre­chend sei­nem Anteil knapp 5,9 Mil­lio­nen Euro jähr­lich tra­gen müs­sen. Und so geschah es. Inzwi­schen sind die Bank­dar­le­hen nach Anga­ben des FMO auf 24 Mil­lio­nen Euro geschrumpft. Das ent­spre­che „exakt den Vor­ga­ben, die die Gesell­schaf­ter dem FMO als Ziel­wert vor­ge­ge­ben hat­ten“. So steht es in einem Papier, das der Flug­ha­fen der Poli­tik an die Hand gege­ben hat (Titel: „Text­bau­stei­ne einer mög­li­chen Gremienvorlage“). 

Im ver­gan­ge­nen Jahr hat der Flug­ha­fen den Finanz­plan aktua­li­siert. Das Ergeb­nis ist das „Finan­zie­rungs­kon­zept 2.0“: Danach sol­len die Eigen­tü­mer­ge­sell­schaf­ten zwi­schen 2021 und 2025 noch ein­mal 35 Mil­lio­nen Euro zur Ver­fü­gung stel­len, als Dar­le­hen. Der Flug­ha­fen soll damit sei­ne Infra­struk­tur instand hal­ten. Es geht nicht mehr ums Wach­sen, son­dern dar­um, das Niveau zu hal­ten. Müns­ter wird sich mit 12 Mil­lio­nen Euro betei­li­gen, mit knapp 2,5 Mil­lio­nen Euro pro Jahr. 

Mehr soll­te es ursprüng­lich nicht wer­den. Doch mit der Coro­na-Kri­se kommt nun alles anders. Der Flug­ha­fen braucht mehr Geld. Wie­der ein­mal. Zunächst 10 Mil­lio­nen Euro für das aktu­el­le und das kom­men­de Jahr. Die Stadt Osna­brück hat Anfang Novem­ber beschlos­sen, dem FMO noch ein­mal mit 1,8 Mil­lio­nen Euro aus­zu­hel­fen. Müns­ter wäre mit etwa 3,5 Mil­lio­nen Euro dabei, wenn der Rat der Hil­fe zustim­men soll­te. Dar­über ent­schie­den wird frü­hes­tens Anfang nächs­ten Jah­res. Ein­fach so über­wei­sen will man das Geld in Müns­ter aber nicht. Cars­ten Peters, der ver­kehrs­po­li­ti­sche Spre­cher der Grü­nen in Müns­ter, hat der Neu­en Osna­brü­cker Zei­tung vor einer Woche gesagt, man wol­le auch ande­re Optio­nen prü­fen. Im Grun­de geht es dabei aber nur um eine: Kre­di­te, die das Land den Flug­hä­fen bereit­stellt. Soll­te das nicht klap­pen, wäre die Fra­ge: Springt Müns­ter ein? An der SPD wür­de es nicht schei­tern, so hört man. Die Grü­nen sind unschlüs­sig. Volt hat sich noch nicht geäußert. 

In Waren­dorf hat SPD-Frak­ti­ons­chef Den­nis Kocker in der ver­gan­ge­nen Woche über die Finanz­hil­fen gesagt: „Müss­ten wir heu­te ent­schei­den, wür­de die SPD ableh­nen.“ Die Grü­nen im Kreis­tag des Land­krei­ses Osna­brück, haben für die nächs­te Sit­zung am 14. Dezem­ber einen Antrag vor­be­rei­tet, in dem sie schrei­ben: „Gelingt es nicht, pri­va­te Geld­ge­ber zu fin­den, muss geprüft wer­den, ob es durch struk­tu­rel­le Ver­än­de­run­gen wie z.B. eine Ver­klei­ne­rung der Infra­struk­tur und / oder durch Umnut­zun­gen mög­lich wäre, den Finanz­be­darf zu sen­ken.“ Auch die Auf­ga­be des Flug­be­triebs dür­fe nicht tabu sein. Die­se Opti­on müs­se eben­falls geprüft wer­den. Und das wäre genau die Vari­an­te, die das Akti­ons-Bünd­nis „FMO-Aus­stieg jetzt!“ favo­ri­siert. Das Bünd­nis, das nach eige­nen Anga­ben aus 40 Initia­ti­ven aus Müns­ter, Osna­brück und den Land­krei­sen besteht, argu­men­tiert vor allem mit der Belas­tung der Flie­ge­rei für das Kli­ma und der nach Ansicht der Grup­pe feh­len­den Aus­sicht des Flug­ha­fens, finan­zi­ell auf eige­nen Bei­nen zu stehen. 

Die­se Aus­sicht wäre schon allein des­halb nötig, weil die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on es Kom­mu­nen ab 2024 ver­bie­tet, defi­zi­tä­re Air­ports mit Zuschüs­sen am Leben zu hal­ten. In der gegen­wär­ti­gen Situa­ti­on wäre das für vie­le Regio­nal­flug­hä­fen das Ende. Aber noch bleibt etwas Zeit. Nach einem Bericht des Redak­ti­ons­netz­werks Deutsch­land ver­sucht die Bun­des­re­gie­rung bereits, die Frist ver­län­gern zu lassen.

Orangefarbene Karte für FMO

Das Bünd­nis „FMO-Aus­stieg jetzt!“ spricht von 80 Mil­lio­nen Euro, die bis 2030 in den Flug­ha­fen gepumpt wer­den müss­ten. Es ist eine gro­be Schät­zung, die ver­mut­lich eher zu hoch als zu nied­rig ange­setzt ist. Aber auch der Flug­ha­fen selbst kün­dig­te im Sep­tem­ber eine Lücke in einer Grö­ßen­ord­nung von bis zu 30 Mil­lio­nen Euro an, die sich bis 2025 auf­tun könn­te. Aber all die­se Zah­len sind vage. Noch ist nicht abseh­bar, wie lan­ge die Kri­se anhält, und wie lan­ge es dau­ern wird, bis das Geschäft sich halb­wegs wie­der erholt. 

Die Dis­kus­si­on betrifft nicht nur Müns­ter, son­dern alle Regio­nal­flug­hä­fen in Deutsch­land. Ins­ge­samt sind es 14. Fast alle machen Ver­lus­te. Das Forum Öko­lo­gi­sche Markt­wirt­schaft hat sich in die­sem Jahr in einer Stu­die mit die­sen Flug­hä­fen beschäf­tigt. Ihr Titel nimmt das Ergeb­nis schon vor­weg. Er lau­tet: „Regio­nal­flug­hä­fen: Öko­no­misch und kli­ma­po­li­tisch unver­ant­wort­li­che Subventionen.“ 

Über den FMO heißt es dort, er tra­ge nicht zur „Kon­nek­ti­vi­tät der Regi­on bei“, ver­bin­de sie also nicht mit inter­na­tio­na­len Flug­ver­kehrs­net­zen und euro­päi­schen Wirt­schafts­zen­tren. Die Flug­ha­fen­dich­te sei mit den Air­ports in Dort­mund, Paderborn/Lippstadt (inzwi­schen insol­vent) und Osna­brück „viel zu groß“. Man flie­ge Zie­le wie Frank­furt am Main an, die inner­halb von weni­ger als drei Stun­den mit dem Zug erreich­bar sei­en. Die wirt­schaft­li­che Pro­gno­se fällt düs­ter aus. „Der auf­ge­stau­te, immense Sanie­rungs­be­darf der Flug­ha­fen­in­fra­struk­tur und extre­me Ver­lus­te in den letz­ten Jah­ren machen das Errei­chen der Wirt­schaft­lich­keits­schwel­le selbst in nor­ma­len Zei­ten unwahr­schein­lich“, so steht es in dem knapp 20 Sei­ten lan­gen Bericht. Fazit: Sie­ben von zwölf unter­such­ten Flug­hä­fen soll­ten schlie­ßen. Der FMO ist nicht dabei. Er bekommt kei­ne rote Kar­te, aber eine orangefarbene.

Flug­ha­fen­chef Schwarz kri­ti­sier­te in der Neu­en Osna­brü­cker Zei­tung „die frag­wür­di­gen Metho­den“, mit denen hier gear­bei­tet wer­de. Der Bund für Umwelt und Natur­schutz (BUND) habe die Stu­die „an ein im Ver­kehrs­be­reich völ­lig unbe­kann­tes Insti­tut“ ver­ge­ben, „das dann auch – fast erwar­tungs­ge­mäß – mit nicht halt­ba­rer Metho­dik arbei­tet“. Ein Bei­spiel sei die Fest­stel­lung, der FMO tra­ge nicht zur Kon­nek­ti­vi­tät der Regi­on bei. „Wenn ein Flug­ha­fen mit über 40 Pro­zent Geschäfts­ver­kehr ‚nicht zur Kon­nek­ti­vi­tät der Regi­on bei­trägt‘, muss man sich schon fra­gen: Wer dann?“, sagt Schwarz.

Nah an einer Gefälligkeitsprognose

Nun muss man sagen: Stu­di­en erstel­len, die Anlass zum Zwei­fel an der Glaub­wür­dig­keit ihrer Ergeb­nis­se geben, das kön­nen auch die Flug­ha­fen­ge­sell­schaf­ten. Ein Name, der im Zusam­men­hang mit Regio­nal­flug­hä­fen immer wie­der auf­taucht, ist Richard Klophaus. Er ist Pro­fes­sor an der Fach­hoch­schu­le in Worms und laut sei­ner Web­site Part­ner der Inter­es­sen­ge­mein­schaft der regio­na­len Flug­hä­fen, wie dem ZDF-Maga­zin „Zoom“ vor sechs Jah­ren auf­ge­fal­len ist. Klophaus schreibt Gut­ach­ten über die­se Flug­hä­fen. Laut dem Maga­zin kommt er dabei fast immer zu zum glei­chen Ergeb­nis: Die Flug­hä­fen rech­nen sich für die Regio­nen. Die Zah­len sind meist sehr opti­mis­tisch. Im Fall des Flug­ha­fens Kas­sel-Cal­den war im Gut­ach­ten von 561.000 Flug­gäs­ten pro Jahr im wahr­schein­lichs­ten Fall die Rede. Im ver­gan­ge­nen Jahr waren es 120.000. Der Flug­ha­fen­pla­ner Die­ter Fau­len­bach da Cos­ta sagt in dem Bei­trag, sol­che Gut­ach­ten lägen nah an einer Gefäl­lig­keits­pro­gno­se. „Das heißt: Der Auf­trag­ge­ber braucht den Nach­weis, dass ein Bedarf da ist, kriegt eine Pro­gno­se, die den Bedarf nach­weist, und kann damit sei­nen Flug­ha­fen aus­bau­en.“ Erin­nern wir uns: Das Ter­mi­nal II in Gre­ven ist gedacht für vier Mil­lio­nen Pas­sa­gie­re im Jahr.

Richard Klophaus hat auch für den Flug­ha­fen Münster/Osnabrück eine Stu­die geschrie­ben. Erschie­nen ist sie im Novem­ber 2013. In Auf­trag gege­ben haben sie unter ande­rem die Indus­trie- und Han­dels­kam­mer Nord West­fa­len und die Gesell­schaft FMO Flug­ha­fen Münster/Osnabrück. Klophaus belegt in dem Papier mit sehr vie­len Zah­len und Argu­men­ten, dass der Flug­ha­fen in Gre­ven ein wich­ti­ger Stand­ort­fak­tor für die Regi­on sei. Argu­men­te, die gegen den FMO spre­chen, fin­den sich nicht.

Mög­li­cher­wei­se hängt es auch davon ab, wie man auf die Sache schaut oder schau­en möch­te. Phil­ipp Brei­den­bach vom RWI-Leib­niz-Insti­tut für Wirt­schafts­for­schung hat am Mon­tag zusam­men mit Chris­toph M. Schmidt, RWI-Prä­si­dent und ehe­ma­li­ger Spre­cher des Rats der fünf Wirt­schafts­wei­sen, einen Text in der Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Zei­tung geschrie­ben, in dem es um die Situa­ti­on der Regio­nal­flug­hä­fen in der Coro­na-Kri­se geht – und um eine Stu­die, die Brei­den­bach im ver­gan­ge­nen Jahr ver­öf­fent­licht hat. In der FAZ heißt es: „Bis­her wur­den die­se dau­er­haf­ten Sub­ven­tio­nen gern mit Ver­weis auf die hohe Bedeu­tung der Regio­nal­flug­hä­fen als Anzie­hungs­punk­te für die regio­na­le Wirt­schaft gerecht­fer­tigt.“ Dies sei aber ein Irr­glau­be, wie Brei­den­bachs Stu­die zei­ge. Das „eben­so ernüch­tern­de wie ein­deu­ti­ge Ergeb­nis“ lau­te: „Der Aus­bau der Regio­nal­flug­hä­fen hat in der Ver­gan­gen­heit nicht zu einem höhe­ren Wirt­schafts­wachs­tum der umlie­gen­den Regio­nen geführt.“

Das Wirt­schafts­wachs­tum ist nicht das ein­zi­ge Argu­ment für einen Flug­ha­fen. Es geht um sehr viel mehr, um das Bild und das Selbst­bild einer Regi­on. Es geht um har­te Zah­len wie Arbeits­plät­ze und Steu­er­ein­nah­men, aber es geht auch dar­um, wer die bes­te Geschich­te erzählt, um das Narrativ. 

Ein übergeordneter Plan fehlt

Beim Flug­ha­fen Münster/Osnabrück ist das bekannt. In einem zwei­sei­ti­gen Argu­men­ta­ti­ons­leit­fa­den hat man Argu­men­te zusam­men­ge­stellt, mit denen die Poli­tik auf die Kri­tik des Akti­ons­bünd­nis­ses „FMO-Aus­stieg jetzt!“ reagie­ren kann. Auf die The­se, Flie­gen sei schäd­lich fürs Kli­ma etwa: 

  • Der FMO wol­le der ers­te Flug­ha­fen sein, der bis 2030 kli­ma­neu­tral sei. 
  • Die ers­ten emis­si­ons­frei­en Air­ports wür­den Regio­nal­flug­hä­fen sein. 
  • Der Anteil des inner­deut­schen Flug­ver­kehrs an den deut­schen CO2-Emis­sio­nen betra­ge 0,31 Prozent. 
  • Die wich­tigs­ten Ver­bin­dun­gen wür­den sich auch in Zukunft nicht auf die Bahn verlagern. 

Auf das Argu­ment, der FMO sei finan­zi­ell ein Fass ohne Boden, schlägt der Flug­ha­fen eben­falls Ant­wor­ten vor: 

  • Man hole jetzt nach, was bei ande­ren Flug­hä­fen üblich sei – das Ter­mi­nal aus Gesell­schaf­ter­mit­teln zu finan­zie­ren (und nicht mit­hil­fe von Bank­kre­di­ten, wie es gemacht wor­den war). 
  • In den ver­gan­ge­nen 25 Jah­ren habe der FMO 18 Mal ein posi­ti­ves Betriebs­er­geb­nis erzielt. 
  • Die Flug­gast­zah­len sei­en im ers­ten Quar­tal noch um 25 Pro­zent gestie­gen – stär­ker als auf jedem ande­ren Flug­ha­fen in Deutschland. 
  • Das Pro­blem mit dem Finan­zie­rungs­loch durch Coro­na betref­fe welt­weit alle Flughäfen.

Auch zur For­de­rung, man möge jetzt ver­ant­wor­tungs­voll aus­stei­gen, nennt der FMO Argumente: 

  • Flug­hä­fen sei­en lang­fris­tig ange­leg­te Infra­struk­tur­ein­rich­tun­gen. Daher ver­bie­te es sich, sie „aus dem Blick­win­kel einer tem­po­rä­ren Kri­se“ zu beurteilen.
  • Wenn der Flug­ver­kehr in zwei bis drei Jah­ren wie­der boo­me, sei es nahe­zu unmög­lich, den geschlos­se­nen Flug­ha­fen zu reaktivieren. 
  • Die Wirt­schaft müs­se sich der Kon­se­quen­zen bewusst sein, die es habe, wenn man inter­na­tio­nal nicht mehr erreich­bar sei. 

Und – da sto­ßen wir wie­der auf Pro­fes­sor Klophaus – das vier­te Argu­ment lau­tet: Die Indus­trie- und Han­dels­kam­mern hät­ten noch ein­mal auf die gro­ße Bedeu­tung des FMO als Stand­ort­fak­tor für Unter­neh­mens­an­sied­lun­gen hingewiesen. 

Das eigent­li­che Pro­blem aber ist nicht das Argu­ment Stand­ort­fak­tor, son­dern die Tat­sa­che, dass es ein Argu­ment für den Bau oder Erhalt eines Flug­ha­fens sein kann. Es geht um einen Inter­es­sen­kon­flikt, der ein gutes Ergeb­nis unwahr­schein­lich macht. Wenn es in der Hand der Regi­on liegt, sich einen Flug­ha­fen zu bau­en, um sich einen Vor­teil zu ver­schaf­fen, muss man wohl damit rech­nen, dass es irgend­wann zu vie­le Flug­hä­fen gibt. Was fehlt, ist ein über­ge­ord­ne­ter Plan, der die Stand­or­te so anord­net, dass sie sich sinn­voll übers Land ver­tei­len. Oder wie Phil­ipp Brei­den­bach und Chris­toph M. Schmidt es in ihrem Text schrei­ben: „Eine nach­hal­ti­ge Flug­ha­fen­in­fra­struk­tur, die finan­zi­ell trag­fä­hig ist und zur regio­na­len Ver­sor­gung bei­trägt, wird auf wesent­lich brei­te­re gesell­schaft­li­che Zustim­mung bau­en kön­nen als die heu­te in Ver­ruf gera­te­nen ‚Land­rats­pis­ten‘.“


In aller Kürze

+++ Die Bus-und-Taxi-Hybri­den „Loop“-Kleinbusse sind nun mitt­ler­wei­le seit zwei Mona­ten in Müns­ter unter­wegs. Zur Erin­ne­rung: Man bucht übers Smart­phone und steigt dann ein­fach ein, sobald sie da sind. Unge­fähr 550 Men­schen machen das schon am Tag. Klaus Bau­meis­ter hat sich für die West­fä­li­schen Nach­rich­ten mit der Fra­ge beschäf­tigt, ob sich das Gan­ze lohnt und ob es viel­leicht auch was für die Stadt­tei­le wäre. Das Ergeb­nis im Über­blick: Gro­ßes Poten­zi­al hat „Loop“ vor allem als Ange­bot für den letz­ten Kilo­me­ter, also den Weg von der Bus­hal­te­stel­le im Stadt­teil bis zur eige­nen Haus­tür. Auf die­sen Teil­stre­cken könn­te der Klein­bus auf Abruf laut Bau­meis­ter lang­fris­tig die gro­ßen Bus­li­ni­en erset­zen. Das Gute dar­an: Die Stadt­bus­se müss­ten dann nicht mehr im 10- oder 20-Minu­ten-Takt durch die Wohn­ge­bie­te kurven. 

+++ Wie die West­fä­li­schen Nach­rich­ten berich­ten, hat der risi­ko­freu­di­ge Betrei­ber der Gast­stät­ten „Moc­ca D‘or“, „Fiu“ und „Café del Popo­lo“ ein neu­es Hygie­ne­kon­zept vor­ge­legt. Und die Stadt hat es geneh­migt. Die Läden hat­ten vor eini­gen Wochen schon vor allen ande­ren schlie­ßen müs­sen, weil dort in Sachen Coro­na-Regeln so ziem­lich alles drun­ter und drü­ber ging. Die neu­en Hygie­ne­kon­zep­te sind aber nun offen­bar bes­ser. Im Moment bringt den Restau­rants das aller­dings nicht viel. Die Gas­tro­no­mie befin­det sich ja wei­ter im ver­ord­ne­ten Winterschlaf. 


Corona-Update

Kurz sah es am Wochen­en­de so aus, als sei Müns­ter unter die Gren­ze von 50 Neu­in­fek­tio­nen pro 100.000 Men­schen und Woche (Sie­ben-Tage-Inzi­denz) gefal­len und damit kein Risi­ko­ge­biet mehr. Aber das war – Sie hat­ten es wahr­schein­lich eh schon geahnt – ein Über­mitt­lungs­feh­ler. Mit einer Sie­ben-Tage-Inzi­denz von 55,2 steht die Stadt im Lan­des­ver­gleich aber trotz­dem recht gut da. Duis­burg, Solin­gen und Hagen mel­den immer noch eine Inzi­denz von mehr als 200. Über­haupt nicht gut ist die Nach­richt, dass es in Müns­ter zwei wei­te­re Todes­fäl­le im Zusam­men­hang mit der Pan­de­mie gibt – eine 76-jäh­ri­ge und eine 93-jäh­ri­ge Frau sind gestor­ben. Die Zahl der Coro­na-Toten stieg damit auf 30. Ins­ge­samt gel­ten heu­te 363 Men­schen aus Müns­ter als infi­ziert. 33 von ihnen wer­den im Kran­ken­haus behan­delt, davon 18 auf der Inten­siv­sta­ti­on. 13 Men­schen müs­sen beatmet wer­den. Eben­falls über­haupt nicht gut: Deutsch­land­weit wur­den heu­te 388 neue Todes­fäl­le gemel­det, der viert­höchs­te Wert seit Beginn der Pan­de­mie. Was trotz die­ser Zah­len Hoff­nung macht: Die Unter­neh­men Biontech und Pfi­zer haben eine Zulas­sung für ihren Impf­stoff bean­tragt, eben­so wie der US-ame­ri­ka­ni­sche Her­stel­ler Moder­na. Bis zum 29. Dezem­ber will die Euro­päi­sche Arz­nei­mit­tel-Agen­tur EMA ent­schei­den, ob sie den Biontech-Pfi­zer-Impf­stoff frei­gibt. Dann könn­te es laut dem Unter­neh­men inner­halb weni­ger Stun­den los­ge­hen. Die Ent­schei­dung über die Zulas­sung des Moder­na-Impf­stof­fes soll bis Mit­te Janu­ar fallen.


Unbezahlte Werbung

Zie­gen­kä­se essen vie­le Men­schen ja höchs­tens mal im Salat. Meist mit viel Honig dar­auf, wonach das Gan­ze dann auch haupt­säch­lich schmeckt. For­scher haben nun her­aus­ge­fun­den, dass man Zie­gen­kä­se auch ohne Honig essen kann. Wenn Sie das aus­pro­bie­ren möch­ten, emp­feh­len wir Ihnen den Markt­stand des Zie­gen­hofs am Ströhn. Dort bekom­men Sie Camem­bert und Frisch­kä­se aus Zie­gen­milch und sogar Zie­gen­sa­la­mi und -fleisch­wurst. Die Tie­re haben auf dem Hof viel Aus­lauf, der Käse wird in der hof­ei­ge­nen Käse­rei her­ge­stellt. Ein Tipp von mei­ner Kol­le­gin Marie Schwe­sin­ger: Pro­bie­ren Sie den Zie­gen­kä­se­ku­chen, den Sie mitt­wochs und sams­tags am Markt­stand bekom­men. Der sei der abso­lu­te Knaller.


Drinnen und Draußen

+++ Nor­ma­ler­wei­se geht das Pro­jekt „zwischen/miete nrw“, das vom Cen­ter for Lite­ra­tu­re mit­ge­stal­tet wird, so: Men­schen, die Bücher schrei­ben, besu­chen Men­schen, die nicht zwin­gend Bücher schrei­ben müs­sen, in ihren Wohn­ge­mein­schaf­ten, lesen lite­ra­ri­sche Tex­te vor und dis­ku­tie­ren bei einem Getränk über die Geschich­ten. Das ist im Moment natür­lich nicht mög­lich, des­halb fin­den die Ver­an­stal­tun­gen bei den Bücher­schrei­ben­den zuhau­se statt. Und jetzt die gute Nach­richt: Sie kön­nen im Inter­net zuschau­en. Mor­gen ab 20.15 Uhr liest Tita­nic-Redak­teu­rin Ella Cari­na Wer­ner aus ihrem Kurz­ge­schich­ten­band „Der Unter­gang des Abend­klei­des“, am Frei­tag geht’s wei­ter mit Linus Gie­se und sei­nem Buch „Ich bin Linus“.

+++ Viel­leicht wis­sen Sie es schon: Heu­te ist der 1. Dezem­ber, jeden­falls noch kurz. Aber wenn Sie sich das ers­te Video im Kul­tur-Advents­ka­len­der des Kam­mer­thea­ters „Der Klei­ne Büh­nen­bo­den“ bei You­Tube anschau­en, sehen Sie dort die Num­mer 24. Was ist da los? Ganz ein­fach: Die Thea­ter­leu­te dre­hen den Spieß um und laden zum „Christ­mas Count­down“ ein (Goog­le-Über­set­zung: „Weih­nachts-Count­down“). Jeden Tag gibt es eine Kul­tur-Minia­tur zu sehen und zu hören, etwa eine kur­ze Lesung oder ein Lied. Hier kön­nen Sie sich den Teaser mit Kon­rad Hal­ler anschau­en und anschlie­ßend das ers­te Tür­chen öffnen.

+++ Der Hin­ter­grund die­ses digi­ta­len Advents­ka­len­ders ist natür­lich, dass immer noch fast alle Kul­tur­ein­rich­tun­gen geschlos­sen sind. Ja, „fast“, Sie haben sich nicht ver­le­sen: Die Stadt­bi­blio­thek und die Stadt­teil­bü­che­rei­en sind offen und Sie kön­nen von dort jede Men­ge Kul­tur nach Hau­se tra­gen. Wenn Sie nicht wis­sen, was Sie aus­lei­hen sol­len (oder wenn Sie Ideen für Weih­nachts­ge­schen­ke suchen), dann hören Sie sich doch mal den Pod­cast „Sei­te an Sei­te“ an. Er wird von der Buch­han­dels­ket­te Hugen­du­bel pro­du­ziert, natür­lich damit wir alle Lust bekom­men, (mehr) zu lesen. Das klappt auch, es sind wirk­lich sehr schö­ne Tipps dabei.

+++ Wie geht es uns allen eigent­lich in der Coro­na-Kri­se, wovor haben wir Angst, wel­che Gedan­ken machen wir uns? Um all das geht es in der Aus­stel­lung „Lock­down Room 23“ von Annet­te Mül­ler, der Enke­lin von Braue­rei-Grün­der Pin­kus Mül­ler. Noch bis zum 17. Janu­ar kön­nen Sie sich das inter­ak­ti­ve fil­mi­sche Hör­spiel im Wohn­zim­mer von Pin­kus Mül­ler anschau­en und anhö­ren. Hier ist ein Trai­ler zu sehen, und auf der Sei­te kön­nen Sie auch gleich einen Ter­min buchen.

Am Frei­tag schreibt Ihnen wie­der Con­stan­ze Busch. Haben Sie bis dahin eine schö­ne Woche. 

Herz­li­che Grüße

Ralf Heimann

Mit­ar­beit: Con­stan­ze Busch


PS

Auf dem Sport­platz vom SC Nien­ber­ge, wo in den letz­ten Jah­ren höchs­tens mal ein Neu­ein­kauf im Mit­tel­feld ein­ge­schla­gen ist wie eine Bom­be, ist nun ein 125 Kilo­gramm schwe­rer Blind­gän­ger aus dem Zwei­ten Welt­krieg gefun­den wor­den, schreibt die Stadt in einer Pres­se­mit­tei­lung. Dazu muss man sagen: Blind­gän­ger sieht man auf dem Platz sicher­lich nicht zum ers­ten Mal, seit dort Fuß­ball gespielt wird. Aber dies­mal muss­ten wäh­rend der Par­tie zwi­schen dem Kampf­mit­tel­räum­dienst und der Bom­be unge­fähr hun­dert Men­schen im Radi­us von 150 Metern das Gebiet um den Sport­platz ver­las­sen. Daher hier auch noch ein­mal für sie das Ergeb­nis: Der Kampf­mit­tel­räum­dienst sieg­te sou­ve­rän mit 1:0.


PPS

Eine klei­ne Bit­te noch, ver­bun­den mit dem Hin­weis, dass Sie sich selbst drü­ber freu­en könn­ten. Hal­ten Sie sich bit­te den 13. Dezem­ber frei. Sie müs­sen nicht nach­schau­en. Das ist ein Sonn­tag. Dann fin­det die ers­te RUMS-Ver­an­stal­tung über­haupt statt, lei­der nur digi­tal, aber es ist immer­hin ein Anfang. Ab 18 Uhr wer­de ich zwei Stun­den lang mit unse­rem Kolum­nis­ten Klaus Brink­bäu­mer spre­chen – und unter ande­rem die Fra­gen stel­len, die Sie uns wäh­rend­des­sen in den Chat schrei­ben oder vor­her per E-Mail sen­den. Es wird um sein Buch „Im Wahn“, das er gemein­sam mit Ste­phan Lam­by geschrie­ben hat, über den dazu­ge­hö­ri­gen Film, der wei­ter­hin in der ARD-Media­thek zu sehen ist, über den US-Wahl­kampf und des­sen für die über­wie­gen­de Mehr­heit der Men­schen inzwi­schen kla­ren Aus­gang. Aber wir reden auch über Lokal­jour­na­lis­mus im All­ge­mei­nen und im Beson­de­ren, denn der ehe­ma­li­ge Spie­gel-Chef­re­dak­teur und desi­gnier­te MDR-Pro­gramm­di­rek­tor hat sei­ne Wur­zeln, wie sehr vie­le Journalist:innen bei einer Tages­zei­tung, in sei­nem Fall bei den West­fä­li­schen Nach­rich­ten in Müns­ter. Alle wei­te­ren Infor­ma­tio­nen, vor allem, wie und wo wir uns digi­tal tref­fen, das schrei­ben wir Ihnen in den nächs­ten Brie­fen. Ein­ge­la­den sind alle RUMS-Abonnent:innen.