Krise am Prinzipalmarkt | Familien im Corona-Stress | Käse-Sundowner

Müns­ter, 1. Sep­tem­ber 2020 

Guten Tag,

ich bin ein biss­chen ner­vös. Dies ist immer­hin unser ers­ter Brief hin­ter der Bezahl­schran­ke. Ein selt­sa­mes Wort ist das – Bezahl­schran­ke. Viel­leicht klingt Pay­wall bes­ser? Egal. Heu­te fühlt sich alles irgend­wie neu an, unge­wohnt. Umso schö­ner, dass Sie da sind. Denn das heißt für uns: Sie unter­stüt­zen uns und unse­re Arbeit, Sie glau­ben an neu­en Jour­na­lis­mus in Müns­ter. Ich den­ke, heu­te Abend wer­den wir von RUMS ein Glas Sekt auf Sie trin­ken. Aber natür­lich erst, wenn ich das hier geschrie­ben und ver­schickt habe. 

Des­halb geht es jetzt direkt los. Lei­der mit schlech­ten Nach­rich­ten vom Prin­zi­pal­markt. Niklas Lie­be­trau ist Nach­wuchs­jour­na­list der Repor­ta­ge­schu­le Reut­lin­gen. Bei sei­nen Recher­chen zum The­ma „Ein­zel­han­del in der Innen­stadt“ fand er her­aus, wel­che wirt­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen die Coro­na-Kri­se schon jetzt auf Müns­ters Kauf­leu­te hat. 

Krise am Prinzipalmarkt

Min­des­tens sechs Geschäf­te am Prin­zi­pal­markt ste­hen dem­nach vor dem Aus. Noch in die­sem Jahr, so die düs­te­re Pro­gno­se, wer­den sie schlie­ßen. Auch wenn die Namen schon hier und da in der Stadt­ge­sell­schaft flüs­ternd wei­ter­ge­tra­gen wer­den – noch ist nichts offi­zi­ell. Auch Ber­na­dette Spin­nen, Lei­te­rin von Müns­ter Mar­ke­ting, woll­te dem Repor­ter die Namen nicht bestä­ti­gen, die auf sei­ner Lis­te ste­hen. Doch die Zahl von sechs bis sie­ben Schlie­ßun­gen sei rea­lis­tisch, sag­te sie immer­hin. Und Linus Wei­stropp, Geschäfts­füh­rer der Initia­ti­ve Star­ke Innen­stadt (ISI), ver­mu­te­te, dass es noch mehr Läden erwi­schen wird. 

Wohl­ge­merkt zusätz­lich zu den Geschäf­ten, die schon jetzt die Segel gestri­chen haben – und zu den Läden, die es in den ande­ren Stra­ßen der Fuß­gän­ger­zo­ne und dar­über hin­aus erwi­schen wird. So haben das Schuh­ge­schäft „Mephis­to“ und der Damen­mo­de­la­den „Clau­dia Strä­ter“ schon geschlos­sen, steckt das Mode­haus Appel­rath-Cüp­per im Insol­venz­ver­fah­ren, und bei Lau­rèl gleich hin­term Rog­gen­markt läuft seit ein paar Tagen der Räu­mungs­ver­kauf. Außer­dem heißt es in den West­fä­li­schen Nach­rich­ten (€), dass auch Esprit in der Stu­ben­gas­se bald schlie­ßen wird. Was es bedeu­tet, wenn Geschäf­te in aller­bes­ter Lage auf­ge­ben müs­sen und teu­rer Miet­raum frei­ge­setzt wird, und was Inter­es­sen­ver­bän­de und Einzelhändler:innen tun, um den Ein­zel­han­del in Müns­ter zu stär­ken und das typisch müns­ter­sche Ein­kaufs­er­leb­nis zu bewah­ren, lesen Sie in dem aus­führ­li­chen RUMS-Bei­trag von Niklas Lie­be­trau. Und: Wir blei­ben dran am Thema. 

Wahlen und Kommunalwahlcheck kommen gut an

Die Stadt Müns­ter mel­det heu­te, dass schon jetzt mehr als 54.000 Münsteraner:innen ihre Brief­wahl­un­ter­la­gen ange­for­dert haben, außer­dem sei der Andrang in den bei­den Haupt­wahl­bü­ros (Forum der VHS, ehe­ma­li­ge Par­fü­me­rie Pie­per) sehr groß. 7.700 Wähler:innen haben dort schon direkt gewählt. 

Auch wir kön­nen ers­te Zah­len vor­le­gen. Der Kom­mu­nal­wahl­ch­eck, den Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Nor­bert Kers­t­ing mit sei­nem Team ent­wi­ckelt und vor weni­gen Tagen online gestellt hat, kommt offen­sicht­lich gut an. RUMS ist ja als Medi­en­part­ne­rin dabei. In den ers­ten drei Tagen ver­zeich­ne­te das Kom­pe­tenz­zen­trum „Urba­ne, Regio­na­le Inno­va­ti­on und Inter­net“ 15.500 Zugrif­fe, 8.000 Men­schen haben den Check bereits gemacht. So oder so: Sie alle inter­es­sie­ren sich offen­sicht­lich für die anste­hen­de Wahl. Hier geht es übri­gens direkt zum Kom­mu­nal­wahl­ch­eck, und auf unse­rer Web­site fin­den Sie außer­dem die wich­tigs­ten Infor­ma­tio­nen zur Wahl. 


In aller Kürze

+++ 1.000 E-Scoo­ter. Der E-Scoo­ter-Anbie­ter „Lime“ hat seit dem Wochen­en­de eine Rol­ler­flot­te mit 1.000 Fahr­zeu­gen in Müns­ter plat­ziert (Der Wie­der­täu­fer). Damit ver­dop­pelt sich die Zahl der E-Rol­ler; denn schon seit einem Jahr stan­den und fuh­ren 1.000 E-Scoo­ter der Fir­ma „Tier“ im und durch das Stadt­ge­biet. Gut für Rollerfreund:innen: Die Spon­tan-Fahr­zeu­ge ver­tei­len sich noch mehr und sind jetzt fast über­all zu fin­den. Schlecht für Rollerkritiker:innen: Die Spon­tan-Fahr­zeu­ge ver­tei­len sich noch mehr und sind jetzt fast über­all zu finden. 

+++ Volle Schul­bus­se. Wäh­rend die Schu­len mit aus­ge­klü­gel­ten Lüf­tungs- und Hygie­ne­kon­zep­ten ver­su­chen, den Schul­all­tag trotz Coro­na mög­lichst sicher zu meis­tern, hakt es mor­gens und mit­tags umso mehr. Denn dann wird es in den Schul­bus­sen voll. Die Stadt­el­tern­schaft Müns­ter wünscht sich des­halb eine schnel­le Lösung des Pro­blems, am liebs­ten in Form von wei­te­ren Bus­sen. Das wird schwer, denn die Kapa­zi­tä­ten sind beschränkt. Die Idee, den Schul­be­ginn um 25 Minu­ten zu ver­schie­ben, klang daher zunächst wie eine mach­ba­re Alter­na­ti­ve (die WN berich­te­ten (€)), die schnell hät­te umge­setzt wer­den kön­nen. Aber: Nun braucht die Stadt als Schul­trä­ge­rin wohl doch noch ein wenig Bedenk­zeit . Denn eine geän­der­te Anfangs­zeit zieht eini­ges nach sich, vor allem für den Sport­un­ter­richt. Hal­len- und Schwimm­bad­be­le­gun­gen sind nicht so ohne wei­te­res verschiebbar. 

+++ Mau­ritz-Eva­ku­ie­rung. Weil fünf mög­li­che Bom­ben-Blind­gän­ger im Stadt­teil Mau­ritz ver­mu­tet wer­den, rückt am Sonn­tag, 20. Sep­tem­ber der Kampf­mit­tel­räum­dienst an. 16.000 Men­schen müs­sen des­halb an die­sem Tag schon sehr früh ihre Woh­nun­gen ver­las­sen. Alle Infor­ma­tio­nen rund um die gro­ße Eva­ku­ie­rung fin­den Sie auf die­ser städ­ti­schen Web­site. Unter ande­rem kön­nen Sie dort auch Ihre Adres­se ein­ge­ben und her­aus­fin­den, ob Sie im Räu­mungs­ge­biet woh­nen. Außer­dem ist ab heu­te eine Tele­fon-Hot­line frei­ge­schal­tet. Die Num­mer lau­tet: 0251 4928388. Für Anwohner:innen, die am Eva­ku­ie­rungs­tag kei­ne Anlauf­stel­le außer­halb des Gebiets haben, rich­tet die Stadt Not­un­ter­künf­te ein. Dort gel­ten die gän­gi­gen Coro­na-Hygie­ne- und Abstandsregeln. 


Korrekturen und Ergänzungen

In mei­nem letz­ten Brief vom 25. August habe ich über Frau­en in der Kom­mu­nal­po­li­tik geschrie­ben. Ich erwähn­te in die­sem Zusam­men­hang auch die Quo­ten­re­ge­lung bei den Grü­nen. So konn­te viel­leicht der fal­sche Ein­druck ent­ste­hen, dass es kei­ne Quo­te in ande­ren Par­tei­en gibt. Des­halb an die­ser Stel­le der Hin­weis: Auch in der SPD gilt eine 50:50-Regelung. Und zwar schon seit 32 Jahren. 


Corona-Update

Fami­li­en-Stress­test Coro­na. Eine Online-Befra­gung des UKM bestä­tigt, was schon vie­le ver­mu­tet haben: Die Coro­na-Beschrän­kun­gen hat­ten star­ke Aus­wir­kun­gen auf das Fami­li­en­le­ben. „Die psy­chi­sche Belas­tung der Eltern hat sich mehr als ver­dop­pelt“, sagt Psy­cho­lo­ge Mari­us Jan­ßen, der zusam­men mit Assis­tenz­ärz­tin Lea Dreß­ler die Stu­die gelei­tet hat. Der Haupt­grund: Müt­ter und Väter muss­ten in der Zeit, als Kitas und Schu­len geschlos­sen waren, ihre Kin­der kom­plett betreu­en und neben­her arbei­ten. „Vie­le Eltern haben in Nacht­ar­beit ver­sucht, ihre Stun­den im Home­of­fice abzu­leis­ten und sind abso­lut an ihre Gren­zen gekom­men“, so Assis­tenz­ärz­tin Lea Dreß­ler. Die Fol­ge: Fast zwei Drit­tel der ins­ge­samt 3.200 Befrag­ten hat­ten das Gefühl, in der Erzie­hung zu ver­sa­gen, außer­dem litt bei vie­len die Bezie­hung zur Partner:in. Beson­ders ver­stärkt wur­de der Stress bei den Fami­li­en, die wenig Platz, kei­nen Gar­ten und finan­zi­el­le Sor­gen durch Kurz­ar­beit hat­ten. Nur eine klei­ne Grup­pe der Studienteilnehmer:innen konn­te der Situa­ti­on etwas Posi­ti­ves abge­win­nen. Elf Pro­zent haben mehr Zeit für­ein­an­der gefun­den – und fühl­ten sich dadurch sogar entlastet. 

Rück­läu­fi­ge Coro­na-Zah­len. Die gute Nach­richt: Von ges­tern auf heu­te gab es nur eine bestä­tig­te Coro­na-Neu­in­fek­ti­on in Müns­ter. Aktu­ell gel­ten damit 35 Münsteraner:innen als infi­ziert. Die Gesamt­zahl labor­dia­gnos­tisch bestä­tig­ter Coro­na-Fäl­le im Stadt­ge­biet ist auf 930 gestie­gen. Davon sind 879 Patient:innen wie­der gene­sen. 13 Per­so­nen, die mit dem Coro­na­vi­rus infi­ziert waren, sind gestorben. 


Unbezahlte Werbung und Draußen

Käse-Sun­dow­ner. Wenn sich die unter­ge­hen­de Son­ne im Hafen­be­cken spie­gelt und die letz­ten war­men Som­mer­aben­de anbre­chen, dann schme­cken dazu ein fei­nes Stück Käse und ein gutes Glas – Bier. Ja, rich­tig gele­sen. Bier. Es muss näm­lich nicht immer die klas­si­sche Kom­bi aus Rot­wein und Käse sein. Das Team der Hafen­kä­se­rei fin­det das auch und bie­tet des­halb soge­nann­te Käse-Bier-Pai­rings an, bei denen die Gäs­te die unge­wöhn­li­che Kom­bi­na­ti­on tes­ten und dis­ku­tie­ren kön­nen. Die sie­ben Bio-Käse­sor­ten kom­men aus eige­ner Her­stel­lung, das Bier stammt aus der Fin­ne-Braue­rei im Kreuz­vier­tel. Die nächs­ten Ter­mi­ne für das Käse-Bier-Pai­ring fin­den Sie hier. Aber natür­lich kann man sich sei­nen Lieb­lings­kä­se und das Son­nen­un­ter­gangs-Bier auch ein­fach so und jeder­zeit bestel­len, täg­lich im Restau­rant der Hafen­kä­se­rei direkt am Was­ser. Oder Sie packen ein­fach einen Pick­nick­korb und suchen sich ein ruhi­ges Plätz­chen im Grü­nen (am Kanal­ufer also nicht unbe­dingt). Tipp: Auf die­ser Sei­te vom Ver­ein Müns­ter­land kön­nen Sie schö­ne Orte für ein Essen unter frei­em Him­mel fin­den.

Und da wir ja gera­de schon beim The­ma Pick­nick sind: Im Sep­tem­ber geht es mit den Pick­nick-Kon­zer­ten auf der Wie­se des All­wet­ter­zoos wei­ter. Das Hygie­ne­kon­zept ging näm­lich im August bei den ers­ten Ver­an­stal­tun­gen die­ser Art auf. Die Leu­te hiel­ten sich an die Abstands­re­geln und genos­sen ent­spannt in Zwei­er- und Vie­rer­grup­pen auf ihren selbst mit­ge­brach­ten Pick­nick­de­cken die Live-Acts. Für die Sep­tem­ber-Auf­trit­te von Meu­te (18.09.) Hel­ge Schnei­der und Pro­vinz (bei­de am 20.09.) bekom­men Sie hier die Tickets . Für die Ver­pfle­gung muss aber jeder Gast selbst sor­gen. Ich hät­te da eine gute Idee: Wie wär‘s mit Käse und Bier?


Drinnen

Wenn die Vio­li­ne erwacht … Sie war ein Zufalls­fund. Vor gut einem Jahr soll­te Gei­gen­bau­er Mat­thi­as Thön­niß meh­re­re Fun­dus-Gei­gen der West­fä­li­schen Schu­le für Musik wie­der ein­satz­be­reit machen. Sie lager­ten auf dem Dach­bo­den der Musik­schu­le. Als Thön­niß Gei­gen­kof­fer für Gei­gen­kof­fer öff­ne­te, stieß er auch auf ein außer­ge­wöhn­lich kunst­voll her­ge­stell­tes Exem­plar. Der Exper­te ahn­te sofort, dass sie etwas beson­ders war – und auch die Exper­ti­se ergab: Ja, das ist sie wirk­lich. Der fran­zö­si­sche Gei­gen­bau­er Jean-Bap­tis­te Col­lin-Mézin fer­tig­te das Instru­ment im Jahr 1885, die Seri­en­num­mer ist II 20. Wie und durch wen die his­to­ri­sche Meis­ter-Gei­ge auf den Dach­bo­den gelang­te, weiß nie­mand. Inzwi­schen wur­de sie restau­riert und steht jetzt im Mit­telpunkt zwei­er Klas­sik­kon­zerte („Kreut­zer-Sona­te“ von Lud­wig van Beet­ho­ven und „Grand Tan­go“ von Astor Piaz­zolla). Vio­li­nis­tin und Musik­schul­di­rek­to­rin Friedrun Voll­mer „erweckt“ das his­to­ri­sche Fund­stück am 13. Sep­tem­ber aus ihrem Dorn­rös­chen­schlaf. Der Pia­nist und Kam­mer­mu­si­ker Tho­mas Reck­mann beglei­tet sie dabei. Der Ein­tritt ist frei, wegen der Coro­na-Bedin­gun­gen müss­ten Sie sich jedoch Ihren Platz vor­ab sichern (11 Uhr-Reser­vie­rung, 13 Uhr-Reser­vie­rung).

Am Frei­tag schreibt Ihnen Ralf Heimann wie­der. Tref­fen Sie bis dahin immer den rich­ti­gen Ton. 

Ihre
Kat­rin Jäger 

Mit­ar­beit: Marie Schwesinger 

PS

Ich war am Wochen­en­de bei einer Netz­werk­ver­an­stal­tung in der Eifel. Da saßen sehr vie­le Frau­en und ein paar Män­ner bei­ein­an­der. Wir lach­ten, rede­ten und tausch­ten ein paar Visi­ten­kar­ten aus. Wich­ti­ger als die­se Kar­ten war aber der Rat einer sehr klu­gen und erfolg­rei­chen Frau, deren Namen ich hier nicht nen­ne. „Wer sich durch­set­zen will“, sag­te sie, müs­se sich nur eines mer­ken. „Nie wischen!“ Ich dach­te ehr­li­cher­wei­se direkt an die­ses Flirt­por­tal Tin­der, bei dem man mit nur einem Wisch poten­zi­el­le Dates vom Dis­play fegen kann. Aber nein, sie mein­te tat­säch­lich das ech­te, ana­lo­ge Wischen. „Wenn ihr dem­nächst mit Män­nern an einem Kon­fe­renz­tisch sitzt und jemand kippt sein Glas um“, sag­te sie, „bleibt sit­zen, steht nicht auf – und wischt es nie­mals weg!“