Die Kolumne von Michael Jung | Zur Halbzeit steht es 1:0

Porträt von Michael Jung
Mit Michael Jung

Guten Tag,

wenn man die erste Halbzeit der Wahlperiode des Rates zusammenfassen will, kann man sagen: Zur Halbzeit steht es 1:0. Nach einem schnell und schön herausgespielten Treffer wurde das Spiel allerdings zunehmend zäh, und man kann erwarten, dass die zweite Halbzeit schwierig werden wird, wenn nicht bald ein zweiter Treffer gelingt.

Doch blicken wir zuerst zurück auf den wirkungsvollen Treffer direkt in der Anfangsphase des Spiels: Schon bei den ersten Haushaltsplanberatungen direkt nach der Kommunalwahl traute sich die Koalition richtig was, und sie setzte damit ein Zeichen: Die kommunal verantwortete und finanzierte Einführung von Tablets für alle Schüler:innen ab der achten Klasse ist ein Meilenstein der Bildungspolitik und der Digitalisierung in Münster.

Wenn man auf das Land gewartet hätte, wäre das nie gelungen. Stattdessen hat die Stadt Münster jetzt allen, unabhängig vom Einkommen der Eltern und ohne Zuzahlung, ein Tablet zur Verfügung gestellt.

Ab jetzt gibt es an Münsters weiterführenden Schulen keine Ausreden mehr in Sachen Digitalisierung. Das war die einzig richtige und sehr konsequente Schlussfolgerung aus der Pandemie. Jetzt sind die Schulen selbst gefragt, ihren Unterricht zu modernisieren und die Digitalisierung pädagogisch fruchtbar zu machen.

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Mit dieser schulpolitischen Entscheidung hat die Rathauskoalition nicht nur jahrzehntelangen Stillstand überwunden, sondern auch gezeigt, was in Münster geht, wenn man einen klaren politischen Willen mitbringt, die Mittel im Haushalt konzentriert und etwas umsetzen will, was viele Menschen positiv erreicht. Für diesen Spielzug kann man nur applaudieren, dieses 1:0 war es alleine schon wert, dass das Spiel mit dieser Koalition angepfiffen wurde. Man wünscht sich mehr davon.

Aber wie das immer so ist, wenn man schnell in Führung gegangen ist: Danach verflachte das Spiel, es wurde zäh und unansehnlich. Das lag in erster Linie daran, dass sich das Koalitionsteam danach nicht mehr so konsequent in seinen Spielzügen zeigte und sich nicht mehr so entschlossen zeigte, einen weiteren Treffer zu erzielen.

Stattdessen ließ man den schwarzen Gegner ins Spiel kommen und sich teilweise schwindelig spielen. Mit einem schlichten Flachpass in den leeren Raum sorgte der Oberbürgermeister für Verwirrung in den Reihen der Koalition: Während die grünen Parteimitglieder einen Musik-Campus ablehnten und den Ball ins Aus schlagen wollten, wollte die grüne Fraktionsführung keinen schwarzen Ball verloren geben und entschied sich für ein klassisches „Ja, aber“.

Die SPD tat so, als sei dieser Ball von ihr gespielt worden, und die CDU freut sich, dass sie die Koalition ordentlich beschäftigt hat und den Ball für den nächsten Wahlkampf weiter im Spiel hält. Überflüssig zu sagen, dass der Ball im leeren Raum liegt, weil die Finanzierung weiter ungeklärt ist, aber immerhin dürfen die Bürger:innen jetzt mal mitreden über die städtebaulichen Planungen.

Verkehrspolitisch gelang wenig

Diese Phase des Spiels nutzten jedenfalls Oberbürgermeister und CDU, um die Koalition in der eigenen Hälfte fest zu spielen, und man muss sagen: Das klappte recht gut, und so war die Anfangsoffensive der Koalition schnell beendet.

Der Koalition gelangen nur noch wenige, noch dazu nicht wirklich konsequent vorgetragene Spielzüge, und gerade auf der verkehrspolitischen Seite, auf die man ja so viele Hoffnungen vor dem Anpfiff gesetzt hatte, gelang bemerkenswert wenig. Während auf anderen Plätzen in Bonn oder Bielefeld bereits interessante Spielzüge zu sehen waren, bleibt Münsters Koalition hier blass.

Mit billigen Tricks wie Verkehrsversuchen und Masterplänen gelingt es der gegnerischen Abwehr um den Stadtbaurat herum immer wieder, die halbherzig vorgetragenen Offensiven abzufangen und ins Leere laufen zu lassen.

Von der autofreien Innenstadt, die vor dem Spiel vollmundig versprochen worden war, ist bisher jedenfalls nirgends etwas auf dem Platz zu sehen, und obwohl auf dem Trainingsplatz der Kommunalwahlprogramme und im Matchplan des Koalitionsvertrags viel angekündigt worden war, hakt es auf dem Platz allerorten: Dass in dieser Spielzeit noch die WLE-Reaktivierung oder eine Münsterland-S-Bahn erfolgt, ist ausgeschlossen, ein schnellerer Busverkehr wird mit nur einer neuen Busspur kaum gelingen. Die Mobilitätsstationen zum Umstieg werden wohl auch in der zweiten Halbzeit ein schönes Versprechen bleiben, ebenso wie die Quartiersparkhäuser.

Halbherzigkeit der Spielzüge

Immerhin ist für die zweite Hälfte neben Fahrradstraßen auch ein günstigeres Busticket in Sicht, aber wenn der Bundestrainer hier nicht mit dem Deutschlandticket die Blaupause geliefert hätte, wäre wohl auch hier wenig passiert auf dem Platz. Vielleicht kommt dieses Jahr wenigstens der autofreie Domplatz, dann hätten wir wenigstens einen Spielzug gesehen, der in den Neunzigerjahren schon einmal erfolgreich umgesetzt worden ist.

Alles in allem muss man sagen: Es ist vor allem die Halbherzigkeit der Spielzüge, die immer wieder stärker auf den schwarzen Gegner schielt als auf die eigene Courage und den Willen zur Umsetzung vertraut, was das Spiel so außerordentlich zäh macht. Die Abwehrarbeit von schwarzer Seite mit dem Stadtbaurat und seinen Masterplan- und Modellversuch-Finten ist gerade hier aber auch beachtlich. Manch theatralische Showeinlage der gegnerischen Abwehr führt immer noch zu viel zu viel Zurückhaltung in der Offensive.

Dass die Koalition grundsätzlich Fußball spielen kann, ist dabei immerhin eine erfreuliche Überraschung. So gelang es immerhin, einen schönen Spielzug zu zeigen, der zur Sanierung des Preußen-Stadions führen könnte, die Erhöhung des Budgetrahmens auf 60 Millionen dafür strahlt jedenfalls Aktivität auf einer Seite aus, auf der das nicht unbedingt zu erwarten war vor dem Anpfiff.

Würde hier in der zweiten Halbzeit ein Tor im Sinne einer Realisierung wesentlicher Bauvorhaben am Stadion fallen, wäre das ein echter Wirkungstreffer, denn auf diesem Teil des Spielfelds war schon seit Jahrzehnten kein erfolgreicher Spielzug mehr zu sehen.

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So geht es jetzt mit einer 1:0-Führung in die Pause, und wir können uns auf eine schwierige zweite Halbzeit einstellen. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Zum einen hat sich seit Spielbeginn die Gesamtwetterlage massiv verschlechtert. Die geldpolitische Wende der Europäischen Zentralbank wird die kommunalen Spielmöglichkeiten massiv einschränken, und in Zukunft werden die haushaltspolitischen Spielzüge sitzen und sich auf das Wesentliche konzentrieren müssen.

Die in der Koalition immer noch allzu beliebten Dribbeleien rund um das Füllhorn für freie Träger und ein segensreiches „Wünsch dir was werden“ in der zweiten Halbzeit nicht mehr funktionieren. Man wird sich auf harte Arbeit auf dem Spielfeld einstellen müssen, Schönheitspreise gibt es nicht mehr zu gewinnen.

Zwei Zahlen zeigen, worum es geht: 350 und 1.700. 350 Kinder sind jedes Jahr nicht an der Gesamtschule als Schulform ihrer Wahl angekommen. Und jetzt wird man von der Koalition auch mal einen politischen Spielzug erwarten dürfen, der dieses Problem löst.

Hakenschlagen auf dem Platz, wie wir es bisher gesehen haben (wenn die dritte Gesamtschule nicht klappt, planen wir einfach schon mal die vierte) oder Fehlpässe ins Nirgendwo (keine Zusagen ans Schlaun-Gymnasium, aber wir warten lieber mal ab, ob der Verwaltung noch was einfällt) werden nicht mehr funktionieren.

Den Spieler:innen auf dem Platz sollte klar sein, dass in der zweiten Hälfte ein Treffer gelingen muss, sonst droht hier die Niederlage. Das gilt ebenso für die 1.700 Kinder, die bisher keinen Kitaplatz haben. Ein Armutszeugnis für die ganze Stadt, und der Koalition sollte rasch klar werden, dass auch hier politische Antworten gefragt sind und die irrlichternde Fachverwaltung hier keine Hilfe sein wird.

Man möchte rufen: Mehr Mut!

Über Jahre wurden hier die schönsten Spielzüge versprochen (Rechtsanspruch, Ausweitung von Betreuungszeiten, mehr Qualität) und nun zeigt sich: Das waren Muster ohne Wert. Und es liegt nicht an Softwareproblemen, sondern an gravierenden Versäumnissen von Politik und Verwaltung.

Die Koalition wird politische Spielzüge entwickeln müssen, die bald Antworten für Fachkräftemangel, Bezahlung und Qualifizierung von Personal finden. Hier droht sonst ein klassisches Eigentor für ein Koalitionsteam, das gerade hier eine solide eigene Fanbasis zu enttäuschen droht. Das Fingerzeigen auf die ratlose und überforderte Verwaltungsbank wird nicht helfen, eigene Spielzüge sind gefragt.

Alles in allem möchte man dem Team beim Halbzeittee zurufen: Mehr Mut! Etwas weniger Dribbeleien, wozu vor allem die in Mikroverbesserung von Verwaltungsvorlagen verliebten Grünen immerzu neigen, etwas mehr Konzentration auf das Wesentliche: Verkehrswende und Klimaschutz, Kinderbetreuung und Bildung, Sicherung der finanziellen Handlungsfähigkeit, Investitionen in die Zukunftsfelder.

Das ist es, worum es jetzt in der zweiten Halbzeit gehen muss. Es würde helfen, sich nicht im Klein-Klein der Mikrosteuerung zu verzetteln, sondern das Ziel des Spiels im Blick zu behalten. In der zweiten Halbzeit muss der Sack zugemacht werden und es müssen weitere Treffer fallen. Am Ende zählen nur die Tore, nicht die Übersteiger und der Querpass in Form von Antragspapier. Hoffentlich wird es was.

Herzliche Grüße

Ihr Michael Jung

Porträt von Michael Jung

Michael Jung

… lebt schon immer in Münster. Er wurde 1976 hier geboren. Er hat an der Uni Münster Latein und Geschichte studiert und in Geschichte promoviert. Heute ist er Lehrer am Annette-Gymnasium in Münster. Michael Jung war viele Jahre in der Politik: Von 2013 bis 2020 war er Fraktionschef der SPD im Rat der Stadt. Im Jahr 2020 trat er für die SPD bei den Kommunalwahlen als Oberbürgermeisterkandidat an.

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