Die Kolumne von Michael Jung | Zur Halbzeit steht es 1:0

Müns­ter, 28. April 2023

Guten Tag,

wenn man die ers­te Halb­zeit der Wahl­pe­ri­ode des Rates zusam­men­fas­sen will, kann man sagen: Zur Halb­zeit steht es 1:0. Nach einem schnell und schön her­aus­ge­spiel­ten Tref­fer wur­de das Spiel aller­dings zuneh­mend zäh, und man kann erwar­ten, dass die zwei­te Halb­zeit schwie­rig wer­den wird, wenn nicht bald ein zwei­ter Tref­fer gelingt.

Doch bli­cken wir zuerst zurück auf den wir­kungs­vol­len Tref­fer direkt in der Anfangs­pha­se des Spiels: Schon bei den ers­ten Haus­halts­plan­be­ra­tun­gen direkt nach der Kom­mu­nal­wahl trau­te sich die Koali­ti­on rich­tig was, und sie setz­te damit ein Zei­chen: Die kom­mu­nal ver­ant­wor­te­te und finan­zier­te Ein­füh­rung von Tablets für alle Schüler:innen ab der ach­ten Klas­se ist ein Mei­len­stein der Bil­dungs­po­li­tik und der Digi­ta­li­sie­rung in Münster. 

Wenn man auf das Land gewar­tet hät­te, wäre das nie gelun­gen. Statt­des­sen hat die Stadt Müns­ter jetzt allen, unab­hän­gig vom Ein­kom­men der Eltern und ohne Zuzah­lung, ein Tablet zur Ver­fü­gung gestellt. 

Ab jetzt gibt es an Müns­ters wei­ter­füh­ren­den Schu­len kei­ne Aus­re­den mehr in Sachen Digi­ta­li­sie­rung. Das war die ein­zig rich­ti­ge und sehr kon­se­quen­te Schluss­fol­ge­rung aus der Pan­de­mie. Jetzt sind die Schu­len selbst gefragt, ihren Unter­richt zu moder­ni­sie­ren und die Digi­ta­li­sie­rung päd­ago­gisch frucht­bar zu machen. 

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Mit die­ser schul­po­li­ti­schen Ent­schei­dung hat die Rat­haus­ko­ali­ti­on nicht nur jahr­zehn­te­lan­gen Still­stand über­wun­den, son­dern auch gezeigt, was in Müns­ter geht, wenn man einen kla­ren poli­ti­schen Wil­len mit­bringt, die Mit­tel im Haus­halt kon­zen­triert und etwas umset­zen will, was vie­le Men­schen posi­tiv erreicht. Für die­sen Spiel­zug kann man nur applau­die­ren, die­ses 1:0 war es allei­ne schon wert, dass das Spiel mit die­ser Koali­ti­on ange­pfif­fen wur­de. Man wünscht sich mehr davon.

Aber wie das immer so ist, wenn man schnell in Füh­rung gegan­gen ist: Danach ver­flach­te das Spiel, es wur­de zäh und unan­sehn­lich. Das lag in ers­ter Linie dar­an, dass sich das Koali­ti­ons­team danach nicht mehr so kon­se­quent in sei­nen Spiel­zü­gen zeig­te und sich nicht mehr so ent­schlos­sen zeig­te, einen wei­te­ren Tref­fer zu erzielen. 

Statt­des­sen ließ man den schwar­zen Geg­ner ins Spiel kom­men und sich teil­wei­se schwin­de­lig spie­len. Mit einem schlich­ten Flach­pass in den lee­ren Raum sorg­te der Ober­bür­ger­meis­ter für Ver­wir­rung in den Rei­hen der Koali­ti­on: Wäh­rend die grü­nen Par­tei­mit­glie­der einen Musik-Cam­pus ablehn­ten und den Ball ins Aus schla­gen woll­ten, woll­te die grü­ne Frak­ti­ons­füh­rung kei­nen schwar­zen Ball ver­lo­ren geben und ent­schied sich für ein klas­si­sches „Ja, aber“. 

Die SPD tat so, als sei die­ser Ball von ihr gespielt wor­den, und die CDU freut sich, dass sie die Koali­ti­on ordent­lich beschäf­tigt hat und den Ball für den nächs­ten Wahl­kampf wei­ter im Spiel hält. Über­flüs­sig zu sagen, dass der Ball im lee­ren Raum liegt, weil die Finan­zie­rung wei­ter unge­klärt ist, aber immer­hin dür­fen die Bürger:innen jetzt mal mit­re­den über die städ­te­bau­li­chen Planungen. 

Verkehrspolitisch gelang wenig

Die­se Pha­se des Spiels nutz­ten jeden­falls Ober­bür­ger­meis­ter und CDU, um die Koali­ti­on in der eige­nen Hälf­te fest zu spie­len, und man muss sagen: Das klapp­te recht gut, und so war die Anfangs­of­fen­si­ve der Koali­ti­on schnell beendet.

Der Koali­ti­on gelan­gen nur noch weni­ge, noch dazu nicht wirk­lich kon­se­quent vor­ge­tra­ge­ne Spiel­zü­ge, und gera­de auf der ver­kehrs­po­li­ti­schen Sei­te, auf die man ja so vie­le Hoff­nun­gen vor dem Anpfiff gesetzt hat­te, gelang bemer­kens­wert wenig. Wäh­rend auf ande­ren Plät­zen in Bonn oder Bie­le­feld bereits inter­es­san­te Spiel­zü­ge zu sehen waren, bleibt Müns­ters Koali­ti­on hier blass. 

Mit bil­li­gen Tricks wie Ver­kehrs­ver­su­chen und Mas­ter­plä­nen gelingt es der geg­ne­ri­schen Abwehr um den Stadt­bau­rat her­um immer wie­der, die halb­her­zig vor­ge­tra­ge­nen Offen­si­ven abzu­fan­gen und ins Lee­re lau­fen zu lassen. 

Von der auto­frei­en Innen­stadt, die vor dem Spiel voll­mun­dig ver­spro­chen wor­den war, ist bis­her jeden­falls nir­gends etwas auf dem Platz zu sehen, und obwohl auf dem Trai­nings­platz der Kom­mu­nal­wahl­pro­gram­me und im Match­plan des Koali­ti­ons­ver­trags viel ange­kün­digt wor­den war, hakt es auf dem Platz aller­or­ten: Dass in die­ser Spiel­zeit noch die WLE-Reak­ti­vie­rung oder eine Müns­ter­land-S-Bahn erfolgt, ist aus­ge­schlos­sen, ein schnel­le­rer Bus­ver­kehr wird mit nur einer neu­en Bus­spur kaum gelin­gen. Die Mobi­li­täts­sta­tio­nen zum Umstieg wer­den wohl auch in der zwei­ten Halb­zeit ein schö­nes Ver­spre­chen blei­ben, eben­so wie die Quartiersparkhäuser.

Halbherzigkeit der Spielzüge

Immer­hin ist für die zwei­te Hälf­te neben Fahr­rad­stra­ßen auch ein güns­ti­ge­res Bus­ti­cket in Sicht, aber wenn der Bun­des­trai­ner hier nicht mit dem Deutsch­land­ti­cket die Blau­pau­se gelie­fert hät­te, wäre wohl auch hier wenig pas­siert auf dem Platz. Viel­leicht kommt die­ses Jahr wenigs­tens der auto­freie Dom­platz, dann hät­ten wir wenigs­tens einen Spiel­zug gese­hen, der in den Neun­zi­ger­jah­ren schon ein­mal erfolg­reich umge­setzt wor­den ist. 

Alles in allem muss man sagen: Es ist vor allem die Halb­her­zig­keit der Spiel­zü­ge, die immer wie­der stär­ker auf den schwar­zen Geg­ner schielt als auf die eige­ne Cou­ra­ge und den Wil­len zur Umset­zung ver­traut, was das Spiel so außer­or­dent­lich zäh macht. Die Abwehr­ar­beit von schwar­zer Sei­te mit dem Stadt­bau­rat und sei­nen Mas­ter­plan- und Modell­ver­such-Fin­ten ist gera­de hier aber auch beacht­lich. Manch thea­tra­li­sche Show­ein­la­ge der geg­ne­ri­schen Abwehr führt immer noch zu viel zu viel Zurück­hal­tung in der Offensive.

Dass die Koali­ti­on grund­sätz­lich Fuß­ball spie­len kann, ist dabei immer­hin eine erfreu­li­che Über­ra­schung. So gelang es immer­hin, einen schö­nen Spiel­zug zu zei­gen, der zur Sanie­rung des Preu­ßen-Sta­di­ons füh­ren könn­te, die Erhö­hung des Bud­get­rah­mens auf 60 Mil­lio­nen dafür strahlt jeden­falls Akti­vi­tät auf einer Sei­te aus, auf der das nicht unbe­dingt zu erwar­ten war vor dem Anpfiff. 

Wür­de hier in der zwei­ten Halb­zeit ein Tor im Sin­ne einer Rea­li­sie­rung wesent­li­cher Bau­vor­ha­ben am Sta­di­on fal­len, wäre das ein ech­ter Wir­kungs­tref­fer, denn auf die­sem Teil des Spiel­felds war schon seit Jahr­zehn­ten kein erfolg­rei­cher Spiel­zug mehr zu sehen.

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So geht es jetzt mit einer 1:0-Führung in die Pau­se, und wir kön­nen uns auf eine schwie­ri­ge zwei­te Halb­zeit ein­stel­len. Dafür gibt es meh­re­re Gründe. 

Zum einen hat sich seit Spiel­be­ginn die Gesamt­wet­ter­la­ge mas­siv ver­schlech­tert. Die geld­po­li­ti­sche Wen­de der Euro­päi­schen Zen­tral­bank wird die kom­mu­na­len Spiel­mög­lich­kei­ten mas­siv ein­schrän­ken, und in Zukunft wer­den die haus­halts­po­li­ti­schen Spiel­zü­ge sit­zen und sich auf das Wesent­li­che kon­zen­trie­ren müssen. 

Die in der Koali­ti­on immer noch all­zu belieb­ten Drib­be­lei­en rund um das Füll­horn für freie Trä­ger und ein segens­rei­ches „Wünsch dir was wer­den“ in der zwei­ten Halb­zeit nicht mehr funk­tio­nie­ren. Man wird sich auf har­te Arbeit auf dem Spiel­feld ein­stel­len müs­sen, Schön­heits­prei­se gibt es nicht mehr zu gewinnen. 

Zwei Zah­len zei­gen, wor­um es geht: 350 und 1.700. 350 Kin­der sind jedes Jahr nicht an der Gesamt­schu­le als Schul­form ihrer Wahl ange­kom­men. Und jetzt wird man von der Koali­ti­on auch mal einen poli­ti­schen Spiel­zug erwar­ten dür­fen, der die­ses Pro­blem löst. 

Haken­schla­gen auf dem Platz, wie wir es bis­her gese­hen haben (wenn die drit­te Gesamt­schu­le nicht klappt, pla­nen wir ein­fach schon mal die vier­te) oder Fehl­päs­se ins Nir­gend­wo (kei­ne Zusa­gen ans Schlaun-Gym­na­si­um, aber wir war­ten lie­ber mal ab, ob der Ver­wal­tung noch was ein­fällt) wer­den nicht mehr funktionieren. 

Den Spieler:innen auf dem Platz soll­te klar sein, dass in der zwei­ten Hälf­te ein Tref­fer gelin­gen muss, sonst droht hier die Nie­der­la­ge. Das gilt eben­so für die 1.700 Kin­der, die bis­her kei­nen Kita­platz haben. Ein Armuts­zeug­nis für die gan­ze Stadt, und der Koali­ti­on soll­te rasch klar wer­den, dass auch hier poli­ti­sche Ant­wor­ten gefragt sind und die irr­lich­tern­de Fach­ver­wal­tung hier kei­ne Hil­fe sein wird. 

Man möchte rufen: Mehr Mut!

Über Jah­re wur­den hier die schöns­ten Spiel­zü­ge ver­spro­chen (Rechts­an­spruch, Aus­wei­tung von Betreu­ungs­zei­ten, mehr Qua­li­tät) und nun zeigt sich: Das waren Mus­ter ohne Wert. Und es liegt nicht an Soft­ware­pro­ble­men, son­dern an gra­vie­ren­den Ver­säum­nis­sen von Poli­tik und Verwaltung. 

Die Koali­ti­on wird poli­ti­sche Spiel­zü­ge ent­wi­ckeln müs­sen, die bald Ant­wor­ten für Fach­kräf­te­man­gel, Bezah­lung und Qua­li­fi­zie­rung von Per­so­nal fin­den. Hier droht sonst ein klas­si­sches Eigen­tor für ein Koali­ti­ons­team, das gera­de hier eine soli­de eige­ne Fan­ba­sis zu ent­täu­schen droht. Das Fin­ger­zei­gen auf die rat­lo­se und über­for­der­te Ver­wal­tungs­bank wird nicht hel­fen, eige­ne Spiel­zü­ge sind gefragt.

Alles in allem möch­te man dem Team beim Halb­zeit­tee zuru­fen: Mehr Mut! Etwas weni­ger Drib­be­lei­en, wozu vor allem die in Mikro­ver­bes­se­rung von Ver­wal­tungs­vor­la­gen ver­lieb­ten Grü­nen immer­zu nei­gen, etwas mehr Kon­zen­tra­ti­on auf das Wesent­li­che: Ver­kehrs­wen­de und Kli­ma­schutz, Kin­der­be­treu­ung und Bil­dung, Siche­rung der finan­zi­el­len Hand­lungs­fä­hig­keit, Inves­ti­tio­nen in die Zukunftsfelder. 

Das ist es, wor­um es jetzt in der zwei­ten Halb­zeit gehen muss. Es wür­de hel­fen, sich nicht im Klein-Klein der Mikro­steue­rung zu ver­zet­teln, son­dern das Ziel des Spiels im Blick zu behal­ten. In der zwei­ten Halb­zeit muss der Sack zuge­macht wer­den und es müs­sen wei­te­re Tref­fer fal­len. Am Ende zäh­len nur die Tore, nicht die Über­stei­ger und der Quer­pass in Form von Antrags­pa­pier. Hof­fent­lich wird es was.

Herz­li­che Grüße

Ihr Micha­el Jung

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Über den Autor

Micha­el Jung lebt schon immer in Müns­ter. Er wur­de 1976 hier gebo­ren. Er hat an der Uni Müns­ter Latein und Geschich­te stu­diert und in Geschich­te pro­mo­viert. Heu­te ist er Leh­rer am Annet­te-Gym­na­si­um in Müns­ter. Micha­el Jung war vie­le Jah­re in der Poli­tik: Von 2013 bis 2020 war er Frak­ti­ons­chef der SPD im Rat der Stadt. Im Jahr 2020 trat er für die SPD bei den Kom­mu­nal­wah­len als Ober­bür­ger­meis­ter­kan­di­dat an. 

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