Die Kolumne von Ruprecht Polenz | Verkehrspolitik mit Tunnelblick


Münster, 31. Oktober 2021
Einen schönen Sonntag wünsche ich Ihnen.
Wissen Sie, was die Abkürzung BuBiM bedeutet? Nein? Das verwundert mich nicht. Schließlich wohnen die meisten Abonnent:innen von RUMS in Münster. Warum sollten Sie sich also für den öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) im Münsterland interessieren?
Die meisten von uns haben ihren Arbeitsplatz innerhalb der Stadtgrenzen. Vergleichsweise wenige müssen täglich ins sogenannte Umland zur Arbeit fahren. Auch zum Einkaufen haben wir alles vor der Haustür, jedenfalls in Fahrrad-Distanz.
BuBiM steht für Busse und Bahnen im Münsterland und ist der Name einer App des Zweckverbands Mobilität Münsterland (ZVM). Im ZVM widmen sich die Kreise Borken, Coesfeld, Steinfurt und Warendorf sowie die Stadt Münster seit mehr als 25 Jahren der Aufgabe, Mobilität für das Münsterland zu organisieren.
Die BuBiM-App zeigt, wie weit man es damit gebracht hat. Sie gibt Auskunft über Bus- und Bahnverbindungen, Fahrpläne und Ticketpreise. Wer sich politisch damit beschäftigt, die Verkehrsprobleme der Stadt Münster zu lösen, sollte sich gut mit BuBiM auskennen. Denn pointiert ausgedrückt: Die Verkehrsprobleme in Münster kommen vor allem von denen, die nach Münster wollen.
- 360.000 Pendler:innenfahrten pro Tag werden zu 80 Prozent mit dem Auto und nur zu 20 Prozent mit Bus und Bahn erledigt.
- Münsters Stadtgrenze überqueren montags bis freitags täglich rund 300.000 Autos, 15.000 Personen im Bus und nochmal 63.000 im Zug.
- Acht Bahnstrecken und 18 Regionalbuslinien, davon sieben Schnellbuslinien, verbinden Münster mit dem Umland.
- Wird zum Pendeln nach Münster ein Auto genutzt, sitzen im Schnitt 1,2 Personen darin. Zum Vergleich: In einen Schnellbus passen 80 Personen. Entscheiden sich also beispielsweise morgens im Berufsverkehr 80 Leute für den Schnellbus und gegen das Auto, sind 66 Wagen weniger auf der Straße, die dann keinen Parkplatz in Münster brauchen.
Wer in die BuBiM-App schaut, kann nachvollziehen, warum sich bisher nur 20 Prozent der Pendler:innen für den ÖPNV entscheiden: längere Fahrzeiten, kein Zeittakt, Ticketpreise.
Mit starrem Blick aufs Ziel fixiert
Es ist deshalb gut, dass der ZVM in seiner Verbandsversammlung einen Antrag von Walter von Göwels (CDU) angenommen hat, der in dem Gremium als Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke die Stadt Münster vertritt. Darin heißt es:
„Der ZVM fordert die Stadt Münster auf, den Prozess einer Verlagerung der Verkehre hin zu mehr ÖPNV-Angeboten in einer gemeinsamen Strategie mit den Münsterlandkreisen und dem ZVM anzugehen, der auch sicherstellt, dass verkehrliche Alternativen zur Verfügung stehen bevor restriktive Maßnahmen gegen Pkw-Verkehre, wie die von der Stadt Münster vorgeschlagene Reduzierung des MIV um 50%, umgesetzt werden.“
Man kann es auch einfacher sagen: Die Stadt Münster soll bitte nicht den Karren vor das Pferd spannen, indem sie Maßnahmen zur Verdrängung des Autoverkehrs ergreift, bevor geeignete Alternativen im ÖPNV zur Verfügung stehen.
Verkehrspolitik mit Tunnelblick – so könnte man die Maßnahmen beschreiben, die SPD, Grüne und Volt in der letzten Ratssitzung durchgesetzt haben. Mit starrem Blick nur auf das Ziel fixiert, Autos möglichst schnell aus der Innenstadt zu vertreiben. Kein Blick auf die, die als Ziel von den Autofahrer:innen angesteuert werden: den Einzelhandel. Kein Gedanke daran, wie die 1,5 Millionen Menschen aus dem Einzugsbereich Münsters in die Stadt kommen sollen, so lange der ÖPNV dafür kein ausreichend attraktives Angebot bereit hält.
Unterstützen Sie uns! Leser:innen werben Leser:innen
RUMS soll wachsen!
Bei den nächsten Meilensteinen (2.000, 2.250, 2.500) werden wir als Dankeschön weitere Workshops veranstalten. Genaueres dazu lesen Sie hier. Sie können uns dafür auch gern Organisationen vorschlagen, die Ihnen am Herzen liegen. Schreiben Sie uns dazu einfach an diese Adresse. Wie sich unsere Aktion entwickelt, teilen wir Ihnen ab jetzt regelmäßig in unserem Brief mit. Sobald Corona es zulässt und wir die ersten Workshops umsetzen können, werden wir diese auch dokumentieren.
Das Ganze haben wir noch einfacher für Sie gemacht: Sie können unsere Briefe per E-Mail oder Whatsapp teilen – beim Klick auf den entsprechenden Button unten öffnet sich in der jeweiligen App ein Fenster, in dem Sie einen Textvorschlag von uns finden, den Sie natürlich frei verändern können. Ebenso können Sie unsere E-Mails natürlich auch bei Facebook oder Twitter teilen.
Diesen Brief teilen und RUMS weiterempfehlen:
Selbst wenn mit dessen Verbesserung alles klappt, was man sich vorgenommen hat, wird es noch viele Jahre dauern, bis der ÖPNV für die Menschen aus dem Münsterland, dem Emsland, Ostwestfalen oder dem nördlichen Ruhrgebiet eine wirkliche Alternative zum Auto ist, um nach Münster zu kommen. Bis dahin haben sich die Kund:innen längst andere Ziele gesucht – zu Lasten des Einzelhandels in Münster und seiner mehr als 30.000 Beschäftigten.
Auf einen Schlag sollen in den nächsten Monaten fast 1.500 Parkplätze entweder vollständig wegfallen (Arkaden 150, Domplatz 94) oder von den Zufahrten über Münzstraße beziehungsweise Mauritzstraße abgeschnitten werden (Tibus 748, Hörster Platz 230, Alter Steinweg 390).
Dem Einzelhandel muss es wie Hohn vorkommen
Was das für den Einzelhandel in der Innenstadt bedeutet, der noch von Corona gebeutelt ist und der gegen die Online-Konkurrenz ankämpfen muss, wird vom Tunnelblick von SPD, Grünen und Volt nicht erfasst. Es interessiert die drei Parteien nicht.
Dabei hatten sie in der Präambel ihres Koalitionsvertrags noch verkündet:
„Unser Anspruch ist es, im Umgang mit allen Fraktionen und politischen Gruppen des Rates, der Verwaltung sowie gemeinsam mit den Münsteraner*innen offen, transparent und fair politisch zu agieren… Wir wollen die Attraktivität unserer Innenstadt stärken und dazu auch neue Wege gehen. Diesen Prozess wollen wir gemeinsam mit Bürger*innen und Gewerbetreibenden gestalten.“
Davon ist in der Verkehrspolitik nicht viel übrig geblieben. „Klimaneutrales Münster möglich machen – mit Bürger:innenbeteiligung und wirksamen Maßnahmen“ – diese Überschrift über dem jetzt vom Rat beschlossenen Antrag von SPD, Grünen und Volt muss dem Einzelhandel wie Hohn vorkommen.
Mit der Industrie- und Handelskammer oder dem Einzelhandelsverband, dem Verein der Kaufmannschaft, den Straßensprecher:innen, der Initiative Starke Innenstadt (ISI) oder der Gewerkschaft Verdi haben SPD, Grüne und Volt nicht einmal gesprochen.
Auch mit den Münsterlandkreisen und den unmittelbar an Münster angrenzenden Gemeinden gab es keinerlei Abstimmungsgespräche. Dabei sind diese, wie gezeigt, von der Verkehrspolitik der Stadt ebenfalls betroffen. Und Münster ist auf sie angewiesen, wenn die Stadt ihre Verkehrsprobleme wirklich lösen will.
Dabei gibt es gute Wege, den Autoverkehr in der Innenstadt zu reduzieren, ohne mit dem Bad auch das Kind auszuschütten. Münster sollte es machen wie Paris. Großflächig Tempo 30 überall innerhalb des zweiten Tangentenrings. Die Angleichung der Geschwindigkeiten ermöglicht es, den knappen Verkehrsraum zwischen den Häuserzeilen für Fußgänger:innen, Fahrradfahrer:innen, Autofahrer: innen und dem ÖPNV anders aufzuteilen. Die Bedeutung des Autos nimmt ab. Die Lebensqualität nimmt zu.
Weiterer Vorteil: Es ist deutlich preiswerter. Allein die Entschädigung für den privaten Eigentümer des Arkaden-Parkhauses in der Königstraße dürfte sich auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag belaufen. Davon könnte man stattdessen große Teile des neuen Preußen-Stadions bezahlen.
Ich wünsche Ihnen eine gute Woche.
Herzliche Grüße
Ihr
Ruprecht Polenz
Korrekturhinweis:
In einer früheren Version des Textes hieß es, es sei geplant, die Zufahrten zu drei Parkhäusern „über Münzstraße und Mauritzstraße“ abzuschneiden. Um zu verdeutlichen, dass die Zufahrt des Parkhauses Tibus weiter von der Münzstraße erreichbar sein soll, und die Parkhäuser am Hörster Platz und am Alten Steinweg über die Mauritzstraße, heißt es nun: „über Münzstraße beziehungsweise Mauritzstraße“.
Möchten Sie den Beitrag kommentieren? Dann nutzen Sie unsere Kommentarfunktion. Wenn Sie uns auf Fehler aufmerksam machen möchten, schreiben Sie uns gern eine E-Mail.
Über den Autor
Viele Jahre lang war Ruprecht Polenz Mitglied des Rats der Stadt Münster, zuletzt als CDU-Fraktionsvorsitzender. Im Jahr 1994 ging er als Bundestagsabgeordneter nach Berlin. Er war unter anderem CDU-Generalsekretär, zwischen 2005 und 2013 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Von 2000 bis 2016 war Ruprecht Polenz Mitglied des ZDF-Fernsehrats, ab 2002 hatte er den Vorsitz. Der gebürtige Bautzener lebt seit seinem Jura-Studium in Münster. 2020 erhielt Polenz die Auszeichnung „Goldener Blogger“.
Die Kolumne
Immer sonntags schicken wir Ihnen eine Kolumne. Das sind Texte, in denen unsere sechs Kolumnistinnen und Kolumnisten Themen analysieren, bewerten und kommentieren. Die Texte geben ihre eigene Meinung wieder, nicht die der Redaktion. Mitgliedschaften in politischen Parteien oder Organisationen machen wir transparent. Wenn Sie zu den Themen der Kolumnen andere Meinungen haben, schreiben Sie uns gern. Wenn Sie möchten, veröffentlichen wir Ihre Zuschrift im RUMS-Brief. Wenn Sie in unseren Texten Fehler finden, freuen wir uns über Hinweise. Die Korrekturen veröffentlichen wir ebenfalls im RUMS-Brief.
HINWEIS: RUMS steht für kritischen, aber auch konstruktiven und wertschätzenden Journalismus. Genauso wünschen wir uns auch die Diskussion unter unseren Beiträgen und Briefen. Streiten Sie sich, schreiben Sie Ihre Meinung — aber bleiben Sie bitte sachlich und höflich. Wir vertrauen darauf, dass Sie sich daran halten. Daher prüfen wir Ihre Kommentare nicht, bevor sie hier veröffentlicht werden. Wir behalten uns jedoch vor, alle Äußerungen zu entfernen, die beispielsweise beleidigend, diffamierend, sexistisch oder rassistisch sind.
Hallo!
Ich frage mich wie lange wir mit Änderung noch warten sollen … nochmal 30 Jahr haben wir sicher nicht. Solange nutzt unsere fünfköpfige Familie schon die bestehende Alternative „Fahrrad“. Auch gut 8 Jahre mit 2 kleinen Kindern in Altenberge. Wenn ich morgens so an der „Pendler“-schlange vorbeifahre, sehe ich da 30-50% MS Kennzeichen. Die zählen auch alle zum sogenannten Pendlerstrom. Gerade in Zeiten von Pedelecs hätte da sicher ein Großteil eine praktikable Alternative. Bei Statista wurden ja gerade Zahlen veröffentlich, die zeigen dass gut die Hälfte der Pendler nicht weiter als 10km fahren. Dafür braucht kein gesunder Mensch zwingend ein Auto.
Was auch immer vergessen wird. Es gibt Menschen wie meine Mutter und andere ältere Menschen die können und sollten oft auch besser kein KFZ mehr führen. Die können aber oft noch Rad fahren, wie es mir meine Kunden regelmäßig vorführen. Genau für diesen wachsenden Kreis an Personen, Kinder und andere Ungeübte/Schwache sind all die Kurzstreckenfahrer eine unnötige Gefahrenquelle. Mal abgesehen davon das eben diese Kurzstreckenfahrer auch denen den Platz und Resourcen streitig machen, die wirklich ein Auto benötigen.
Und da hat sich halt in sehr vielen anderen Städten schon über Jahre, gar Jahrzehnten, die Methode bewährt, den ÖPNV, dem Rad und den Fussgängen die Wege einfach, direkt und sicher zu gestalten und den Autofahrer nicht mehr direkt zum Ziel kommen zu lassen. Das habe ich schon in den Neunzigern in Middelburgh mit dem Auto erlebt und sofort verstanden: Auto nur wenn wirklich nötig. Dadurch hat die Aufenhaltsqualität in der Stadt massiv gewonnen!
Im Allgemeinen bin ich den Kolumnen von Herrn Polenz gegenüber durchaus aufgeschlossen - kein typisches CDU-Geschwurbel nach dem Motto: der Untergang des Abendlandes droht, wenn.…. diese oder jene Veränderung auch nur gedanklich artikuliert wird. Um es mit Kurt Tucholsky auf den Punkt zu bringen: „Die Weltwirtschaft ist verflochten“ - das gilt natürlich auch und gerade für die Austauschbeziehungen zwischen Münster und dem Umland. Wenn wir allerdings alle Bedenkenträger und Bremser in die Diskussion und vor allem Entscheidungsfindung über eine angemessene Verkehrsaufteilung zwischen MIV, ÖPNV, Fahrrad und Fußgängern einbeziehen wollen, wird sich bis zum St. Nimmerleinstag nichts ändern. Manchmal - sicher nicht ständig - bedarf es disruptiver Vorgaben und vor allem des Mutes, unpopuläre Entscheidungen zu treffen und die dann folgenden Kampagnen der Gegner auszuhalten. Die Forderung, erst müssten ausreichende Alternativen zum MIV vorliegen, bevor man diesen einschränken dürfe, lässt konsequent zweierlei Büßer Acht: Zum einen werden Autofahrer auch bei noch so guten Alternativen erst dann umsteigen, wenn die Nutzung des eigenen PKW ‚weh tut‘ - die Staus vor dem Parkhaus in der Königstrasse und am Domplatz sind mehr als genug Beweis dafür. Zum zweiten stellt es eine grandiose Verschwendung von Ressourcen dar. den MIV unbegrenzt weiter wachsen zu lassen (Ausbau Umgebungsstraße, B 51, A 1), gleichzeitig aber die Kapazitäten des ÖPNV zu erhöhen. Mal abgesehen von der massiven Subventionierung des MIV, während die nächste Runde der Preiserhöhung beim ÖPNV gerade eingeläutet wird. Nicht zu vergessen: der straßengebundene ÖPNV steht auch im Stau, wenn noch mehr Autos zugelassen werden (vergleiche die entsprechende Meldung der WN vor einiger Zeit).
Last but not least: Als die Fußgängerzonen eingerichtet werden sollte, wurde auch der Untergang des stationären Einzelhandels beschworen - man lese die Zeitungsartikel aus der Zeit vor rund sechzig Jahren. Offenbar sind viele Mitmenschen in ihrer Wahrnehmung nicht viel weiter. Gelegentlich ist in den Leserbriefen an die WN sogar von einem „Grundrecht“ auf individuelle Mobilität zu lesen.
Es geht nicht um die Verteufelung des Autos oder um Autohass (wie unser OBM mahnend anzumerkend sich berufen fühlte). Es geht schlicht und ergreifend darum, die ‚autogerechter Stadt‘ den Menschen zurückzugeben und vor allem die Aufenthaltsqualität der Innenstadt fühlbar und signifikant zu erhöhen.
Kolumne Polenz 31.10.21 „Verkehrspolitik mit Tunnelblick“
Polenz‘ Argumentation ist so einfach wie altbekannt: „Für den Klimaschutz ist eine grundlegende Verbesserung des ÖPNV dringend notwendig. Der ist zur Zeit in Münster und dem Umland grottenschlecht, seine Verbesserung wird sehr lange dauern. Daher dürfen wir auf keinen Fall in nächster Zeit den Autoverkehr einschränken, sonst geht Münster wirtschaftlich vor die Hunde.“ Wer hat denn da wohl den Tunnelblick, und in wessen Interesse?
Oder hat Polenz wirklich so wenig Überblick und ein so schlechtes Gedächtnis? Welche Partei hatte denn, abgesehen von den Jahren 1994-99, in den letzten Jahrzehnten in Münster die Mehrheit und damit alle Zeit der Welt, diesen miserablen Zustand des ÖPNV zu verbessern? Und welche Partei die meiste Zeit im Bund, um die gesetzlichen und finanziellen Grundlagen für einen guten ÖPNV zu legen? -16 Jahre Merkel, die Zeit, in der auch Polenz im Bundestag saß! „Haltet den Dieb!“ heißt die Parole, wenn man selbst für die Fehler der Vergangenheit verantwortlich ist und dann auf die zeigt, die den Karren aus dem Dreck ziehen müssen.
Beispiele gefällig? Jede Menge, ich will mich mal auf 3 grundlegende beschränken:
Schienenverkehr: Es ist sattsam bekannt, dass der Löwenanteil der Mittel des Bundesverkehrswegeplans in den Autobahnbau floss und fließt, bei weitem zu wenig in die Schiene, und die in Prestigeprojekte. Ergebnis: Herrn Lewes liebstes Kind, die S-Bahn Münsterland, lässt nach Aussage eines Gutachters des Zweckverbandes letzte Woche im Verkehrsaussschuss der Stadt noch sehr lange auf sich warten.
Busverkehr: Seine Finanzierung steht in der gesamten Bundesrepublik auf wackligen Füßen. Nach Rechtslage sollen die Kosten des Betriebs aus Fahrgeldeinnahmen gedeckt werden, tatsächlich sind es nur etwa die Hälfte, den Rest müssen Kommunen und Kreise zuschießen – in Münster aus den Gewinnen der Stadtwerke in anderen Bereichen. Jede Aufstellung eines Nahverkehrsplans (ich habe einige miterlebt) ist daher ein Feilschen um Linien und Takte und deren Kosten. Gut ist Münsters Busverkehr daher nur für die, deren Wohnungen und Ziele an einer Linie liegen. Das scheinen in Münster etwa 10% zu sein. Die anderen fahren Auto – bzw. in Münster Rad. Umsteigen ist bei einem 20-Minuten-Takt unattraktiv.
Im letzten Landtag beantragten die Piraten eine Enquetekommission, die neue und sichere Finanzierungsmöglichkeiten für den ÖPNV untersuchen sollte. Die tagte 2014-2017, hörte viele Experten und studierte Beispiele im In– und Ausland, der Endbericht hatte 354 Seiten und erschien kurz vor der Wahl. In der Kommission hatten CDU und FDP alle Vorschläge für Veränderungen abgelehnt, also hatten sie nach der Wahl als Regierung kein Interesse mehr an Verbesserungen.
„Großflächig Tempo 30 überall innerhalb des zweiten Tangentenrings“ ist sein Lösungsvorschlag für Münsters Verkehrsprobleme. Ja geht denn der Mann nie in die Stadt? Seit den 90er Jahren sind bereits alle reinen Wohngebiete in Münster Tempo-30-Zonen. Ich war damals in der Bezirksvertretung Mitte und meine mich zu erinnern, dass auch die CDU mit Grünen und SPD dafür stimmte.
Aber für die Straßen zwischen den Wohnquartieren dürfen wir Tempo 30 nicht anordnen, das untersagt die Bezirksregierung mit dem Hinweis, laut Gesetz gelte die Regelgeschwindigkeit 50 kmh. Sie hat uns damals sogar Straßen in der Altstadt aus dem Tempo-30-Konzept herausgestrichen, z.B. Ägidii-. oder Windthorststraße. So blieb das Tempo-30-Netz ein Flickenteppich, an vielen Stellen war auch die CDU im Rat dagegen, das zu ändern. Ganz zu schweigen von der Änderung der Straßenverkehrsordnung, für die der VCD und andere Umweltverbände schon seit Jahren aus Sicherheitsgründen Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in Städten fordern.
Tatsächlich ist in Außenstadtteilen die Lage für Menschen mit Rad und zu Fuß durch Tempo-30-Zonen entspannter geworden, in meiner Wohngegend spielen auch wieder Kinder auf der Straße. In der Innenstadt haben aber Verkehr und Parkdruck zugenommen. Gehwege sind zugeparkt, Menschen mit Kinderwagen und Rollatoren kommen nicht durch. Vor Lärm und Abgasen fliehen viele in die ruhigeren Außenbereiche – und fahren dann mit dem Auto in die Innenstadt!
Polenz ist durchaus typisch für CDU-Argumentation, das zeigt auch unser neuer Ministerpräsident Wüst: Man sei gern bereit, schon 2030 aus der Braunkohleverstromung auszusteigen – wenn bis dahin genügend grüner Strom zur Verfügung stünde. (Dessen Ausbau die CDU in den letzten 16 Jahren systematisch ausgebremst hat!)
Wolfgang Wiemers, Vorstandsmitglied im ökologischen Verkehrsclub VCD und 1994 – 2020 für die Grünen Mitglied im Verkehrsausschuss der Stadt Münster
Neu bei RUMS? Hier können Sie sich registrieren.