Die Kolumne von Ruprecht Polenz | Es wäre ein Meilenstein

Müns­ter, 13. Febru­ar 2022

Guten Tag,

ich wün­sche Ihnen einen schö­nen Sonntag. 

Hören Sie auch immer im Hin­ter­grund Musik, wenn Sie lesen? In die­sem Brief soll es um Musik gehen. Genau­er gesagt geht es um den Stel­len­wert, den das Musik­le­ben in unse­rer Stadt in Zukunft haben soll. 

Der Stadt­rat tut sich sehr schwer damit, die­se Fra­ge zu beant­wor­ten. Und das seit 30 Jah­ren. Vor 30 Jah­ren hat­te die Dis­kus­si­on über eine städ­ti­sche Musik­hal­le in Müns­ter begon­nen. Die­ser Anlauf ende­te 2008 in einem Bürger:innenentscheid, mit dem die sei­ner­zeit auf dem Schloss­platz geplan­te Musik­hal­le abge­lehnt wur­de. Es dau­er­te etli­che Jah­re, bis es zu einem neu­en Anlauf kam. 

Im Som­mer 2016 wand­ten sich Stadt und Uni­ver­si­tät in einer gemein­sa­men Absichts­er­klä­rung an das Land Nord­rhein-West­fa­len. Das Anlie­gen: Man will gemein­sam einen Musik-Cam­pus bau­en für die Musik­hoch­schu­le der Uni­ver­si­tät (bis­her beengt am Lud­ge­ri-Krei­sel), die städ­ti­sche Musik­schu­le (bis­her beengt an der Him­mel­reich-Allee) und für das Sin­fo­nie­or­ches­ter der Stadt Müns­ter, dem ange­mes­se­ne Pro­be­räu­me feh­len und für des­sen Kon­zer­te der gro­ße Saal im Thea­ter eher ein Not­be­helf ist. 

Seit über fünf Jah­ren wird geplant. Im Okto­ber 2019 hat der Rat „sei­nen aus­drück­li­chen Wil­len zur Errich­tung eines Musik-Cam­pus“ erklärt. Im Haus­halt ste­hen seit­dem 45 Mil­lio­nen Euro dafür bereit. Letz­ten Mitt­woch hät­te der Rat die­sen Wil­len in einem Grund­satz­be­schluss bekräf­ti­gen sollen. 

„Dann aber wirklich“

Zur Selbst­ver­ge­wis­se­rung hat­ten die Frak­tio­nen der Ver­wal­tung noch ein­mal einen umfang­rei­chen Fra­gen­ka­ta­log vorgelegt: 

  • zur Bedeu­tung des Projekts, 
  • zur Zusam­men­ar­beit mit dem Land, zu Bau­flä­chen und dem Apothekergarten, 
  • zu den inves­ti­ven Kos­ten der Baumaßnahme, 
  • zu den lau­fen­den Kos­ten der Baumaßnahme, 
  • zum Bestand,
  • zu Bau, Nach­hal­tig­keit und Zeitplan, 
  • zu (städ­ti­schen) Nutzer:innen und zum Raumprogramm, 
  • zum Betrieb/Betreiber:innenmodell.

Alle Fra­gen hat­te die Ver­wal­tung auf 27 Sei­ten aus­führ­lich und recht­zei­tig vor der Rats­sit­zung beant­wor­tet. Aber anstatt zu ent­schei­den, wur­de noch ein­mal ver­tagt – jetzt auf die nächs­te Rats­sit­zung im April. 

„Dann aber wirk­lich“ sol­le die Grund­satz­ent­schei­dung fal­len, hat Ober­bür­ger­meis­ter Mar­kus Lewe gesagt. Dar­auf hät­ten sich die Frak­tio­nen ein­ver­nehm­lich ver­stän­digt. So berech­tigt die Fra­gen der Frak­tio­nen im Ein­zel­nen sein mögen: Es irri­tiert der Geist zöger­li­cher Bedenk­lich­keit, mit dem sie for­mu­liert sind. 

Wür­de man ähn­lich bedenk­lich an den Umbau des Preu­ßen­sta­di­ons gehen, wür­de man alles auf Eis legen, bis die Preu­ßen wenigs­tens wie­der in die 3. Liga auf­ge­stie­gen wären. Schließ­lich soll das neue Sta­di­on so aus­ge­baut wer­den, dass es für die 2. Bun­des­li­ga taugt. 

Win-win-Situation für Stadt und Universität

Dass man bei Zukunfts­in­ves­ti­tio­nen so nicht vor­ge­hen kann, liegt auf der Hand. Auch für den Musik-Cam­pus soll­te die Ent­schei­dung nicht all­zu schwer fal­len. Die Uni­ver­si­tät ist für Müns­ter her­aus­ra­gend wich­tig. Sie ist mit Abstand größ­ter Arbeit­ge­ber in Münster. 

Es ist ein Glücks­fall, dass die Stadt die Mög­lich­keit hat, ein sol­ches Pro­jekt gemein­sam mit der Uni­ver­si­tät und zum gegen­sei­ti­gen Nut­zen in Angriff zu neh­men. Eine Win-win-Situa­ti­on für Stadt und Universität. 

Die Hoch­schu­le steu­ert das lan­des­ei­ge­ne Grund­stück hin­ter dem Schloss­gar­ten an der Hit­torf­stra­ße bei. Von den Bau­kos­ten in Höhe von geschätzt 285 Mil­lio­nen Euro muss die Stadt nur ein Drit­tel tra­gen: 70,1 Millionen. 

Die Kon­zert­hal­le mit 1.200 Plät­zen müss­te die Stadt mit 31,6 Mil­lio­nen mit­fi­nan­zie­ren. Das ent­spricht eben­falls nur einem Drit­tel der Kos­ten. Zum Ver­gleich: Allein die not­wen­di­ge Moder­ni­sie­rung der städ­ti­schen Musik­schu­le am alten Platz wür­de über 40 Mil­lio­nen Euro kosten. 

Ja, das ist viel Geld. Aber die genann­ten Kos­ten ver­tei­len sich auf acht Jah­re. Die Fer­tig­stel­lung des Musik-Cam­pus ist für 2030 geplant. Die Risi­ken sind über­schau­bar und beherrsch­bar. Zur Ein­ord­nung der Sum­me soll­te man wis­sen, dass der städ­ti­sche Haus­halt für die­ses Jahr 1,3 Mil­li­ar­den Euro beträgt. 

Die städ­ti­sche Finanz­si­tua­ti­on hängt viel stär­ker von den Steu­er­ein­nah­men ab, und damit von der all­ge­mei­nen wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lung der nächs­ten acht Jah­re, als von mög­li­chen Stei­ge­run­gen der Bau­prei­se beim Musik-Campus. 

3.235 Unterschriften für den Musik-Campus

Die Ent­schei­dung über den Musik-Cam­pus sagt viel dar­über aus, wel­che Stadt wir sein wol­len, wel­chen Stel­len­wert die Kul­tur in Müns­ter haben soll. Seit dem Stadt­ju­bi­lä­um 1993 hat sich die Stadt kei­ne grö­ße­re Kul­tur­in­ves­ti­ti­on mehr zugetraut. 

Damals wur­den die neue Stadt­bü­che­rei und das Stadt­mu­se­um in der Salz­stra­ße gebaut. Das Thea­ter stammt von 1956. Mit dem Fra­gen­ka­ta­log der Frak­tio­nen von heu­te wäre es wohl nicht gebaut wor­den. Schließ­lich fehl­ten damals noch Schul­räu­me und Turnhallen. 

3.235 Unter­schrif­ten für den Musik-Cam­pus wur­den Ober­bür­ger­meis­ter Mar­kus Lewe vor der Rats­sit­zung am Mitt­woch über­reicht. Sie waren bin­nen weni­ger Tage vom För­der­ver­ein der West­fä­li­schen Schu­le für Musik mit der Hil­fe von Götz Als­mann und ande­ren online gesam­melt worden. 

Bei der Über­ga­be spiel­te die Com­bo „United Brass“ den Hit „One Moment in Time“ von Whit­ney Hous­ton. Der Rat soll­te ihn in sei­ner nächs­ten Sit­zung nicht ver­pas­sen. Sehen wir es posi­tiv. Gut Ding will Wei­le haben. Wenn die­ser Satz auch umge­kehrt gilt, wird der Musik-Cam­pus ein Mei­len­stein für Münster. 

Ich wün­sche Ihnen eine gute Woche. 

Herz­li­che Grü­ße – und blei­ben Sie gesund. 

Ihr Ruprecht Polenz 

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Über den Autor

Vie­le Jah­re lang war Ruprecht Polenz Mit­glied des Rats der Stadt Müns­ter, zuletzt als CDU-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der. Im Jahr 1994 ging er als Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ter nach Ber­lin. Er war unter ande­rem CDU-Gene­ral­se­kre­tär, zwi­schen 2005 und 2013 Vor­sit­zen­der des Aus­wär­ti­gen Aus­schus­ses des Bun­des­tags. Von 2000 bis 2016 war Ruprecht Polenz Mit­glied des ZDF-Fern­seh­rats, ab 2002 hat­te er den Vor­sitz. Der gebür­ti­ge Bautz­e­ner lebt seit sei­nem Jura-Stu­di­um in Müns­ter. 2020 erhielt Polenz die Aus­zeich­nung „Gol­de­ner Blogger“.

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