Marina Weisbands Kolumne | Digitalisierung an Schulen | Warum die Krise das Problem nicht löst

Porträt von Marina Weisband
Mit Marina Weisband

Münster, 16.04.2020

Liebe Leser*innen,

seit Jahren schon fahre ich durch die Bundesrepublik und rede in Schulen über Digitalisierung und ihre Herausforderungen. “Was haben Sie ein Glück, Frau Weisband”, bekomme ich nun gesagt: “Corona ist ja praktisch ein Kickstart für die Digitalisierung an Schulen.” Ich bin mir da aber nicht sicher.

Die Probleme, über die wir in unseren Schulen in den vergangenen Wochen gestolpert sind, sind nicht notwendigerweise die, über die wir seit Jahren sprechen. Es sind neue hinzugekommen. Eines der größten ist, dass viele Schüler*innen in sehr ungleichen Verhältnissen leben.

Selbst eine gut situierte Familie mit drei Kindern hat oft nicht für jedes Kind einen Computerarbeitsplatz in einem getrennten Raum. Das bedeutet: Nicht alle Kinder können gleichzeitig an Präsenzveranstaltungen teilnehmen, ohne sich gegenseitig ins Wort zu fallen.Und das führt zu interessanten Fragen wie: Ist es fair, Schüler*innen einen Text schreiben zu lassen, wenn einige von ihnen Zugang zu einem Computer mit Tastatur haben, andere aber nur ein Smartphone?

Das ist nichts, was wir verschlafen haben. Das hat nichts mit unserem Bildungssystem zu tun. Es ist ein Problem, das sich mit Corona ergeben hat.

Das andere ist: Es gibt bestimmte Lehrer*innen und Klassen, die besser mit dieser neuen Situation zurechtkommen, weil sie auch bislang schon einen Arbeitsmodus hatten, der auch ohne Klassenzimmer funktioniert. Diese Klassen lernen schon jetzt individueller. Sie lernen dezentraler. Und sie lernen projektbezogen.

Der Klassenraum verliert seinen alten Sinn

Früher war das Klassenzimmer der Raum, in dem Wissen vermittelt wurde. Es gab die Vorstellung vom Silo-Lernen. Der Kopf ist ein Silo, das mit Wissen befüllt werden will. Das Wissen befindet sich in der Schule. Dort wird es über den Schüler*innen ausgeschüttet.

Heutzutage liegt das Wissen auf der Straße. Es ist überall. Es gibt viel zu viele Informationen. Wir brauchen die Fähigkeit, diese Informationen so zu verknüpfen, dass Wissen entsteht. Wir müssen sie filtern können. Wir müssen unterscheiden können: Was sind gute Quellen, was sind schlechte. Das entspricht eher der Idee von Lernen für eine digitalisierte Welt als PDF-Arbeitsblätter auf Tablets.

Der Klassenraum mit seinen vier Wänden, jenseits derer nichts gelernt wird, hat seinen ursprünglichen Sinn verloren.

Wenn wir Fremdsprachen lehren, können wir Muttersprachler*innen in diesen Prozess miteinbeziehen. Dazu muss niemand reisen. Auch Lehrer*innen müssen sich nicht zwingend im gleichen Raum befinden.

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