Die Kolumne von Ludwig Lübbers | Parken vor Weihnachten

Müns­ter, 11. Dezem­ber 2022

Guten Tag,

alle Jah­re wie­der das­sel­be Ärger­nis. In einer Pres­se­mit­tei­lung vom 8. Novem­ber schreibt die Stadt, dass die in der Vor­weih­nachts­zeit alle Schwer­be­hin­der­ten­park­plät­ze an der Hein­rich-Brü­ning-Stra­ße ent­fal­len. Die Stadt opfert die Park­plät­ze für Men­schen mit Behin­de­run­gen dem Weih­nachts­markt. Alter­na­tiv kön­nen die­se Men­schen an der Cle­mens­kir­che par­ken, etwas weni­ger zentral. 

Die Stadt erwar­tet in der Vor­weih­nachts­zeit etwa eine Mil­li­on Gäs­te. Und das führt dazu, dass Men­schen, die ohne­hin schon hohe Hür­den über­win­den müs­sen, um in die Stadt zu kom­men, noch höhe­re Hür­den vor die Nase gesetzt werden.

Ich lie­be die fest­li­che Stim­mung in der Vor­weih­nachts­zeit. Und ich selbst habe das Glück, mit mei­nem umge­bau­ten Fahr­rad in die Innen­stadt fah­ren zu kön­nen, wenn das Wet­ter es zulässt. Vie­le ande­re Men­schen mit Behin­de­rung sind auf ihr Auto ange­wie­sen – zum Bei­spiel, um zu Arzt zu fah­ren. Der Weih­nachts­markt macht ihnen das noch schwe­rer, als es ohne­hin schon ist. 

Aber soll­te das Ziel denn nicht eigent­lich sein, Men­schen mit Behin­de­rung den Besuch auf dem Weih­nachts­markt genau­so mög­lich zu machen wie ande­ren – schnell, unkom­pli­ziert und ohne finan­zi­el­le Kos­ten, auch an den Wochenenden?

Nächstenliebe und Besinnung

Das Gesetz garan­tiert Men­schen und den Per­so­nen, die sie betreu­en, die­se Teil­ha­be. Und Teil­ha­be ist ein Men­schen­recht. Ich sehe eine öffent­li­che Pflicht, sich die­ser Per­so­nen­grup­pe anzu­neh­men. In der Advents­zeit fei­ern wir ein Fest, des­sen Inhalt Nächs­ten­lie­be und Besin­nung sind. Es geht dar­um, schwa­che Men­schen nicht aus­zu­gren­zen, son­dern sie einzubeziehen.

Ich freue mich über die Attrak­ti­vi­tät unse­rer Stadt und den wirt­schaft­li­chen Erfolg, den die Weih­nachts­märk­te mit sich brin­gen. Das Mar­ke­ting der Stadt scheint hier her­vor­ra­gend zu funk­tio­nie­ren. Aber hat die Stadt bei den Park­plät­zen für Men­schen mit Behin­de­run­gen wirk­lich all ihre Mög­lich­kei­ten aus­ge­schöpft? Es wäre wich­tig, dass die Stadt Men­schen, die unse­re Stadt besu­chen, ob mit oder ohne Behin­de­rung, beson­de­re Ange­bo­te macht. 

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Die Men­schen, die Müns­ters Weih­nachts­märk­te orga­ni­sie­ren, könn­ten hier vor­an­schrei­ten. Sie könn­ten die Hür­den etwas sen­ken und den Men­schen Ängs­te neh­men. Ich wür­de mir eine Kul­tur wün­schen, in der dar­auf geach­tet wird, dass alle Men­schen teil­ha­ben kön­nen. Das könn­te in die­ser Stadt, die doch auch auf ande­ren Gebie­ten so ger­ne Vor­bild ist, zu einem Mar­ken­zei­chen wer­den. Es hät­te eine Signal­wir­kung. Am Geld soll­te es nicht scheitern. 

Ich hät­te ein paar Vor­schlä­ge, wie das gelin­gen könn­te. Zum Bei­spiel mit einer städ­ti­schen Hot­line oder einer inter­ak­ti­ven Web­site, auf der Men­schen mit Behin­de­rung Infor­ma­tio­nen dazu fin­den, wie sie einen Besuch in Müns­ter pla­nen kön­nen. Die aktu­el­len Infor­ma­tio­nen auf der städ­ti­schen Home­page fin­den sich eher ver­steckt ganz unten und sind nach mei­ner Auf­fas­sung wenig hilfreich.

In den Stoß­zei­ten an Wochen­en­den könn­ten Shut­tle- und Betreu­ungs­an­ge­bo­te vom Schloss­platz aus eine sehr gro­ße Erleich­te­rung sein. Hier könn­ten kari­ta­ti­ve Ein­rich­tun­gen mit ihren Spe­zi­al­fahr­zeu­gen zum Ein­satz kom­men. Zivil­dienst­leis­ten­de könn­ten Men­schen mit Behin­de­run­gen gemein­sam in die Stadt begleiten. 

Bewusstsein für die Probleme

Auch am Dom­platz könn­te es mehr Auto-Stell­plät­ze für Men­schen mit Behin­de­run­gen geben. Ich wür­de mir wün­schen, dass die Stadt die Chan­ce ergreift, wenn die Innen­stadt auto­frei wird. Am Mitt­woch will der Rat beschlie­ßen, dass die öffent­li­chen Park­plät­ze am Dom­platz im nächs­ten Jahr weg­fal­len. Genü­gend Platz wären dann vorhanden.

Das Pro­blem mit den Park­plät­zen für Men­schen mit Behin­de­run­gen ist auch in ande­ren Städ­ten ein Pro­blem. Ich sto­ße immer wie­der dar­auf. Vor vier Jah­ren woll­te ich in Wel­ver im Kreis Soest auf den Weih­nachts­markt gehen. Auch dort war kein Behin­der­ten­park­platz zu fin­den. Das Sicher­heits­per­so­nal wuss­te von nichts. Spä­ter frag­te ich den Ver­an­stal­ter. Der wie­gel­te zunächst ab, dann ver­wies er auf Park­plät­ze am ande­ren Ende des Mark­tes, und er gab zu, den Sicher­heits­dienst dar­über gar nicht infor­miert zu haben. Damit ver­stieß er gegen Geset­ze. Mög­li­cher­wei­se war ihm das gar nicht bewusst.

Ich wür­de mir ein Bewusst­sein für die­se Pro­ble­me wün­schen. Jeder Mensch kann durch einen Unfall oder eine Krank­heit zu einem Men­schen mit Behin­de­rung wer­den. Und dann wür­de man sich selbst wün­schen, Park­plät­ze an Orten zu fin­den, die einem lan­ge Wege ersparen. 

Mei­ne Erfah­rung zeigt jedoch, dass es noch sehr viel zu tun gibt. In den Köp­fen der Men­schen, die über die­se Din­ge ent­schei­den, ist das oft immer noch nicht ange­kom­men. Das ist jeden­falls mein Ein­druck. Ob sich in Wel­ver etwas geän­dert hat, weiß ich nicht. Ich habe einen Leser­brief geschrie­ben. Doch der erschien nie in der Zei­tung. Auch sonst kam nie eine Rück­mel­dung. Ich glau­be, das kann Müns­ter besser. 

Ich wün­sche Ihnen eine schö­ne und besinn­li­che Weihnachtszeit. 

Herz­li­che Grüße

Ihr Lud­wig Lübbers

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Über den Autor

Lud­wig Lüb­bers hat an der Uni Müns­ter Mathe­ma­tik und Sozi­al­wis­sen­schaf­ten stu­diert und anschlie­ßend das Refe­ren­da­ri­at absol­viert. Heu­te arbei­tet er als Leh­rer am Frei­herr-vom-Stein-Gym­na­si­um. Von 1997 bis 2000 initi­ier­te und betreu­te er das Pro­jekt „Han­di­cap im Inter­net“, eine Platt­form, auf der sich Men­schen mit Behin­de­rung ver­net­zen und aus­tau­schen konn­ten. In der städ­ti­schen Kom­mis­si­on zur För­de­rung der Inklu­si­on (KIB) setzt er sich heu­te für die Inter­es­sen von Men­schen mit Behin­de­run­gen in Müns­ter ein. 2021 ver­öf­fent­lich­te er sein ers­tes Buch: „L’Ultima Spi­ag­gia – Mei­ne letz­te Hoff­nung“. In sei­nen RUMS-Kolum­nen schreibt er über Bar­rie­ren und Bar­rie­re­frei­heit, über den All­tag von Men­schen mit Behin­de­rung und über Inklu­si­on in Münster.

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