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Gasometer: Hat das Kollektiv noch eine Chance? | Unbezahlte Werbung: Bethlehem Cravings
Münster, 3. November 2023
auf dem Siegerentwurf des Gasometer-Wettbewerbs steht in rot leuchtenden Buchstaben der Schriftzug „Gazo Street Food Festival“. Aber das war so nicht abgesprochen. Sie hätten dem Investor gleich nach der Veröffentlichung einen Brief geschrieben, damit der das Wort da herausnimmt, sagt Erik Biembacher vom Verein Sozialpalast, der den Gasometer von den Stadtwerken gemietet hat.
Das Wort „Gazo“ ist nicht geschützt, aber es ist der Name des Kollektivs, das den Turm gern weiterhin nutzen würde, allerdings – und das ist das Problem – nicht als Untermieter.
Die Stadtwerke haben einen Investor gefunden, der das Kollektiv irgendwie mit einbauen würde (RUMS-Brief). Doch Erik Biembacher sagt: „Für uns ist der Ort nur als nicht kommerzieller Kunst- und Kulturort denkbar.“ Das Kollektiv Gazo ist ein antikapitalistisches Projekt. Da wäre es schlecht, wenn es gleichzeitig Teil eines kapitalistischen Projekts sein müsste. Der Entwurf vermittelt den falschen Eindruck, dass man sich längst einig wäre. Das ist nicht so.
Das Kollektiv hätte gern das ganze Areal, aber im Moment sieht es eher so aus, als wenn es am Ende ganz leer ausgehen könnte.
Mit dem Investor hat die Gruppe sich inzwischen getroffen. Es sei aber relativ schnell klar gewesen, dass man sich nicht einig werden würde, sagt Erik Biembacher.
In der Pressemitteilung der Berliner Gesellschaft UTB aus der vergangenen Woche klang es, als gehe es bei dem Geschäft nur noch um Formalitäten. Man wolle den Kaufvertrag bald den zuständigen Gremien vorlegen und ihn möglichst in diesem Jahr noch beurkunden lassen, hieß es.
Wahrscheinlich wird es so sein. Heute Nachmittag ist der Stadtwerke-Aufsichtsrat zusammengekommen. Ob es in der nicht-öffentlichen Sitzung auch um den Gasometer-Verkauf ging, verrät Stadtwerke-Sprecher Florian Adler nicht. Aber wenn alles bis zum Jahresende fertig sein soll, ist das schon sehr wahrscheinlich.
Es muss jetzt schnell gehen. Am Montag stellt die Gesellschaft UTB ihre Pläne öffentlich vor. Und sobald der Kaufvertrag unterschrieben ist, sind das Kollektiv Gazo und der Verein Sozialpalast raus. Auch der Rat kann dann nichts mehr ändern, jedenfalls nicht am Verkauf.
Später würde sich schon eine Möglichkeit ergeben, das Projekt noch auszubremsen. Damit die Gesellschaft das Gelände bebauen kann, muss die Stadt den Bebauungsplan ändern. Hier könnte der Rat sagen: Machen wir aber nicht. Dann könnte der Investor den Kauf rückgängig machen, das Kollektiv wäre wieder im Rennen.
Es ist unwahrscheinlich, dass das passieren wird. Grünen-Fraktionschef Christoph Kattentidt sagt, bislang liege ein Konzept vor. Das sei das aus Berlin.
Das Kollektiv und der Verein haben zwar Ideen, auch recht konkrete. Sie denken zum Beispiel an ein Förderprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen, über das die Gruppe laut Erik Biembacher im ersten Jahr 50.000 Euro bekommen könnte, um ein Konzept zu entwickeln. Aber sollte es so ein Konzept nicht längst geben?
Kollektiv und Verein hatten schon mehrfach um Aufschub gebeten, sie wollten Pläne entwickeln. Im Dezember 2021 hieß es, wenn man noch ein Jahr Zeit bekomme, dann müsse danach ein handfestes Konzept vorliegen, das wisse man. Das ist fast zwei Jahre her.
Mit dem Förderprogramm gäbe es laut Erik Biembacher die Möglichkeit, den Gasometer in drei Jahren für eine halbe Million Euro auszubauen. Doch es ist nicht klar, welche Chancen das Projekt auf diese Förderung hätte. Es kann sein, dass es für diese Idee zu spät ist.
Das Kollektiv möchte das Gelände als öffentlichen Ort retten. Die Stadtwerke haben diese Erzählung in ihrer Kommunikation umgedreht. Stadtwerke-Geschäftsführer Frank Gäfgen lässt sich in der UTB-Pressemitteilung mit der Aussage zitieren, man könne das Gelände der Öffentlichkeit zurückgeben – jetzt, wo man es nicht mehr brauche, um Gas zu speichern.
Die Internationale Fraktion hat den Eindruck, dass es hier vor allem um eine sehr kleine Öffentlichkeit geht, vor allem um eine sehr zahlungskräftige. Das schreibt die Fraktion in einer Pressemitteilung mit dem Titel: „Gentrifizierung am Gasometer erfolgreich!“ Sie fordert ein Moratorium. Das will die Fraktion in der Ratssitzung am nächsten Mittwoch beantragen. Die anderen Parteien werden das relativ sicher ablehnen, aber relativ sicher werden sie bei der Gelegenheit noch einmal über den Gasometer-Verkauf reden. (rhe)
Ein-Satz-Zentrale
+++ An der Straße „Auf der Horst“ hat man etwas im Boden gefunden, was nach einem Blindgänger aussieht und was am Mittwoch beseitigt wird. (Stadt Münster)
+++ Die Bauarbeiten am Hohenzollernring verlängern sich voraussichtlich bis April. (Stadtnetze Münster)
+++ Stadtwerke und Telekom bereiten in den Stadtvierteln Schlachthof, Mauritz-Mitte-Süd, dem Kreuzviertel und in St. Mauritz den Glasfaserausbau vor. (Stadtwerke)
+++ Von April bis Oktober 2023 sind 841.000 Passagier:innen vom Flughafen Münster-Osnabrück abgehoben – mehr als vor der Pandemie. (Alles Münster)
+++ Der städtische Ordnungsdienst soll acht neue Vollzeitstellen bekommen, weil am Bahnhof viel zu tun ist. (Westfälische Nachrichten)
+++ Die Polizeipräsidentin und die Stadt haben daher ihre Forderung bekräftigt, im Bahnhofsviertel eine eigene Wache einzurichten. (Westfälische Nachrichten)
+++ Der Umweltausschuss hat Bedenken, ob die Baumfällungen am Kanal legal waren, da der Planfeststellungsbeschluss schon 2007 erstellt wurde. (Westfälische Nachrichten)
+++ Etwa 75 Beschäftigte der Universität Münster haben für bessere Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst demonstriert. (Münstersche Volkszeitung)
+++ Um die sechzig Fahrgäste wurden am Mittwoch aus einem Zug evakuiert, weil die Bahn ein Auto gerammt und mitgeschleift hatte. (Westfälische Nachrichten)
+++ Die Arbeitslosigkeit in Münster ist momentan niedriger als im Bundesdurchschnitt. (Bericht des Jobcenters)
+++ Ein Miniaturnachbau des besetzten Hauses an der Frauenstraße 42 aus Legosteinen kann man ab jetzt im Schaufenster des Stadtmuseums sehen. (Stadt Münster)
Unbezahlte Werbung
Auf der Website von „Bethlehem Cravings“ steht, der Onlineshop habe sich auf den Verkauf von Olivenöl, Datteln, Kräutern und Gewürzen aus dem Nahen Osten spezialisiert. Mittlerweile findet sich in dem Onlineshop aus Münster aber noch mehr: Süßigkeiten, handgemachte Keramik, Seifen, Portemonnaies, T-Shirts und Pullover. Der Shop arbeitet eng zusammen mit Bäuer:innen aus der Nähe von Bethlehem. Mit einem Teil der Einnahmen möchte „Bethlehem Cravings“ die nachhaltige Landwirtschaft im Westjordanland unterstützen. Und übrigens: Falls Sie demnächst am Spiekerhof unterwegs sind, schauen Sie in das freie Ladenlokal an der Hausnummer 20. Dort stellt „Bethlehem Cravings“ zurzeit ein paar Produkte aus. Wenn Sie einmal hier klicken, kommen Sie auf die Instagramseite.
Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne einfach über den Link.
Drinnen und Draußen
Was alles in den kommenden Tagen in der Stadt los ist, hat heute Fabian Cohrs für Sie zusammengestellt. Hier kommen seine Empfehlungen:
+++ Zugegeben: So richtig kalt ist es in Münster noch nicht. Das Café „Teilchen und Beschleuniger“ an der Wolbecker Straße hat vorgestern aber trotzdem schon mal die Glühweinsaison eingeläutet. Dort bekommen Sie außerdem noch einen Zettel mit Rätseln, die Sie unterwegs beim Spazieren lösen können. Ziel des „Glühweinwalks“ ist die Pizzeria „Zum zweischneidigen Pferd“, wo Sie Nachschub besorgen können.
+++ Heute Abend noch nichts vor? Im Planetarium wird der weltberühmte Klassiker Frankenstein aufgeführt und zwar als Live-Hörspiel. Fünf Schauspieler:innen und Synchronsprecher:innen werden dabei unterstützt von Livemusik und passenden Effekten. Tickets erhalten Sie noch hier, los geht es um 19:30 Uhr.
+++ Morgen Abend wird auch noch ein anderer Klassiker aufgeführt, dann ist Kafkas „Verwandlung“ im Wolfgang-Borchert-Theater an der Reihe. Das Stück handelt von Gregor Samsa, der eines Tages als Käfer erwachte. Beginn ist um 20 Uhr. Es gibt noch ein paar Resttickets.
+++ In der Aula des Hansa-Berufskollegs tritt morgen Abend der Chor „Sturm und Klang“ auf. Die Gruppe singt dabei überwiegend Popsongs und überwiegend a cappella. Der Titel des Programms lautet: „Irgendwo zwischen Himmel und Hölle“. Karten erhalten Sie hier, los geht es um 19:30 Uhr.
+++ In eine ganz andere musikalische Richtung geht es am Samstag in der Sputnikhalle: Dort tritt die Punkband „100 Kilo Herz“ aus Leipzig mit dem Programm des aktuellen Albums „Zurück nach Hause“ auf. Tickets bekommen Sie ab 28 Euro im Vorverkauf. Konzertbeginn ist um 19 Uhr.
+++ „Das Vermächtnis“ von Matthew Lopez gilt als eines der wichtigsten US-amerikanischen Theaterstücke des Jahrhunderts. Darin geht es um Eric, Toby und die Frage, was es Jahrzehnte nach dem Höhepunkt der Aids-Pandemie und zu Hochzeiten des Populismus bedeutet, ein schwuler Mann zu sein. Im vergangenen Jahr hatte das Theater Münster schon einmal „Das Vermächtnis“ aufgeführt, jetzt ist es wieder so weit. Das Theaterstück dauert sechs Stunden und wird in zwei Teilen mit Pause aufgeführt. Karten für Sonntag bekommen Sie hier.
Was steht sonst so im RUMS-Brief?
Was hören Sie, wenn Sie einen Moment still halten? Musik oder Husten? Heute geht es im RUMS-Brief um beides.
Sebastian Fobbe war gestern im Stadthaus 1. Das Ratsbündnis aus Grünen, SPD und Volt hatte zusammen mit der FDP zum Pressegespräch geladen. Es ging um den Musik-Campus. Und damit ums Geld. Genau genommen um 36 Millionen Euro, die immer noch fehlen. Wie es weitergehen könnte und wie die Stimmung im Rathaus ist, können Sie heute RUMS-Brief nachlesen.
Außerdem sind wir dem Hinweis eines Lesers nachgegangen. Der hatte angemerkt, dass die Dunkelziffer in Sachen Corona-Infektionen extrem hoch ist. Allerdings soll die Stadt ein Abwassermonitoring bekommen, um ein besseres Lagebild zu bekommen. Den Stand der Dinge hat Sebastian Fobbe aufgeschrieben.
Wenn Sie interessiert, was Sie heute recherchiert haben, dann schließen Sie doch ein RUMS-Abo ab. In den ersten drei Monaten zahlen Sie für das volle Programm nur die Hälfte.
Am Dienstag schreibt Ihnen Sebastian Fobbe. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Passen Sie auf sich auf.
Herzliche Grüße
Ralf Heimann
Mitarbeit: Sebastian Fobbe (sfo), Jan Große Nobis (jgn), Fabian Cohrs (fco),
Lektorat: Antonia Strotmann
PS
Der Rabbiner-Anwärter Levi Israel Ufferfilge, der die Aufgabe später in Münsters jüdischer Gemeinde übernehmen soll, hat im Deutschlandfunk über Antisemitismus im Alltag gesprochen. Er sagt unter anderem: „Antisemitismus begegnet mir überall. Er ist fester Bestandteil meines Alltags.“ Aber die Frage, wer der schlimmste Antisemit sei, führe in die Irre. Sehr hörenswert.