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Münsters utopische Klimaziele, Folge 247 | Unbezahlte Werbung: The Cornershop

Guten Tag,
in der Ratssitzung morgen Nachmittag steht gleich an Punkt zwei der Tagesordnung die Einwohnerfragestunde. Sie wird keine ganze Stunde lang dauern, denn es sind nur zwei Fragen eingereicht worden. In einer geht es um eine Entscheidung aus dem Jahr 2020, um Münsters Ziel, bis 2030 klimaneutral zu werden. Dirk Guntenhöner möchte wissen:
„Warum wurde der genannte Ratsbeschluss missachtet und es gibt dreieinhalb Jahre später immer noch keinen konkreten und verbindlichen Maßnahmenplan und auch kein Monitoring-Verfahren?“
Guntenhöner ist nicht der Erste, der versucht, auf diese Frage eine Antwort zu bekommen. Als wir von der Stadt vor anderthalb Jahren genau das Gleiche wissen wollten, hieß es, der ganze Prozess sei sehr komplex; es seien viele Akteure an unterschiedlichen Stellen beteiligt; es gehe um sehr viele Maßnahmen. Eine komplette Übersicht zu erstellen, sei daher schwer.
Der Klimaaktivist Christian Ladleif probierte es mit einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Er wollte alle Dokumente, E-Mails und Korrespondenzen einsehen, die im Zusammenhang mit der Sache erstellt worden waren. Die Stadt redete sich am Ende irgendwie raus. Die ganzen Unterlagen lägen bei den Ämtern, hieß es. Es gebe da leider nichts, was man herausgeben könne.
Wir warten noch immer
Am Ende blieb der Eindruck, dass die Stadt hier nur eine Umschreibung für den Umstand geliefert hatte, dass einfach noch nicht so viel passiert war. Den Maßnahmenplan gibt es noch immer nicht. Aber was ist eigentlich mit dem Monitoring-Verfahren?
Anfang 2022 schrieb Markus Lewe in einem Beitrag für das Magazin „Die politische Meinung“:
„Als Oberbürgermeister von Münster möchte ich einen Klimahaushalt für das kommende Haushaltsjahr in meiner Heimatstadt einführen. Denn Münster soll bis 2030 klimaneutral werden.“
Im März vergangenen Jahres gab der Rat Lewes Stadtverwaltung den Auftrag, bis zur Sommerpause zu klären, ob Münster ein Klimabudget einführen kann, wie die Stadt Oslo es getan hat – also eine Übersicht, die zeigt, wie viel CO2 Münster überhaupt noch in die Luft blasen darf.
Inzwischen ist ein Jahr vergangen. Raten Sie mal, was aus dem Konzept geworden ist. Richtig, wir warten noch immer.
Mitte Dezember schrieb die Stadtverwaltung auf die Frage, was denn da los sei: Es sei alles kompliziert – oder nein, es sei „fachlich nicht trivial“. Man könne sich so ein Modell nicht einfach irgendwo abschauen, denn so etwas gebe es noch nicht. Wann der Vorschlag denn vorliegen werde, schrieb die Stadtverwaltung nicht.
Das kann auch jetzt, zwei Monate später, offenbar weiterhin niemand sagen. Wir haben gestern noch einmal gefragt, aber keine Antwort bekommen.
Festhalten können wir: Es ist alles nicht ganz so einfach. Und festhalten können wir ebenfalls: Im kommenden Jahr ist die Hälfte der Zeit verstrichen, die Münster seit dem Ratsbeschluss bleibt, um das Ziel Klimaneutralität zu erreichen. Aber bislang kann die Stadt weder sagen, welchen Weg sie gehen will, noch, wo sie überhaupt steht.
Politisch äußerst unangenehm
Die ÖDP schreibt Anfang der Woche in einer Pressemitteilung zu Münsters Klimaziel:
„Es ist klar: Das werden wir niemals in sechs Jahren erreichen können. Wir haben viel zu spät begonnen.“
Die Partei fragt: „Wie sollen die notwendigen Entscheidungen initiiert und gefällt werden, wenn es keinen Plan gibt?“
Dass es ihn brauche, sei offensichtlich. Damit stelle sich die Frage, ob das alles „bewusst“ passiere. Eine mögliche Antwort darauf, warum das so sein könnte, liefert die ÖDP gleich mit: „Der Plan wäre politisch äußerst unangenehm. Mit ihm könnte man den geringen Fortschritt messen“, so steht es in der Mitteilung.
Tatsächlich kann man fragen: Ist es denn wirklich so unmöglich, einen Maßnahmenplan zu erstellen? München hat das doch auch geschafft. Sogar schon vor drei Jahren. Bei einer mehr als viermal so großen Stadt wird das alles ja noch etwas komplizierter und umfangreicher sein als hier in Westfalen.
Und wie kann es sein, dass Münster, das bislang noch vorwiegend im Nebel stochert, sagt: Wir schaffen das bis 2030 – während München, das schon lange weiß, was alles gemacht werden muss, das Ziel vorsichtig bis aufs Jahr 2035 hinausschiebt.
Kann es vielleicht auch daran liegen, dass es in Münster wichtiger ist, die eigene Exzellenz mit großem Effekt zu inszenieren, als sie tatsächlich unter Beweis zu stellen?
Das kann Münster niemand nehmen
Münster hat sich in den Kreis der hundert europäischen Städte aufnehmen lassen, die zuallererst über die Linie laufen möchten. Damit steht man jetzt in einer Reihe mit den Ambitioniertesten, wird genannt, wenn es darum geht, wer beim Klimaschutz ganz vorne mit dabei ist. Diesen Erfolg kann Münster niemand mehr nehmen.
Dabei kann die Stadt ihr Ziel tatsächlich kaum noch erreichen. Aber wen wird das später interessieren? Dann hat es eben nicht geklappt. Man hatte ja gute Absichten. Wer will einem so was verübeln?
Und bis dahin kann man das überehrgeizige Ziel ja noch fantastisch im Marketing als Qualitätssiegel verwenden.
Wie es am Ende ausgehen könnte, das hat Markus Lewe vor zwei Wochen im Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ schon angedeutet.
Auf die Frage, was die Kürzungen im Bundeshaushalt für die ambitionierten Klimaziele der Städte bedeuten, sagte er:
„Die Gefahr besteht, dass die Städte ihre selbst gesteckten Klimaziele verfehlen. Um klimaneutral zu werden, brauchen wir Investitionen in die Transformation. Dafür stehen nun aber zu wenig Mittel zur Verfügung.“
Man ahnt schon, wie es klingen könnte, wenn das Jahr 2030 anbricht und das mit dem Klimaziel alles doch nichts geworden ist. Dann kann man immer noch nachdenklich gen Osten schauen, die Schultern heben und sagen: „Leider, leider, ja leider: Berlin ist schuld.“ (rhe)

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+++ Gestern Vormittag ist am Flughafen Münster-Osnabrück der Strom ausgefallen, was aber keine Auswirkungen auf Starts oder Landungen hatte. (Nachrichtenagentur dpa, hier: Süddeutsche Zeitung)
+++ Bis Jahresende wollen die Stadtwerke an Haltestellen 80 neue Anzeigetafeln installieren, die zeigen, wann die Busse abfahren. (Stadtwerke Münster)
+++ Zwei Psychologen betonen, dass Rechtsextremismus ein komplexes Phänomen ist, das sich nicht einfach auf Angst oder Persönlichkeitsmerkmale zurückführen lässt und auch keine psychische Krankheit ist. (Westfälische Nachrichten)
+++ Die AfD hat die Polizei für ihren Einsatz bei der Demo am Freitag kritisiert, hatte aber den Vorschlag, die Veranstaltung in die Stadthalle Hiltrup zu verlegen, nicht angenommen. (Westfälische Nachrichten)
+++ Vor dem Friedenssaal legen Menschen Blumen und Kerzen für den russischen Oppositionellen Alexei Nawalny ab, der aus bislang ungeklärten Gründen in einem Straflager gestorben ist. (Antenne Münster)
+++ Eine Frau ist zu einer Geldstrafe verurteilt worden, die in Gievenbeck giftige Hundeköder verteilt hat. (Polizei Münster)
+++ Der Geschäftsführer des Unternehmens UTB, das den Gasometer umbauen will, sagt, man habe statt der vorgeschriebenen 30 Prozent 60 oder 70 Prozent an Sozialwohnungen eingeplant, denn das oberste Ziel des Projekts sei nicht die Gewinnmaximierung, sondern das Gemeinwohl. (Westfälische Nachrichten)
+++ Ab Sonntag ist der Schlossplatz gesperrt, damit die Schausteller:innen den Frühlingssend aufbauen können. (Stadt Münster)
+++ Laut dem Report „Im Schatten der Ölpalme“ beziehen oder verkaufen über 20 deutsche Unternehmen Palmöl von zwei Firmen in Guatemala, die für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden verantwortlich sind. (Initiative Romero, Report)
+++ Demo-Organisator Carsten Peters vom Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ sagt, mit Blick auf die nächste Kundgebung werde man CDU und FDP „ein Gesprächsangebot machen“. (Westfälischen Nachrichten)
Vieles, was „The Cornershop“ an der Kreuzschanze anbietet, beschreibt die Inhaberin Anna Winter als „schön und nützlich“. Das fasst sehr gut zusammen, was der kleine Laden verkauft: allerlei Deko, Geschenkartikel, Accessoires, handgemachte Kerzen und mehr. Viele Produkte sind von britischem Design inspiriert. Für den ersten Eindruck schauen Sie mal auf die Website. Für einen zweiten besuchen Sie das urige Geschäft am besten einfach selbst an der Rudolf-von-Langen-Straße.
Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!
Raphael Balke hat für Sie in den Terminkalender geschaut. Das sind seine Empfehlungen.
+++ Vor zwei Jahren hat Russland die Ukraine angegriffen. Zum Jahrestag des Kriegsbeginns lädt das Theater zusammen mit der Uni Münster zu einem Themenabend ein. Dabei geht es um die Anfänge und Gründe des Krieges und über die aktuelle Situation. Zu Gast sind anderem die deutsch-ukrainische Autorin und frühere RUMS-Kolumnistin Marina Weisband und die Historikerin Kateryna Kobchenko. Dazu lesen Schauspieler:innen übersetzte Texte ukrainischer Autor:innen vor. Tickets gibt es hier.
+++ Der „GTD Comedy Slam“ am Freitag ist schnell erklärt: Sechs Comedians treten auf der Bühne gegeneinander an und der- oder diejenige mit den besten Witzen gewinnt. Alle haben zehn Minuten Zeit, das Publikum zu überzeugen. Fünf Plätze vergeben die Veranstaltenden vor dem Event. Wer spontan auf der Bühne im Kreativ-Haus stehen möchte, kann auf der „offenen Liste“ antreten. Los geht’s um 20 Uhr.
+++ Die Ausstellung „Ein Platz an der Sonne“ startet am Freitag im Stadtmuseum. Fotografin Onna Buchholt befasst sich mit der kolonialen Geschichte Deutschlands in Togo. Buchholt hat 18 Menschen porträtiert und mit ihnen über Erinnerungskultur und Kolonialgeschichte gesprochen. Dazu fotografierte sie Straßenschilder, Kolonialdenkmäler und Pflanzen, die in Deutschland noch auf die deutsch-togoische Kolonialzeit hinweisen.
+++ 75 Mal hat das Rudelsingen in den vergangenen zwölf Jahren stattgefunden. Deshalb gibt es diese Woche gleich zwei Jubiläumsveranstaltungen. Der Termin am Donnerstag ist bereits ausverkauft, für Mittwoch gibt es hier noch Karten.
+++ Bei der „Peinlo Pop Party“ laufen nur „Guilty Pleasures“. Sie wissen schon, diese Lieder, die so peinlich sind, dass wir uns ein klitzekleines bisschen dafür schämen. Hits, die alle kennen, gibt’s am Samstagabend im Conny Kramer. Tickets finden Sie hier, einen musikästhetisch fragwürdigen Vorgeschmack hier.
Und sonst?
Münster ist im Frauenfußball in der Breite sehr stark. Aber höher als in der vierten Liga spielt kein Team. Da kommt gerne die Frage auf: Was ist eigentlich mit Preußen Münster? Helene Altgelt hat für RUMS versucht, eine Antwort zu finden.
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Herzliche Grüße
Ralf Heimann
Mitarbeit: Sebastian Fobbe (sfo), Raphael Balke (rab) – das bedeutet: Die einzelnen Texte im RUMS-Brief sind von der Person geschrieben, deren Kürzel am Ende steht.
Lektorat: Maria Schubarth
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PS
Das ZDF-Magazin „aspekte“ war bei uns zu Besuch, also eigentlich nicht bei uns, sondern bei „Perspective Daily“, mit denen wir uns eine Redaktion teilen. Aber in Minute 23.47 ist für einen Augenblick mein Kollege Sebastian Fobbe im Hintergrund zu sehen, beziehungsweise sein Hinterkopf. Das Thema des Beitrags ist Eskapismus, die Flucht vor der Schrecklichkeit dieser Welt. Und da können wir noch schnell auf eine aktuelle Studie hinweisen, die in Münster entstanden ist, und über die der Deutschlandfunk heute berichtet. Ergebnis: Der Krieg in der Ukraine wirkt sich auf das Wohlbefinden der Menschen in Europa aus – und auch hier, natürlich, eben nicht positiv. Wir könnten ein „Perspective Daily“-Abo empfehlen. Und falls das nicht hilft, vielleicht auch noch eins von „Apple+“. Da ist zurzeit die sehr gut gemachte Serie „Masters of the Air“ von Steven Spielberg und Tom Hanks zu sehen, die vom Zweiten Weltkrieg handelt und zum Start gleich einen Rekord gebrochen hat. Wie, das wird die Stimmung ja auch nicht gerade heben? Na ja, gut. Sie haben recht. Das vielleicht nicht. Aber ich wollte es hier noch irgendwie unterbringen: In der fünften Folge geht es nämlich um einen Bombenangriff auf Münster. (rhe)