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Verkehrsversuche: Ein Rückblick | Verkehrsversuche: Ein Ausblick | Edelfundus
Guten Tag,
jetzt ist nur noch die Busspur übrig. Die Verkehrsversuche an der Hörsterstraße und an der Wolbecker Straße sind planmäßig Ende September ausgelaufen. Und die Fahrrad-Vorfahrt an der Promenadenquerung Neubrückentor endet außerplanmäßig schon in den nächsten zwei Wochen statt zum Jahresende (RUMS-Brief von Dienstag).
Mit diesem Abbruch ist die Debatte über die Experimente noch einmal neu in Schwung gekommen. Die Politik reagierte umgehend mit Stellungnahmen und Pressemitteilungen. Die CDU signalisierte Zustimmung zu der Entscheidung, die Grünen reagierten erwartungsgemäß eher verhalten. Maximilian Brinkmann-Brand von der ÖDP hat die Stadtverwaltung gestern via Twitter öffentlich aufgefordert, das Scheitern des Versuchs an der Promenade ausführlicher zu erklären und Zahlen zu nennen. Bisher hatte die Stadt unter anderem mitgeteilt, die Busse hätten zu lange warten müssen und Fußgänger:innen hätten sich unsicher gefühlt, weil Fahrräder und Roller wegen des Staus auf den Gehweg auswichen.
Was haben die Experimente gebracht? Ein erstes Fazit
Es bleibt also spannend. Denn die Frage, was die Versuche gebracht haben oder eben auch nicht, wird die Politik und die Stadtgesellschaft noch lange beschäftigen. Die Erfahrungen mit den Laboren im Stadtgebiet sind sehr unterschiedlich. Neben Begeisterung und Kritik gab es auch einige Fragezeichen – die Bürger:innen wussten offenbar nicht mit jedem Experiment etwas anzufangen, wie Helena Weise von der Reportageschule Reutlingen erfahren hat. Sie hat die Verkehrsversuche Ende September besucht, mit vielen Menschen gesprochen und für RUMS ein erstes Fazit gezogen. Hier geht es zu ihrer Reportage.
Wie bei allem, das mit der Mobilitätswende zu tun hat, ist Münster nicht allein. Wie es andere Städte in Deutschland und weltweit mit der autofreien Innenstadt halten, hatten wir uns vor einiger Zeit hier schon einmal angeschaut. Aber wie klappt es anderswo mit dem Weg zur Wende? Alina Köller hat für Sie recherchiert, welche Städte es noch mit Verkehrsversuchen probieren und wie es dort läuft.
Neuss: Autoarme Innenstadt bis Frühjahr 2022
Die Stadt Neuss probiert gerade etwas aus, das auch in Münster das Ziel ist: eine autoarme Innenstadt. Es werden mehr Fahrradstraßen ausgewiesen, auf denen zwar Autos fahren dürfen, Fahrräder aber Vorrang haben. Außerdem ist seit Anfang August eine Straße für Autos gesperrt, die freiwerdenden Parkplätze darf die Gastronomie nutzen. Wie an der Hörsterstraße hier bei uns geht es auch in Neuss um die berühmte Aufenthaltsqualität. Dazu stellt die Stadt Bänke, Sitznischen, Fahrradständer und Blumen auf, und sie bietet Sprechstunden zum Versuch an. Das klingt alles wie in Münster. Allerdings nimmt man sich in Neuss für das Experiment nicht nur acht Wochen Zeit, sondern mindestens sechs Monate.
Etliche Parallelen gibt es auch in der öffentlichen Debatte über den Versuch. Die Einzelhändler:innen an der autofreien Straße hatten die Sperrung schon im Vorfeld stark kritisiert. Jetzt beklagen sie ein Umsatzminus und fordern ein anderes, nicht-autofreies Konzept. So ähnlich fielen in der letzten Woche in Münster die Reaktionen auf den Ratsbeschluss aus, mehrere Altstadtstraßen möglichst schon im kommenden Jahr autofrei umzugestalten. Dazu ein Lesetipp von uns: Laut Manager-Magazin überschätzen Einzelhändler:innen den Anteil der Kund:innen, die mit dem Auto kommen. Den meisten Umsatz bringen Nichtautofahrer:innen.
Mit der zusätzlichen Außengastronomie scheint es an der autofreien Straße in Neuss übrigens nicht zu klappen. Der Grund: Die Anlieger:innen wollen „keinen weiteren Restaurantlärm dulden“, wie es in diesem Artikel heißt.
Köln: Projekt „Ring frei“
Köln hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: 2025 sollen die Hälfte aller Wege in der Stadt zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt werden. Im Moment sind es rund 35 bis 45 Prozent, je nachdem, ob die Einpendler:innen mitgerechnet werden, wie hier erklärt ist. Außerdem soll der Durchgangs-Autoverkehr verringert werden, aber welche Stadt wünscht sich das nicht.
Zu diesen Zielen passt das Projekt „Ring frei“ sehr gut, das streng genommen kein Verkehrsversuch ist, aber dennoch viel mit Ausprobieren zu tun hat. Auf den Ringstraßen soll der Autoverkehr eine Spur an die Radfahrer:innen abgeben, in Teilen ist das auch schon umgesetzt. Allerdings stammt die Idee nicht von der Stadtverwaltung, sondern von einer Bürgerinitiative, die sich seit 2015 für diese Idee einsetzt. Inzwischen stellt die Initiative sogar einen (inoffiziellen) Fahrradbürgermeister. Und der wird während seiner zweijährigen Amtszeit reichlich zu tun haben, denn es scheint insgesamt recht schleppend voranzugehen mit der Fahrradfreundlichkeit.
Nochmal Köln: Vom Vorhaben zum Versuch
Im nächsten Jahr startet in Köln auch noch ein echter Verkehrsversuch, der aber eigentlich gar keiner sein sollte. Die Venloer Straße in Ehrenfeld sollte nämlich ursprünglich direkt eine Tempo-20-Zone werden mit mehr Platz für Fußgänger:innen und Fahrräder und, wer hätte das gedacht, mit mehr Aufenthaltsqualität. Aber das war den Kölner:innen dann offenbar doch zu jeck, und deshalb wird das Ganze ab dem Frühjahr erst mal für zwölf Monate ausprobiert. In einem zweiten Schritt soll die Straße später außerdem zur Einbahnstraße werden, aber es ist noch nicht klar, in welche Richtung. Als gebürtige Rheinländerin bin ich darüber mäßig überrascht – es wird sich schon ergeben.
Bremen: Ein bisschen Einbahnstraße
In Bremen ist man da schon einen Schritt weiter: Die Stadt hat sich für eine Richtung entschieden und die viel befahrene Martinistraße, eine der Hauptverkehrsachsen in der Innenstadt, Mitte September versuchsweise zur Teileinbahnstraße umgewandelt. Das Ziel, Überraschung: mehr Platz für Fahrräder und Fußgänger:innen. Vorher wurde bereits Tempo 20 eingeführt. Der Versuch, der übrigens Transformartini heißt, wird wie in Münster wissenschaftlich begleitet, zum Beispiel mit Verkehrszählungen. Und damit alle ihre gute Laune behalten, gibt es zwischendurch Aktionen und Veranstaltungen, etwa ein Straßentheater und einen Flohmarkt. Eine Evaluation folgt nach Abschluss des Versuchs.
Nach diesem kleinen Ausblick in die nähere und etwas weitere Umgebung noch einmal zurück nach Münster: Hier wird sich die Politik spätestens Ende des Jahres wieder mit den Verkehrsversuchen beschäftigen. Bis dahin soll ein Verkehrsbüro die Versuche umfassend bewerten und auch die Rückmeldungen von Verkehrsteilnehmer:innen und Geschäftsleuten einbeziehen.
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Bei den nächsten Meilensteinen (2.000, 2.250, 2.500) werden wir als Dankeschön weitere Workshops veranstalten. Genaueres dazu lesen Sie hier. Sie können uns dafür auch gern Organisationen vorschlagen, die Ihnen am Herzen liegen. Schreiben Sie uns dazu einfach an diese Adresse. Wie sich unsere Aktion entwickelt, teilen wir Ihnen ab jetzt regelmäßig in unserem Brief mit. Sobald Corona es zulässt und wir die ersten Workshops umsetzen können, werden wir diese auch dokumentieren.
Das Ganze haben wir noch einfacher für Sie gemacht: Sie können unsere Briefe per E-Mail oder Whatsapp teilen – beim Klick auf den entsprechenden Button unten öffnet sich in der jeweiligen App ein Fenster, in dem Sie einen Textvorschlag von uns finden, den Sie natürlich frei verändern können. Ebenso können Sie unsere E-Mails natürlich auch bei Facebook oder Twitter teilen.
+++ Haben die Szenen an den britischen Tankstellen und Supermärkten Sie auch ein bisschen an die Hamsterkäufe aus dem letzten Frühjahr und Herbst erinnert? Sind womöglich auch hier bei uns schon Waren knapp? Bevor Sie jetzt im nächstbesten Supermarkt Hefe, Toilettenpapier und Nudeln einsammeln, lesen Sie erst mal weiter. Johanne Burkhardt hat für Sie auf die Waren- und Rohstofflage in Münster geschaut. Und dort gibt es tatsächlich Engpässe, aber – Überraschung – es sind jetzt ganz andere. Besonders brenzlig ist es aktuell nämlich in den Fahrradwerkstätten. Ein Mitarbeiter der Werkstatt Bike and More im Südviertel sprach am Telefon von einem „großen Leid“. Er müsse die Kund:innen häufig vertrösten, wegen der aktuell sehr langen Lieferzeiten. Mit vielen Ersatzteilen sei erst im Dezember wieder zu rechnen. Bei einigen könnte es sogar bis Februar dauern. Ein Grund dafür sei der Fahrradboom aus dem Sommer, ein anderer, dass steigende Containerpreise zu Lieferverzögerungen führen. So ähnlich sieht es bei Autoersatzteilen aus. „Das betrifft durch die Bank fast alles“, erzählt uns ein Mitarbeiter von ATU an der Weseler Straße. Die Wartezeiten sind hier zwar nicht ganz so lang, aber ein bis zwei Wochen länger dauere es schon.
So weit, so unbequem. Aber was ist denn jetzt mit dem Klopapier und den Nudeln? Da scheint die Lage zum Glück entspannter zu sein. Das sagte uns jedenfalls Christian Böttcher vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels. „Meines Wissens liegen die Lieferengpässe in Großbritannien im Brexit begründet“, sagt er. Natürlich gebe es auch in Deutschland immer wieder das Problem, dass LKW-Fahrer:innen fehlen, aber die Versorgungslage in den Supermärkten sei dadurch nicht betroffen.
Und auch in den Apotheken ist die Versorgung offenbar gesichert. Wenn etwas fehlt, dann nur Medikamente eines bestimmten Herstellers, es gibt aber dann immer Alternativen. Lediglich bei bestimmten Impfstoffen, beispielsweise gegen Pneumokokken, werden immer nur kleine Kontingente von 10 bis 15 Stück pro Woche geliefert, wie wir in einer Apotheke hörten.
+++ Schon wieder ein Überfall: In der Nacht auf Donnerstag haben zwei Männer das Hans & Franz an der Wolbecker Straße ausgeraubt. Jedenfalls fast: Wie die Westfälischen Nachrichten erfahren haben, forderten die Räuber zwar die Tageseinnahmen, nahmen dann aber nur die Wechselgeldkassette mit. Darin waren zwar immerhin auch 500 Euro, aber der Umschlag mit dem sicher deutlich höheren Tagesumsatz blieb auf dem Tresen liegen. Falls Sie in der Nähe waren, hier hat die Polizei eine Täterbeschreibung veröffentlicht.
Eine traurige Nachricht: Die Stadt hat gestern einen weiteren Todesfall gemeldet, der im Zusammenhang mit Covid-19 steht. Eine 84-jährige Frau, die mit dem Coronavirus infiziert war, ist gestorben. Insgesamt sind seit dem letzten März 129 Menschen aus Münster an oder mit Covid gestorben.
165 Münsteraner:innen gelten heute als infiziert, die Wocheninzidenz liegt bei 25. In den Krankenhäusern werden 13 Covid-Patient:innen behandelt, vier von ihnen auf der Intensivstation. Zwei Menschen werden beatmet.
Im Edelfundus am Dingbängerweg 215 in Mecklenbeck gibt es ein buntes Sammelsurium aus Haushaltswaren, Büchern, Spielzeug, Briefmarken, Postkarten, DVDs, CDs, Schallplatten, Kleidung und Schmuck. Alles stammt aus privaten Spenden, die eine Gruppe von überwiegend ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen sichtet, sortiert und weiterverkauft. Sie sind dort also auch an der richtigen Adresse, wenn Sie selbst etwas ausmisten und für einen guten Zweck weitergeben möchten. Weitere Infos dazu finden Sie hier. Der Erlös wird zur Unterstützung krebskranker Menschen und deren Angehörigen an die Krebsberatungsstelle des Tumor-Netzwerks im Münsterland gespendet.
Das Geschäft hat nur an ausgewählten Tagen geöffnet. Sie könnten zum Beispiel morgen von 11 bis 17 Uhr nach Schätzen aus zweiter Hand stöbern. Spenden können Sie immer montags bis samstags zwischen 14 und 17 Uhr.
Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!
Falls Sie nicht einkaufen gehen möchten, haben wir natürlich noch ein paar Vorschläge. Meine Kollegin Eva Strehlke hat sich für Sie umgesehen:
+++ Es geht los mit einem Tipp für Familien. Denn morgen starten ja die Herbstferien, und die Sonne lässt sich nicht lumpen. Beste Voraussetzungen für einen Ausflug zur BMX-Strecke in Albachten. Dort fährt um 15 Uhr der LKW des Sozialpalast Musik Convoy 2021 vor und bringt ein Angebot für Jugendliche mit: Tanz-, Rap-, Graffiti- sowie Jonglage-Workshops und -Shows. Die Musik der B2B-Crew können Sie sich hier mal anhören und auch zu allen anderen Mitwirkenden gibt es auf der Website des Projekts mehr Infos. Abends fährt der LKW dann nach Gremmendorf, wo es ab 21 Uhr am Gasometer weitergeht.
+++ Im Wolfgang-Borchert-Theater können Sie einen Klassiker in neuem Gewand sehen, nämlich als Klassikerin. Woyzeck heißt in der Fassung von Tanja Weidner nicht Franz, sondern Franziska. Erika Jell spielt sie in ihrem beeindruckenden Debüt am WBT. Das Stück zeigt, wie ein Mensch gesellschaftlich, physisch und psychisch zerstört wird – düster, aber mitreißend, eine klare Empfehlung von uns. Karten bekommen Sie auch fürs Wochenende noch auf der Homepage des Theaters.
+++ Wenn Sie etwas mehr Jubel und Trubel möchten, könnten Sie am Sonntag zum Heimspiel der WWU Baskets gehen, dort ist garantiert eine Bombenstimmung. Die Basketballer treten um 16 Uhr in der Sporthalle Berg Fidel gegen den ETV Hamburg an. Tickets gibt es hier online von 6 bis 15 Euro (für Studis mit dem Kultursemesterticket kostenlos).
Am Dienstag schreibe ich Ihnen wieder. Bis dahin wünsche ich Ihnen ein goldenes Herbstwochenende.
Herzliche Grüße
Constanze Busch
Mitarbeit: Johanne Burkhardt, Alina Köller, Eva Strehlke
PS
Noch eine kleine Ergänzung zu unserer Meldung über die Lieferschwierigkeiten: Es herrscht zurzeit auch Papiermangel. Und das bereitet Zeitungsverlagen Sorgen, denn sie können vielleicht nicht mehr alles drucken. Falls sich demnächst jemand bei Ihnen über Nachrichtenmangel oder eine zu teure Zeitung beklagt, erzählen Sie ihr oder ihm doch von RUMS. Uns macht das mit dem Papier nämlich gar nichts aus.
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