Krise am Prinzipalmarkt | Familien im Corona-Stress | Käse-Sundowner

Porträt von Katrin Jäger
Mit Katrin Jäger

Guten Tag,

ich bin ein bisschen nervös. Dies ist immerhin unser erster Brief hinter der Bezahlschranke. Ein seltsames Wort ist das – Bezahlschranke. Vielleicht klingt Paywall besser? Egal. Heute fühlt sich alles irgendwie neu an, ungewohnt. Umso schöner, dass Sie da sind. Denn das heißt für uns: Sie unterstützen uns und unsere Arbeit, Sie glauben an neuen Journalismus in Münster. Ich denke, heute Abend werden wir von RUMS ein Glas Sekt auf Sie trinken. Aber natürlich erst, wenn ich das hier geschrieben und verschickt habe.

Deshalb geht es jetzt direkt los. Leider mit schlechten Nachrichten vom Prinzipalmarkt. Niklas Liebetrau ist Nachwuchsjournalist der Reportageschule Reutlingen. Bei seinen Recherchen zum Thema „Einzelhandel in der Innenstadt“ fand er heraus, welche wirtschaftlichen Auswirkungen die Corona-Krise schon jetzt auf Münsters Kaufleute hat.

Krise am Prinzipalmarkt

Mindestens sechs Geschäfte am Prinzipalmarkt stehen demnach vor dem Aus. Noch in diesem Jahr, so die düstere Prognose, werden sie schließen. Auch wenn die Namen schon hier und da in der Stadtgesellschaft flüsternd weitergetragen werden – noch ist nichts offiziell. Auch Bernadette Spinnen, Leiterin von Münster Marketing, wollte dem Reporter die Namen nicht bestätigen, die auf seiner Liste stehen. Doch die Zahl von sechs bis sieben Schließungen sei realistisch, sagte sie immerhin. Und Linus Weistropp, Geschäftsführer der Initiative Starke Innenstadt (ISI), vermutete, dass es noch mehr Läden erwischen wird.

Wohlgemerkt zusätzlich zu den Geschäften, die schon jetzt die Segel gestrichen haben – und zu den Läden, die es in den anderen Straßen der Fußgängerzone und darüber hinaus erwischen wird. So haben das Schuhgeschäft „Mephisto“ und der Damenmodeladen „Claudia Sträter“ schon geschlossen, steckt das Modehaus Appelrath-Cüpper im Insolvenzverfahren, und bei Laurèl gleich hinterm Roggenmarkt läuft seit ein paar Tagen der Räumungsverkauf. Außerdem heißt es in den Westfälischen Nachrichten (€), dass auch Esprit in der Stubengasse bald schließen wird. Was es bedeutet, wenn Geschäfte in allerbester Lage aufgeben müssen und teurer Mietraum freigesetzt wird, und was Interessenverbände und Einzelhändler:innen tun, um den Einzelhandel in Münster zu stärken und das typisch münstersche Einkaufserlebnis zu bewahren, lesen Sie in dem ausführlichen RUMS-Beitrag von Niklas Liebetrau. Und: Wir bleiben dran am Thema.

Wahlen und Kommunalwahlcheck kommen gut an

Die Stadt Münster meldet heute, dass schon jetzt mehr als 54.000 Münsteraner:innen ihre Briefwahlunterlagen angefordert haben, außerdem sei der Andrang in den beiden Hauptwahlbüros (Forum der VHS, ehemalige Parfümerie Pieper) sehr groß. 7.700 Wähler:innen haben dort schon direkt gewählt.

Auch wir können erste Zahlen vorlegen. Der Kommunalwahlcheck, den Politikwissenschaftler Norbert Kersting mit seinem Team entwickelt und vor wenigen Tagen online gestellt hat, kommt offensichtlich gut an. RUMS ist ja als Medienpartnerin dabei. In den ersten drei Tagen verzeichnete das Kompetenzzentrum „Urbane, Regionale Innovation und Internet“ 15.500 Zugriffe, 8.000 Menschen haben den Check bereits gemacht. So oder so: Sie alle interessieren sich offensichtlich für die anstehende Wahl. Hier geht es übrigens direkt zum Kommunalwahlcheck, und auf unserer Website finden Sie außerdem die wichtigsten Informationen zur Wahl.

In aller Kürze

+++ 1.000 E-Scooter. Der E-Scooter-Anbieter „Lime“ hat seit dem Wochenende eine Rollerflotte mit 1.000 Fahrzeugen in Münster platziert (Der Wiedertäufer). Damit verdoppelt sich die Zahl der E-Roller; denn schon seit einem Jahr standen und fuhren 1.000 E-Scooter der Firma „Tier“ im und durch das Stadtgebiet. Gut für Rollerfreund:innen: Die Spontan-Fahrzeuge verteilen sich noch mehr und sind jetzt fast überall zu finden. Schlecht für Rollerkritiker:innen: Die Spontan-Fahrzeuge verteilen sich noch mehr und sind jetzt fast überall zu finden.

+++ Volle Schulbusse. Während die Schulen mit ausgeklügelten Lüftungs- und Hygienekonzepten versuchen, den Schulalltag trotz Corona möglichst sicher zu meistern, hakt es morgens und mittags umso mehr. Denn dann wird es in den Schulbussen voll. Die Stadtelternschaft Münster wünscht sich deshalb eine schnelle Lösung des Problems, am liebsten in Form von weiteren Bussen. Das wird schwer, denn die Kapazitäten sind beschränkt. Die Idee, den Schulbeginn um 25 Minuten zu verschieben, klang daher zunächst wie eine machbare Alternative (die WN berichteten (€)), die schnell hätte umgesetzt werden können. Aber: Nun braucht die Stadt als Schulträgerin wohl doch noch ein wenig Bedenkzeit . Denn eine geänderte Anfangszeit zieht einiges nach sich, vor allem für den Sportunterricht. Hallen- und Schwimmbadbelegungen sind nicht so ohne weiteres verschiebbar.

+++ Mauritz-Evakuierung. Weil fünf mögliche Bomben-Blindgänger im Stadtteil Mauritz vermutet werden, rückt am Sonntag, 20. September der Kampfmittelräumdienst an. 16.000 Menschen müssen deshalb an diesem Tag schon sehr früh ihre Wohnungen verlassen. Alle Informationen rund um die große Evakuierung finden Sie auf dieser städtischen Website. Unter anderem können Sie dort auch Ihre Adresse eingeben und herausfinden, ob Sie im Räumungsgebiet wohnen. Außerdem ist ab heute eine Telefon-Hotline freigeschaltet. Die Nummer lautet: 0251 4928388. Für Anwohner:innen, die am Evakuierungstag keine Anlaufstelle außerhalb des Gebiets haben, richtet die Stadt Notunterkünfte ein. Dort gelten die gängigen Corona-Hygiene- und Abstandsregeln.

Korrekturen und Ergänzungen

In meinem letzten Brief vom 25. August habe ich über Frauen in der Kommunalpolitik geschrieben. Ich erwähnte in diesem Zusammenhang auch die Quotenregelung bei den Grünen. So konnte vielleicht der falsche Eindruck entstehen, dass es keine Quote in anderen Parteien gibt. Deshalb an dieser Stelle der Hinweis: Auch in der SPD gilt eine 50:50-Regelung. Und zwar schon seit 32 Jahren.

Corona-Update

Familien-Stresstest Corona. Eine Online-Befragung des UKM bestätigt, was schon viele vermutet haben: Die Corona-Beschränkungen hatten starke Auswirkungen auf das Familienleben. „Die psychische Belastung der Eltern hat sich mehr als verdoppelt“, sagt Psychologe Marius Janßen, der zusammen mit Assistenzärztin Lea Dreßler die Studie geleitet hat. Der Hauptgrund: Mütter und Väter mussten in der Zeit, als Kitas und Schulen geschlossen waren, ihre Kinder komplett betreuen und nebenher arbeiten. „Viele Eltern haben in Nachtarbeit versucht, ihre Stunden im Homeoffice abzuleisten und sind absolut an ihre Grenzen gekommen“, so Assistenzärztin Lea Dreßler. Die Folge: Fast zwei Drittel der insgesamt 3.200 Befragten hatten das Gefühl, in der Erziehung zu versagen, außerdem litt bei vielen die Beziehung zur Partner:in. Besonders verstärkt wurde der Stress bei den Familien, die wenig Platz, keinen Garten und finanzielle Sorgen durch Kurzarbeit hatten. Nur eine kleine Gruppe der Studienteilnehmer:innen konnte der Situation etwas Positives abgewinnen. Elf Prozent haben mehr Zeit füreinander gefunden – und fühlten sich dadurch sogar entlastet.

Rückläufige Corona-Zahlen. Die gute Nachricht: Von gestern auf heute gab es nur eine bestätigte Corona-Neuinfektion in Münster. Aktuell gelten damit 35 Münsteraner:innen als infiziert. Die Gesamtzahl labordiagnostisch bestätigter Corona-Fälle im Stadtgebiet ist auf 930 gestiegen. Davon sind 879 Patient:innen wieder genesen. 13 Personen, die mit dem Coronavirus infiziert waren, sind gestorben.

Unbezahlte Werbung

Käse-Sundowner. Wenn sich die untergehende Sonne im Hafenbecken spiegelt und die letzten warmen Sommerabende anbrechen, dann schmecken dazu ein feines Stück Käse und ein gutes Glas – Bier. Ja, richtig gelesen. Bier. Es muss nämlich nicht immer die klassische Kombi aus Rotwein und Käse sein. Das Team der Hafenkäserei findet das auch und bietet deshalb sogenannte Käse-Bier-Pairings an, bei denen die Gäste die ungewöhnliche Kombination testen und diskutieren können. Die sieben Bio-Käsesorten kommen aus eigener Herstellung, das Bier stammt aus der Finne-Brauerei im Kreuzviertel. Die nächsten Termine für das Käse-Bier-Pairing finden Sie hier. Aber natürlich kann man sich seinen Lieblingskäse und das Sonnenuntergangs-Bier auch einfach so und jederzeit bestellen, täglich im Restaurant der Hafenkäserei direkt am Wasser. Oder Sie packen einfach einen Picknickkorb und suchen sich ein ruhiges Plätzchen im Grünen (am Kanalufer also nicht unbedingt). Tipp: Auf dieser Seite vom Verein Münsterland können Sie schöne Orte für ein Essen unter freiem Himmel finden.

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Draußen

Und da wir ja gerade schon beim Thema Picknick sind: Im September geht es mit den Picknick-Konzerten auf der Wiese des Allwetterzoos weiter. Das Hygienekonzept ging nämlich im August bei den ersten Veranstaltungen dieser Art auf. Die Leute hielten sich an die Abstandsregeln und genossen entspannt in Zweier- und Vierergruppen auf ihren selbst mitgebrachten Picknickdecken die Live-Acts. Für die September-Auftritte von Meute (18.09.) Helge Schneider und Provinz (beide am 20.09.) bekommen Sie hier die Tickets . Für die Verpflegung muss aber jeder Gast selbst sorgen. Ich hätte da eine gute Idee: Wie wär‘s mit Käse und Bier?

Drinnen

Wenn die Violine erwacht … Sie war ein Zufallsfund. Vor gut einem Jahr sollte Geigenbauer Matthias Thönniß mehrere Fundus-Geigen der Westfälischen Schule für Musik wieder einsatzbereit machen. Sie lagerten auf dem Dachboden der Musikschule. Als Thönniß Geigenkoffer für Geigenkoffer öffnete, stieß er auch auf ein außergewöhnlich kunstvoll hergestelltes Exemplar. Der Experte ahnte sofort, dass sie etwas besonders war – und auch die Expertise ergab: Ja, das ist sie wirklich. Der französische Geigenbauer Jean-Baptiste Collin-Mézin fertigte das Instrument im Jahr 1885, die Seriennummer ist II 20. Wie und durch wen die historische Meister-Geige auf den Dachboden gelangte, weiß niemand. Inzwischen wurde sie restauriert und steht jetztim Mittelpunkt zweier Klassikkonzerte („Kreutzer-Sonate“ von Ludwig van Beethoven und „Grand Tango“ von Astor Piazzolla). Violinistin und Musikschuldirektorin Friedrun Vollmer „erweckt“ das historische Fundstück am 13. September aus ihrem Dornröschenschlaf. Der Pianist und Kammermusiker Thomas Reckmann begleitet sie dabei. Der Eintritt ist frei, wegen der Corona-Bedingungen müssten Sie sich jedoch Ihren Platz vorab sichern (11 Uhr-Reservierung, 13 Uhr-Reservierung).

Am Freitag schreibt Ihnen Ralf Heimann wieder. Treffen Sie bis dahin immer den richtigen Ton.

Ihre
Katrin Jäger

Mitarbeit: Marie Schwesinger

PS

Ich war am Wochenende bei einer Netzwerkveranstaltung in der Eifel. Da saßen sehr viele Frauen und ein paar Männer beieinander. Wir lachten, redeten und tauschten ein paar Visitenkarten aus. Wichtiger als diese Karten war aber der Rat einer sehr klugen und erfolgreichen Frau, deren Namen ich hier nicht nenne. „Wer sich durchsetzen will“, sagte sie, müsse sich nur eines merken. „Nie wischen!“ Ich dachte ehrlicherweise direkt an dieses Flirtportal Tinder, bei dem man mit nur einem Wisch potenzielle Dates vom Display fegen kann. Aber nein, sie meinte tatsächlich das echte, analoge Wischen. „Wenn ihr demnächst mit Männern an einem Konferenztisch sitzt und jemand kippt sein Glas um“, sagte sie, „bleibt sitzen, steht nicht auf – und wischt es niemals weg!“

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