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Die Kolumne von Juliane Ritter | Erst die Pflegeausbildung – und was dann?
Guten Tag,
die Ausbildung zur professionellen Pflegekraft dauert drei Jahre. In dieser Zeit erlernen die angehenden Fachkräfte die Grundlagen ihres Berufs. Dazu gehört zum Beispiel, Menschen bei der Körperpflege oder beim Essen zu unterstützen und dabei ihre Selbstständigkeit zu fördern. Die Auszubildenden lernen, wie Organe normalerweise funktionieren und bekommen einen Überblick über die dazugehörigen Krankheitsbilder. Sie beschäftigen sich mit Pflegetheorien und Pflegebedarfen, damit sie sie erkennen und einschätzen können. Dabei evaluieren sie regelmäßig den gesamten Pflegeprozess und passen ihn an. In den praktischen Einsätzen geht es um die Arbeit im Team und wie man die eigenen Arbeitsabläufe gut strukturiert und organisiert.
Das duale Studium dauert insgesamt vier Jahre. Die Studierenden lernen dort zusätzlich zum Ausbildungsinhalt das wissenschaftliche Arbeiten kennen. Sie erheben die aktuelle Evidenzlage, schätzen sie ein und übersetzen sie in pflegerisches Handeln. Am Ende des Studiums haben sie einen Bachelor in Pflege und Pflegewissenschaft. Aber zum Berufseinstieg hören sie dann: „Wir bezahlen keinen Abschluss.“
Für examinierte Pflegekräfte gibt es diverse Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Praxisanleiter:innen zum Beispiel betreuen Lernende in der Praxis, nachdem sie sich die zusätzlichen Kompetenzen angeeignet haben. Im Berufsalltag erhält man dafür im Idealfall gesondert Arbeitszeit. Die Vergütung stellt mit 70 Euro mehr im Monat allerdings keinen Anreiz dar. Zu Schmerz- oder Wundexpert:innen ausgebildete Kolleg:innen können von zusätzlichem Entgelt, das ihre weiterführenden Kenntnisse honoriert, nur träumen.
Weiterbildung ja, angemessene Vergütung nein
Entscheidet man sich als examinierte Pflegefachkraft mit etwas Berufserfahrung für eine Fachweiterbildung, liegt die Motivation ebenfalls eher im individuellen Interesse. Eine solche Fachweiterbildung, etwa zur Fachpflegekraft für Anästhesie- und Intensivpflege, dauert circa zwei Jahre und umfasst neben ausführlichem Theorieunterricht auch Hospitationen in Teilbereichen des Fachgebiets. Am Ende bleibt lediglich der Bildungsnachweis auf dem Papier. In der Praxis bedeutet der Abschluss weder einen erweiterten oder spezialisierten Aufgabenbereich, noch eine dem Bildungsniveau angemessene Vergütung.
Wer einen hausinternen Leitungskurs absolviert oder einen Bachelor im Pflegemanagement hat, kann Stationsleitung werden. Damit verbunden ist zwar eine Umgruppierung der Entgeltgruppe. Der Schichtdienst mit Wochenenddiensten geht aber über in einen Tagdienst an den üblichen Werktagen von Montag bis Freitag. Das bedeutet: Die Zuschläge für diese Schichten fallen weg. Stationsleitungen mit entsprechendem Bildungsabschluss verdienen also weniger Geld als die Pflegekräfte in ihrem Team. Gleichzeitig kommt die Erwartung hinzu, auch außerhalb der Dienstzeit erreichbar zu sein und bei Bedarf in der direkten Patientenversorgung zu unterstützen. Wie der Berufsalltag in Zeiten des Pflegepersonalmangels aussieht, erklärt sich von selbst. Kein Wunder also, dass Leitungspositionen schwer nachzubesetzen sind.
Arrangiert man sich damit, seine fachlichen Kompetenzen erweitert zu haben, im Berufsalltag aber im gleichen Tätigkeitsbereich zu arbeiten, bleibt trotzdem noch die fehlende oder lächerlich geringe Vergütung der erworbenen Berufsbildung. Im Laufe der Berufsjahre klettert man automatisch von Stufe zu Stufe, aber nach 20 Jahren im Beruf und jeder Weiterbildung ist bei knapp 4.000 Euro brutto Schluss.
Das sind unattraktive Aussichten für über 40 Jahre Berufsleben mit unzähligen Weiterbildungsmöglichkeiten.
Herzliche Grüße
Ihre Juliane Ritter
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Juliane Ritter (Name geändert)
… arbeitet als Pflegekraft in einem Krankenhaus in Münster. Sie schreibt in dieser Kolumne darüber, warum sie ihren Beruf liebt. Und darüber, wo es hakt und was in der Pflege besser laufen müsste – grundsätzlich und in Münster. Juliane Ritter ist nicht ihr richtiger Name. Sie schreibt unter einem Pseudonym, damit sie frei über Schwierigkeiten und Missstände erzählen kann.
Die Kolumne
Immer sonntags schicken wir Ihnen eine Kolumne. Das sind Texte, in denen unsere acht Kolumnistinnen und Kolumnisten Themen analysieren, bewerten und kommentieren. Die Texte geben ihre eigene Meinung wieder, nicht die der Redaktion. Mitgliedschaften in politischen Parteien oder Organisationen machen wir transparent. Wenn Sie zu den Themen der Kolumnen andere Meinungen haben, schreiben Sie uns gern. Wenn Sie möchten, veröffentlichen wir Ihre Zuschrift im RUMS-Brief. Wenn Sie in unseren Texten Fehler finden, freuen wir uns über Hinweise. Die Korrekturen veröffentlichen wir ebenfalls im RUMS-Brief.
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