Die RUMS-Kolumne von Dina El Omari | Wetteifern um das Gute

Porträt von Dina El Omari
Mit Dina El Omari

Guten Tag,

in den letzten Monaten machen immer wieder alarmierende Zahlen in Bezug auf die AfD die Runde und schaut man über den Tellerrand hinaus, muss man feststellen, dass sich in ganz Europa immer mehr ein Rechtsruck in den Gesellschaften zeigt. Das wird auch nicht besser, wenn man sich die derzeitigen Entwicklungen in den USA ansieht. Vielen Menschen in Deutschland macht das Angst und zwar nicht erst, seit von den erschreckenden Deportationsplänen von Seiten der AFD und weiteren Akteur:innen berichtet wird.

Schon im Vorfeld hörte man immer wieder Menschen, die hier in Deutschland geboren, aufgewachsen und sozialisiert sind, die sich als Deutsche fühlen, aber nicht als solche gesehen werden, davon sprechen, was denn der Plan B sein könnte, wenn Deutschland einen Rechtsruck macht. Umso wichtiger waren die zahlreichen Demonstrationen am vergangenen Wochenende, auch Münster setzte ein starkes Zeichen mit 20.000 Demonstranten rund um den Domplatz am letzten Freitag. In diesen Zeiten ist es wichtig, ein Zeichen zu setzen, und zwar überall dort, wo man die Möglichkeit dazu hat.

Natürlich stelle ich mir nicht nur als Privatperson, sondern auch als Theologin die Frage, wo kann ich mich einbringen. Dabei sind natürlich die friedensstiftenden und pluralitätsfördernden Narrative des Islams von besonderer Bedeutung. Eigentlich legt der Koran schon mit der Schöpfung des Menschen fest, dass er eine große Verantwortung für die Schöpfung trägt: „Damals, als dein Herr zu den Engeln sprach: ‚Siehe, einen Sachverwalter (arab. Kalif) will ich einsetzen auf der Erde!‘“

Von diesem Plan ist Gott so überzeugt, dass er trotz des vehementen Gegenwindes seiner Engel, den Plan nicht umzusetzen, da der Mensch doch eher ein zerstörerisches Potenzial habe, an diesem ohne Zögern festhält. Diese Würdigung Gottes uns Menschen gegenüber und der damit zusammenhängende Auftrag der Verantwortung lässt sich auf alle Lebenslagen übertragen und natürlich betrifft er auch das friedliche Zusammenleben.

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Dabei sollte Pluralität kein Hindernis sein, vielmehr ist sie laut dem Koran gottgewollt: „Ihr Menschen! Siehe, wir erschufen euch als Mann und Frau und machten euch zu Völkern und zu Stämmen, damit ihr einander kennenlernt.“ Gott animiert also die Menschen dazu, einander kennenzulernen, in Austausch zu treten, sich friedvoll zu begegnen.

Die Grundvoraussetzung für einen solchen Austausch ist allerdings eine offene und nicht exklusivistische Haltung. Wenn ich anderen Menschen mit einer Haltung der Abgrenzung, des Hochmuts und der Vorurteile begegne, kann ich nicht wirklich in einen Dialog mit ihnen treten. Wenn mein Maßstab und meine Richtschnur die einzig wahren sind, dann ist ein Gespräch auf Augenhöhe nicht möglich.

Unterschiede aushalten zu können ist schon eine große Kunst, von seinem Gegenüber möglicherweise aber auch etwas lernen oder die eigene Perspektive überdenken zu können, das fordert auch Mut und ein Stück weit Demut. Aber letztendlich bedeutet Pluralität nicht, dass wir uns aufgeben müssen, vielmehr kann sie auch ein Ansporn sein: „Für einen jeden von euch haben wir Bahn und Weg gemacht. Hätte Gott gewollt, er hätte euch zu einer einzigen Gemeinde gemacht – doch wollte er euch mit dem prüfen, was er euch gab. Wetteifert darum um das Gute!“

Aus diesem Wetteifern um das Gute, wird in theologischen Kontexten gerne auch eine ganze Ethik entwickelt, die durchaus auch interreligiös und interkulturell gelesen werden kann. Dabei geht es darum, dass Menschen sich nicht auf das Anderssein des Gegenübers konzentrieren und daran festhalten, dass man sich nicht unendlich darüber streitet, wer nun recht hat und wer nicht, sondern dass man vielmehr danach fragt: Wo kann ich mich in der Gesellschaft im Guten einbringen? Und dieser Einsatz wiederum ein Ansporn für einen anderen Menschen ist, sich ebenfalls und noch besser einzusetzen.

Dieser Einsatz für die Schöpfung und für den Menschen, diese Perspektive, die das Miteinander in den Fokus rückt und das Gute, könnte die Menschen vielleicht wieder ein Stück näher zusammen bringen.

Herzliche Grüße

Ihre Dina El Omari

Porträt von Dina El Omari

Dina El Omari

… ist Professorin für interkulturelle Religionspädagogik am Zentrum für Islamische Theologie. Sie forscht und lehrt zu den Themen feministische und geschlechtersensible islamische Theologie, interreligiöses Lernen sowie islamische Textwissenschaften.

Die Kolumne

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