Ruprecht Polenz’ Kolumne | Die RUMS-Perspektive

Porträt von Ruprecht Polenz
Mit Ruprecht Polenz

Guten Tag,

als ich 1975 in den Rat der Stadt Münster gewählt wurde, ordnete ich meine Verhältnisse: Wir heirateten, ich meldete unseren Hund zur Steuer an und ich wurde Doppelleser. So hießen die Menschen, die beide Münsteraner Tageszeitungen abonniert hatten.

Ich bestellte also zu meinem bestehenden Abonnement der Westfälischen Nachrichten auch ein Abo der Münsterschen Zeitung. Schließlich wollte ich möglichst gut informiert sein für die kommunalpolitischen Entscheidungen, an denen ich jetzt mitwirken durfte.

Münster war pressemäßig lange Zeit so gut versorgt wie kaum eine andere Stadt dieser Größenordnung in Deutschland. Zwar hatte das große Redaktionssterben in den 70ern noch nicht richtig angefangen. Aber in den meisten Städten gab es nur eine Zeitung, und die Lokalteile waren eher knapp gehalten.

In Münster hatten die Lokalteile von WN und MZ jeweils einen Umfang zwischen acht und zwölf Seiten. Es gab sogar Stadtteil-Ausgaben. Dazu kamen alternative Zeitungsprojekte wie „Knipperdolling“ oder das Stadtblatt, die sich auch immer wieder kommunalen Themen widmeten.

Es fehlt ein umfassendes Bild

Unterschiedliche Kommentare, unterschiedliche Artikel, unterschiedliche Schwerpunkte in MZ und WN boten unterschiedliche Perspektiven auf das Stadtgeschehen. Wer beide Zeitungen las, konnte sich ein umfassendes Urteil bilden. Das ist heute anders. Die Münstersche Zeitung gibt es zwar noch, aber sie ist nicht mehr selbstständig. Es steht im Großen und Ganzen dasselbe drin wie in der WN. Es lohnt sich nicht mehr, Doppelleser zu sein.

Ich schätze die Westfälischen Nachrichten und lese sie gern. Seit ein paar Jahren auf meinem iPad, damit ich auch auf Reisen beim Frühstück nicht auf meine Lokalzeitung verzichten muss.

Seit kurzem hat das E-Paper der WN ein neues Outfit bekommen, das ich sehr gelungen finde. Man hat zur Orientierung wie bisher die einzelnen Zeitungsseiten vor Augen, wie man sie auch von der gedruckten Ausgabe her kennt. Ich lese mehrere Zeitungen digital. Mit dem neuen Outfit braucht die WN hier keinen Vergleich zu scheuen.

Aber die Sichtweise der WN auf das Stadtgeschehen ist eben nur eine der möglichen, auch wenn die Redakteur:innen unterschiedliche Positionen vertreten. Deshalb war ich sofort interessiert, als ich von RUMS hörte und der Absicht, Online-Lokaljournalismus für Münster zu machen.

Ich finde es spannend, ein Medienprodukt von vornherein von den Möglichkeiten des Internets her zu denken und zu entwickeln. Das ist etwas anderes als die Versuche traditioneller Zeitungen, ihre Leser:innen auch über das Internet zu erreichen. Denn ihr Produkt Zeitung bleibt dabei weitgehend unverändert.

RUMS bringt eine eigene Perspektive

Deshalb habe ich gern zugesagt, als ich Anfang Februar von Christian Humborg gefragt wurde, ob ich bereit sei, RUMS mit regelmäßigen Kolumnen zu unterstützen. Das Konzept von RUMS, an dem ständig weitergearbeitet wird, hat Ralf Heimann vor Kurzem erläutert.

RUMS will eigene Perspektiven in die lokalpolitische Berichterstattung einbringen, Themen finden, die bisher nicht auf der Tagesordnung stehen, obwohl sie für die Stadt wichtig sind. Anregungen und Kritik von den Leser:innen aufgreifen und die Verantwortlichen damit konfrontieren. Entscheidungsprozesse kritisch begleiten und dadurch transparent machen. Politik erklären und ihr gleichzeitig auf die Finger sehen.

Dabei beleuchtet WN das Stadtgeschehen mit feststehenden Scheinwerfern. Aber es gibt manches, was diese Scheinwerfer nicht erfassen, und interessante Ecken, die sich mit einem mobilen Scheinwerfer besser ausleuchten lassen. So möchte RUMS vorgehen.

Guter Lokaljournalismus trägt zu einem städtischen Wir-Gefühl bei. Weil wir etwas über das Geschehen in der Stadt erfahren, in der wir leben, können wir Einfluss nehmen und uns engagieren, gehören wir dazu. Eine aktive Bürger:innengesellschaft ist ohne Lokaljournalismus nicht denkbar.

Was unmittelbar um uns herum vorgeht, bleibt wichtig für uns, auch wenn Entscheidungen in Düsseldorf, Berlin oder Brüssel unser Leben ebenfalls beeinflussen. Von weltweiten Entwicklungen ganz zu schweigen, wie wir jetzt in der Coronakrise erleben. Guter Lokaljournalismus zeigt, wie sich weltweite Entwicklungen auf das Leben in unserer Stadt auswirken, welche Spielräume wir in Münster haben, damit umzugehen und wie wir sie – Stichwort Klimawandel – selbst mit beeinflussen können.

Ein Konzept, eine Vision, kluge Autor:innen

„RUMS hat alles, was ein Lokaljournalismus-Projekt ausmacht – jetzt braucht es Geld“, hat der Journalist und Dozent Simon Hurtz vom „Social Media Watchblog“ vor kurzem geschrieben. Eigentlich gehöre er nicht zur Zielgruppe von RUMS, weil er noch nie in Münster gewesen sei und Münster bisher nur mit Fahrraddiebstählen verbinde. „Warum sollte ich mich für ‚neuen Journalismus für Münster‘ interessieren?“ fragt er und nennt als wichtigsten Grund:

„Weil ich RUMS für das vielleicht spannendste und ambitionierteste Lokaljournalismus-Projekt halte, das es derzeit in Deutschland gibt (…) RUMS hat alles, was ein ambitioniertes Lokaljournalismus-Projekt braucht: ein Konzept, eine Vision und kluge Autor:innen. Nur eines fehlt: ein Geschäftsmodell.“

So der Social Media Watchblog, der seit über acht Jahren wöchentlich erscheint und es sich zur Aufgabe gemacht hat, die wichtigsten News und Debatten rund um Social Media aufzugreifen und verständlich zu erklären. Die nordrhein-westfälische CDU/FDP-Landesregierung hat 2019 einen Gesetzentwurf für gemeinnützigen Journalismus in den Bundesrat eingebracht.

Beiträge und Spenden für solche Projekte könnten dann steuerlich geltend gemacht werden. Aber es ist nicht absehbar, ob der Antrag überhaupt von anderen Ländern aufgegriffen und unterstützt wird. Deshalb haben die Grünen jetzt auch eine Initiative ergriffen.

Bis diese Bemühungen Erfolg haben, kann RUMS nicht warten. Eine professionell arbeitende Redaktion kostet Geld. Inzwischen arbeiten sieben Frauen und acht Männer daran, RUMS weiterzuentwickeln. Ab September wird RUMS Geld kosten. Tragen Sie sich in unsere Liste ein. Dann informieren wir Sie rechtzeitig.

Ich hoffe, Sie sind dabei, und wünsche Ihnen eine gute Woche.

Ihr
Ruprecht Polenz

Über RUMS

Wir schreiben darüber, was sich in der Stadt verändert, wo es hakt und wie es besser werden kann. Über Zusammenhänge und Hintergründe. In Politik, Wirtschaft, Kultur und Ökologie. Wie wir zusammenleben und miteinander umgehen wollen. Wir recherchieren, argumentieren und ordnen ein. Wir schätzen Respekt und Fairness. RUMS ist unabhängig. Und es ist werbefrei. Daher wird RUMS ab September Geld kosten.

  • Der Preis für das Standard-Abonnement ist 7,99 Euro.
  • Student:innen und Empfänger:innen von Arbeitslosengeld II zahlen 3,99 Euro.
  • Falls Sie RUMS so sehr schätzen, dass Sie das Projekt noch etwas mehr unterstützen möchten, gibt es für 39,99 Euro im Monat ein Förderabo.
Porträt von Ruprecht Polenz

Ruprecht Polenz

Viele Jahre lang war Ruprecht Polenz Mitglied des Rats der Stadt Münster, zuletzt als CDU-Fraktionsvorsitzender. Im Jahr 1994 ging er als Bundestagsabgeordneter nach Berlin. Er war unter anderem CDU-Generalsekretär, zwischen 2005 und 2013 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Von 2000 bis 2016 war Ruprecht Polenz Mitglied des ZDF-Fernsehrats, ab 2002 hatte er den Vorsitz. Der gebürtige Bautzener lebt seit seinem Jura-Studium in Münster. 2020 erhielt Polenz die Auszeichnung „Goldener Blogger“.

Die Kolumne

Immer sonntags schicken wir Ihnen eine Kolumne. Das sind Texte, in denen unsere acht Kolumnistinnen und Kolumnisten Themen analysieren, bewerten und kommentieren. Die Texte geben ihre eigene Meinung wieder, nicht die der Redaktion. Mitgliedschaften in politischen Parteien oder Organisationen machen wir transparent. Wenn Sie zu den Themen der Kolumnen andere Meinungen haben, schreiben Sie uns gern. Wenn Sie möchten, veröffentlichen wir Ihre Zuschrift im RUMS-Brief. Wenn Sie in unseren Texten Fehler finden, freuen wir uns über Hinweise. Die Korrekturen veröffentlichen wir ebenfalls im RUMS-Brief.

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