Ergänzende Info

“Wir müssen reden” – Fragen und Antworten zum Flughafen Münster/Osnabrück

von Ralf Heimann

In der zweiten Folge unserer Reihe “Wir müssen reden” haben wir mit Carsten Schürmann und Christian Lüer über ihre Studie zum Flugverkehr in der Euregio-Region gesprochen. Am Ende blieben noch einige Fragen offen. Diese beantworten wir hier.

Wie kann man die ökologischen Folgen und Effekte der Corona-Pandemie in zukünftigen Studien berücksichtigen?

Zukünftige Studien sollten die ökologischen Folgen im Sinne einer umfassenden Betrachtung aller Kosten und Nutzen berücksichtigen. Hierzu gehören beispielsweise die Emissionen von Schadstoffen und Lärm ebenso wie der Flächenverbrauch. Auch der Effekt der Corona-Pandemie auf das Angebot von bzw. die Nachfrage nach Luftverkehrsdienstleistungen sollte abgeschätzt werden. Ob dies immer auch quantitativ geschehen kann, hängt vom Umfang und Detailniveau der jeweiligen Untersuchung ab. Zumindest eine qualitative Diskussion dieser Aspekte ist aus unserer Sicht aber unverzichtbar. Bei quantitativen Berechnungen sollten getroffene Hypothesen und Annahmen transparent kommuniziert und ggf. auch diskutiert werden, um eine größtmögliche Nachvollziehbarkeit für alle Entscheidungsträger*innen und die Öffentlichkeit zu gewährleisten.

Die Wissenschafts-Initiative Scientists for Future hat vorgeschlagen, auf dem Gelände des Flughafens einen Energiepark zu bauen und dort Landwirtschaft zu betreiben. Was halten Sie davon?

Die Idee der Scientists for Future Münster beruht auf der Annahme, dass auf dem Gelände des FMO in Zukunft kein Luftverkehr abgewickelt wird. Das ist allerdings nur eine von vielen möglichen Zukünften. Zunächst ist die Frage zu diskutieren und zu entscheiden, welche Zukunft der FMO als Flughafen haben kann – entweder mit dem bisherigen Geschäftsmodell oder auch mit alternativen Geschäftsmodellen. In unserem Nachhaltigkeitsszenario „Werte im Wandel“ haben wir dargelegt, wie die Erreichbarkeit der Region auch ohne den FMO gewährleistet werden könnte. Das Technologieszenario „Disruptive Innovationen“ beschreibt hingegen eine Zukunft, in der der Luftverkehr kleinteiliger, dezentraler und umweltfreundlicher als heute organisiert wird. Beide Szenarien hängen natürlich von vielen anderen Faktoren und zusätzlichen Bedingungen ab, die die Komplexität des Themas verdeutlichen.

Wenn man allerdings zu der Entscheidung kommen sollte, dass der FMO keine Zukunft hat und mittelfristig geschlossen werden muss, ist die Vision der Scientists for Future Münster mit einer Kombination aus Energiegewinnung und ökologischem Landbau sicherlich eine interessante Perspektive. In jedem Fall sollten aber verschiedene alternative Nachnutzungen und ihre Auswirkungen untersucht werden.

Gibt es konkrete Überlegungen für die Zusammenarbeit der Flughäfen FMO, Dortmund und Paderborn (anstatt sich als Konkurrenz das Leben schwer zu machen)? Ist deren finanzielle Situation vergleichbar?

Es gibt einen Vorschlag zur Zusammenarbeit aus der Dortmunder Kommunalpolitik. Generell halten wir es immer für notwendig und begrüßenswert zu überlegen, wo Synergien bestehen und wie man eine gute Balance zwischen Wettbewerb und Kooperation erreicht. Gleichwohl stellt sich auch die Frage, wie eine Zusammenarbeit zu konkreten Einsparungen beitragen kann. Die zentralen Kosten entstehen durch den Betrieb des Flughafens. Will man keinen Standort aufgeben, bleiben diese Kosten also bestehen. Unabhängig von Kosteneinsparungen kann eine Kooperation auch zu einer Stärkung der Flughäfen gegenüber den Fluggesellschaften beitragen, so dass sie bessere Verhandlungspositionen haben. Außerdem könnten sich die Flughäfen auf die jeweiligen Stärken fokussieren, anstatt sich in ähnlichen Zielgruppen gegenseitig Konkurrenz zu machen. Zur finanziellen Situation der drei Flughäfen können wir keine detaillierten Angaben machen. Allerdings liegen alle drei Flughäfen bei den Passagierzahlen in einem Bereich, in dem es auch in Zukunft schwierig sein dürfte, Betrieb, Unterhalt und Investitionen aus den Einnahmen selbstständig zu finanzieren.

Ist der Betrieb oder die Förderung von Flughäfen durch Kommunen unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten (Klimakrise) und dem Aspekt sozialer Gerechtigkeit noch vertretbar?

Das ist eine politische Frage, die auf die Frage heruntergebrochen werden kann, ob ein Flughafen zur Daseinsvorsorge gehört oder nicht. Viele Infrastrukturen der Daseinsvorsorge können nicht kostendeckend betrieben werden und werden daher mit öffentlichen Geldern unterstützt. Viele dieser Infrastrukturen haben nicht zwangsläufig einen positiven Einfluss auf den Klimawandel. Trotzdem werden sie öffentlich gefördert. Letztlich muss die Gesellschaft beantworten, was sie bereit ist, in einen Flughafen zu investieren.

Gibt es Zahlen, wieviele Millionen Euro und früher D-Mark schon an Subventionen in den FMO flossen, seit es ihn gibt? Oder pro Jahr, oder eine Statistik oder Kurve, die zeigen, ob diese Subventionen steigen oder fallen? Und zur Verdeutlichung der Größenordnung: Wie viele KiTas oder Grundschulen hätte man damit bauen können, wie viele Erzieher:innen oder Lehrer:innen besolden können – sagen wir mal: für 30 Jahre?

Auf dieser Seite finden Sie Zahlen zu den Überschüssen beziehungsweise Fehlbeträgen. Für den Zeitraum 2006 bis 2019 kommt man auf eine Gesamtsumme von 99 Millionen Euro an Fehlbeträgen. Weitere Informationen sind in den online zugänglichen Abschlussberichten im Bundesanzeiger verfügbar. Um eine aktuelle Größenordnung ins Spiel zu bringen: Der Bau des neuen Stadions für den SC Preußen Münster wird mit etwa 40 Millionen Euro veranschlagt (exklusive Kosten zur Entsorgung von Altlasten).

Wie viele Flüge gibt es pro Tag/Woche/Monat. Welche Auslastung haben die Flüge? Wie teilt sich die Nutzung nach geschäftlich und Freizeit/Urlaub auf? Wie hoch sind die Umsätze aus dem Flugbetrieb und was wird mit den Facilities erwirtschaftet? Wie viel Gewerbefläche steht im Umfeld des FMO zur Verfügung und wie ist der Nutzungsgrad? Welche Planungen gibt es für die Zukunft und wie wirkt sich die Covid-Krise darauf aus?

Diese Fragen haben wir teilweise in der Präsentation beantwortet. Zu den Detailfragen können wir keine Angaben machen. Hier wäre der FMO der richtige Ansprechpartner.

Die Flughäfen Speyer und Lelystad (NL) haben ihre kleinen Flughäfen mit Luftfahrt/Technik-Museen kombiniert. Ist das auch eine Option für den FMO? Die Infrastruktur ist ja schon da und etwas Vergleichbares gibt es im Umkreis von 200 Kilometern nicht.

Eine interessante Idee. Ein spannend gestaltetes Museum könnte sicherlich einen Mehrwert bilden. Auch hier stellt sich aber die Frage, ob dadurch zusätzliche Besucher:innen angelockt werden oder ob es zu Verlagerungen kommt und die Besucherzahlen in anderen Museen oder Attraktionen im Gegenzug sinken. Das soll aber kein Argument gegen so ein Museum sein. Man muss es nur mitbedenken.

Ist ein “Remote Tower Control” in Münster sinnvoll? Der Flughafen von Saarbrücken wird bereits seit 2018 von Fluglotsen in Leipzig gesteuert. Und die Flughäfen Braunschweig-Wolfsburg und Emden denken auch darüber nach.

Prinzipiell lassen sich mit der Einführung von RTC Kosten einsparen. In der Vergangenheit gab es bereits Überlegungen am FMO einen entsprechenden Pilotversuch durchzuführen. Uns liegen keine Informationen vor, was daraus geworden ist. Die Kosteneinsparungen würden allerdings bei der Deutschen Flugsicherung anfallen und weniger beim FMO. Direkt am FMO hingegen würde eine Handvoll (gut bezahlter) Arbeitsplätze wegfallen.

Was würde eine Schließung des FMO in Zahlen für die Region bedeuten? Also: Wie viele Arbeitsplätze gingen verloren? Wie hoch wäre der finanzielle Schaden? Oder wäre eine Schließung gegebenenfalls ein finanzieller Gewinn?

Eine Studie der TH Wildau für den FMO hat für 2017 festgestellt, dass etwa 1.300 Arbeitsplätze direkt am FMO bestehen und insgesamt 3.000 Arbeitsplätze mit dem FMO zusammenhängen. Für eine fundierte Einschätzung dieser Zahlen fehlen leider einige zentrale Angaben. So ist die genaue Anzahl an Vollzeit- und Teilzeitstellen nicht genannt worden. Auch lässt sich diskutieren, ob es sich bei den vorhandenen Arbeitsplätzen wirklich um zusätzliche Arbeitsplätze handelt oder eher um verlagerte Arbeitsplätze. Auch sind weitere Annahmen, die der Berechnung zugrundeliegen, bislang nicht öffentlich bekannt. Die finanziellen Kosten, die mit einer Schließung verbunden wären, können wir nicht einschätzen.

Wie hoch wär der Schaden für die Stadt Münster als Gesellschafterin und welchen Einfluss hätte das auf die Handlungsspielräume, die im städtischen Haushalt bestehen? Anders gefragt: Was kostet es, den FMO abzuwickeln, und was kann man im Gegenzug dann nicht mehr machen?

Hierzu können wir keine Aussagen machen. Klar ist, dass die Stadt Münster nicht einfach aussteigen kann. Natürlich würden sich verschiedene Fragen stellen: Was passiert mit dem Gelände und den Gebäuden? Wie kann der Ausstieg für die Angestellten sozialverträglich gestaltet werden? usw.

Wie wird die Perspektive für den FMO eingeschätzt? Mit welchen Fahrgastzahlen rechnet der FMO nach Rückgang des Infektionsgeschehens?

Der Geschäftsführer des FMO geht davon aus, dass der Flughafen das alte Niveau voraussichtlich 2025 wieder erreichen kann. Das deckt sich mit den Erwartungen anderer Akteure aus der Branche, beispielsweise von Lufthansa-Chef Spohr. Allerdings hat die IATA gerade erst ihre Prognose für 2021 nach unten korrigiert (siehe hier). Nicht ausgeschlossen also, dass die Erholungsphase deutlich länger dauert. Dies gilt insbesondere für den Geschäftsreiseverkehr. Der Lufthansa-Chef hatte zudem jüngst erklärt, dass der Geschäftsreiseverkehr das Vor-Corona-Niveau möglicherweise gar nicht mehr erreichen wird. Die Lufthansa wird daher die Business Class in ihren Flugzeugen deutlich verkleinern. (siehe hier)

Im Februar haben wir ein Interview mit Christian Lüer und Carsten Schürmann geführt. Das finden Sie hier.

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