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- Kurzbrief von Ralf Heimann
Wir stellen vor: die Reportageschule Reutlingen | Wir suchen: Betten und Räder
Münster, 31. August 2023
vor einem Jahr hat David Holzapfel für RUMS über das Pfandhaus an der Hafenstraße geschrieben und war dafür beim Medienpreis Mittelstand nominiert. Im Jahr davor hat Yves Bellinghausen für seine Reportage über den Kampf für und gegen Windräder den 3. Preis beim Medienpreis Wirtschaft NRW gewonnen. Andreas Holzapfels Reportage über einen Geflüchteten, der nach Deutschland kam, aber nie hierhin wollte, war beim Reporterpreis nominiert. Das ist einer der wichtigsten deutschen Medienpreise.
Alle drei Beiträge sind bei Besuchen der Reportageschule Reutlingen entstanden, die einmal im Jahr für eine Woche nach Münster kommt, Mitte September zum vierten Mal.
Zwölf Reporterinnen und Reporter recherchieren eine Woche lang und schreiben aus den Ergebnissen Reportagen, die wir Ihnen in den Wochen und Monaten danach präsentieren.
Im Gegenzug kümmern wir uns um Unterkünfte, Fahrräder, Räume zum Arbeiten, Pizza, Bier und Themenideen. Gestern Morgen haben wir uns zum ersten Mal in einer Videokonferenz getroffen. Heute Morgen haben wir über die Themen gesprochen.
Themen gibt es reichlich, was fehlt, sind einige Unterkünfte und auch noch ein paar Fahrräder. In den vergangenen drei Jahren sind die Schülerinnen und Schüler alle bei Gasteltern untergekommen, die RUMS lesen, und die wir auf diese Weise dann kennengelernt haben.
Das waren sehr schöne Abende. In diesem Jahr feiern wir am 16. September eine kleine Party, die letzte an der Neubrückenstraße, bevor wir im Dezember umziehen. Dazu laden wir alle ein, die uns ein Bett oder ein Fahrrad zur Verfügung stellen.
Nicht nur wegen der Partys sind die Besuche besondere Erlebnisse, sie sind es auch, weil wir – und vielleicht ja auch Sie – auf diese Weise Jahr für Jahr interessante Menschen kennenlernen. Und keine Sorge, es sind keine Schülerinnen und Schüler, die polternd nach Hause kommen und am Ende vielleicht noch Ärger machen.
Die Reportageschule ist eher ein Fortbildungsinstitut. Sie wählt Jahr für Jahr aus vielen Bewerbungen die besten aus. Wer dort einen Platz bekommt, muss schon etwas können. Viele haben für große Medien wie Zeit, Spiegel, Süddeutsche oder die Frankfurter Allgemeine Zeitung gearbeitet.
Und es kommt immer wieder vor, dass wir in diesen Medien später Beiträge von Menschen finden, die irgendwann mal in unserem kleinen Büro gegenüber vom Theater saßen und einen Text über Münster geschrieben haben.
Am besten machen wir eine kleine Vorstellungsrunde. Das hier ist der 18. Lehrgang der Reportageschule Reutlingen:
Anna Dotti hat in ihrer Heimatstadt Rom, in Jena und Heidelberg Philosophie studiert. Sie schreibt am liebsten über Soziales, Migration und das Klima, und sie hat unter anderem für die taz, die Hamburger Morgenpost und den Tagesspiegel gearbeitet.
Benjamin Fischer macht einen Podcast über das deutsche Rentensystem, über die Anfänge im Kaiserreich und den Alltag von Menschen, die Rente bekommen, und über Reformideen. Er ist Historiker und hat unter anderem für die Frankfurter Allgemeinen Zeitung geschrieben.
Celine Schäfer ist aus dem Ruhrpott nach Köln gezogen, um Sozialwissenschaften zu studieren. Danach hat sie in einem Journalismusbüro ein Volontariat gemacht. Schwerpunkt Wirtschaft. Geschrieben hat sie unter anderem für die Magazine Brand Eins, Fluter und die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Dennis Frasch ist eine Woche nach Kriegsbeginn von Ungarn aus in die Ukraine gelaufen, weil er keinen Mietwagen fand. Er hat anfangs für die Uni-Zeitung Mensa-Rezensionen geschrieben, später war er Reporter beim Nachrichtenmagazin Watson des Werbekonzerns Ströer.
Frederik Mittendorff hat sein Politik-Studium finanziert, indem er Fußball-Liveticker schrieb. Danach hat er ein Volontariat bei der Boulevardzeitung Hamburger Morgenpost gemacht.
Hannah Mara Schmitt war Gastforscherin in New York und hat beim Fernsehen Promis interviewt oder Brotsorten getestet. Zum Schreiben kam sie, weil ihr Professor ihr sagte, sie habe Talent.
Janina Bauer war mit dem Rucksack in Südamerika, hat in Stuttgart Wirtschaft studiert, ging während des Studiums nach Südspanien und Zürich. Dann entschied sie sich für den Journalismus und kam zurück nach Schwaben.
Jonas Mayer leitet die Redaktion des Magazins Transform. Er hat einen Journalismus-Bachelor und einen Nachhaltigkeits-Master gemacht. Unter anderem arbeitet er im Umweltressort der Deutschen Welle.
Laila Sieber hat in Indien einen Dokumentarfilm über eine der wenigen Rikshafahrerinnen gedreht. Sie hat in Hannover Fotojournalismus und Dokumentarfotografie studiert. Dort verbrachte sie viel Zeit im Rotlichtviertel, um die Komplexität von Sexarbeit zu verstehen. Als freie Fotojournalistin hat sie unter anderem in der Ukraine gearbeitet.
Lars Graue hat in Ostwestfalen bei der Lokalzeitung angefangen zu schreiben. Danach studierte er in Siegen Medienwissenschaften. Später ging er zum Lokalradio, zog nach Magdeburg, um Journalismus zu studieren und schrieb für den Sportteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Lisa Plank wollte möglichst weit weg aus der bayerischen Provinz und kam so zum Politik-Studium nach München. Sie machte ein Volontariat bei der Passauer Neuen Presse, hospitierte beim ZDF in Paris und arbeitete als Gastredakteurin bei einer Tageszeitung in Namibia.
Marie Heßlinger hat in Tübingen und Kolumbien Psychologie studiert, dann hospitierte sie bei der Tübinger Lokalzeitung und änderte ihre beruflichen Pläne. Sie beschloss, Journalistin zu werden. Zuletzt arbeitete sie drei Jahre lang für die Süddeutsche Zeitung.
Zwei Wochen sind noch Zeit, dann geht es los. Bis dahin ist noch viel zu tun. Ist ein Thema gefunden, muss man überlegen, wie sich das, was man erzählen möchte, am besten erzählen lässt. Und das kann eine kleine Kunst sein. Ein Meister in dieser Disziplin ist Holger Gertz von der Süddeutschen Zeitung, der Ende Juli unseren Kolumnisten Ruprecht Polenz porträtiert hat.
Vor der Fußballweltmeisterschaft 2006 hatte Gertz die Aufgabe, einen Abgesang auf das Olympia-Stadion in München zu schreiben, das nicht mehr gebraucht wurde, weil die Allianz-Arena nun fertig war. Ein Stadion selbst erzählt keine Geschichten, also überlegte Gertz, mit wem man über dieses Thema gut sprechen könnte. Er traf sich schließlich mit Hogo Robl, in den 1970er-Jahren zweiter Torwart beim FC Bayern München. Roll saß Woche für Woche auf der Ersatzbank und hatte so viel Zeit wie kaum jemand anders, sich das Olympia-Stadion genau anzusehen. Wenn Sie den Text lesen möchten, hier finden Sie ihn.
In der übernächsten Woche ist das nächste Treffen mit der Reportageschule. Dann sind die ersten Termine hoffentlich vereinbart. Und dann sind hoffentlich auch alle Betten und Fahrräder zusammen. Daher die kleine Bitte: Wenn Sie vom 17. bis zum 22. September ein Bett oder ein Fahrrad erübrigen können, schreiben Sie uns eine E-Mail. Wir freuen uns sehr!
Herzliche Grüße
Ralf Heimann