Der allgegenwärtige Krieg | Ein Gespräch mit Marina Weisband | Kriegels Kruste

Porträt von Ralf Heimann
Mit Ralf Heimann

Guten Tag,

Tag sechs nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, und der Krieg ist in Münster allgegenwärtig. Auf dem Prinzipalmarkt demonstrierten am Wochenende tausende Menschen für Frieden. Am Rathaus wehen die europäische und die ukrainische Flagge. Im Hauptbahnhof leuchteten gestern die ukrainischen Farben. An den Aaseeterrassen steht in blauer und gelber Kreide „Solidarität mit der Ukraine & Schutzsuchenden aller Länder“ auf dem Asphalt.

Am Samstagabend war die deutsch-ukrainische Pianistin Marina Baranova in der Friedenskapelle zu Gast. Für mich und viele andere im Publikum war es das erste Konzert nach der langen Corona-Pause. Ich hatte mich auf den Abend gefreut. Aber jetzt war da der Krieg, und in Charkiw, einer Universitätsstadt wie Münster, wo Marina Baranova geboren wurde, schlugen zur gleichen Zeit Raketen ein, Menschen starben. Marina Baranova rang mit ihren Worten. Mit viel Mühe formte sie jeden Satz. Und schließlich sagte sie: „Ich spiele besser einfach Klavier.“

Am Sonntagabend in der Ouzeri, einem griechischen Restaurant, in dem sonst viel gelacht wird, mischten sich immer wieder die gleichen Worte in die Geräuschkulisse: „Putin“, „Selenskyj“, „die Ukraine“, „Krieg“. Große Ratlosigkeit überall.

Ich habe Marina Weisband angerufen, unsere Kolumnistin. Sie ist in der ukrainischen Hauptstadt Kiew geboren. Sie hat einen deutschen und einen ukrainischen Pass. Ein großer Teil ihrer Familie lebt in Kiew, sie hat Verwandte in Lemberg im Westen des Landes und in einigen Dörfern. Das hier ist unser Gespräch.

Porträt von Marina Weisband

Interview mit Marina Weisband

Marina, wie hast du die letzten Tage verbracht?

Seit vergangenen Dienstag – das war zwei Tage vor Kriegsausbruch – bin ich jeden Morgen um vier Uhr aufgewacht. Dann habe ich zuallererst in die Nachrichten geschaut, weil ich schon damit rechnete, dass es einen Angriff geben würde.

Der Krieg hat dich nicht überrascht? 

Das Ausmaß schon. Ich glaube, das hat alle überrascht. Der Angriff selbst nicht. Das hat Putin ja schon lange vorbereitet.

Du hast viele Verwandte in der Ukraine. Weißt du, wie es deiner Familie geht?

Ja, wir versuchen täglich zu telefonieren.

Worüber sprecht ihr? 

Ich hole mir Updates. Ich frage, wie die Versorgungslage meiner Familie ist, was sie gebrauchen können.

Und wie ist ihre Situation gerade?

Meine Familie befindet sich in Kiew in einem Haus. Meine Tante hat ihre Eltern zu sich geholt. Sie lebte vorher im Zentrum. Jetzt sind sie ein bisschen weiter am Stadtrand, allerdings in der Nähe des Flughafens. Das ist auch nicht so gut.

Wie sicher ist es dort zurzeit? 

Die Lage in Kiew ist schon sehr dramatisch. Meine Familie verbringt die Nächte im Bunker. Tagsüber sind sie in ihrer Wohnung. Von meiner Tante habe ich gehört, dass der Beschuss im Norden an der belarussischen Grenze so schwer war, dass Menschen den ganzen Tag in den Kellern lagen, teilweise mit den Körpern über ihren Kindern, um sie vor Trümmern zu schützen. Beschossen worden ist meine Familie aber zum Glück noch nicht.

Wie bereitet deine Familie sich auf das vor, was sie in den nächsten Tagen und Wochen erwartet?

Mein Onkel ist in der Nachbarschafts-Verteidigung. Das gibt es überall in Kiew. Er und 170 Männer haben sich für ihr kleines Viertel eingeschrieben. Das sind fast alle Männer, die nicht an der Front sind. Die verteidigen ihre Viertel. Also wenn Kiew erobert wird, dann Straße um Straße.

Und die Frauen? 

Meine Tante hält in ihrem Haus Krisenstab. Sie bespricht sich mit allen. Sie überlegen: Was machen wir, wenn in der Straße geschossen wird? Was, wenn es Artillerie-Angriffe gibt? Wo ist der sicherste Raum im Haus? Wie viele Vorräte sind noch da? Was, wenn das Wasser ausfällt? Was, wenn der Mann fällt? Sie suchen Positionen an Fenstern, von denen aus man russische Konvois beschießen kann.

Zivile Menschen bereiten sich darauf vor, ihr Haus gegen die russische Armee zu verteidigen. 

Ja, sie haben Schützengräben gegraben. Sie bauen Straßenbarrikaden. Sie basteln Molotow-Cocktails. Ich kenne das alles noch von den Protesten auf dem Maidan-Platz vor acht Jahren. Da haben 19-jährige Studentinnen Molotow-Cocktails vorbereitet, um die Spezialpolizei abzuwehren. Alle Energie und aller Erfindungsreichtum sind darauf konzentriert, diese Armee so lange wie möglich abzuwehren.

Das bedeutet: Es geht im Grunde nur um eine Verzögerung. Lohnt es sich, dafür sein Leben zu riskieren?

Kapitulieren ist keine Lösung. Das sehen alle in der Ukraine ganz klar. Das passt nicht mit dem ukrainischen Geist zusammen. Dieses Land kämpft seit 30 Jahren für Unabhängigkeit, für Demokratie, für die eigene Existenz. Kapitulieren geht also nicht. Das weiß auch Selenskyj. Die Menschen in der Ukraine werden diesen Schritt nicht mitgehen – sogar dann nicht, wenn er das wollte. Aber er will es nicht.

Und was ist das Ziel?

Das Ziel ist, sich so lange Zeit zu verschaffen, bis die internationale Gemeinschaft handelt. Bis Waffen geliefert werden, bis vielleicht Unterstützung aus dem Ausland kommt, Freiwillige, die sich in der Ukraine melden. Vielleicht auch, bis die russische Bevölkerung aufwacht.

Für wie wahrscheinlich hältst du das?

Ich bin skeptisch, weil ich weiß, wie fern von der Realität alles ist, was Russen bisher auf öffentlichen Kanälen zu sehen bekommen haben. Und eine Woche wird nicht acht Jahre Propaganda wettmachen. Das sind tiefe Überzeugungen, die sich da gebildet haben. Das hat Putin schon sehr gut vorbereitet. Aber wir müssen das versuchen. Meine größte Hoffnung, dass die Welt irgendwie heil aus dieser Sache herauskommt, ruht auf der russischen Bevölkerung.

Wie könnte das gelingen?

Die russische Bevölkerung kann Putin und sein ganzes System zu Fall bringen. Je länger Kiew steht, desto mehr Bilder sickern durch, desto mehr gefangene Soldaten wenden sich an ihre Familien, rufen zu Hause an. Desto mehr kommt die Wahrheit ans Licht. Putin erzählt seiner eigenen Bevölkerung seit acht Jahren, dass in der Ukraine Neonazis an der Macht seien, die Russischsprachige erschießen, ermorden und verfolgen.

Das ist vor allem deshalb absurd, weil der ukrainische Präsident ein russischsprachiger Jude ist, aus dessen Familie Menschen im Holocaust gestorben ist. 

Das erfahren die Menschen in den staatlichen russischen Medien aber nicht. Sie leben in einer Parallelwelt. Da ist immer noch die Rede von einer Spezial-Militäroperation im Donbass. Es wird gar nicht darüber berichtet, dass Kiew angegriffen wird.

Siehst du eine Möglichkeit, an der Situation etwas zu ändern?

Das russische Internet ist nicht das chinesische. Russland blockiert zwar zum Beispiel Twitter sehr stark. Aber viele Russ:innen haben trotzdem Zugriff auf Social Media. Und die Russ:innen, die sich informieren wollen, die können das auch. Es gibt auch viele Menschen in Russland, die Familie in der Ukraine haben. Die Verbindungen sind sehr eng. Sie telefonieren miteinander. Diese Russen wissen, dass Kiew gerade überfallen wird. Und einige gehen auf die Straße.

Im Moment aber noch sehr wenige.

Wenn wir Proteste in St. Petersburg oder Moskau sehen, wo mehrere tausend Menschen auftreten, dann wirkt das für uns klein. Aber man muss bedenken: Diese Menschen riskieren ihre Freiheit und ihr Leben. Das ist nicht wie auf den „Querdenker”-Demos, wo die Leute sich beschweren, dass die Medien möglicherweise negativ über sie berichten. Die Menschen in Russland werden zu Tausenden verhaftet.

Was macht dir Hoffnung?

Dass es irgendwann zu einem Kipp-Punkt kommen kann. So hat es auch auf dem Maidan angefangen. Anfangs war es ein kleiner studentischer Protest. Die Menschen haben dagegen protestiert, dass der damalige ukrainische Präsident Wiktor Janukowytsch die Gespräche zum Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union am Vortag abgesagt hat, weil Putin ihm gesagt hatte: Mach das mal nicht. Dagegen sind Studierende auf die Straße gegangen. Dort wurden sie verprügelt und verhaftet, wie es damals Usus war. Janukowytschs Regierung war pro-russisch. Da wurde im gleichen Stil regiert.

Die Proteste wurden danach größer. 

Ja, denn am nächsten Tag kamen auch die Väter auf den Platz, die Afghanistan-Veteranen. Sie demonstrierten gegen die Polizeigewalt. Und das steckte Menschen an. Irgendwann entwickelte sich dann ein Kipp-Punkt. Erst waren Zehntausende auf den Straßen, dann Hunderttausende. Und irgendwann wurde die Regierung der Situation nicht mehr Herr und musste fliehen. So etwas muss auch in Russland passieren.

Im Moment sieht es nicht danach aus. Aber es läuft auch nicht so, wie Wladimir Putin es sich vorgestellt hat. Was passiert gerade?

Putin hat nicht mit den Ukrainern gerechnet. Er bekommt seine Informationen ja auch nur mittelbar. Und er war vor acht Jahren nicht selbst auf dem Maidan. Wer das erlebt hat, der ist davon überrascht, mit welcher Energie und mit welchem Einsatz die Ukrainer die Demokratie verteidigen, die sie sich erkämpft haben. Damals haben sie sehr schnell improvisierte Krankenhäuser gebaut, improvisierte Suppenküchen und improvisierte Barrikaden. Auf den Straßen entstand eine riesige Solidarität. Die Kiewer kennen das schon. Sie waren ja schon in einer Quasi-Kriegssituation.

Die Frage ist, ob das gegen einen militärisch überlegenen Gegner wie Russland ausreicht. 

Es ist natürlich ein Kampf David gegen Goliath. Aber dass da jetzt gerade jeder Mann und jede Frau bis an die Zähne bewaffnet ist, und dass sie sich wehren, das überrascht auch die russischen Soldaten.

Es stehen sich in diesem Krieg Menschen gegenüber, die vor etwas mehr als 30 Jahren noch für das gleiche Land gekämpft hätten. Wie ist denn das Verhältnis der Menschen in der Ukraine zu denen in Russland?

Ukrainer sind ein Volk, so wie Borschtsch eine Suppe ist. Sie bestehen aus tausend Zutaten. Es gibt die Westukraine, die mithilfe einer verheerenden historischen, absichtlich herbeigeführten Hungersnot, im Prinzip eines Völkermords, an die Sowjetunion angeschlossen wurde. Und es gibt die Bereiche im Osten, die von Anfang an dazu gehörten. Es gibt natürlich auch innerhalb der Ukraine mehrere Völker. Die Juden, die Tataren. Vielleicht muss man also eher sagen: die ukrainische Bevölkerung.

Und wie ist deren Verhältnis zur russischen? 

Man ist sich schon brüderlich gesonnen. Man hat viele Gemeinsamkeiten. In gewisser Weise teilt man eine Kultur. Aber in den letzten 30 Jahren hat die Ukraine auch zurückgefunden zu einer eigenen nationalen Identität aus allem, was in der Sowjetunion gewaltsam unterdrückt wurde.

Was war das?

Das fängt an mit der ukrainischen Sprache, die nicht gesprochen werden sollte. Ukrainisch galt als vulgäre Bauernsprache und wurde in Institutionen hart unterbunden. Die ukrainische Sprache ist jetzt zurückgekehrt. Damit auch ukrainische Lyrik, ukrainisches Liedgut, ukrainische Folklore. Und das Kosakentum. Das ist seit jeher sehr demokratisch organisiert. In Hundertschaften. Also hundert Mann wählen sich immer einen Hetman, eine Art Hauptmann. Das ist natürlich eine völlig andere Logik als das sowjetische System, in dem man denkt: Der Zar oder der Generalsekretär wird es richten. Und wenn im Hinterhof eine Mülltonne kaputt ist, dann rufe ich den Präsidenten an. Das ist ja in Russland immer noch so.

Was meinst du damit?

Es gibt eine Fernsehsendung, wo Putin Anrufe von normalen Menschen entgegennimmt. Vor ein paar Jahren wurde er dafür gefeiert, dass er einem behinderten Mädchen im Osten Russlands einen Rollstuhl geschickt hat. Aber niemand hinterfragt, warum man eigentlich in einer Fernsehshow zum Präsidenten durchkommen muss, um einen Rollstuhl zu bekommen. Das ist der große Unterschied in der Mentalität. Und dieser Unterschied wurde zum ersten Mal während der orangenen Revolution sichtbar.

Inwiefern?

Da haben die Menschen die manipulierte Wahl beanstandet. Zehn Jahre später wurde der Unterschied dann sehr deutlich auf dem Maidan-Platz. Das war eine radikale Hinwendung zur Demokratie, zur Selbstständigkeit. Diese Schritte haben die Russ:innen nicht mitgemacht. Oder sie konnten sie nicht mitmachen.

Das klingt nicht so, als stünde man sich feindlich gegenüber. 

Nein. Den Ukrainern blutet das Herz, wenn sie jetzt von Russland angegriffen werden. Andererseits hat unser Präsident gesagt: Ab heute stehen wir auf verschiedenen Seiten der Geschichte.

Und die Menschen in Russland?

Die russische Bevölkerung möchte auch keinen Krieg gegen die Ukraine führen. Die fühlen sich den Menschen schon verbunden. Putin schafft es nur, diesen Krieg zu legitimieren, indem er die Geschichte erzählt, dass Ukrainer:innen von Neonazis unterdrückt werden, dass sie Atombomben bauen, die sie auf Russland werfen werden. Und dass sie die russischsprachige Bevölkerung verfolgen.

Russisch ist auch deine Muttersprache. 

Ja, ich zähle mich zu dieser angeblich verfolgten Minderheit russischsprachiger Ukrainer:innen. Und es ist eben bei weitem überhaupt nicht so, dass alle russischsprachigen Ukrainer:innen Putin unterstützen. Ganz im Gegenteil.

Es gibt auch in Münster eine russische und eine ukrainische Community. 

Ich würde sagen: Es gibt eine große sowjetische Community.

Wie meinst du das?

Die meisten von uns sind Anfang der 90er-Jahre gekommen. Und damals gab es noch keinen bedeutenden Unterschied zwischen Russland und der Ukraine. Die Kultur, aus der wir stammen, ist mehr oder weniger dieselbe. Unser gemeinsames höchstes Fest ist Neujahr. Und wir essen alle Oliviersalat.

Aber sie stehen trotzdem auf unterschiedlichen Seiten. 

Teilweise. Die Diaspora begann sich später im Zuge der Maidan-Proteste und der russischen Aggressionen, die dann folgten, aufzuteilen in pro russisch und pro ukrainisch. Das lief aber gar nicht so sehr entlang der Herkunft. Die Frage war eher, ob die Menschen den russischen Staatssender schauten.

Dann waren sie für Putin.

Genau. Da gab es schon im Jahr 2014 heftige Verwerfungen, teilweise ging das durch Familien hindurch. Da haben Brüder und Schwestern nicht mehr miteinander gesprochen.

Wie ist es heute?

Bei der Demonstration am Freitag waren auch Russ:innen, die gesagt haben: Wir kommen aus Russland. Wir sind Russen, aber schämen uns. Wir wollen das nicht. Wir stehen solidarisch an der Seite der Ukraine. Dabei wurde auch immer betont: Es geht nicht gegen Russland. Es geht gegen Putin. Es geht gegen diesen Krieg.

Denkst du, die Mehrheit sieht das so?

Viele Menschen aus dieser Community sind über die jüdische Gemeinde organisiert. Sie stammen sowohl aus Russland als auch aus der Ukraine. Und in der Whatsapp-Gruppe der Gemeinde sind alle pro Freiheit und pro Ukraine. Die konsumieren natürlich auch westliche Medien, und sie verstehen, was passiert.

Wie wird es denn für dich und deine Familie in den nächsten Tagen weitergehen?

Mit etwas Positiverem als Gewöhnung wird in den nächsten Tagen nicht zu rechnen sein. Darauf müssen wir uns einstellen. Aber wir können hoffen, dass Kiew durchhält, bis das Blatt sich wendet. Wichtig ist: Es geht um jeden Tag. Wir dürfen nicht zögern, denn das kostet Menschenleben. In meinem Fall Leben von Menschen, die ich kenne und liebe. Und wenn ich jetzt höre, man müsse die Lage erstmal beobachten, abwägen und dann in zwei Tagen nochmal darüber sprechen, dann denke ich: Die Leute verstehen nicht, dass die Menschen in Kiew keine zwei Tage Zeit haben.

Kannst du deiner Familie von Münster aus helfen?

Ich habe versucht, sie zu überreden, nach Deutschland zu kommen. Aber das geht nicht. Und sie wollen auch nicht.

Warum nicht?

Mein Großonkel ist sehr, sehr krank. Er würde den Transport mit dem Bus gar nicht schaffen. Seine Tochter möchte ihre Eltern nicht verlassen. Und die Kinder wollen sie auch nicht schicken, weil die ihre Eltern brauchen. Meine Tante sagt: Ich bin in meinem Haus, bei meiner Familie, auf meinem Land. Wenn ich das verlasse, könnte ich das alles für immer verlieren. Und das ist keine Option.

Hilfe für die Ukraine

Viele Menschen fragen sich: Wie können wir helfen? Inzwischen gibt es einige Hilfsangebote. Hier eine Auswahl:

+++ Die Beaver-Foundation, die sich eigentlich um die Natur und das Wohl des Bibers kümmert, hat auf der Seite Münster hilft eine Übersicht mit Hilfsangeboten erstellt. Der Verein aktualisiert die Liste ständig.

+++ Antenne Münster hat eine nach Stadtteilen geordnete Übersicht zusammengestellt – mit Angeboten in Coerde, Hiltrup, Amelsbüren, Mauritz und dem Bahnhofsviertel. Ein Tipp: Bevor Sie sich auf den Weg zu einer Sammelstelle machen, rufen Sie am besten dort an, wenn das möglich ist. Einige Stellen haben schon so viele Spenden erhalten, dass sie nichts mehr entgegennehmen. Und nachher ist der Weg dann umsonst.

+++ Wer Geld spenden möchte, findet auf dieser Seite ein gemeinsames Konto von mehreren Hilfsorganisationen (unter anderem Brot für die Welt, Johanniter und Malteser).

+++ Die Stadt Münster empfiehlt Spenden an den Verein Münster-Lublin, der die Hilfe in Münsters polnischer Partnerstadt koordiniert. Die Kontodaten stehen hier.

+++ Die Stadt hat auch eine Info-Hotline „Hilfe für die Ukraine“ eingerichtet. Ab morgen früh um 8 Uhr sind unter der Nummer 0251 492 55 60 Mitarbeitende der Stadtverwaltung zu erreichen, die Fragen beantworten und Hilfsangebote entgegennehmen (Sachspenden braucht die Stadt zurzeit nicht). Die Hotline ist montags bis donnerstags zwischen 8 und 18 Uhr zu erreichen, freitags zwischen 8 und 13.30 Uhr. Außerdem hat die Stadt eine Liste mit Antworten auf die wichtigsten Fragen zusammengestellt.

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In aller Kürze

+++ Die ersten aus der Ukraine geflüchteten Menschen werden voraussichtlich noch heute in Münster ankommen, schreibt die Stadt. Die Stadtverwaltung bereitet sich seit dem Wochenende zusammen mit Hilfsorganisationen darauf vor. Die Unterkünfte sind schon eingerichtet. Wie es in den nächsten Tagen weitergehen wird, ist aber offenbar noch nicht ganz klar. Oberbürgermeister sagt laut Pressemitteilung, es gebe „eine gewisse unkontrollierte Bewegung aus der Ukraine in die Bundesrepublik“. Der Bund und das Land müssten schnell Informationen geben, damit man sich mit den umliegenden Kreisen abstimmen könne.

+++ Auf die Frage, was generell auf die Städte zukommen wird, hat Markus Lewe heute Morgen in seiner Funktion als Städtetagspräsident in einem WDR5-Interview gesagt, das könne man momentan schlecht abschätzen. Mit geflüchteten Menschen umzugehen, gehöre aber mittlerweile zur DNA der Städte. Man müsse lediglich „die grünen Knöpfe drücken und die Infrastruktur wieder hochfahren“, sagte er. Im Moment gebe es einen Welle der Hilfsbereitschaft. „Wir können uns im Grunde vor Hilfsangeboten gar nicht retten“, sagte Lewe. Rechtlich könne man den Menschen jetzt erstmal einen Aufenthalt für 90 Tage ermöglichen. Geregelt ist das in einem 21 Jahre alten Regelwerk, das die Europäische Union für Fälle wie diesen entwickelt wird. Nur, um dafür einen angemessenen Namen zu finden, war am Ende offenbar keine Zeit mehr. Die Rede ist hier von der EU-Massenzustrom-Richtlinie.

+++ Fünf Parteien haben in einer gemeinsamen Erklärung klargestellt, dass sie sich im Landtagswahlkampf nicht zusammen mit der AfD aufs Podium setzen werden. „Der Wahlkampf in Münster darf der Verbreitung von Hass, Hetze und Rassismus keine Bühne einräumen“, erklären die Direktkandidatinnen und Direktkandidaten von SPD, FDP, Grüne, die Linke und Volt bei der Landtagswahl in dem Schreiben. Die CDU hat nicht unterzeichnet, möchte aber offenbar auch nicht alleine mit der AfD in einer Diskussionsrunde sitzen: Auch ihre Partei werde nicht an Wahlkampfveranstaltungen mit der AfD teilnehmen, teilt Münsters CDU-Chefin und Landtagskandidatin Simone Wendland laut den Westfälischen Nachrichten mit.

+++ Die Filmwerkstatt Münster verschiebt die Russischen Filmtage, die eigentlich am Sonntag (6. März) beginnen und bis zum 27. März laufen sollten. „Wir solidarisieren uns mit der Ukraine und allen russischen Bürger:innen, die sich gegen den Krieg und für die Demokratie einsetzen“, schreibt das Organisationsteam in einem Statement. Man halte es für unangemessen, das Projekt zum jetzigen Zeitpunkt zu veranstalten. Man verstehe die Filmtage als eine „Möglichkeit des Dialogs der Kulturen und die Filme als Fenster in dieses große, vielfältige Land”. Sie seien nicht „das Sprachrohr der russischen Propaganda“. Die meisten Regisseur:innen der in den letzten 14 Jahren gezeigten Filme gehörten der Opposition an, die sich öffentlich gegen den Krieg und für Demokratie positionierten. Man hoffe, die Filmtage zu einem späteren Zeitpunkt nachholen zu können.

Engagement in Münster: Unsere Interviews aus der RUMS-Hütte zum Nachlesen

Infobox-Grafik mit Icon eines Menschen mit einer Hütte und einem Mikrofon

#9 May-Ayim-Ring

Heute veröffentlichen wir das neunte Interview aus unserer Reihe Engagement in Münster für Sie. Johanne Burkhardt hat mit Anisrajah Pathmanathan vom Verein May-Ayim-Ring darüber gesprochen, wie antirassistische Arbeit in Münster aussehen kann und was die Stadt und die Münsteraner:innen dafür tun können. Das Interview finden Sie hier.

Im Rahmen unserer Marketingaktionen auf dem Weihnachtsmarkt in Münster haben wir Menschen vorgestellt, die sich in der Stadt engagieren. Leider konnten wir die Gespräche wegen der Corona-Beschränkungen nicht vor Publikum führen. Aber Sie können sie in gekürzter Version als schriftliche Interviews auf dieser Seite nachlesen. Das zehnte Interview aus unserer Reihe bekommen Sie nächste Woche von uns. Wir verlinken es dann wieder an dieser Stelle für Sie.

Corona-Update

+++ Die Corona-Pandemie scheint langsam abzuklingen. Heute meldet die Stadt 379 Neuinfektionen. Vor einer Woche waren es noch 744. Die Wocheninzidenz bleibt weiter vierstellig. Sie liegt bei 1.052 (Neuinfektionen pro 100.000 Menschen innerhalb von sieben Tagen). Damit gelten im Stadtgebiet 6.163 Menschen als infiziert. 67 Infizierte liegen in Münster in Krankenhäusern, acht davon auf Intensivstationen, fünf von ihnen werden beatmet.

+++ Und wie jeden Dienstag der Blick in die Schulen: Auch dort gehen die Zahlen zurück. 1.361 Kinder und Jugendliche konnten in der vergangenen Woche wegen der Pandemie nicht am Präsenzunterricht teilnehmen, 682 von ihnen waren positiv auf das Coronavirus getestet worden. Gleichzeitig konnten 81 Lehrkräfte nicht in Präsenz unterrichten, 57 von ihnen wegen einer bestätigten Infektion. Und die Übersicht des NRW-Schulministeriums gibt auch Aufschluss über den Impfstatus der Lehrkräfte: 92,5 Prozent sind inzwischen geboostert. Zum Vergleich: Vor drei Wochen waren es erst gut 83 Prozent.

Unbezahlte Werbung

Auf dem Markt am Domplatz steht mittwochs und samstags sowie neuerdings auch freitags (auf dem Ökomarkt) ein kleiner Bäckerei-Stand, der ausschließlich glutenfreie Waren verkauft: Kriegels Kruste. Glutenfreies Essen ist wichtig für Menschen, die Diabetes oder eine Allergie haben. Es kann beim Abnehmen helfen. In diesem Fall schmeckt es auch einfach gut. Meine Empfehlung: die Schokowölkchen.

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Drinnen und Draußen

Johanne Burkhardt hat zwei Empfehlungen für Sie:

+++ Ab Donnerstagabend zeigt das Cinema den Dokumentarfilm Dem Leben entgegen – Kindertransporte nach Schweden. Der Film handelt von Kindern aus jüdischen Familien. Deren Eltern schickten die Kinder während der NS-Zeit nach Schweden, um sie in Sicherheit zu bringen. Die meisten sahen ihre Familien nie wieder. Regisseur Gülseren Sengezer ist am Donnerstag im Cinema zu Gast und wird nach der Vorführung erzählen, wie der Film entstanden ist. Hier finden Sie einen Trailer.

+++ Im Herbst habe ich ein neues Buch angefangen, das durch die russische Invasion der Ukraine sehr aktuell geworden ist. Der Titel lautet: „Die Grenze”. Die norwegische Journalistin Erika Fatland ist für ihre Recherche entlang der 20.000 Kilometer langen russischen Grenze gereist, durch 14 Nachbarländer. Das Ergebnis ist einerseits ein beeindruckender Reisebericht. Fatland beschreibt nervenaufreibende Grenzkontrollen, absurde Sightseeingtouren, aber auch Begegnungen mit den Einheimischen, die ihre Geschichte erzählen, zum Beispiel Rentierhirten oder politischen Aktivist:innen. Auch mit den Separatist:innen im Donbass hat Fatland gesprochen. Andererseits ist es ein Geschichtsbuch, in dem Fatland die komplexen Kriege, Verhandlungen und Grenzverschiebungen der vergangenen eintausend Jahre ausführlich beschreibt. Auf über 600 Seiten. Keine leichte Kost. Trotzdem empfehle ich das Buch sehr. Hier finden Sie es.

Und noch ein Tipp zum Vormerken:

+++ Die Osteuropa-Expertin Ricarda Vulpius, Professorin an der Uni Münster, erklärt am Sonntag (6. März) in einem Vortrag der Volkshochschule die russischen-ukrainischen Beziehung und den Konflikt zwischen beiden Staaten, der bis ins Mittelalter zurückreicht. Den Link zur Videokonferenz finden Sie hier. Los geht es um 19:30 Uhr.

Am Freitag kommt wieder Post von Constanze Busch. Kommen Sie gut durch die Woche.

Herzliche Grüße

Ralf Heimann

Mitarbeit: Johanne Burkhardt, Constanze Busch

PS

Wenn im Krieg die Wahrheit zuerst stirbt, dann ist auf russischen Staatsendern schon lange kein Puls mehr zu spüren. Die Desinformation ist ein gewaltiges Problem. Viele Menschen in Russland kennen nur die russische Erzählung. Demnach plant in der Ukraine eine Neonazi-Regierung eine Invasion in den Donbass. Der Desinformations-Experte Lutz Güllner erklärt die russische Desinformations-Kampagne sehr gut in einem drei Minuten langen Interview mit dem ZDF. Aber was kann man machen? Menschen im Netz haben einen kreativen Weg gefunden, die russische Bevölkerung zu erreichen. Sie hinterlassen in den Google-Bewertungen von russischen Restaurants oder Firmen Informationen darüber, was zurzeit in der Ukraine passiert. Andere versuchen, bei Tinder mit Menschen aus Russland in Kontakt zu kommen. Ganz so leicht scheint das allerdings nicht zu sein. Falls Sie sich für das Thema Desinformation interessieren, noch ein Hinweis in eigener Sache: In der MDR-Medienkolumne Altpapier analysiert ein Team, zu dem ich gehöre, täglich die Medienberichterstattung, zurzeit also vor allem die über den Krieg. Und eine gute Nachricht zum Ende: Die Europäische Union will die russischen Staatsmedien in Europa verbieten.

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