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CSD-Angriff: Verdächtiger in Untersuchungshaft | Wasserstoff-Pläne für Münster | Kompromiss für das Preußen-Stadion
Guten Tag,
seit Samstag sitzt der 20-jährige Mann, der mutmaßlich eine Woche zuvor den 25-jährigen trans Mann Malte beim Christopher-Street-Day angegriffen und tödlich verletzt hatte, in Untersuchungshaft. Die Polizei hatte letzte Woche etliche Zeugenhinweise, Bilder und Videos ausgewertet und dabei ein Bild des Tatverdächtigen gefunden. Eine Polizistin erkannte ihn am Freitagnachmittag am Hauptbahnhof und nahm ihn fest. Bisher hat der Mann noch keine Aussage gemacht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen ihn wegen Körperverletzung mit Todesfolge.
Laut Oberstaatsanwalt Dirk Ollech ist der 20-Jährige schon mehrfach „strafrechtlich in Erscheinung getreten“, es gab mehrere Verfahren wegen Körperverletzung. In einem Fall wurde er verurteilt (und ist damit einschlägig vorbestraft), allerdings nicht zu einer Haftstrafe. Im Jugendstrafrecht sind auch andere Sanktionen möglich, erklärt Dirk Ollech, beispielhaft nennt er Geldstrafen, gemeinnützige Arbeit oder Anti-Aggressions-Trainings.
Kundgebungen in Münster und ganz Deutschland
Kurz nachdem die Polizei am Freitagabend in einer Pressemitteilung über die Festnahme des Tatverdächtigen informiert hatte, begann am Prinzipalmarkt eine Kundgebung gegen queerfeindliche Gewalt. Mehrere tausend Menschen hatten sich zum Gedenken an den verstorbenen Malte vor dem historischen Rathaus versammelt. Im Laufe der Kundgebung wurde die Nachricht von der Festnahme bekannt gegeben. Die Teilnehmenden applaudierten daraufhin. Hass oder Häme gegenüber dem Tatverdächtigen war allerdings nicht zu spüren. Viele Teilnehmende waren einfach erleichtert.
Auf der Kundgebung sprachen Vertreter:innen verschiedener queerer Vereine in Münster. Sie berichteten von der Diskriminierung, der Gewalt und den Aggressionen, die Frauen und nicht-heterosexuelle Menschen im Alltag erleben. Aber auch von Solidarität und Unterstützung. Felix Adrian Schäper vom Verein Trans*-Inter*-Münster freute sich, dass so viele Menschen zur Kundgebung gekommen sind. Er sagte: „Das zeigt, wir sind keine Minderheit. Wir sind keine Randgruppe. Die, die den Hass haben, sind eine Minderheit und eine Randgruppe.“
Auch in vielen anderen Städten in Deutschland gab es Kundgebungen, zum Beispiel in Bielefeld, Nürnberg und Kiel.
Begleiter war offenbar nicht beteiligt
Am Sonntag hat sich der Begleiter des Tatverdächtigen bei der Polizei gemeldet. Er war ebenfalls gesucht worden, um zu klären, ob er an dem Angriff beim Christopher-Street-Day beteiligt war. Das ist offenbar nicht der Fall, wie sich bei seiner Vernehmung am Montag herausgestellt hat. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln deshalb nicht mehr gegen ihn.
Das sind die Dinge, die wir bisher sicher wissen. Und jetzt kommt der schwierige Teil. Es sind längst Gerüchte über den Tatverdächtigen im Umlauf, die Bild-Zeitung hatte viele mutmaßliche Details seiner Identität, Nationalität und Familiengeschichte veröffentlicht. In diesem Brief sollen sie nicht vorkommen, weil zu vieles davon Vermutungen wären. Bei keinem Detail lässt sich jetzt schon sicher sagen, dass es in einem Zusammenhang zu dem Angriff steht, den der Tatverdächtige bisher noch gar nicht gestanden hat.
Es werden immer mehr queerfeindliche Taten registriert
Was sich sagen lässt: Dass der 20-Jährige die beiden Frauen am Rande des CSD als „lesbische Hure“ beschimpft und bedroht hat, war eine queerfeindliche Tat. Dass er anschließend den 25-jährigen Mann angriff und niederschlug, der die Frauen schützen wollte, ist eine unmittelbare Folge davon. Ob es eine Rolle spielte, dass der Verteidiger ein trans Mann war, ist bisher unklar.
Mit dem Begriff Queerfeindlichkeit sind Diskriminierung, verbale und körperliche Angriffe zum Beispiel gegen homo- und bisexuelle Menschen oder trans Personen gemeint. Seit Jahren werden immer mehr solcher Taten erfasst. Das kann daran liegen, dass es tatsächlich mehr Fälle gibt. Es kann auch daran liegen, dass sie inzwischen häufiger als queerfeindliche Taten in die Statistik eingehen, während früher das Motiv gar nicht erkannt oder erfasst wurde – auch jetzt gibt es etwa bei transfeindlichen Taten offenbar immer noch ein großes Dunkelfeld. Wenn es tatsächlich mehr Angriffe gibt, ist eine zunehmende Feindlichkeit die Ursache? Oder zeigen sich mehr queere Menschen öffentlich und werden deshalb auch häufiger angegriffen, einfach weil sie sichtbarer sind? Es kann auch eine Mischung aus allen Gründen sein. Tatsache ist aber, dass nach wie vor viele queere Menschen Angst vor Anfeindungen und Angriffen haben und ihre Sexualität oder Identität deshalb nicht offen leben; laut einer Studie sind es in Deutschland fast die Hälfte.
Auf dieser traurigen Tatsache sollte jetzt der Fokus liegen, nicht auf der Identität eines einzelnen Täters. Wie es queeren Menschen in unserer Gesellschaft geht, ist zu selten Thema – auch hier bei uns. Wir versuchen, das in Zukunft besser zu machen.
Das ist nötig. In Bremen wurde am vergangenen Samstag eine trans Frau von Jugendlichen beleidigt, körperlich angegriffen und schwer verletzt. (cbu/sfo)
+++ Wie immer vor den Ratssitzungen werbe ich für das Demokratie-Live-Erlebnis. Sie können morgen ab 16:15 Uhr im Rathaus am Prinzipalmarkt oder online zuschauen. Einige Themen, um die es gehen wird, finden Sie in diesem Brief, und hier die gesamte Tagesordnung. (cbu)
+++ Und hier kommt direkt das erste Thema für morgen, das Preußen-Stadion. Die Parteien im Rat haben sich kurz vor der Ratssitzung auf einen Kompromiss geeinigt, der es möglich machen soll, das Stadion weiter auszubauen, ohne den festgelegten Finanzrahmen zu sprengen. Wie das gelingen soll, skizziert das Rathausbündnis aus Grünen, SPD und Volt in einem Änderungsantrag, den voraussichtlich auch die CDU mittragen wird – zu erkennen am Parteilogo in der Kopfzeile. Auf die etwa 20 Millionen Euro teure Mobilstation wollen die Parteien danach erst mal verzichten. Bei der Entscheidung darüber, welche Tribüne zuerst gebaut wird, welche später und welche möglicherweise gar nicht, sollen der Fußballverein und die Fans mitentscheiden. Damit schiebt die Politik einen zentralen Konflikt rüber zum Verein. Das ist die Frage: Was ist wichtiger – die lukrative Nordtribüne mit den VIP-Logen oder die Osttribüne für die Preußen-Fans? Am Plan, das Stadion zu einem sogenannten Plus-Energie-Stadion zu machen, das Energie produziert, will man festhalten, auch wenn die Investitionskosten damit steigen. Unter dem Strich soll der Ausbau damit wirtschaftlicher und klimafreundlicher werden. Offen ist weiter, wie viel Geld die für den Bau zuständige und extra zu diesem Zweck gegründete städtische Gesellschaft Bauwerke für ihre Dienste bekommen wird – und ob sich der Pachtvertrag mit dem Verein so ausgestalten lässt, dass die Stadt die Vorsteuer abziehen kann. Das würde in den Planungen mehrere Millionen Euro ausmachen. Der Sportausschuss und die Bezirksvertretung Hiltrup (Korrekturhinweis: Wir hatten erst Bezirksvertretung Mitte geschrieben) haben die Stadionpläne in ihrer gemeinsamen Sitzung heute Abend schon beschlossen. Morgen Abend ist der Rat dran. Am Freitag erklären wir das alles etwas ausführlicher. (rhe)
+++ Der Oberbürgermeister hat letzte Woche und am Wochenende gleich zwei große Interviews gegeben. Es ging um alles, was gerade in der Welt und in Münster passiert, und vor allem um Geld. Mal hören, was Markus Lewe dazu sagt. Der Deutschlandfunk wollte wissen, ob die Stadt in der aktuellen Situation noch Kredite von der Bank bekomme. Lewe antwortete, die Frage sei eher, ob die Stadt sie zurückzahlen könne, korrigierte diese Aussage aber schnell. Natürlich zahle die Stadt Geld zurück, aber die „mannigfaltigen“ Krisen führten zu „multiplen Mangellagen“, sodass nicht viel übrig bleibe. Ausbaufähig sei auch die „vertrauensvolle Basis“ zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Dafür forderte Lewe zum Beispiel mehr Wertschätzung und einen Rettungsschirm für die Stadtwerke. Rettungsschirm ist ja immer ein hübscheres Wort für Geld. Wie viel Geld denn? „Es geht um einen Schirm, da frage ich nicht, wie teuer der ist, den spanne ich auf, wenn es regnet“, antwortete Lewe. Welche Summe der Stadt selbst fehlt, steht auch im Interview mit den Westfälischen Nachrichten nicht. Nur, dass man bei Bauprojekten die Standards der Maßnahmen zur CO2-Reduktion und die Kosten ins Verhältnis setzen müsse. Es müsse schließlich nicht immer Platin sein, Gold sei auch nicht übel. Und noch eine Frage zum Geld: Haben die Kommunen in den letzten Jahren nicht zu viel billiges Geld bekommen? „Die Situation war sehr komfortabel, aber wir leben nicht mehr in komfortablen Zeiten.“ (ast)
+++ Der Münsteraner Dompropst Kurt Schulte verzichtet auf seine Kirchenämter. Das hat das Bistum Münster gestern mitgeteilt. Bischof Felix Genn hatte Schulte Ende Juni bis auf Weiteres beurlaubt, nachdem Vorwürfe gegen ihn erhoben wurden. Er soll sich zwei Personen gegenüber „grenzüberschreitend und unangemessen“ verhalten haben. Im Zuge der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Bistum hatten sich die beiden Personen mit Beschuldigungen gemeldet. Das Bistum leitete diese Meldungen an die Staatsanwaltschaft weiter. Letztlich stellte sie aber die Ermittlungen ein, weil sich kein Anfangsverdacht gegen Schulte ergeben hätte, schreibt das Bistum in einer Pressemitteilung. Der Amtsverzicht stünde auch nicht im Zusammenhang mit den Ermittlungen. Schulte habe Bischof Genn mitgeteilt, aus allen Ämtern ausscheiden zu wollen. Dieser Bitte sei Genn schließlich nachgekommen. (sfo)
Normalerweise erzählen wir an dieser Stelle Geschichten weiter, aber Sie sehen es schon an der Überschrift: In diesem Text wird es nicht um eine Fortsetzung gehen, sondern um die Suche nach Lösungen. Das hat einen Grund: Vor Kurzem berichteten wir über die 329 Stromsperren, die die Stadtwerke Münster bis Ende Juli 2022 gegen verschuldete Kund:innen verhängt haben (RUMS-Brief vom 26. August). Daraufhin meldete sich ein Leser bei uns mit der Idee, die Stadt und die Stadtwerke könnten einen Härtefallfonds einrichten, über den betroffene Verbraucher:innen ihre Stromschulden ausgleichen könnten.
Wir haben uns deshalb, ganz im Sinne des konstruktiven Journalismus, einmal auf die Suche nach Vorbildern für eine solche Lösung gemacht. Und tatsächlich: Wie das evangelische Sonntagsblatt kürzlich berichtete, gibt es schon mancherorts solche Härtefallfonds. Zum Beispiel in Hannover: Die Stadt und die Stadtwerke verwalten dort seit zehn Jahren einen gemeinsamen Topf, aus dem Menschen auf Antrag Geld bekommen, wenn sie in die Energiearmut abrutschen. Nach Angaben des hannoverschen Stromversorgers Enercity konnten dadurch seit 2012 rund 10.000 Stromsperren abgewendet werden, insgesamt sei die Zahl gleichzeitig um 45 Prozent zurückgegangen. Bis 2022 stellte Enercity dem Fonds nach eigenen Angaben jedes Jahr 150.000 Euro zur Verfügung, künftig sollen es 350.000 Euro sein.
Dieses Modell findet Anklang. In Berlin, Sachsen, Thüringen und Niedersachsen sind laut Sonntagsblatt landesweite Härtefallfonds im Gespräch. Die Bürgerschaft der Hansestadt Bremen hat im März 2021 einen solchen Fonds mit 250.000 Euro auf den Weg gebracht. Über 4.000 Stromsperren werden dort jedes Jahr verhängt. Dafür hat das Land Bremen bereits einen runden Tisch mit Vertreter:innen von Verwaltung und Energiefirmen eingerichtet. Menschen mit Energieschulden können dort Hilfe suchen.
Ähnlich funktioniert das Ganze auch im Saarland. Dort können sich Betroffene zunächst an eine Hilfsstelle wenden, sobald eine Stromsperre droht. Sie versucht dann, mit den Energieversorgern, Behörden und Sozialverbänden eine Lösung zu finden. Klappt das nicht, übernimmt der Fond die Hälfte der Stromschulden. Von den 200.000 Euro im Topf waren Ende 2021 bisher 23.000 Euro abgeflossen. Jedes Jahr sind 2.000 bis 3.000 Haushalte im Saarland von Stromsperren betroffen.
Wie sieht das in Münster aus? Die Stadtwerke und das Presseamt der Stadt antworten uns gemeinsam. Sie schreiben, die Stadtwerke stünden im Austausch mit den Sozialhilfeträgern. Das habe sich bewährt, denn die Zahl der Stromsperren sei mit 500 bis 600 pro Jahr vergleichsweise gering.
Ob sich die Stadt und die Stadtwerke schon einmal mit einem Härtefallfonds für Münster auseinandergesetzt haben, geht aus dem Antwortschreiben nicht hervor. Vergleiche mit Hannover und Bremen seien schwierig, heißt es dort. Die Fonds würden wenig genutzt und man müsse abwarten, ob sie „Bestand haben und Wirkung entfalten“ werden, wenn mehr Menschen der Strom abgestellt werden muss und sich die wirtschaftliche Lage für die Stadtwerke verschlechtere.
Aber vielleicht schafft der Bund eine Lösung. Dort sind zwei Vorschläge im Gespräch: Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke von den Grünen will ein Moratorium für Stromsperren „im Krisenfall“ und die Linksfraktion im Bundestag fordert ein Verbot von Stromsperren. (sfo)
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Wasserstoff: Eine Reise von Münster nach Australien
Am Freitag habe ich in meinem Brief liebevoll-ironisch geschrieben, dass Münster gerne groß denkt. Und das passt auch sehr schön zu einem Thema, mit dem sich morgen Abend der Rat beschäftigen wird: Die Stadt will gezielt in die neu entstehende Wasserstoffwirtschaft einsteigen und soll dafür eine:n Koordinator:in bekommen, die oder der sich um alles kümmert. Ich habe mir angeschaut, was genau geplant ist, was das für Münster bringen kann und was nicht.
Was der oder die Wasserstoff-Beauftragte machen soll
Bisher haben in Münster acht Institutionen und Unternehmen direkt oder indirekt mit dem Thema Wasserstoff zu tun, zum Beispiel die Fachhochschule (Forschung), die Westfalen AG (Wasserstoffherstellung und -tankstelle), die Stadtwerke (ein wasserstoffbetriebener Bus im Testbetrieb) und die Abfallwirtschaftsbetriebe (zwei wasserstoffbetriebene Müllfahrzeuge geplant).
Bei der künftigen Koordinator:in (es wird wahrscheinlich jemand von der Technologieförderung) sollen innerhalb der Stadt alle Fäden zusammenlaufen; im Ratspapier heißt das etwas sperrig „zentrale Bündelungsstelle zum Themenkomplex Wasserstoff im Stadtkonzern Münster“. Der oder die H2-Beauftragte soll Münster aber auch regional und überregional vernetzen, denkbar wäre da etwa die Initiative Get H2, die eine Wasserstoff-Infrastruktur in Deutschland aufbauen will (darum ging es in diesem Brief schon einmal). Und, ganz wichtig: Sie oder er soll passende Förderprogramme auftun.
Was das für Münster und die Region bringen kann
Grundsätzlich kann Wasserstoff eine ganze Menge, zum Beispiel Energie speichern und später in Form von Wärme oder Strom wieder abgeben, große Fahrzeuge antreiben, die für Elektroantriebe zu schwer sind, und in der Industrie Kohle ersetzen, etwa in der Stahlproduktion. Die Wirtschaft und die Infrastruktur rund um diese Möglichkeiten sind noch im Aufbau, und das könnte für Münster eine Chance sein. Die Stadt wird zwar nicht unbedingt als Produktionsort für grünen (also mit Hilfe klimaneutraler Energie hergestellten) Wasserstoff in Frage kommen, weil es dafür hier auch in Zukunft nicht genügend Solaranlagen und Windräder geben wird. Und sie wird – anders als etwa das Ruhrgebiet – auch kein riesiger Abnehmer werden, sondern in einem eher überschaubaren Rahmen Wasserstoff für Müllautos, Lkw-Flotten oder Busse brauchen (anders als in Pkw kann sich ein Wasserstoffantrieb in sehr großen, schweren Fahrzeugen lohnen). Forschungseinrichtungen und Unternehmen in Münster und dem Münsterland könnten aber – so hoffen die Stadt und verschiedene Wirtschaftsverbände – viel zur Entwicklung beitragen und eine Zulieferregion für die entstehende Branche werden (darum ging es hier auch schon einmal).
Was die Wasserstoff-Vorhaben nicht leisten können
Etwas problematisch ist, dass das Ratspapier die Wasserstoff-Vorhaben mit dem Ziel in Verbindung bringt, Münster bis 2030 klimaneutral zu machen. Und es schlägt auch einen Bogen zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, der gebotenen Unabhängigkeit von russischen Gasimporten und gestiegenen Preisen für fossile Brennstoffe. Bei all diesen Herausforderungen kann Wasserstoff kurzfristig nicht helfen. Die Verwaltung schreibt selbst von mittel- bis langfristigen Zielen, lässt aber offen, von welchen Zeiträumen die Rede ist.
Nach allem, was wir jetzt wissen, wird es bis 2030 jedenfalls noch nichts. Deutschland wird seinen Bedarf an grünem Wasserstoff bei Weitem nicht aus eigener Herstellung decken können. Die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung geht davon aus, dass Deutschland ab 2030 pro Jahr 90 bis 110 Terawattstunden Energie aus Wasserstoff benötigen und davon 14 Terawattstunden selbst produzieren wird. Eine Terawattstunde sind eine Milliarde Kilowattstunden, aber das hilft beim Vorstellen jetzt wahrscheinlich auch nicht weiter. Deshalb hier zwei Vergleichswerte:
- Deutschland verbraucht zurzeit etwa 600 Terawattstunden Strom pro Jahr (Bruttoverbrauch).
- Um genügend Wasserstoff für ein Stahlwerk von Thyssen-Krupp in Duisburg herzustellen, bräuchte man 3.500 neue Windräder.
Wir müssen hier also in wirklich großen Dimensionen denken. Woher nehmen?
Es sind verschiedene Länder im Gespräch, aus denen Deutschland grünen Wasserstoff importieren könnte. Vier davon – Marokko, Spanien, Chile und die Niederlande – haben sich das Wuppertal-Institut, ein Fraunhofer-Institut und das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft exemplarisch für eine Studie angeschaut. Das Ergebnis: Die Länder werden bis 2030 voraussichtlich nicht die Mengen Wasserstoff nach Deutschland liefern können, die hier eingeplant werden, zum Beispiel weil sie mit dem Ausbau von Solar- und Windparks nicht schnell genug hinterherkommen und selbst immer mehr grüne Energie brauchen.
Ein anderes Beispiel: Deutschland hat gerade eine Wasserstoff-Kooperation mit Australien angestoßen. Aber: Es gibt noch keine konkrete Liefervereinbarung, sondern die beiden Länder wollen Projekte fördern, um eine gemeinsame Lieferkette aufzubauen.
In Australien steht eine Pilotanlage, die (bisher noch nicht grünen) Wasserstoff für den Transport verflüssigen soll, sie wird voraussichtlich erst in den 2030er-Jahren wirtschaftlich arbeiten können. Und apropos Transport: Der Wasserstoff müsste mit Schiffen nach Deutschland gebracht werden. Einige Schiffsmodelle führt die oben genannte Studie von IW, Wuppertal- und Fraunhofer-Institut, die sich auch mit der Transportfrage beschäftigt hat, noch mit dem Status „angedacht“. Beim niedrigsten angenommenen Importbedarf in 2030 und mit einem Schiffstyp, den es schon gibt, müssten pro Jahr 250 Schiffe deutsche Häfen ansteuern und Wasserstoff liefern. Und das wäre auch noch nicht grün: Die Schiffe werden noch mit Diesel angetrieben, erst Mitte der 2030er-Jahre sind wasserstoffbetriebene Modelle zu erwarten.
Das sind noch längst nicht alle Herausforderungen, reicht aber, um zu sehen: Es braucht Geduld.
Worum geht es also?
Für die Stadt und die Region geht es vor allem um wirtschaftliche Interessen, sie sollen nicht abgehängt werden und sich neue Chancen eröffnen. Sowas ist immer gut. Und es ist natürlich auch eine gute Sache, dass Münster die aufstrebende Technologie mit voranbringen soll, die so schnell wie möglich in der Industrie und für große Fahrzeuge gebraucht wird. Um bis 2030 klimaneutral oder schnell unabhängig von Putin zu werden, kann grüner Wasserstoff aber keinen großen Beitrag leisten; es wird ab 2030 erst richtig losgehen. (cbu)
+++ Die Stadt meldet heute 228 Neuinfektionen mit dem Coronavirus in den letzten 24 Stunden. Damit liegt die offizielle Wocheninzidenz in Münster laut Robert-Koch-Institut bei 266 positiven PCR-Tests pro 100.000 Einwohner:innen in den letzten sieben Tagen; 1.285 Münsteraner:innen gelten heute als infiziert. Drei Menschen liegen auf der Intensivstation, zwei von ihnen müssen beatmet werden. Seit Beginn der Pandemie sind 230 Menschen an oder mit einer Covid-19-Infektion gestorben. (ast)
+++ Bald soll er da sein, der lang erwartete Omikron-Impfstoff. 14 Millionen Impfdosen soll Deutschland bekommen, frühestens diese Woche sollen laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die ersten Lieferungen ankommen, allein 2,8 Millionen Dosen in Nordrhein-Westfalen. Wann genau der neue Impfstoff in Münster angekommen wird, kann uns die Stadt noch nicht sagen. Aber wir können uns ja schon einmal die Zeit für einen kleinen Überblick nehmen:
- Was bekommen wir da eigentlich? Der neue Impfstoff ist ein gemischtes Präparat. Es wirkt gegen den Wildtyp des Coronavirus, aber auch gegen die Omikron-Variante. Genau genommen ist der Impfstoff an die Sublinie BA.1 angepasst. Seit Juni dominiert aber der Omikron-Typ BA.5 das Ansteckungsgeschehen in Deutschland.
- Heißt das, der Impfstoff nutzt nichts? Nein. Die Antikörper, die der neue Impfstoff bildet, schützen auch vor BA.5. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA prüft auch schon einen BA.5-Impfstoff von Biontech und Pfizer.
- Wer sollte sich impfen lassen? Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt allen über 60-Jährigen, Vorerkrankten ab 5 Jahren und medizinischem Personal eine vierte Impfung. Diese Entscheidung hat die Stiko auch getroffen, um die Ausbreitung der Omikron-Variante zu reduzieren. Weil sich ab Herbst erfahrungsgemäß wieder mehr Menschen anstecken, könnte die Stiko ihre Impfempfehlung noch ausweiten.
- Was sollten alle anderen machen? Gute Frage, nächste Frage. Weil alle inzwischen sehr uneinheitlich geimpft oder genesen sind, fällt es schwer, abseits der Stiko-Empfehlungen allgemeine Aussagen zu treffen. Fakt ist: Für junge, gesunde Menschen gibt es (noch) keine Empfehlung für einen zweiten Booster. Entsprechend wenige haben sich bisher viermal impfen lassen. Deshalb gibt es kaum Erfahrungen zu unerwünschten Begleiterscheinungen der vierten Impfung, die bei einer Risiko-Nutzen-Abwägung hilfreich wären. Der Zeit sagte Leif Erik Sander, Infektiologe an der Berliner Charité, es könne sinnvoll sein, mit der Impfung zu warten, bis wieder mehr Virus im Umlauf ist. Aber: Ein Booster erhöht das Antikörperlevel und senkt dadurch das Risiko, schwer zu erkranken und andere anzustecken.
- Und was ist mit Impfwilligen, die Covid-19 hatten? Die Stiko empfiehlt, nach einer Infektion mindestens drei Monate mit dem Impfen zu warten. Ungeimpften, die schon dreimal oder öfter Covid-19 hatten, empfiehlt die Stiko ebenfalls einen Booster.
- Wo kann man Termine zum Impfen in Münster ausmachen? Ganz einfach hier. Es wird aber nicht nur Angebote in der zentralen Impfstelle der Stadt im Jovel geben, sondern auch in den Hausarztpraxen und einigen Apotheken. Die Stadt überlegt derzeit, wie sie in den äußeren Stadtbezirken wieder mobile Impfangebote schafft. (sfo)
+++ Das Bistum Münster rechnet wegen der vielen Kirchenaustritte und der demografischen Entwicklung für die kommenden Jahre mit stark sinkenden Einnahmen. (Bistum Münster)
+++ Das russische Künstlerinnenkollektiv Pussy Riot hat beim Auftritt in Münster ein komplettes Embargo für russisches Öl und Gas gefordert. (WDR)
+++ Der städtische Parkhausbetreiber WBI könnte bald in die Stadtwerke eingegliedert werden. (Westfälische Nachrichten)
+++ Am Donnerstag ist landesweiter Warntag. (WDR)
+++ Stadtbaurat Robin Denstorff hätte im Stadthafen 2 gern ein Schwimmbad. (Westfälische Nachrichten)
+++ Das LWL-Museum für Kunst und Kultur wird Anfang November internationales Pressezentrum des G7-Treffens und deshalb sechs Tage geschlossen bleiben. (Landschaftsverband Westfalen-Lippe)
+++ Die Stadt und die Uni Aachen testen im Oktober, ob Busse auf der Weseler Straße mit Hilfe von künstlicher Intelligenz schneller werden. (Westfälische Nachrichten)
+++ Ein Streit um Weinreben an der Hammer Straße ist beigelegt. (Münstersche Volkszeitung)
Die alte Cibaria-Backstube an der Bremer Straße ist seit einiger Zeit eine Baustelle. Hier zieht Wilma ein, ein neues Projekt im Hansaviertel. Und seit letzter Woche gibt es im Vorgarten auch schon allerlei Leckereien: Kaffee, Pancakes, Stullen, vieles davon vegan und alles auch zum Mitnehmen. Auf dem Instagram-Account von Wilma können Sie sich einen ersten Eindruck verschaffen. Oder Sie schauen einfach mal vorbei, donnerstags und freitags zwischen 8 und 16 Uhr oder samstags und sonntags zwischen 10 und 16 Uhr. (est)
Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!
Den Überblick über die nächsten Tage hat heute wieder Eva Strehlke. Vor allem in den Kinos ist viel los:
+++ Am Donnerstag gibt es die letzte Vorstellung dieses Sommers beim Kamp-Flimmern, dem Open-Air-Kino am Hawerkamp. Es läuft der Publikumswunschfilm „Heikos Welt“, Karten gibt es hier. Der Film startet zwar erst bei einsetzender Dunkelheit, Sie können aber schon eher kommen und auf Wunsch selbst mitgebrachtes Grillgut auf den bereitgestellten Grill legen.
+++ Am Wochenende steigt dann in ganz Deutschland das Kinofest, und auch das Cineplex Münster macht mit. Das Programm finden Sie online.
+++ Noch ein besonderes Angebot des Cineplex im September und Oktober ist das 25-Tage-Ticket. Für einmalig 25 Euro können Sie im Aktionszeitraum 25 aufeinanderfolgende Tage lang so viele Filme des regulären Programms besuchen, wie Sie möchten. Alle Details können Sie hier nachlesen.
+++ Liebhaber:innen von Buchverfilmungen sollten sich das Literatur-Film-Festival Litfilms vormerken. Das startet auch am Wochenende im Schloßtheater. Für den Eröffnungsfilm „Mittagsstunde“ (nach einem Roman von Dörte Hansen) gibt es noch einige Resttickets. Das gesamte Programm finden Sie hier.
+++ Und zum Schluss noch etwas ohne Kino: Bei den nächsten Terminen der Quizliga Münster sind noch ein paar Plätze frei, zum Beispiel am Donnerstag beim Pubquiz im Schlossgärtchen. Alle Termine finden Sie auf der Homepage, anmelden können Sie sich per E-Mail.
Am Freitag schreibt Ihnen Ralf Heimann. Ich wünsche Ihnen eine gute Woche. Und vielleicht haben Sie es gemerkt: Vorgestern ist unsere Kolumne leider kurzfristig ausgefallen. Am Sonntag kommt aber wieder eine.
Herzliche Grüße
Constanze Busch
Mitarbeit: Sebastian Fobbe, Jan Große Nobis, Ralf Heimann, Eva Strehlke, Antonia Strotmann
Lektorat: Antonia Strotmann
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PS
Wenn man sich mit Wasserstoff beschäftigt, kommt man an Jules Verne nicht vorbei. Viele Texte zu dem Thema beginnen mit dem Hinweis, das Schriftsteller-Genie habe die Wasserstofftechnologie ja schon im 19. Jahrhundert vorhergesagt. Es gibt einen Jules Verne Mobilitäts-Award, der allerdings kein Forschungs-, sondern ein Medienpreis für Beiträge zum Thema ist. Unternehmen schreiben auf ihren Websites von Jules Vernes Traum. Das Zentrum für Brennstoffzellentechnik in Duisburg begrüßt offenbar Besucher:innen mit dem berühmten Zitat des Autors. Ein anderes Unternehmen zitiert gleich einen ganzen Romanauszug. Aber was hat Verne denn nun so Geniales gesagt? „Die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist. Die so zerlegten Elemente des Wassers, Wasserstoff und Sauerstoff, werden auf absehbare Zeit hinaus die Energieversorgung der Erde sichern“, so steht es im Roman Die geheimnisvolle Insel. An einer anderen Stelle bezeichnet er Wasser als „Kohle der Zukunft“. Das ist wirklich ziemlich genial. Und es ist leider immer noch wahr: Es ist die Energie von morgen, nicht von heute.
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